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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

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JAHRBÜCHER 



für 



classlsche Philologie. 



Herausgegeben 



Alfred Fleckeisen. 




E2RI§TE2R ISUPPIifiMfiMTBAMD. 



Leipzig^ 1855-1856. 

Druck und Verlag von B, G. Teubner. 



Inhalt svefzeichnis. 



1. Zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. Von 
August Boeckh in Berlin 1 — 107 

2. Zur Dialektik des Piaton. Vom Theaetet bis zum Par- 
menides. Von Eduard Alherti in Griinholz 109~1C8 

3. Gergovia. Zur Erläuterung von Caesar de hello Gallico 
VII 35—5 J. Von Max. Achilles Fischer in Clermont- 
Ferrand 169 — 198 

4. Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. Von August 
Mommsen in Parchim 199 — 266 

5. lieber die Glaubwürdigkeit der Neuen Geschichte des 
Ptolemaeus Chennus. Von Rudolf Hercher in Rudolstadt 267—293 

6. Lectienes Lysiacae. Von Carl Scheibe in Neustrelitz . . 295 — 372 

7. Die Vögel des Aristophanes. Von Carl Koch in Anclam 373 — 402 

8. Zur Kritik von Plutarchs Tischgespräch^».: :Voft Hiihard l * :v :\ 

..... i03r- 419 



Franke in Dresden. 



Neue / / / 

JAHRBÜGHER /^ 

für 

Philologie und Paedagogili. 



Begründet 

von 

M« Johann Christian Jahn. 



Erste Ahtkeilang: 

für classische Philologie, 

heraasgegeben 

■ von 

Al£red Eleckeisen. . ...-^ ^ 



]le«€ F«lge der Sipplenente. 
Erster Band. 



m 



Leipzig, 

Drnck und Verlag von B. G. Teubner. 
1855. 



Zur 

Geschichte der Mondcyclen 

der HdleMii. 

Von 

August Boeckh. 



1. 

Zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. 



1. Joseph Scaliger, der Begründer der chronologischen For- 
schung auf dem Gebiete des Alterthums , hat den Hellenen eine Te- 
tra§tens und eine Oklaeteris beigelegt, deren Grundlage ein dreifsig- 
tagiger bürgerlicher Monat ist. Die Tetraeteris besteht ihm aus 1447 
Tagen , welche in 48 bürgerliche Monate vertheilt sind , deren jeder, 
mit Ausnahme eines neunundzwanzigtagigen, 30 Tage hat, wozu je- 
doch in jedem Jahre noch zwei überschüssige Tage kommen, die er 
flliiQccg avcr^^ov^ oder uQxaiQealag nennt , so dafs 3 Jahre je 362 , ^i* 
nes 361 Tage haben. Seine Oktaäteris begreift zwei 'solcher TetraSte- 
riden und am Schlufs einen Schallmonat von 30 Tagen, zusammen 
2924 Tage. Hierdurch erreichte er, dafs, da die Tetraeteris von 1447 
Tagen 49 synodischen Monaten aufs nächste gleich ist, am Schlufs 
der Tetraeteris, die mit einem Neumond begonnen hatte, eine Aus- 
gleichung mit den natürlichen Monaten stattfand und die folgende Te- 
traeteris wieder mit einem Neumond begann ; sodann erlangte er da- 
mit, dafs, weil 8 julianische Jahre 2922 Tage enthalten, jede OktacS- 
teris wieder beinahe von demselben Punkte des Sonnenjahres ausgieng. 
Dagegen erreichte er damit nicht, dafs die einzelnen bürgerlichen Mo- 
nate mit den Mondphasen übereinstimmten , aufser an den Grenzen der 
Tetraeteriden und Oktaeteriden. Ich verweise der Kürze halber auf 
Ideler (Handb. der math. u. techn. Chronol. I S. 254 f.). Auch ftbge« 
sehen von der ganz schlechten Erfindung der anarchischen Tage, die 
'•einer jetzt längst beseitigten Fabelei eines Scholiasten nachgebildet ist, 
, hat dieses System einer gründlicheren Forschung weichen müssen; 
alle bedeutenderen Nachfolger von Petavius an haben sich überzeugt, 
* dafs die Hellenen Mondmonatc von 29 und 30 Tagen , und Mondjahre 
mit entsprechenden Schallmonaten hatten , durch welche letztere eine 
Ausgleichung mit dem Sonnei^jahre bewirkt werden sollte. So bü* 
dete man zunächst Jahre von 354 und 384 Tagen , die nach gewissen 
Cyclen aufeinander folgten; weil jedoch diese Cyclen sehr unvollkom- 
men berechnet waren, bedurften sie zeitweise bedeutender Gorrectio* 
nen, namentlich durch Jahre von 355 Tagen, und bei dem Mangel an 
zureichenden astronomischen Kenntnissen waren Irrungen und Unord-; 
nung^ im Kalender nicht zu vermeiden , wenn zumal die Staaten auf 
die Fortschritte der Astronomie nicht immer achteten. So bemerkt 
noch Aristoxenos zu einer Zeit , wo man bereits ziemlich unterrichtet 
war, in einer schon von Ideler angeführten Stelle (Harm. elem. II S. 

Jahrb. f. elass. Philol. Suppl. N. F. Bd. I. 1 



2 A. Boeckh: zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. 

37 Meib.)> ^^^ sich bei meinen früheren Stadien über griechische 
Musik mir dargeboten hatte: *wenn die Korinther den zehnten des 
Monats hätten , zählten die Athener woi erst den fünften und andere 
^en achten': ganz natürlich, indem die Monate der einen richtig, die 
der andern einige Tage, nemlich zwei bis drei, zu früh, die der dritr 
ten einige Tage zu spät im Verhältnis zum Mond begannen. Selbst 
noch in Plularchs Zeiten hatten andere Staaten andere Anfänge und 
Schlüsse der Monate (Plut. Arist. 19). Diesen Mondcyclen gegenüber, 
worunter ich, wie sich aus dem gesagten von selbst ergibt, sogenannte 
lunisolare verstehe, will ich den Scaligerschen Cyclus oder diesem 
ähnUche , um nur einen Namen dafür zu haben , weil sie auf dreifsig- 
tägigen Monaten beruhen , Tricesimalcyclen nennen. 

2. Nachdem uns vor kurzem ein hellenisches Sonnenjahr ge- 
boten worden, welches ohne alle Begründung ist, tritt neuerdings 
Wilh. Fr. Rinck, einer meiner frühesten ehemaligen Zuhörer, in sei- 
nem Werke *die Religion der Hellenen' (II S. 28 ff.) mit einer Erneue- 
rung der Tricesimal - Oktaeteris auf. Er meint, Ideler habe die sinn- 
reiche Art, wie fecaliger die Ausgleichung des dreihunderlundsechzig- 
tägigen Jahres mit der Sonne und dem Mond versucht, nicht erwo- 
gen ; es ist aber einleuchtend und zugestanden , dafs eine Ueberein- 
stimmung des Tricesimalcyclus mit dem Monde nur im Anfang und 
Ende der Perioden stallfindet , und darum muste ihn Ideler verwcr^- 
fen , da eben dieser Einwurf dagegen nicht beseitigt werden tenn und 
auch von Rinck nicht beseitigt ist; obwol dieser (S. 31) behauptet, 
durch seine Darstellung werde Idelers Bedenken schwinden, was nur 
in Beziehung auf einen von Ideler in seinem Handbuche (I S.260) und 
in dem Lehrbuche (S. 111) gebrauchten Ausdruck nachgewiesen ist. 
Rinck hat nun die Tricesimal -Oktaeteris mit einigen Abweichungen 
von Scaliger in einer (zu S. 42 gehörigen) Tafel dargestellt in 16 Ok- . 
tagteriden von Ol, 72, 1 bis Ol. 103, 4. Wir wollen nicht fragen, 
warum gerade jenes Jahr zum Ausgangspunkt genommen wird, das , 
crÄte Jahr einer gleichen, und nicht vielmehr das einer ungleichen*' 
Olympiade; denn bei der Beweglichkeit der Schaltjahre in diesem Cy* •' 
dus ist dies unwesentlich, und vielleicht hat es seinen Grund darin;' " 
weil von Kieislhenes ab gerechnet ist. Jede Tetraeteris beginnt niit ' 
dem Neumonde, der mit oder nach der Sommerwende voll wird; die . 
Okta^feriden haben abwechselnd 2924 und 2923 Tage, aufser dafs aus 
einem triftigen Grunde die fünfzehnte, die kein Schaltjahr hat, nur 
3B94 Tage enthält und die sechzehnte 2924, so viel ich durch Rech- 
nung gefunden habe : denn Rinck hat nicht ausdrücklich angegeben^ 
Wie lang jedes Jahr sei. In jeder Tetra^eris hat das erste Jahr 361, 
das zweite und dritte je 363, das vierte 360 Tage, wenn nicht eines 
derselben ein Schalljahr ist: warum man nicht lieber, wie Scaltger 
tmgenommen hatte, die Jahre möglichst gleich gemacht, also drei von 
i62 Tagen und eines von 361 Tagen gesetzt hätte, finde ich nicht an- 
gegeben. Die Schaltjahre finde ich zu 369, 390, 391, 392, 393 Tagen 



A. Boeekh: zor Gcäefekhte der Moodcyelen der Helienen. ^ 

gerechnet; sie haben aber gar keine leste Stelle: z. B. in der ersten 
Okta^teris i^t-das Schaitjahr das zweite, in der neunten das sechste, in 
der zwölften, dreizehnten, vierzelmten das achte, u.dgi.m. (vgkS»4a). 
Dadurch hört der Cycius eigentlich auf ein Cyeius zu sein, weil er 
nicht in gleicher Form wiederkehrt. Die Monate werden zu dO Tagen 
gerechnet und die überschüssigen Tage dem Poseideon zugelegt (S.58 
vgl. S. 49). Nach dieser Oktagteris soll, das olympische Jahr und 
auch das attische geordnet sein , jedoch mit einer sehr grofsen Be- 
schränkung. Scaliger hatte nemlich neben seinem Tricesimaleyclus 
den Hellenen und namentlich den Athenern ein Mondjahr zugestanden 
für den Gebrauch der Behörden, weil er theil weise einsah, dafs darauf 
' die Prytanien beruhten , von welchen er übrigens die verwirrtesten 
Vorstellungen hatte (vgl. Ideler Handbuch I S. 282. 290); so Jhielt er 
sich die Möglichkeit offen , was in den alten für das Mondjahr spricht 
zu erklären : Rinck stellt seine Tricesimal - Oktaateris nur für die Zei- 
ten von Kleisthenes Ol. 67 , 4 (welches Jahr jedoch für das Archontat 
des Kleisthenes keineswegs feststeht) bis Ol. 1<^, 1 auf, indem er 
setzt , mit Ol. 102 , 2 sei der metonische Cycius angenommen worden 
(S. 37. 56), eine Setzung die jeder haltbaren Begründung enlbehrt; 

• Kleisthenes habe das von Selon angeordnete Mondjahr wieder Aufge- 
hoben und das ursprüngliche , annäherungsweise dreihundertsechzig- 
tSgige Jahr wieder hergestellt: denn dafs das solonische Jahr ein 

. Mondjahr war , bleibt unbestritten. Alles was auf Mondjahre der Hel- 
lenen fahrt, behält hierbei seine Gilligkeit, namentlich die lieber- 
lieferung über die abwechselnden Monate von 29 und 30 Tagen in der 
■.]■ Oktaeleris und über die Dauer der Prytanien von 35 und 36 Tagen; 
.;'nur darf es nicht auf den bezeichneten Zeitraum bezogen werden. 
Dadurch wird es sehr erschwert, diese Tricesimal - Oktaeteris zu be- 
seitigen, zumal wenn sie mit so vieler Kenntnis , Sorgfalt und Ge- 
•- -schicklichkeit, wie hier von Rinck, gebildet und gerechtfertigt ist: 
p man mufs die Beweise des Gegentheils gerade für den benannten Zeit- 
'l^^faum führen. Diese könnten erstlich in allgemeinen Gründen bestehen. 
'..ISö ist in der That kaum abzusehen , was Kleisthenes mit dieser Tri- 
*»^cösimal- Oktaeleris besseres erreicht hätte als man mit einem Mondcy- 
'^« cljis erreichen konnte, wie das solonische Jahr ihn voraussetzt; ja man 

* erreichte durch jenen Tricesimaleyclus gar nicht eine stetige Regel, 
• die nur der Correclion bedurfte, sondern jede Oktaateris war eine 

.. • Aeue , die jedesmal erst festgestellt werden muste. Doch beweist 
, .dies freilich nicht viel. Eben so wenig beweist viel gegen die Trice- 
simal -Oktaeteris, dafs gerade in dem flraglichen Zeitraum die Feste der 
Grötter an den Mond gebunden waren , wie unter anderm aus Aristo- 
phanes und etlichen Stellen des Euripides zu schliefsen ist (HerakL 
779. Tro. 1075. Alk. 450 ff. Barn.); denn dies stellt auch Rinck nicht 
in Abrede , sondern lehrt es vielmehr selber , wie von den Olympien, 
den Kamelen (S. 141), auf welche sich eine jener euripideischen 
. Steilen, die in der Alkestis bezieht. Anderes, was gegen die Trice- 
simal -Oktaeteris angeführt werden kann, weiTs Rinck gerade füjr sie 

1* 



4 A. BoeckK: zcir Gesehtchle der IMbadcyelcn der Heltoen. 

zu wenden oder weni^tend damit zu vereinigen. So sie^n die 
Athener bei Naxos unier Ghabrias Ol. 101 , 1 nach Plutarch (Garn. ^^9) 
im Boedromion um den Vollmond (n&^l xt^v navaikr^vov) ; der Sief 
fiel a1»er nach Polyaens (III 11, 2) genauer Angabe auf einen der.jMyB- 
terientage, den 16n Boedromion, den Ghabrias absichtlich zun^'Ati^ /; 
griff gewählt hatte: an welchem. Tage auch eine Festspende dafär in 
Athen stattfand (Plut. Phok. 6. de glor. Alh. 7), die in diesem Falle 
mit dem Schlachttag übereinstimmte: dies passt sehr gut stxS einen ; 
Mön[dmonat , aber freilich auch zu Rincks Gyclus (S. 55 fO- Mehre- 
res der Art werde ich unten erwägen und dabei allerdings daraus ^ 
nachweisen, dafs Rincks Gyclus nicht haltbar Ist; hier kann ich «auf 
solche Einzelheiten noch nicht eingehen. Aber eine Einzelheit mufs; 
ich schon jetzt erwähnen, da ich darauf wieder zurückzukommen nicht 
veranlafst bin. Die Zinsen wurden bekanntlich zu Athen gewöhn- 
lich monatlich bezahlt. Dafs diese Monate nach dem Monde g^essen 
wurden , wenn auch nicht immer genau , das zeigt uns Strepsiades^ in 
den Wolken. Mit dem Monde schreiten die Zinsen fort; daher llrgert. 
sich Strepsiades , dafs der Mond den zwanzigsten (elxcidag) herbdi- . 
führe, weil dadurch der Zahlungstag näher kommt (Vs. 17). *Wcnn 
der Mond nicht mehr aufgienge , brauchte ich die Zinsen nicht zu. ^ .; 
bezahlen'; *denn das Geld wird monalweise (xcnra [lijvcc} angelie-r' 
hen? (Vs. 751). Ich stelle anheim, ob man auch auf einen Beweis vpnfi ... 
stillschweigen etwas geben wolle: Geminos, der uns über die Oklaö- .' 
teris ziemliche Auskunft gibt, weifs nichts von der Tricesimal-Ok- . ' 

taeteris. ? / 

'"^ .-■- 

3. Ehe ich an die Beseitigung der besonderen Gründe gehef|: 
welche für diese beigebracht sind , gebe ich jetzt gleich einen entscheid '• 
diBnden Beweis, dafs die Athener im peloponnesischen Kriege,: aisf>r-|. 
eben in. einem Theile des Zeitraumes, für den die Tricesimal-Oktaöj.v. 
teris aufgestellt worden, ein Mondjahr und einen Mondcyclus haitehv^^; 
Rinck (S. 36) führt aus meiner Abhandlung über zwei attische RecÄ-«f .- 
nungsurkunden (Ablih. der berliner Akad. d. Wiss. vom J. 1846) äiif^^ • 
ich sei durch attische Inschriften aus Ol. 88, 3 — Ol. 89,2 aufmaFfe-«?. -• 
sam. geworden, dafs ihre Zeitangaben nicht in den metonischen Gydil^^i- 
passen; ersucht an einer andern Stelle (S. 46) meine dortige Auf-- •. 
Stellung zu widerlegen, dafs das Jahr Ol. 89, 1 ein Schaltjahr gewto».* \ 
sen; ich hätte dies, sagt er, nur unter der Voraussetzung von Mon^-;. ^ 
Jahren darum so. bestimmt, weil die zwei vorhergehenden Jahre Gck-^;:. 
meinjahre seien, und mit 'der Voraussetzung falle die Schlufsfolg^"...-"; 
Es wird mir seh wer. einzusehen, wie der Vf. nicht erkennen konnte, ^ 
dafs die Voraussetzung, die er bestreitet, für das Verständnis der In- 
schrift eine nothwendige war , und dafs , während ich aus der In- *- 
Schrift beweise , dafs . der metonische Gyclus damals in Athen nicht 
eingeführt gewesen, zugleich und viel stärker von mir stillschweigend * 
bewiesen ist, dafs damals ein Mondjabr und ein Mondcydus in Athen 
galt^ nicht aber seine Triceisimal - Oktaeteris* Er scheint meinen Be-^ 



A. Boseckh: «ur Oesdiicüte »der Mondeyefen der Hellenen. & 

weis zu biütifeii; dals der irietoAische Cyeluä daimals in Athen nicht 
im Gebrauch war, und bedenkt nicht oder akgi nicht, dafsaus densel- 
ben Grundlagen, aufweichen dieser Beweis ruht, sein Tricesimalcy- 
elu» sich widerleget. Er mu^te Rangab^s, auf de^ ich theilweise 
fufse, und meine Ansichten und Rechnungen widerlegen, ehe. «ein Cy- 
das aufgestellt wierden konnte. Die Sache ist einfach die. Die hier 
in Betracht kommende Urkunde ist ein Verzeichnis der heiligen. -Gel- 
der der Athenaea, welche der Staat in Ol. 88, 3 — 89, 2 entliehen 
hat, mit Angabe des Zahltages, der Kapitalien und der bis zu Ende 
von Ol. 89, 2 aufgelaufenen Zinsen. Die erste Aufg9d>e bei Erklärung 
des Denkmals war, denZinsfufs zu finden: es ist Rangab^s Verdieiist 
diesen gefunden zu haben ; in der übrigen Rechnung und in der. Er- 
gänzung liefs er mir vieles übrig, und ich habe diese bis auf ein ein> 
ziges völlig gieichgiltiges und einflufsloses Versehen, welches Red- 
lich in seiner trefflichen Schrift ^ der Astronom Metoa und sein Cy- 
elus' Hamburg 1^54 (S. 71) berichtigt hat, so weit durchgeführt als 
es irgend möglich scheint. Rangabe fand den Zinsfufs unter der Vor^ 
aussetzung, der melonische Cyclus habe damals in Athen gegolten, 
und zwar indem er eine eigenthümliche Conslruction desselben auf- 
stellte, die er selber in den Anhängen wieder verworfen hat;' dessen 
ungeachtet bleibt das Ergebnis richtig , zu dessen Findung gar nicht- 
ein bestimmter Cyclus vorausgesetzt zu werden brauchte, wie ich 
schon früher (a. a. 0. S. 388 f.) bemerkt habe : vielmehr muste die 
Dauer der einzelnen Jahre erst aus der Inschrift bestimnU werden. 
Rangabä £and, da£s die erste . Zahlung von Ol. 88, 4, bei welcher al- 
lein der .Zahltag,- der dritle der vierten Prytanie, das Kapital, :30 Ta- 
lente, und die Zinsen, 5910 Drachmen, vollständig erhalten sind, un- 
ter der Voraussetzung, die Zinsen seien für 985 Tage bezahlt, einen 
täglichen Zins von 20^ für 100^ ergebe, oder wie ich es aus^duücke,' 
von ^%oo f^ lOO*'. Ich habe dieses angenommen , und mit der einzi- 
gen nicht sehr bedeutenden Aenderung, dafs ich den- Zahltag nicht 
wie Ranjg^abe schon als zinstragend ansehe, sondern von den ZmelS'' 
gen ausschiiefse , die Inschrift so weit als möglich hergestellt , auch 
die Entstehung dieses geringen Zinsfufses erklärt. ■ Ist dieser ZirisAifs 
richtig gefunden, so ist das Mondjahr und ein Mondcyclus nachge- 
wiesen; denn es erweist sich nach den wol aliein möglichen :£rgän' 
Zungen und Rechnungen, dafs Ol. 88, 3 355 Tage, Ol. 88, 4 364, OL' 
89, 1 384, Ol. 89, 2 355 Tage gehabt habe (a. a. 0. S. 361), ^iediesi 
auch Redlich anerkannt hat. Man kann nun fireilich sagen, es sei* 
nar eine Setzung ,. dafs jener Zins für jenes Kapilal gerade für 96£i 
Tage berechnet sei: es istxaber zuibemerken, dafs der unter dieser' 
Voraussetzung gefundene Zins in allen bish^ vorgekommenen Fällen^ 
die ich weiterhin anführen werde, sich bewahrt hat. Dennoch kann* 
der Beweis noch nicht zwingend erscheinen ; ao lange nicht bewiesen 
ist,- dafs jener aus der Voraussetzung des Zeitraumes von 985 Tagen' 
gefundene ZinsfuDs der einzig mögliche sei: der Zinsfufs mufs an sich- 
erwiesen werden, nicht unter jener Voraussetzung, und dazu haben 



C A. Boedkh: Eur GeadMebie der MbttieyQten 4er UelMcni 

wir gifteklicherweise jeUt sabon mehr Mittel, als bei der ersten Be* 
haadlong des Gegenstandes su Gebote standen. 

4. In dem Monatsbericht der Akademie de Wiss. vomOctober ld6a 
(S. 667 ff.) habe ich ein Bruchstück einer attischen Rechnungsurkunde 
herausgegeben, welche der oben erwähnten ähnlich ist; nur bezieh! 
sie sich meist auf Anleihen von den andern Göttern und auf das letzte 
Jahry und die 7 ersten Zeilen abgerechnet, die fQr unsere Untersuchung 
keine Bedeutung haben, besonders auf die aus zahlreichen Posten beste* 
hende letzte Zahlung in der gewöhnlichen Finanzperiode, der panathe« 
aaischen. Was den Zinsfufs betrifft, so habe ich ihn nicht erst erwie- 
sen, sondern kurz bemerkt (S. 574): *er ist derselbe, der früher für 
die Gelder der Athenaea auf der Burg gefunden worden, Ymo der 
Drachme für die Mine täglich'; allerdings aber habe ich zugleich 
nachgewiesen , dafs alle vollständig erhaltenen Posten hiermit auf das 
genauste übereinstimmen und die mangelhaften, von denen noch et- 
was genügendes übrig ist, sich darnach in Uebereinstimmung mit den 
Bäumen ergänzen lassen, und zwar bis in die kleinsten Nominale, 
welche in diesen sehr genauen Urkunden in Rechnung gebracht wer- 
den; alles unter der Voraussetzung, daTs die Zinsen für 17 Tage be* 
rechnet seien. Ist diese Voraussetzung richtig, so ist der Zinsfufs 
erwiesen , und damit das Mondjahr und der Mondeyclus : denn an der 
Einerieiheit des Zinsfufses für die Gelder der Athenaea und der an* 
dern Götter kann man nicht zweifeln. Stellen wir nun folgende Er- 
wägung an. Die Zahlung sämtlicher in Betracht kcnnmender Posten 
ist in der zehnten Prytanie erfolgt; vom Tage ist - - %o0j^ übrig* 
Nach meiner wol überlegten Hersteilung stand blofs Bt]KWXtj : da man 
aber hierüber rechten kann, so will ich den zwanzigsten bis vierzigsten 
der Prytanie zugeben, da sogar re0tfor^]xotft^ unter einer gewissen 
Voraussetzung Platz in der Lücke finden könnte ; darüber hinaus kann 
man nicht gehen. Man nehme nun für die Prytanie die geringste 
Dauer von 36 Tagen , und (zum Theil mit Rücksicht auf Rincks lange 
Sehaltjahre und etwanige ungleichmäfsige Vertheilung der Prytaniea 
in solchen) eine nach gangbarer Ansicht unwahrscheinlich hohe von 
44 Tagen und alle dazwischen liegenden Tagzahlea , so erhellt , dafs^ 
wann man den niedrigsten Zahltag, nemlich den zwanzigsten nimmt 
und die höchste Dauer der Prytanie von 44 Tagen , der Zinstage ohne 
den Zahltag 94 sein werden ; nimmt man aber den Zahltag noch zu, was 
ich hier absichtTieh zugestehe, so sind 25 Zinstage; nimmt man wieder 
den höchsten Zahltag, den vierzigsten, und die höchste Dauer der Pry* 
tanie von 44 Tagen, so sind nur 4 oder 5 Zinstage: nimmt man ferner 
die geringste Dauer der Prytanie von 36 Tagen und den niedrigsten Zahl- 
tag, den zwanzigsten, so erhalten wir 15-^16 Zinstage, deren Zahl sich 
vermindert , je nachdem man auch unter dieser Voraussetzung einen 
höhern Zahltag annimmt : endlich die gröste Verminderung unter ir- 
gend einer nach dem Raum der Inschrift denkbaren oder undenkbaren 
¥oraastetzung des Zahltages oder der Ptytanlendauer bt die auf 1. 



A. BaeoUi : zur ClesebüAto der Moodeygotoo der iMlenea. 7 

Per ZinuU^ge sind al/so nacb d«B äu/eemten Vorattaeeizungen l-^S&i 
Gesetzt mao l^abe meht nach Tagen» aoAdern naeh Theilen des Mo- 
nats gerechnet, so fallen auch diese Monatstheiie in diese Grenzen; 
ebenso zum grösten Theile die Quoten der Prytanien, wenige ahge* 
rechnet, um deren willen ich die Rechnung nicht npeh weiliäufUg^ 
machen will 9 da auch unter der Voraussetzung von solchen höhern 
Prytanienquolen, z. B. y^ der Prytanie, steh kein wesentlich verschie-^ 
dsnes Ergebnis finden kann. Nun steht fest, da(s nach den überlier 
ferten Sätzen der Inschrift der nach 17 Tagen berechnete Zinsfufs, dert 
selbe der früher schon aus der gröfsern Urkunde gefunden waJr» 
'%Qo von 100 "^ täglich ist , oder auf 30 Tage und 1000*^ der Zinsl^^ bot 
trägt. Setzen wir aber die in der Inschrift angegebenen Zinsen als 
eintägige*, so würde der Ziosfufs für 1000^ in 30 Tagen 17^ sein, jähr« 
lieh (fi&T 12 Monate ohne Unterschied ihrer Dauer) SO*/» vom Hunderti 
was nicht allein zu hoch für solche Anleihen, sondern nicht tund ist» 
wie man erwartet; wären aber jene Zinsen der Inschrift iür 2, 3» 4 
bis 26 Tage, mit Ausnahme von 17 Tagen, bezahlt, so erhielte maa 
ZiDsfttfscvon"/,,"/,,"/«."/., "/„.7„ 7„ "/„ %, 7„, 7,« 

17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 17/ 

/tB> /l4> /16 5 /t6> /J8 5 /l«> /tOt /tO /itj /tt » /f4> /»• 

der Drachme von je 1000^ für 30 Tage. Oder um einen andern Ans^ 
druck zu wählen, der Zinsfufs bßlruge für denselben Zeilraum, ik 
nachdem die Zinsen in der Inschrift auf 1, 2, 3 Tage und so fort ga« 
rechnet würden , 1 •» für ^^% oder für 58 * ^V„ , 1 * für «^^y,, oder fäc 
U7* "/„, 1* für ^«»<^y„ oder für 176* % und so fort. AJie diese 
Zin&füise sind ungereimt; und man rechne für weichen Zeitraum und 
für welche Summe man wolle , so wird dieselbe Ungereimtheit in einec 
andern analogen Form wiederkehren. Der Zins mufs in einem ein- 
facheii und gewissermafsen runden Verhältnis zum Kapital stehen, wie 
der von 1"^ für 1000"^ und 30 Tage, oder ^y^ ^^ dieselbe Zeit Und 
lOOS welcher ein Zehntheil des. gewöhnlichen Zinsfu&es voni oKMiiat^ 
lieh 1 Proeent ist, der zur Abfindung an die heiligen Kassen bexafaU 
wurde (s. die Abh. in. den Sehr. d. Akad. v. J. 1846 S. 378 f.); daga^ 
gen ein Zinsfufs, welcher je nach den zwei oben angegebenen Se< 
redmungsweisen zum Ausdruck entweder des Zinses oder des- Kap^ 
iais einen Bruch hat, in dem entweder der Zähler oder der Nenner 17 
ist, ein solcher Zinsfufs ist etwas unerhörtes. Was die Zäblev in 
den Ausdrücken ^^%, '°°°yiT, ^^^%7 und so fort und die Nwnws 
in den AusdFjieken "%, "y», "y^ und so fort betrifft, so ist klar dafs 
sie in allen den angenommenen Zinsfüfsen durch die Zahl der Tage 
bestimmt und , für welehe man die in der Inschrift angegebenen Zinn 
sen als berechnet voraussetzt; eine Erscheinung die ebenso s^taaM 
i»L Um kurz zu sein, diese Seltsainkeilen rühren eben daher, daJs 
alle diese aftgenommenen auf mehr oder weniger als 17 Tage ber<9elvi 
neten Zinsfüfse falsch sind, und der wahre der ist, welcher sich Utk* 
det^ wenn die in der Inschrift angegebenen Zinsen die Zinsen von 17 
Tagen sind; daiui erhalten wir statt jener seltsamen Brüche filr lOQD^ 
und M Ta^e als Zina l\ oder für 100"^ und dieselbe Zeit den runden 



8 A. Boeckh: zur Gesohiohte der Moiideyele« "der HeUeaen« 

Bruch ^Yio« Hiermit ist derBeiweis vddleiidet, dafe dieser ZiasMs der 
riehtige sei, aasgenommen dafs man noch ein Bedenken haben könnte. 
Unsere bisherige Betrachtung geht nemlich davon aus^ dafs ein voK- 
kommeneb zutreffen der nach unserm Zinsfofse für eine bestimmte 
Summe sich ergebenden Zinsen mit den in der InschriCl stehenden 
stattfinde; es sei aber, könnte man sagen , vielmehr eine Abrundnng 
des durch Rechnung gefundenen Zinses auf eine naheliegende Kassen- 
münze gemacht, für welche ich feste Grundsätze nachgewiesen habe 
(Monatsber. 1853 S. 575 f.): vielleicht könnten unter Voraussetzung 
einer andern Tagzahi sich durch Rechnung Summen ergeben , die mit- 
telst solcher Abrundung ebenfalls mit den in der Inschrift angegebenen 
stimmten, ohne dafs einer jener beseitigten Zinsfufse oder überhaupt 
ein so ungehöriger wie jene entstände. Dies ist aber unmöglich. Man 
nehme z. B. den Posten Movaav Z. 17. Dieser enthält ein Kapital von 
521^ und den Zins von 1^ y« oder 1^75, auf welche der durch Rech- 
nung auf 17 Tage gefundene Zins 1^,771 abgerundet ist. Allerdings 
würde dieselbe Abrundung nach meiner Tafel (S.576) auch dann statt- 
gefunden haben, wenn die Rechnung 1^,636 oder 1^874 oder anderes 
zwischenliegendes ergab. Da aber die obigen verworfenen Zinsfufse 
genau dasselbe Zinsquantum durch Rechnung ergeben wie der aus 
17 Tagen gefundene Zinsfufs , in dem angenommenen Beispiel 1^71 ; 
80 müste der Zinsfufs , aus welchem sich etwa 1^,626 oder 1^,874 oder 
ähnliches als Zins der 521^ ergäbe, nothwendig zwischen zweien der 
Abrigen , wie zwischen unserem von 1 ^ (oder "/j^) und ^Tig oder zwi- 
schen jenem und ^Yi« liegen, und wäre also noch viel abenteuerlicher 
als die bereits verworfenen. 

5. Nachdem nun bewiesen ist, dafs der Zinsfufs , aus welchem 
sich die in der gröfsern Rechnungsurkunde vorkommenden Zeiten alä 
Zeiten des Mondjahres ergeben, der richtige ist, und dafs namentücii 
zunächst die Zinsen der ersten Zahlung von Ol. 88, 4 für 985 Tage 
berechnet sind, stelle ich noch folgende Ueberlegung an. Ich habe 
gesagt, es lasse sich nicht zweifeln, dafs der aus der kleinern, im 
Monatsbericht der Akad. behandelten Urkunde hervergehende Zinsfufs 
für die Gelder der andern Gölter und der für die in der gröfsern Ur- 
kunde aufgerechneten Gelder der Athenaea ein und derselbe sei. Doch 
ich will noch weiter gehen : . es soll zugegeben werden , sie könnten 
verschieden sein. Es fragt sich , ob für die letztern Gelder sich ein an- 
derer Zinsfufs finden lasse. Es ist leicht zu zeigen , dafs dies unmög- 
lich sei : denn man hätte dann für die benannte erste Zahlung eine 
andere Zahl der Zinslage als 985 vorauszusetzen, und jede nach Lage 
der Sache denkbare andere Zahl von Zinstagen würde einen unstatt- 
haften Zinsfufs ergeben, dessen Ausdruck für 1000* in 30 Tagen ein 
Bruch ist, der zum Zähler die Zahl 985 und zum Nenner die ange- 
nommene Zahl der Tage hat, während nur bei der Anzahl der Zins- 
tage 985 der Zinsfufs 1* oder '^^Vsss Zins ergibt: z. B. wenn man 986 
ZinsUge setzt, ist der Zinsfufs *"%8»; wenn 1003 Zinstage, •®**/ioo»- 



A. Boeekhc z» G^Msiüebte der Mondcyeleii der Hetieaeii. '9 

Diese verkehrten ZinsfUfte entstehen eb^n darum gerade in dieser 
Form, weil die richtige Zahl der Tage 985 ist, ganz nach der Analo- 
gie des kurz vorher (Cap. 4) dargestellten« Das letztere Beispiel von ' 
1003 Tagen habe ich mit Absicht g'ewählt, um dabei zu zeigen , wie 
falsches und. verkehrtes «ich aus RincksCyclus ergibt. Nach diesem 
ist Ol. 88, 4 ein Jahr von 360, Ol. 89, 1 ein Jahr von 361, OL 89, 2 
ein Jahr von 393 Tagen; In einem Jahre von 360 Tagen würde die 
Prytanie 36 Tage gehabt haben; nach dem Zahltage der ersten Zah^- 
lung, dem dritten der vierten Prytanie, blieben also in. Ol. 88, 4 249 
Zittstage, wozu die 361 und 393 Tage, der beiden folgenden Jahre 
kämen , da die Zinsen bis zum Schlufs der panathenaischen Periode 
berechnet sind. Rincks Tricesimai-Oktaeteris ergäbe also 1003 Zinstag^ 
zu dem abenteuerlichen Ziiisfufs von J?^7,oo3 für 1000"^ und 30 Tage. 
Das ganze System ist also unwiederbringlich verloren , und es ist ihm 
durch keine Modificätion aufzuhelfen, da niemals eineUebereinstimmung 
mit den Inschriften daraus hervorgehen kann, welche nur für Mond- 
jahre vorhanden ist. Diese Uebereinstimmung gilt übrigens nicht blofs 
für die erste Zahlung des Jahres Ol. 88, 4: auch bei andern Posten 
findet sie sich mittelst der von mir gemachten nöthwendigen , in eini- 
gen Stellen sogar sehr geringen Ergänzungen, die so lange gelten 
werden bis bessere gefanden sind , was ich ruhig abwarten kann; 
Hierzu kommt die schon früher von mir anerkannte ausgezeichnete 
Gombination , durch welche Rangabe unter Voraussetzung desselben 
Zinsfufses und eines Jahres von 354 Tagen eine Stelle der Inschrift 
C. 1. G. Nr. 144 (vgl. m. Abh. in den Sehr, der Akad. vom J. 1846 S. 
379 nkid Staatsh. d. Ath. U S. 45) aus Ol. 91, 2 hergestellt hat: 
man wird eben so wenig diese Inschrift als die andere mit Rincks 
Tafel in Uebereinstimmung bringen können, welche für dieses Jahr 
392 Tage ergibt. Endlich habe ich in dem Monatsbericht (1853 S. 588), 
freilich mltlelst einer Ergänzung, aber mittelst einer solchen, fürdi« 
nidit 80 leicht eine so genau passende wird gefunden werden können^ 
gezeigt, dafs in der kleinern Urkunde der Zins für ein KapifaFnaeh 
demselben Zinsfufse gerade 1476 Zinstage ergibt: ein zutreffen welr 
ches wenigstens für die Bestimmung des Zinsfufses und folglich mittel* 
bar für den Erweis des Mondjahres auch dann seinen Werth nicht 
verliert, wenn man nicht zugeben will, es seien diese 1476 Tage dort 
gerade eine panathenaische Periode. Wenn diese Beweise für das 
Mondjahr nicht genügen, so mufs man darauf verzichten irgendetwas 
für bewiesen zu halten , was nicht mit klaren Worten sicherer Zeugen 
belegt werden kann. Man könnte zwar noch einwenden , es sei nicht 
bewiesen , dafs es nicht noch eine andere Zeitrechnung geben könhe, 
aas welcher sich die in Rede stehenden Thatsachen erklären lie£sen ; 
aber es kann nicht gefordert werden alle Möglichkeiten auszudenken, 
sondern es genügt gezeigt zu haben , dafs unter den aufgestellten Zeitr 
rechnungen nur die lunisoliare den inschrtftlichen Daten genügt. 

0. Wie war nun aber das hellenische Mondjahr und* der helle- 



10 A. Boedüi: zur fie«diioMe dfir MonAeyeleik der Uettaiieik 

iiiscli6 Ifondcyeius geordnet? Man spricht von einer alten Trieterk; 
und einer Telraetehs oder analoger der Zahlung bei kleinen Zahlen 
Penteteris , wie ich von hier an , vfo loh in eigener Person spreche, 
sie nennen werde , d. h. von Sch'altperioden von zwei oder vier Jah* 
ren (Ideler Handb. I S. 27d)* Diese Periodien hat Ideler in den Erläu- 
terungen und Zusätzen (II S. 607) . mit Recht als ganz unbrauchbae 
fallen gelassen und (S. 606 ff.) in Uebereinslimmung mit mir, da wie 
damals viel über diese Gegenstände verkehrten, anerkannt, dafs ein^ 
wenn auch nicht wissenschaftlich geordnete Oktaeteris sehr alt sei und 
Beziehungen auf dieselbe bis jn die Mythen zorückreichen. Ich hatte 
schon frCiher (Anhang zu d. Abh. über Dem. g. Meid, in den Sehr, der 
Akad. vom J. 1818 — 1819, phiiol. bist. Cl. S. 97 ff.) mehreres dahin 
gehörige nachgewiesen , was ^ph hier nicht alles wiederholen wiU, 
am wenigsten das , was dort aus K. 0. Müllers unabhängigen Forschun* 
gen beigebracht ist: ich erinnere nur daran, dafs die boeotischen, un- 
streitig sehr alten Daphnephorien eine achtjährige Schaltperiode be- 
zeichnen , und dafs die grofsen heiligen Spiele eben solche abgrenz- 
ten; sind sie später vier- und zweijährig geworden^ so geschah dies 
durch eine nachträgliche Interpolation, wodurch dann Penteteriden 
und Trieteriden als Bestandtheile der Oktaeteris, nicht als vollständige 
Schaltcyelen gebildet wurden : eben daraus , dafs sie Bestandtheile 
oder Elemente der Oktaeteris waren , ist das schon in den alten vor- 
kommende Misverständnis entstanden, dafs sie vollständige Schalt- 
cyden seien. So waren bezeugtermaisen die Pythien ursprünglich 
okta€terisch (Schol. Pind. Pyth. S. 296 m. Ausg. Gensorlnus de die 
naL 18, vgl. andere Spuren in der angef. Abb.): wenn ich hiermn 
auch noch eine Spur in den Angaben der parisehen Chronik zu finden 
glaubte (C. I. 6. II S. 336), so will ich zwar auch jetzt nicht in Abrede 
steilen, dafe der Verfasser derselben die erste Pythiade achtjährig 
rechnete, glaube aber, dals Pausanias, der auch diese vierjährig 
nahm , richtiger aus den Katak>gen erzählt hat. Die Olympien grenzen 
eine Sehaltperiode von 99 Monaten ab, die in zwei Penteteriden von 
4/9 und 50 Monaten getheilt war; diese 50 Monate bezeichnet der My- 
thos von den 50 Töchtern des Endymion und der Selene (Paus. V 1, 
Vgl. Explicc. Pind. S. 138, wo ich dies näher erörtere); und nicht 
ganz so thöricht als es scheint ist es, wenn dem Mnaseas der dreüj^ig- 
jährige Schlaf des Endymion dessen dreifsigjährige Vertiefung in. die 
Beobachtung der Mondphasen bedeutete (Schol. German. in den Ara- 
teis von Buhle II S. 11. Fulgentius MythoL II 19). Für die Pyüiien 
ISIst sich das Alter der Oktaeteris noch genau nachweisen: detm abge- 
sehen von einer vorhin berührten Angabe des parischen Chroniaten> 
pach welcher die erste Pythiade der gezählten noch achtjährig ge* 
wesen wäre, steht fest, dafs die pythischen Spiele von Ol. 48, 5 an, 
von welchem Jahre ab die Pylhiaden gezählt wurden y.penteterisch 
waren (Explicc. Pind. S. 206 f.) , die pyUusche Oktaeteris also älter 
als Ol. 48, 3 ist. Wenn ideler anfangs noch geneigt war dem Selon 
die Trieferis zuzuschräben (Handb. I S* 270), so werden wir also kein 



A* B^eflkli» Z4.r Genliicfate der Aiondcxeien der HeUeneii. 1^ 

Bedenken tragen kdanen» ihm die OkUeleFif beiziUesen» da aus dne» 
freilich nicht sehr wolgewählten JBruchstaek der solonischen Kalander-, 
einrichlungen bei Plutareh (Solon26. vgL.Jdeler I S. 266 — 269) g«^z 
deuUich hervorgeht^ dafs er das Mondjahr wqI Qrdnete, die Zählung 
und Benennung der Tage des Monats besUn^mte und also auch ohne 
Zweifel die hohlen und vollen Monate einführte. Er setzte fest, dafs 
die Athener die Tage nach dem Monde rechnen sollten (tag ^fiifag 
7i€tcä üBlriyTiv aynv^ Diog. L. I 59). Man gieng zuerst von der ober* 
flächlichen Beobachtung aus, dafs der synodisehe Monat 29yt Tage be*. 
trage; dies ergab ein Jahr von 35^ Tagen, in welchem, wie von Geiriiqos 
für die Oktaeteris bezeugt ist, die Monate abwechselnd 29 und dO Tage 
hatten (vgl. Ideler a.a.O. S. 521). Wir sind nicht darüber unterrichtet, 
ob in der Oktaeteris der volle oder der hohle Monat vorangieng ; Ge« 
Hiinos (Isag. 6 S. 18 Petav. Doctr. temp. Bd. lü) sagt einmal: o^v 
6$« voevvfjv tfiv alxCav ot iMtxa nolw fi^veg ivciXla^ ayovim »iti^^MS 
jcffi xo^oi, und weiterhin (S. 20) in derselben Ordnung: ytvovtnet 
9vy iv t^ ivucnt^ ¥| ^ki^Q€ig ncil *^ xotkot^j und wiederum: 6ta ik 
vfxvvipf rr^v ahCav ^i\vu Ttcigä f*^v« TtXi^Qtf Kai noihov ayov0iv; aber 
zwischendurch auch umgekehrt: o^ev xoikov %al nXriQ'q.{Ji'^va xata 
lUQOQ iyfyva^v (vgl. auch S. 23)* Solche Stellen lehren nichts. Ide* 
1er (a. a. 0. S. 306) hält das voraufgehen des vollen Monats GJm 
wahrscheinlicher. Dies werde ich auch in den Bechnungen, wo 
nichts darauf ankommt, gewöhnlich befolgen; doch ist mir dieser 
Grundsatz sehr zweifelhaft geworden. Es wäre denkbar, dafs je nach 
den Staaten der Gebrauch verschieden war, und ich werde mir ein 
und das andere mal selbst für Athen erlauben, den hohlen voraufge- 
hen zu lassen, wenn eine mehr oder minder schwierige Aufgabe 
kaum anders lösbar ist. Sollten immer abwechselnd hohle und volle 
Monate aufeinander folgen, so muste sich ihr^, Oj^dnung in aufein^« 
der folgenden Jahren auch nothwendig umdrehen , sobald im vorher^ 
gehenden ein Schaltmonat von 30 Tagen eingefügt war. Zwei volle 
Monate folgten sich nach Geminos (S. 23) iu der Oktaeteris nicht; 
hierbei kann er aber nur an die Regel gedacht haben , nicht an Aus- 
nahmen: denn kommt in einem Jahre ein Zusatztag hin^su^ so mnsten 
nothwendig zwei volle Monate aufeinander folgen, sei es innj^rhalh 
des Jahres oder an der Grenze zweier Jahre : dasselbe gilt, ,wen{| 
man den voUen Schaltmonat in der Mitte des Jahres einschaltet und, 
je. nachdem man das Jahr mit dem hohlen oder vollen Monat ange? 
fangen hat, den vorhergehenden oder den folgenden Monat als vollen 
bestehen läfst. Wo nichts darauf ankommt, werde ich dem vollen 
Sehaltmonat wieder einen vollen Monat folgen lassen; aber für die 
Ldsung einer schwierigen Aufgabe habe ich, davon abgdien müs^ei), 
80 dafs erst im dritt> und viertletzten Monat volle zusaomenkom* 
men; auch konnte ich es nicht vermeiden, ein Jahr mit einem vollen 
schliefsen und das folgende. mit zwei vollen beginnen zu lassen, je- 
doch nur in einer Zeit, in welcher eine B^riqhtigung der Zeitrechnung 
durch unregelmäfsig eingeschobene Zusatztage erfolgen muste, Der 



a A. Boeckh: t\a GeseUchte der-if<Mideycleii €er Heli«iieft 

Znsatztagf zu einem nach der Regel hohlen Monat, der in dem Jalire 
von 355 Tag^n ndthig "wurde, war ohne Zweifel der leiste des Mo- 
nats, und scheint wenigstens -zu Zeiten zur Unterscheidung von der 
gewöhnlichen regelmäfsigen Fvf} xcA ^ia 2\i Svri xal via ifißoXifiog 
bezeichnet worden zu sein : ich schliefse dies aus einem Datum in ei- 
ner Inschrift aus nach- euklidischer, doch nicht später Zeit (Ephem; 
archäeol. Nr. 83) , in welcher aus dem Datum eines Tages - - - 
rAIEMBOAlMQI übrig ist, was schwerlich etwas anderes seift 
kann als [^vji ital v]ia ifißoXlßw. Im Gegensatz dagegen wol heifsl 
der vorhergehende Tag hnj %ul via icqoxiqa, die ich weiter unten 
(Gap. 13), fVeilich nur für ein metonisches Jahr von 384 Tagen, nach- 
weise. Ich bemerke noch, dafs die ifißohiiog in jenem Jahre der 
letzte des Skirophorion war, gerade wie Macrobius (Sat. 1 13, 14) an- 
gibt, die Griechen hätten am Ende des Jahres die zuzufügenden Tage 
eingesclioben, wofQr er den Athener Glaukippos, der über die Hei- 
ligthümer der Athener geschrieben , als Gewährsmann anführt. Ob 
dies von allen Zeiten galt, schien mir zweifelhaft; ich habe in der 
Regel den Zusatztag lieber dem Poseideon beigefügt, ohne dafs da- 
durch der übrige Wechsel der vollen und hohlen Monate unterbroehen 
würde, so dafs sich auch hier drei volle Monate folgen: för die 
Rechnungen , in welchen ich dies gelhan, war die Sache ganz gleich- 
giltig. Ich folgte hierin der Analogie der Einschaltung des Schalt- 
monats. So viel von den vollen und hohlen Monaten. Der Anfang des 
Moriats sollte nicht der wahre oder astronomische Neumond sein, 
sondern das erste erscheinen der Mondsichel nach jenem in der 
Abenddämmerung, welches bald am ersten bald am zweiten oder gar 
erst am dritten Abend nach dem astronomischen Neumond' beobachtet 
Verden könnte (Ideler I S. 279) : indessen konnte auf dieses erschei- 
nen' erst am dritten in keinem geordneten Kalender der Monatsan^ 
fang gegründet werden. Der Tag fieng mit dem Abend an. Um das 
Mondjahr mit dem Sonnenjahre oder den Jahreszeilen auszugleichen^ 
wurden Ift einer Oktaeteris drei Monate von 30 Tagen eingeschaltet 
und je driei einzelnen Jahren zugetheilt ; so entstanden in ihr zuerst 
fünf Jahre von 354, drei von 384 Tagen, weiche zusammen 2922 Tage 
öder acht julianische Jahre enthielten, und zwei Penteteriden, eine klei^ 
nere von 49 Monaten oder 1446 Tagen und eine gröfsere von i50 Mo- 
naten oder 1476 Tagen bildeten. Der Anfang der OktaSteris sollte un- 
streitig für sehr viele Staaten , namentlich wol sicher für das attische 
Jahr, der erste bürgerliche (erscheinende) Neumond nach der Som- 
merwende sein, oder, setze ich hinzu, der mit der Sommerwende 
Zusammentreffende bürgerliche Neumond. So setzt auch Platoii (Ge- 
setze VI S. 767 C) den Jahresanfang mit dem ersten Monat nach der 
Sommerwende. Man muste einschalten, ehe eine Veränderung von 
einem ganzen Monat entstanden war, und das bürgerliche Jahr sollte 
nicht einen Monat und darüber der Sonne vorauseilen (vgl. Ideler I 
S. 296, aus Geminos): ein voreilen des Jahres um wehiger als einen 
Monat und ebenso ein solches zurückweichen des Jahresanfanges vor 



A. Boeokhs ziur 6«sebicble der Mondcyelen der Hellene«. If 

die Sommeryrende war unvenoieidlich; selbst von Meton und Kallip^ 
pos wurde letzteres ebenso wenige als ersteres gescheut (Ideler a. a. 
0. S. 29a, Redlich S. 66), wogegen Rinck (S. 34) ohne einen wah- 
ren Grund kämpft. Demnach waren die Schaltjahre so zu ordnen, 
dars in der Okta^ter^ zwei. Triaden und eine Dyas von Jahren lagen, 
deren jeder letztes Jahr ein Schaltjahr war. Man konnte also die 
Schaltjahre in der Oktaeteris nach den Ziffern der Jahre derselben % ^ 
B, oder 3, 5, 8 oder 3, 6, 8 stellen. Geminos sagt, in der Oktaeteris 
habe die zweite Stellung stattgefunden, fügt jedoch hinzu (S. 20): 
ovdiv 6i dMg>^Bij iav xal iv iilloig ireai t^v avT^v ^iara|iv rmy 
ifißoklfiav (iipfmy noifiarftcil xtg. Denn in einer wiederholten Folge 
laufen diese verschiedenen Stellungen alle ineinander, und je nach- 
dem man von einem andern Jahre ausgeht, kann man aus einer sol- 
chen längeren Reihe alle drei Stellungen herausschneiden , wie, um 
mehr im Scherz als im Ernst diese Vergleichung zu machen, bei der 
htmXoxi] der l^ythmen (vgl. über diese Geppert de verss. Glycon. 
S. 12 , und mein Werk de metris Pindari S. 91). Mit diesem ein- 
schalten von Monaten war jedoch noch nicht alles erreicht. In den 
nächsten Jahrhunderten vor der christlichen Zeitrechnung war der 
synodische Monat, mit welchem der bürgerliche Monat gleichen 
Schritt halten sollte, der mittleren Dauer nach nahe um 44' 3'' Y« län- 
ger als 29% Tage (Ideler Handb. I S. 642. 679 f.); 99 synodische 
Monate ergaben also in Wahrheit 2923 Tage 12 Stunden 41' 30'^ Die 
Astronomen fanden zunächst, der synodische Monat sei y,, des Ta- 
ges länger als 297^ Tage. Die bürgerlichen Monate stimmten also, 
wenn der Monat nur zu 297^ Tagen (mit Ausnahme der Schaltmonate 
von 30 Tagen) gerechnet wurde, nicht mit den Mondphasen; um 
diese Uebereinstimmung nach Mafsgabe der Voraussetzung herzustel- 
len, musten in einer Doppel- Oktaeteris oder einer Hekkaedekaeteris 
drei Zusatztage zugefügt werden, die man, wenn ordentlich verfah- 
ren wurde, verschiedenen Jahren tagweise zulheilte, so dafs in die- 
sem Zeitraum drei volle Monate mehr an die Stelle dreier hohlen 
traten. Allerdings berichtef Cicero (Verr. ü 2, 52), die Griechen hal- 
len zuweilen einen Monat um einen, höchstens zwei Tage kürzer 
oder länger gemacht; indessen ist es minder gewagt für unsere Un- 
tersuchung anzunehmen, es sei in der Regel nur ^in Zusatztag in ei- 
nem einzelnen Jahre und Monat eingeschoben worden. So entstanden 
in jeder Doppel- Oktaäteris regelmärsig drei Jahre von 356 Tagen 
und, wenn diese gehörig verlheilt wurden, aufser den vorhin ange- 
gebenen Penteteriden , deren eine , die von 1446 Tagen > sogair ganz 
verschwinden konnte, gröfsere von 1447 und 1477 Tagen, wol auch,* 
wenn ein früher nicht eingeschobener Tag nachträglich zu ersetzen 
war, abnorme Penteteriden von 1448 und 1478 Tagen, um nicht 
noch abnormere anzunehmen. Diese Abhilfe erceugte jedoch wieder 
einen neuen Fehler. Denn da 8 julianische Jahre oder Jahre von 
365y4 Tagen (denn ohngeföhr auf solche gründete sich die Rech- 
nung-) nur 2922 Tage in sich begreifen, gieng nun das Mondjahr in 



44 A. Boeckh : zur Geschichte der iWondcydeti der lleUeneft. 

10 HekkaedekaSleriden odet in 160 JÄhren einen ^anzeh Monat über 
den ursprang^lichen Aus^ng^punkt der Okla^eris im Verhältnis zum 
Sonnenjahr nach dessen angenommener Gröfse hinaus ; um auf diesen 
nieder zurückzukommen , muste in der letzten Okta^teris dieses Zeit- 
raums ein Schallmonal ausgelassen werden. Dies ist die wesent> 
liehe , vorzüglich auf Geminos Darstellung gegründete Anordnung der 
Oktaeteris. Mit Recht bemerkt Ideler (I S. 308) , die Perioden von 
16 und 160 Jahren seien erst das Ergebnis fortgesetzter Beobachtun- 
gen des Sonnen- und Mondlaufes; man verfuhr nicht von Anbeginn 
nach diesen Regeln , die man noch nicht kannte , und nachdem man 
sie kennen gelernt, hat der Staat sie darum noch nicht sogleich be- 
folgt , gerade wie dies in neueren Zeilen geschehen ist und noch ge- 
schieht. Man stümperte sieh empirisch durch und besserte nach, 
wenn schon längst Fehler entstanden waren. Der erste wissenschaft- 
liche Begründer der Oktaeteris scheint Kleostratos von Tenedos zu 
sein, zwischen Ol. 68 — 87; als weitere Bearbeiter derselben werden 
Harpalos , Nauteles , Mnesistratos (oder wie 0. Jahn Censor. de die 
nat. 18 Kest Menestratos) , Eudoxos, und sogar noch Eratosthenes 
und Dositheos genannt (Ideler I S. 305 f. vgl. Redlich S. 57): das 
allgemeinere und gröbere halten aber gewis schon die früheren die- 
ser Astronomen erkannt und viele Besserungen mögen sich nur auf 
den Ausbau im besonderen bezogen haben. Diese Oktaeteris mufs in 
den Zeiten spätestens seit Solon in Athen gegolten haben , galt auch 
gewis frühzeitig bei den übrigen Hellenen, anfangs ungeregelter, all- 
mählich vervollkommnet, und zwar so lange bis der metonische Cy- 
clus Platz griff. Ehemals glaubte ich mit Ideler, dieser sei von sei- 
nem Beginn, mit Ol. 87, 1 in Athen eingeführt worden; daran oder 
an der Richtigkeit des Idelersehen Entwurfes haben mich später die 
oben angeführten Zinsrechnungen irre gemacht, und ich habe daher 
wiederholt erklärt, dafs der melonische Cyclus, wie ihn Ideler ent- 
worfen hat, tn den Zeilen des peloponnesischen Krieges in Athen 
nicht im Gebrauch gewesen (Abh. vom^ J. 1846 in den Sehr, der 
Akad. S. 381 , Monatsbcr. vom J. 1853 S. 689). Bedeutende Fehler 
scheinen aber in dem Idelerschen Entwurf nicht zu sein, und auch 
Biot und Redlich haben ihn , mit geringen für unsere Untersuchung 
unbedeutenden Abänderungen, angenommen; Rincks abweichende 
Construction des metonischen Cyclus (S. 34 und in seiner zweiten 
Tafel) beruht im wesentlichen auf dem nichtigen Grunde , das 
Jahr habe nach Melon nicht vor die Sommerwende zurückweichen 
dürfen. Daher folgt vielmehr, der metonische Cyclus sei in Athen 
nicht von Anfang an eingeführt worden, und Redlich hat, vorzüg- 
lich auf meine Zinsrechnungen und auf einige andere Daten ge- 
stützt, meines erachlens richtig gezeigt, dafs er bis Ol. 92, 2 in 
Athen nicht eingefüffrt gewesen. Auf dieser Grundlage beruht ein 
sehr grofser Theil der folgenden Untersuchungen; sollte diese un- 
ter den Füfsen weggezogen werden, so gebe ich meine ganze 
Ausführung preis und sie mag dann nur als ein Versuch gelten , der 



A. fioedüu zur Gesebiehte der Mondeyelcn der HeUenen. It 

von einem fdr wahr gehaltenen Ausgangspunkte aaa hypothetiseh 
anternommen worden. 

7. Da die hellenisdien Staaten ihr Jahr nicht einmal alle in 
derselben Jahreszeit begannen und eben sb wenig ihre Schaltjahre 
übereinstimmten, so ist auch nicht vorauszusetzen, daJs sie die 
Okta€teriden von demselben Anfang ab rechneten. Die Olympiaden 
enthielten einen oktaSterischen Cyclus ; in «der olympischen Zeitröcfae 
nuDg mufs daher die Oktaöteris mit einer ungleichen oder einer giei- 
ehen Olympiade angefangen haben ; ich denke sie fieng mit der im* 
gleichen an: denn entweder hatte man sie schon seit OL 1, oder man 
wird sie später so geordnet haben , als ob sie von Ol. 1 angefangen 
habe. Die olympischen Spiele sind höchst wahrscheinlich an den 
herannahenden ersten Vollmond nach der Sommerwende , nicht wie 
manche glaubten an den ersten Vollmond nach dem ersten Neumonde 
nach der Sommerwende gebunden, und wurden je nach 49 und 50 
Monaten in einem verschiedenen Monate gefeiert. Schol. Find. OL 
3, 35: yivttui ^i o iyav xoth (ihv 6ia teaaa^axovTu iwia fftijyiov, 
fror) 61 ÖLa nsvt^iovta * o^bv %al notl iihv t^ ^jhcoXXmvltii fi/rfvij 
«cori de tm Htt^^ev/oo, necQ, AiyvTttüng MBamql ^ Sd^j iatitikovy- 
tttc. So in meiner Ausgabe. Die wichtigen Worte Meamql ij Sd^ 
habe ich aus der breslauer Handschrift zugesetzt, in welcher aber 
umgekehrt 0<ad' rj MiatOQl steht; ich behielt nemlich im vorher- 
gehenden aus dem frühem Texte die eben gegebene Folge der Mo- 
nate ^AitoXkaw^a und Ha^svlcj) bei, und da diese Folge im bres- 
lauer Text umgekehrt ist , muste ich auch die aegyptisohen Monate 
umkehren. Selbstverständlich kann durch die aegyptisohen Monaie, 
selbst wenn der Verfasser erst zur Zeit des festen alexandrintschea 
Jahres schrieb^ nicht die Jahreszeit der olympischen Monate, son- 
dern nur das bezeichnet sein, dafs der eine derselben wie der Mesori 
der letzte y der andere wie der Thoth der erste, olympische Monat ge- 
wesen sei ; der Parlhenios erscheint also als der erste, der Apollo** 
nios als der letzte. Beiläufig gesagt, da keiner von beiden Monaten 
als Schallmonat angesehen werden kann , so folgt, dafs die ^lele nie 
in einen Schaltmonat fielen : wäre nun der Schaltmonat der letzte des 
Jahres gewesen, so wären nach der Construction der olympischen 
OktaetSris, die aHein ich mir bilden kann, am Schlufs der Periode, 
welchen ein Schaltjahr macht, die Spiele in den Sdialtmonat gefal^ 
len, vorausgesetzt dafs jene Verschiedenheit der Monate der Feier 
eintrat So erhellt, dafs im olympischen Jahre eben so wenig wie im 
atüsehen der Schaltmonat am Ende des Jahres lag, also woi wief bei 
den Athenern in der Mitte; dies scheint wenn auch nicht ganz allge- 
meiner hellenischer, doch keineswegs blofs attischer Gebrauch gewe- 
sen zu sein, gemeinsam vermutlich von Alters her denen, welche 
wie die Athener und Olympia das Jahr von der Sommerwende aus 
bestimmten (vgl. aber die abweichende Stellung K. F. Hermann got- 
tesd. Alter Ih. d. Gr. §. 45, 12); und es beseitigt sich hieraus voa 



t6 A.rB6ei1cli: znr'CieschicIite der lf«id<yolea der Hetteaen« 

Deuem Scaligers sehen früker von mir beseitigte Ansicht, als ob das 
Jahr der Athener ursprünglich mit dem Gamelion angefangen habe. 
Corsini konnte sich nun nicht darein finden , dafs die olympischen 
Spiele bald in diesem bald in jenem olympischen Monat gefeiert wor- 
den , und neigte sich daher dahin die genannten Monate für Monate 
eines anderen Staates zu halten; wogegen mit mir (Explicc. Find* 
S. 138) Ideler (I S. 366) und K. F. Hermann (gr. Monatskunde S. 94) 
sicherklärt haben; man vergleiche über die verschiedenen Meinun- 
gen auch Krauses Olympia S. 66. Rinck gibt (S. 226 f.) gleichfalls 
den Wechsel der Monate zu , beschränkt ihn aber willkürlich seiner 
Theorie gemäfs auf die späteren Zeiten, in denen ein Mondcydus 
gegolten habe. Die Sache ist ganz einfach folgende. Es ist nicht un- 
wahrscheinlich , dafs des Geminos Angabe , in der Oktaeteris sei das 
dritte, fünfte und achte Jahr Schaltjahr gewesen, vorzüglich von 
dem allbekannten olympischen Cyclus und etwa darauf fuf senden 
Setzungen der Astronomen hergenommen ist (wiewol auch die Stel- 
lung der Schaltjahre 2, 5, 8 für meine Betrachtung zulässig wäre) : 
und jedenfalls war die erste Penteteris die kleinere , gerade wie die 
kleinere auch der Scholiast vorausstellt; denn* das achte Jahr ist 
sicher in jeder Oktaeteris ein Schaltjahr gewesen, woraus nothwendig 
folgt, dafs die zweite Penteteris die gröfsere sei. Nun ist es ein Vor- 
urtheil, das olympische Jahr habe nolhwendig mit dem Neumond, 
der zunächst den Spielen vorangteng, angefangen; es ist sogar na- 
türlicher, dafs es im Anfang der Oktaeteris nach den Spielen oder, 
was einerlei ist, nach dem grofsen olympischen Feste begann, wie 
unser Jahr nach dem Feste der Geburt Christi. Man setze , um gleich 
ein Beispiel zu gebrauchen , das olympische Jahr Ol. 87, 1 habe mit 
dem ersten Neumond nach den Spielen begonnen, welche gegen den 
ersten Vollmond nach der Sommerwende , Ende Juni .gefeiert waren, 
80 begann das olympische Jahr, wenn die Zeitrechnung in Ordnung 
war, mit Meton den 16n Juli, und die Spiele waren im letzten Monat 
des vorhergehenden Jahres gefeiert, welches das achte der Oktaete- 
ris und ein dreizehnmonatliches war; nach vier Jahren dagegen, 
Ol. 88, 1, begann das Jahr um den 2n Juli, wie bei Meton, dessen 
Cyclus in den zwei ersten Oktaeteriden dieselbe Ordnung der Schalt- 
}ahre hat, und die Spiele wurden gegen den nächsten Vollmond, 
welcher der erste nach der Somnierwende ist, also im ersten Monat 
des Jahres gefeiert. Doch ist der Rechnung nach dieser Wechsel kei- 
neswegs constatit, worauf ich hier nicht weiter eingehe: es genügt 
ihn für eine gewisse Zeit nachgewiesen zu haben , deren Dauer ich 
jetzt nicht näher bestimme, und ich vermeide auch andere hiermit 
zusammenhängende Untersuchungen über die Olympiadenzeitrech« 
nung, hamenüich über die Ausschaltungen, wie ich sie weiterhin 
für die attische Zeitrechnung nachzuweisen versucht habe. Begann 
nun die olympische Oktaeteris mit dem ersten Olympiadenjahre, so 
fieng dagegen die pythische Oktaeteris im dritten Olympiadenjahre 
an, und mufs darnach wie einen andern .Anfang so eine andere Zäh* 

\ 
i 



•A.B<>6ekhs zur G^achi^hte de? Mtm^ey^lMi der Heitoen. 17 

Jmi^ der Jahre gAa\yi haben. Tfjns '^t vofzü^icb Athen a», und 
wir haben nach d^essen Gyelus za fragen. Redileh hat gegen Ideler 
(I S. 307), der' den Anfang der Okta^leris van einer Olyrnj^ade als 
allgemein angenommen hatte, riehlig bewiesen, dafs die attische 
Okta€teris, die Schaltjahre nach den Nummern 3, &$ 8 gezählt, im 
zweiten Jahre der ungleichen Olympiade anfieng; aber hiermit ifft 
noch nicht bewiesen, dafs in AÜien so gerechnet wurde, und ich 
wüste fär diesen Ausgangspunkt nichts anzuführen, als dafs er den 
Athenern von aufsenher müste aberliefert worden sein. Scaliger 
wollte die athenische Periode mit dem dritten Olympiadenjahre be- 
ginnen; sein Beweis dafür beruht auf einem groben Misverständnis, 
welches längst beseitigt ist (vgl. Ideler II S. 603) und von Rinck 
nochmals beseitigt wird (S. 41): aber wenn der letztere gegen Seidi- 
ger beweisen wiU, dafs der athenische Cyclus mit den Olympiaden 
gleich lief (S. 40), so trifft dieser Beweis blofs zu unter der VoraiM- 
setzung einer beiden Gelehrten gemeinsamen Tricesimal-Okta^terts, 
gilt aber nicht für den Mondcyclus : denn er beruht blofs darauf, dafs 
die Monate der Athener und der Spartaner, denen Rinck einen Olympia- 
dencyclus ohne Beweis zuschreibt, bis auf wenige Tage sich deckten, 
was im Mondcyclus auch dann stattfindet, wenn die Anfänge der 
Cyclen ganz verschieden sind. Völlig unabhängig von Scaligers Vor- 
stellung und ohne alle Rücksicht auf Cyclen habe ich schon im Cor- 
pus inscriptionum Graecarum und später in der 2n Ausg. der Staats- 
haushaltung der Athener (11 S. 145 ff.) urkundlich die panathenai- 
schen Penteteriden nachgewiesen, welche von dem Jahre der grofsen 
Panathenaeen bis wieder zu diesen liefen , und also vom dritten 
Olympiadenjahr bis zu Ende des zweiten der folgenden Olympiade ; 
dies ist die Finanzperiode der Athener, für welche im ganzen von 
den betreffenden Schatzbeamten Rechnung abgelegt wird, auch die 
Staatsschulden und ihre Zinsen berechnet werden. Es wäre ein selt- 
samer Manjg^ei an Folgerichtigkeit, wenn die cydischen Penteteriden 
damit nicht gestimmt hätten. Ich setze also die cyclischen Penteteri- 
den als panathenaische. Es entsteht noch die Frage , ob die pana- 
thenaische Okta^teris- im dritten Jahre der ungleichen oder der glei- 
chen Olympiade* anfieng; ich entscheide mich schon aus Wahr- 
scheinliehkeitsgründen für letztere. Solon halte den Kalender mit 
seiner Verfassung festgestellt, die Ol. 46, 3 eingeführt wurde; gesetzt 
auch er hätte den Kalender erst während des Jahres aufgestellt, wie- 
wol man nicht wissein kann, wie viel schon von seinen Neuerungen vor 
seinem Archontat vorbereitet war, so wird er schon von diesem Jahre 
ab gerechnet haben: -setzen wir die Qktaeteris für Athen nicht aller 
als Soion, so ist also der Anfang derselben in der gleichen Olym- 
piade sehr wahrscheinlich. Dazu kommt dafs die Pythiaden von Ol. 
48, 3 gezählt werden, also der pythische Cyclus, den Solon od« 
frohere, selbst wenn das delphische. Jahr nicht von der Sommfer- 
wende ausgieng, leicht zum Vorbilde nehmen konnten, mit der glei- 
chen Olympiade begonnen haben dürfte. Denn dafs die erste gezählte 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. N. F. Bd. I. 2 



]|ß A..ft)ecMir ZMT GeaeUiditf 4ec MoiideyeUa der itaUeneii. 

Pythiftde (ab acUphni^) In Ol. 47 begoAAen babe^ wie der jpa- 
Tische Chronist anzunehmen scheifit (C. I. G. II S. 336), ist darum 
^nicht glaublich, weil maa verstandigerweise nicht Perioden von 
•V.erschiedener Länge in einer Zählung verbinden konnte. Doch es be- 
darf solcher Gründe nicht: denn aus der erweislichen Construction 
des aitiLschen Cyclus , zu welcher Redlich den sichern Grund gelegt 
hat, erhellt von selbst 9 dafs die in der gleichen Olympiade begin- 
nende panathenaisehe Penteteris die kleinere mit einem Schaltmonat 
ist; die kleinere Penteteris ist aber nothwendig die erste der Oktaete- 
ris. In dem Anfang der attischen Okta^teris gehe ich also von Red- 
lich ab» Da das materielle der Redlichschen Anordnung der atheni- 
schen OktacSteris feststeht, so darf dieses freilich nicht verlassen wer- 
den; aber der Anfang der Jahreszählung ist etwas hiervon unab- 
hängiges und blofs formales. Ueberträgt man das materielle der Red- 
Uchschen Bestimmungen auf eine Folge panathenaischer Oktaeteriden, 
.80 ergibt sieh, ohne eine weitere Verschiedenheit beider, ein anderer 
Ausschnitt aus der Reihe, und die Nummern der Schaltjahre in der 
panathenaischen Oktaeteris werden nun 3, 6, 8. Dies ist mit der An- 
gabe des Geminos über die Nummern 3, 5, 8 keineswegs unverein- 
bar , da die Ausschliefslichkeit dieser Regel nicht feststeht Die un- 
tenstehenden Tafeln , in welchen ich die Redlichsche Zählung und die 
panathenaisehe nebeneinander gestellt habe , machen die wesentliche 
Gleichheit beider Gyclen, mit Ausnahme des Anfanges, anschaulich. 

8. Redlich hat das Verdienst mit Benutzung der Zinsrechnungen 
und gegründet auf die Vorarbeit von Emil Heinrich Otto Müller (de 
teimpore quo bellum Peloponnesiacum initium ceperit, Marburg 1852), 
das was ich das materielle der attischen Oktaeteris genannt habe, fest- 
gestellt und sie zugleich auf eine befriedigende Weise an die juliani- 
sche Zeitrechnung angeknüpft zu haben. Er hat aus meinen Zinsrech- 
nungen die Jabfe Ol. 88, 3 und 88, 4 als Gemeinjahre, Ol. 89, 1 als 
Schaltjahr, Ol. 89, 2 als Gemeinjahr genommen, und dazu noch Ol. 
89, 3 als Gemeinjahr, was durch Müllers Berechnungen dieses Jahres 
des peloponnesischen Krieges nach den Angaben bei Thukydides er- 
wiesen ist^ Dieses genügte vollkommen, um das materielle der atti- 
ßehen Oktaeteris zu bestimmen, indem aus diesen fünf Elementen sich 
die drei übrigen Jahre von selbst bestimmten; es kamen dazu noch 
eUiche andere damit übereinstimmende Daten, die ich vorläufig über- 
gehß. Den Anknüpfungspunkt an die julianische Zeitrechnung bildete 
.die nachher näher zu erörternde Voraussetzung, der 13e Sklrophorion 
des Jahres Ol» 86 > 4 sei der 27e Juni v. Chr. 432 gewesen. Er hat 
(&• 69) hiernach eine Tafel der Oktaeteris der Athener von OL 85, % 
bis Ol. 92, 3 entworfen, welche ich hier bis Ol. 93, 4 fortgesetzt 
ß^he; alle Gemeinjahre, von welchen sich nicht das Gegentheil be- 
weisen läTst, sind zu 354 Tagen genommen; nur zwei aus den Zins- 
rechnungen zu 355: die Jahre, welche nach Zinsrechnungen oder aus 
^andecn GrUnden voraussetzlich Gemeinjabre oder Schaltjahre sind. 



A. Boeeftb: zor Getchidhto 4er Mondeyelon der IMIehaiw 19 



htbe i^h hinler der Tagsumme Biit /'beselohnet, als feste; mir 
chen nahern Bestimmungen dies zu verstehen sei, bemerke ieh später. 
Die altischen Schaltjahre sind milB, die julianischen mit b bezeichnet; 
neben den Jahren des Redlichschen Cyclus habe ich die des panathe^ 
naischen angemerkt. Hier die Tafel. 



Jahre des 


Jahre des 










Redlich- 
schen 


panatheoai- 
sehen 




Olympiaden- 
jähre 


Jahresanfang 


im Jahr« vor 
Chr. Geb. 


Cyclu* 


Cyclas 










1 


4 


354 


Ol. 85, 2 


1. August 


489 


2 


5 


854 


3 


21. Juli 


438 


B 3 


B 6 


384 


4 


9. Juli 


b 437 


4 


7 


354 


86, 1 


28. Juli 


436 


B 5 


B 8 


384 


2 


17. Juli 


435 


6 


1 


354 


3 


5. August 


434 


7 


2 


354 


4 


24. Juli 


b 433 


B 8 


B 3 


884 


87, 1 


13. Juli 


432 


1 


4 


354 


2 


1. August 


431 


2 


5 


354 


3 


21. Juli 


430 


B 3 


B 6 


384 


4 


9. Juli 


b 429 


4 


7 


354 


88, 1 


28. Juli 


428 


B 5 


B 8 


384 


2 


17. Juli 


427 


6 


1 


355 f 


3 


5. August 


426 


7 


2 


354 f 


4 


25. Juli 


b*425 


B 8 


B 3 


384 f 


89, 1 


14. Juli 


424 


1 


4 


355 f 


2 


2. August 


423 


2 


5 


354 f 


3 


23. Juli 


422 


B 3 


B 6 


384 


4 


11. Juli 


b 421 


4 


7 


354 


90, 1 


30. Juli 


420 


B 5 


B 8 


384 


2 


19. Juli 


419 


6 


1 


354 


3 


7. August 


418 


7 


2 


354 


4 


26. Juh 


b 417 


B 8 


B 3 


384 


91, 1 


15. Juli 


410 


1 


4 


354 f 


2 


3. August 


415 


2 


5 


354 f 


3 


23. Juli 


414 


B 3 


B 6 


384 f 


4 


11. Juli 


b 413 


4 


7 


354 f 


92, 1 


30. Juli 


412 


B 5 


B 8 


384 f 


2 


19. Juli 


411 


6 


1 


354 


3 


7. August 


410 


7 


2 


354 


4 


26. Juli 


b 409 


B 8 


B 3 


384 


93, 1 


15. Juli 


408 


1 


4 


354 


2 


3. August 


407 


2 


5 


354 


3 


23. Juli 


406 


B3 


B 6 


384 


4 


11. Juli 


b405 



Wegen Rincks Aufstellungen finde ich mich genöthigt, die Vorr 
ausselzung, der 13e Skirophorion Ol- 86, 4 sei der 27€ Juni 482 v. 
Chr. gewesen, sicher zu stellen. Rinck läfst seinen Tricesimalcyclus 
mit Ol. 102, 2 zu Ende gehen (S.55): er erkennt darin, dafs die 
Schlacht bei Leuktra Ol. 102, 2 am 5n Hekatombaeon der Athener und 
5n Hippodromios der Boeoter geliefert worden (Plut. Cam. 19), eine 
Veränderung und Annäherung der Kalender der heUenischen Staaten; 

2* 



M A. Boeckh: zur GeMbiehte der Mondcyelea derHeUetton* 

and aiuih Ideler (I S. 366) iiatte daraus geschlot^en, die Boeater h&t* 
tea damals wie die Athener schon den metonischen Cydus ^habt, 
was nicht im mindesten daraus folgt; Rinck leitet dann durch eine 
ebenso geschickte als leichtfertige Combination das Ergebnis ab, auf 
der Tagfahrt, auf welcher 20 Tage vor der Schlacht bei Leuktra, den 
14n Skirophorion , ein Bundesvertrag geschlossen worden, habe man 
den ISn Skirophorion die allgemeine Einführung des metonischen Cf- 
cltts verabredet und beschlossen; daraus sei im Kopfe des Diodor das 
Misverständnis entstanden, als ob der melonische Cyclus mit dem 13n 
Skirophorion Ol. 86, 4 begonnen habe. Ii^icht minder hatte er auch 
früher schon (S. 43) den Diodor mit wundersamer Zuversichtlichkeit 
zurechtgewiesen. Betrachten wir den Stand der Sache näher. Durch 
das sicherste Zeugnis steht fesf , dafs Meton unter dem Archon Apseu- 
des Ol. 86 , 4 am Morgen des 27n Juni 432 v. Chr. die Sommerwende 
beobachtet hatte , mit einem Irthum von mehr als einem Tage, da nach 
Ideiers Berechnung (I S. 326) die Sommerwende damals unter dem 
Meridian Athens am 28n Juni 4 Uhr Nachmittags stattfand, oder wie 
sich nach den abgekürzten Tafeln von Largeteau (bei Biots R^sume 
de Chronologie astronomique , Paris 1849. S. 586) mit Zurechnung des 
Unterschiedes der Zeit zwischen Paris und Athen (1 Stunde 25 bis 
36 Minuten) findet, am 28n Juni Vormittags gegen liy, Uhr (vgl. Biot 
a. a. Q. S. 417 und S. 419). Eben so fest steht es , dafs mit diesem 
Tage der metonische Cyclus nicht begonnen habe , sondern mit dem 
ersten erscheinenden Neumond darauf (Ideler ebd.)* Nun sagt Diodor 
(XU 36): iv dh tatg ^Adi^aig Mhaw o Ilavöavlov fihv viog, ösöo- 
iaüiiivog dh iv aatQoXoylc^j i^i^Tie rrfv ovo(ia^o(iivriv ivveocTiatdsxciB'- 
x^qUaj xi^v iQxflv Ttoiriöaiisvog ano firivog iv ^A^rjfvcLig Z%i^(poqmvog 
t^iatunösüivrig. Er fügt gleich darauf hinzu: öoMi di o avi^Q ovxog 
iv v^fC^OQQi^st Hai 7tQoyQag>^ Tcevxy&ixvfiaöTag iTtixexsvxivai' xa ya^ 
adXQCf xr^v xs lUvr^tStv wxl xitg hticruiaalag noistxai (Sv(ig>oiv(og xy 
yQaq>^. Es ist eine verzeihliche Ungenauigkeit , wenn Diodor , wie 
Ideler annimmt, den Anfang des metonischen Cyclus statt des Anfangs 
des metonischen Parapegma oder Kalenders genannt hat ; Diodor ver- 
räth selbst, dafs er den Kalender meine, der mit dem Cyclus verknüpft 
war, indem er von den Episemasien spricht, d. h. von den neben die 
Daten des Cyclus zugesetzten Sonnenwenden, Nachtgleichen, Auf- 
und Untergängen der Gestirne , an welche man bestimmte Geschäfte 
des Lebens knüpfte oder mit denen man aus Erfahrung Witterungsver- 
änderuDgen verbunden glaubte (vgl. Ideler S. 314 f. Redlich S. 26. 
29 f.). Dafs Meton diesen Kalender mit der Sommerwende, fast 3 Wo- 
chen vor Anfang seines Cyclus begonnen habe , hat Ideler vortrefflich 
aus Aratos bewiesen (S. 327, vgl. Redlich S. 29 f.). Darauf ist es also 
zu beziehen, wenn Diodor vom 13n Skirophorion spricht: dies war 
der Anfang des Parapegma , welches mit der Sommer wende begann ; 
diese war aber von Meton am 27n Juni beobachtet , und Tolglich der 
]3e Skirophorion der 27e Juni gewesen. Einer so einfachen Combina- 
tion gegenüber kann man den Diodor nicht ohne Leichtfertigkeit eines 



A. Boetkh: zur Geschichte der Mondcyclen der H^Ueneii. Sl 

so groben Irtfaums beschuldigen , wie Ihn Rinck ihm zur Last legt. 
Mit dem Abend des 27n Juni fieng also der 14e Skirophorion an. Die- 
sen Monat setzt Redlich als neunundzwanzigtägig, und Itfst also das 
Jahr Ol. 87, 1 mit dem Abend des 13n Juli beginnen. Es kommt übt^ 
gens wenig darauf an, ob der Skirophorion 29 oder 30 Tage erhalte; 
im letzteren Falle würde Ol. 87, 1 den 14n Juli anfangen. 

9. Der wahre oder astronomische Neumond , mit dessen Tage, 
und zwar vom Abend an gerechnet, das Jahr Ol. 86, 4 als mit dtt 
Svri %al via hätte schliefsen sollen , eräugnete sich den 15n Juli Abends 
7 Uhr 15' nach Idelers Berechnung (I S. 329), so dafs das Jahr mit« 
dem Aben<l des 16n Juli und mit dem erscheinenden Neumond enden, 
und mit eben diesem das folgende anfangen sollte. Dies ist der An'* 
fangspunkt des metonischen Cyclus. Der bürgerliche Neumond der 
Athener war also nach Redlich für Ol. 87, 1 drei Tage zu früh ange* 
setzt, weil in der vorangegangenen Zeit aus Unkunde oder Nachlässig- 
keit zu wenig Zusatztage gegeben worden. Die Oktaeteris war also 
nicht in Uebereinstimmung mit dem Monde, welchem Fehler abge- 
holfen werden muste. Nach den Zinsrechnungen in meiner Abhand- 
lung vom J. 1846 hat man rasch nacheinander in Ol. 88, 3 und 89, 9 
je einen Zusatztag eingeschoben , in letzterem Jahre allerdings unlev 
der von mir angegebenen Voraussetzung , dafs der Zahltag nicht Zins- 
tag gewesen , die auch Redlich für wahrscheinlicher hält (S. 71) : man 
hatte also sehr wahrscheinlich das Bedürfnis bemerkt, die ausgelas- 
senen Zusatztage einzubringen , um mit dem Monde in Uebereinstim- 
mung zu kommen. In OL 89, 1/2 war man hiermit, wie wir weiter- 
hin sehen werden, noch nicht in Ordnung, aber man war sich des 
vorhandenen Fehlers wol bewust; nehmen wir an, der bürgerliche 
Neumond sei in dem Jahre Ol. 89, 1 noch um zwei Tage zu früh an- 
gesetzt gewesen , so fiel er auf den Abend des 16n Juli , wogegen 
er bei Meton erst auf den Abend des 18n Juli fällt. Man hätte dann 
seit Ol. 87, 1 bis 89, 1 drei Zusatztage gegeben; wovon einer weg- 
fällt, wenn das Jahr Ol. 87, 1 erst den I4n Juli angefangen: worauf 
ich im folgenden nicht weiter Rücksicht zu nehmen brauche. Einmal 
aufmerksam geworden , wird man mit dem allmählichen zusetzen der 
Tage fortgefahren haben ; und die Voraussetzung ist nicht zu gewagt, 
dafs man sich den im metonischen Cyclus angegebenen Bestimmun- 
gen der bürgerlichen Neumonde zu nähern gesucht habe. Wir wollen 
annehmen, bis zum Jahr 01. 89, 4 ausschliefslich sei man so weit ge- 
kommen, ddafs dieses Jahr mit dem 14n Juli begann, statt nach Meton 
mit dem 15n. In der folgenden grof sen Tafel , welche mit Ol. 86 , 3 
beginnt, habe ich demgemäfs eine Anzahl Jahre von 355 Tagen zwi- 
schen Ol. 87, 1 und 89, 4 angesetzt, welche mit einem Slern bezeich- 
net sind; dieser bedeutet ihre hypothetische Setzung und folglich ihre 
Beweglichkeit, so weit nemlich, dafs sie nur nicht in Jahre übertragen 
werden dürfen, die als feste in Rücksicht der Tagzahl bezeichnet sind. 
Uebrigens ist die Tafel, was die beigefügten Zeichen B und b betrifft, 



tt Jk. Boeokh: zur GeMhidite der Mondeyalen der Eoilene«. 

me die vorige angeleg^t; ihre innere Anlage und die rechts angefu^ 
ien Periodenzahlen nebst Bemerkungen werden sich aus dem folgen» 
den ftchrittweise erläutern. Zunächst nemlich erhellt, man sei langst 
in den Fehler verfallen gewesen , dais Jahresende oder Jahresanfang 
üb^ einen Monat weiter als die Sommerwende vorausgriif, was früher 
nicht stattgefunden hatte, sondern erst durch die nothwendige Ein* 
fügung der Zusatztage allmählich entstanden war: Ol. 88, 3, der An- 
feng einer Oktaeteris , beginnt erst den 7n August. Die Oktaeteris war 
alao nicht in Uebereinstimmung mit der Sonne oder der Jahreszeit. 
Ba war vielmehr längst der Zeitpunkt eingetreten, dafs ein Schalt- 
. monat auszumerzen war, was man gleichfalls aus Unkunde oder Nach- 
lässigkeit unterlassen hatte ; je länger man aber dies unterliefs , desto 
einleuchtender wurde die Nothwendigkeit der Ausschaltung, auoh 
^bne daüs es einer genauen theoretischen Einsicht und Berechnung 
bedurft hätte. Und diese Verspätung des Jahreswechsels hatte sich 
durch Nachholung der früher nicht eingefügten Zusatztage noch ge- 
steigert; nach einer kurzen Zeit würden die meisten Jahre erst einen 
Monat nach der Sommerwende angefangen haben. Es war also, wie 
gesagt, die höchste Zeit im Laufe des peloponnesischen Krieges ein- 
getreten , durch Auslassung des Schaltmonates diesem Uebelstande ab- 
üiheifen; wodurch man dann ein dem metonischen sehr analoges Jahr 
erhielt, ohne 'gerade den metonischen Gyclus anzunehmen. Dafs 
dieae Ausmerzung und Annäherung an den metonischen Gyclus nicht 
zwischen OL 87, 1 und 89, 4 geschehen, zeigt die Berechnung der 
Zeiten des peloponnesischen Krieges (Gap. 18) ; dafs sie aber vor Ol. 
94> 1 geschehen, darauf führt eben dieselbe, falls man nicht voraus- 
»etzl, es sei mittlerweile der metonische Gyclus eingeführt worden 
(ebendas.)« Es könnte freigestellt werden, welches oktagterisehe 
Schaltjahr man für diese Auslassung in der bezeichneten Zwischenzeit 
wählen wolle; am passlichsten dafür wird jedoch ein solches sein, 
welches nicht in dem Gyclus zwei Gemeinjahre sowol vor sich als 
nach sich hat, damit nicht mehr als vier Gemeinjahre aufeinander 
folgten, wodurch ein leicht begreiflicher Uebelstand erwachsen wäre. 
Von dieser Art sind in diesem Zeiträume nur Ol. 89, 4b 90, 2. 91, 4^ 
92, 2i» 93, 4: von welchen Jahren auch Ol. 91, 4 und 92, 2 nicht aus- 
zuscheiden sind , obgleich ich sie als fleste bezeichnet habe : denn diese 
Bezeichnui^ beruht auf der Voraussetzung, dafs diese Jahre Schalt- 
jahre waren (yergl. Gap. 10 A welche für die vorliegende Betrachtung 
nicht giltig ist. Ich entscheide mich jedoch , nur mit einem schwachen 
Vorbehalt (Gap. 10 f), für Ol. 89, 4, dergestalt dals die , Mafsregel 
natürlich schon OL 89 , 3 zur Ausführung vorgeschlagen und beschlos- 
sen worden. Ich stütze mich auf eine hierdurch erst verständliche 
Stelle des aristophanischen Friedens, dessen auf uns gekommene erste 
Ausgabe Ol. 89, 3 unter dem Archen Alkaeos an den grofsen Diony- 
sien, im neunten Monat Elaphebolion , nach der seit einer Anzahl von 
Jahren bekannten Bidaskalie aufgeführt worden : eine Mafsregel an 
der das attische Volk unstreitig grofsen Antheil nahm, die vielfach 



Jl. Jtoecklu 2iir 66Bdiidto der Mbadtoyi^» 4er Ifonenev; IS 

besprochen mreniea niiiste und wol geeignet war den Komiker vu 
einem |^randk>sen Sofaerz sä veranlassen. Trygaeos sagt (408 ff.) zu 
Hermes, Selene und der abgef«nnte Helios stellten den Göttern schon 
seil langer Zeit nach und verriethen Hellas an die Barbaren (die M««^ 
der, £e Sierndiener), die ihnen opferten, und wollten den andern Wl^ 
lern die Opfer entziehen und sich zueignen. Hermes erwiedert! 

«oi'TOv %v»kov ytagixQmyov itp* i^futctnllag. 
Dem Sprachgebrauch gemäfs kann hier ronnra nur öiit vctvta sein 
und tmv i^fte^coy naqtxksmitfiv nichts anderes als * sie stahlen von 
den Tagen welche (tiw '^(itQmv ttwxg) weg^; jede andere Auslegunff 
ist sprachwidrig, und die Auslegung ^ste hätten etwas von der Zelt« 
dauer der einzelnen Tage weggenommen' ist obendrein ohne aiied 
Sinn. Aus Finsternissen, wie der SohoUast will, l&fsC sich daher diwa 
Stolle nicht erklären; denn das wegstehlen von Tagen entsteht nieht 
durch Finsternisse, und unter winlog kann hier weder Sonne noeh 
Mond verstanden werden : denn Sonne und Mond werden doch nieirt 
ihre eignen Scheiben oder gemeinschafllieh die eine derselben ange^ 
fressen haben sollen. £a kann, da vom wegstehlen der Tage dr«f 
Rede ist, mvnlos lüer nur ein Zeitkreis sein, wie das Wort öfter Tom 
Jalireskreis gebraucht wird; als technisdier Ausdruck fr^llch ist ei 
nicht zu AisBen, da es als soldier in alter Zeit noch nicht vorkomniti 
Schon iange, sagt Hermes, brachten Selene und Helios welche vod 
den Tagen diebisch bei Seite und frafsen den Kyklos, den ZeittiM« 
an durch ihren Irrlauf. ^Ag(ucvmlia ist ein scherzhaft gebildetes WoH| 
es spielt auf das fehlerhafte an, aber auf Fehler im Wagenlauf d«r 
Somie und des Mondes, was J. H. Vofs durch 'Fahrlässi^eit' wol 
getroffen hat : Hermes legt diesen zur Last, was Fehler der die Zeile» 
berechnenden Menschen war, ähnlich wie die Götter der Selene in 
den Wolken. Was kann das wegstehlen von Tagen, das anfressen 
des xvxlog oder des Zeilkreises anderes sein als das verkürzen de* 
Kyklos, indem sie ordentlich Tage Ober die Seite gebrecht hahen^ 
nenüich die auszumerzenden, die eben der Sonnen- und Moodlauf n(h 
Ihlgt wegzulassen? Die Stelle bezieht sich also auf die «rkannte Notls« 
wendtgkeit einer Ausmerzung. Nicht aber der Ausnierzung einsMnev 
Tage, um mit dem Monde in Uebereinstlmmung zu kommen: denij 
abgesehn daVon, dafs hiermit die Sonne nichto zutiiwi hat, waMii 
einzahle Tage damals vielmehr einzuschalten gewesen. Es nrafs als« 
an die Ausmerzung eines ganzen Monats gedacht werden. DerKyldoa 
seilte 80 Tage länger dauern ; aber Sonne und Mond haben durch ihre» 
Lauf diese weg- und den Kyklos angefressen (so dafs die dD Tage sd 
zu sagen fgr diesen Kyklos nicht mehr disponibel sind) , tbnä tftrn 
thaton ate dies seit lange (ptaXa§), Well die Nothwendigkeit der Au»* 
merZHag' iA4anger Zeit aUmählich duFch die je um öinen Tag bis ziü 
soleber Hl^e gestiegene Incongruenz des Sonnenjahres und Mond» 
Jahres entstanden ist (vgL Hedlich S. 73, dar die St^e aheh sehen 
auf ebcB diese Incongruenz bezogen hat). Bs ist unmöglieh, dato Ana*- 



24 A« Boeekh: sur Geschichle der Afett4efäleft der HtttMteii; 

topharf^s diesen g«Atlosen Sehers erfand, wenn nicht damals der Ge- 
genstand öffentlich zur Sprache gekommen and dem Volke hinläng* 
lieh bekannt war, und nachdem die Sache einddal so offenkundigere- 
worden, wird es auch beschlossen worden sein die Ausmerzung zu 
machen : ja ohne diesen Beschlufs konnte Aristophanes den Hermes 
nicht einmal sagen lassen, daCs Selene und Helios die Tage wirkMch 
weggefressen und den Kyklos angenagt hätten; denn erst mit dem 
wirklich erfolgten Beschlufs ist dies als wirklich geschehenes einge- 
treten. . i. 

In der nächstfolgenden Tafel, die ich absiehtlich mit einem dpa- 
lern Jahre als das Anfcingsjahr der obigen Redlicfaschen beginnen lasse, 
habe ieh also das Jahr Ol. 89; 4, welches nach dem Gydus hätte ein 
Sohaltjahr sein, sollen, als Gemeinjahr bezeichnet, jedoch mit 3ö5*Tia- 
gen , weil der> Voraussetzung gemäfs noch ein Zusatztag naeh^uholen 
war, um zu dem. Anfange von Ol. 90, 1 mit dem erscheinenden Neu* 
monde, wie er nach Meten eintraf (nemtieh auf den 4n Juli>, in Ueber* 
einstimmung zu kommen. Man hätte nun zugleich in den. metoni- 
sefaen Gyelus eintreten können und zwar in dessen laufendes dreizdiu^ 
tes Jahr; dafs.dies aber nicht geschehn sei, ist gezeigt: ma» blieb 
vielmehr bei d<er Oktaeteris. Die nächste panathenaische OktaetepU 
beginnt mit Ol. 90, 3« Vor dieser Zeit kann eine wol überlebte Ein^ 
fßgung' der Zusatztage nicht stattgefunden haben, weil sonst nicht die 
Unordnung hätte entstehen können , welche wirklich entstanden war, 
und zu deren Beseitigung von Ol. 87 ab mehr Zusaiztage haben Einge- 
schoben werden müssen , als regelmäfsig einzuschieben waren. Da- 
gegen finde ich keinen triftigen Grund, mit Ideler (l S. 397), der schon 
Mher gleich auf den itietonisi^en. Gyelus überspranig und also freilich 
einer verbesserten Oktaeteris entrathen konnte, dai*an za zweifeln, 
dafs von den Verbesserungen der Oktaeteris überhaupt im Staate Ge- 
brauch gemacht worden sei. Die Hekkaedekaeteris war .nicht schwer 
zu finden; sie beruht lediglich darauf, dafs der Moifat uai.y^s des 
Tages länger sei als- 297« Tage , was sich früh erkennen lie£s« ganz 
nehe dieselbe Monatsdauer liegt dem metonisehen Cyelus zu Grunde, 
ia wekhem 3940 Tage in 235 Monate vertheiit sind, dekr Monat also 
zu »Tagen und •*/4y=:***%4ot genommen ist, während 29yt Tage- + 
%8 =s= 89 Tagen 4- "/es oder ^^Vsiot sind: Ob die Periode von ISO 
Jahren um Ol. 89*^-90 schon festgestellt war, . ist hier gledohgtitig; es 
war ohne genaue Theorie einleudbtend geworden, öaSs ei|i Monat ausr 
zuinerZen sei; immerhin mag die Theorie dieser Periode erst später 
ausgebildet worden sein, doch sdiwerüch später ^Is Ol. liSi'(vgl. Gap. 
11. 13). Nehmen wir also an, diö Hekkaedekaeteris sei um'Ohi89 — 90 
nicht unbeachtet geblieben, als man an die Vecbesserting« der ^Zeitrech- 
nung gegangen war. Man wüste, es seien in jeder Hekküaedekaöteris 
3 Zu^tztage einzuschieben. In welchen Jahren der Hekk»edeka(lleris 
dies wahrscheinlich geschehn sei, ist nicht so schwierig ieü'sageb als 
es soheint. Bs versteht sich von selbst, dafs diese Zusatztage miler 
einzelne Gemeinjahre in gewissen £ntfernimgen vertheilt wunleii, und 



A. Boecdth,: zur ßeM^^dUe äter Jloddcyden der HeUenen. t6 

zwar nach, einer (anfachen Be^el. In Bextig hierauf muls idi ataeHt « 
bemerken, dafs ich am peehlien Rande der grorsmi Tafel die Oktadle* * 
rlden und Hekkaedekaeteriden gezählt habe ; von welehem Ausgange 
ab, ^ird sich später zeigen. Eine Hekkaedekadteris umfafstzwei Ok- 
laeteriden ,. die erste mit ungleicher, die zweite mit gleicher Zahl be* 
zeichnet, wie die fünfte Hekkaedekaeteris die neunte ui^d zehnte Ok- 
taeteris umfafst; jede der. umfaf^ten Oktaeteriden besteht aas einer 
voraufgehenden kleinem und einer nachfolgenden gröfsern Penteteris 
von vier. Jahren. In dreien dieser vier Penteteriden war ohne. Zweifei 
ie ^in Zusatztag, in einer dagegen kein Zusatztag; was sieh sogleich 
bestätigen wird* Man könnte zwar sagen, man habe je von 5 zu 5 Jah- 
ren einen Zusatztag geben können; aber unter dieser Voraussetzung 
käme man, wenn' man von Ol. 90, 3 ausgeht, wovon, jedenfalls ausr 
gegangen werden mufs, mit den Zusatztagen, wie man auch die P^- 
taden legen mag» ein und das andere mal auf Schaltjellire, oder. auf 
Gemdnjahre die als feste Jahre von 354 Tagen bezeichnet sind« Es 
fragt sich also nur, welche panalhenaische P^ntetei'is ohne Zuüalztag 
war. . T^VLn sind wir daxauf hingewiesen , dafs die Penteteris Ol. 91, 3 
— d2, a eine gröD»ere von 1476 Tagen, also ohne Zuaatztag war (C^ 
10 n> diese ist die zweite oder gröfsere Penteteris der neunteii Ok- 
taeterts. Hierdurch ist mit WahrschedjnHchkeit nachgewiesen, dafs; die 
zweite, oder grölsere Penteteris der ungleichen Oktaeteriden keinen 
Zusafztag erhielt; die übrigen drei erhielten je einen Zusatzlag: aber 
weichen Jahren kam dieser zu? Am Ende der Oktaeteriden kann kein 
Zusatztag gelegen, haben, weil ein Schaltjahr den Schlufs derselben 
macht; ein genau mittleres Jahr gibt es nicht: setzt man aber den Zu- 
satztag in das erste Jahr jeder Oktaeteris, wie auch bei Meton und Kai- 
lippos gleich das erste Jabr des Cyclus 355 Tage hat, und gibt man 
dann den; zweiten Zusatztag der gleichen Oktaeteris dem ersten Jalur 
ihrer zweiten Penteteris, so haben wir eine vollkommene Symmetrie. 
Ifoch ist zu bemerken, dafs in Uebereinsttmmung hjieripii geschichHicb 
feststeht, OL. 91, 2 habe einen Zusatztag nicht gehabt, also üherhadift 
nicht das vierte Jahr der ungleichen Oktaeteris: auch will ich nicht 
unerwähnt lassen, dafs schon vor der Herstellung d^r Ordnung das 
erste Jahr der 8n Oktaeteris Ol. 88,3 thatsächlich einen Zusatztag 
hatte, wiewol dies freilich für die folgende Zeit nicht beweisend ist. 
Wir setzen also das erste Jahr der ungleichen Oktaeteris und das erste 
und fünfte der gleichen als Jahre von 335 Tagen, welche ich in der 
Tafel von Ol. 90, 3 ab insgesamt mit Sternen ausgezeichnet habe. 
Uebrigens kommt wenig darauf ai^, wie man die Zusatzlage vertheile ; 
wir bedienen uns der angenommenen Vertheilung nur als eines nicht 
unwahrscheinlichen Regulativs. Folgt man nun diesem, so besteht 
jede Hekkaedekaeteris aus folgenden Penteteriden: der ersten von 
1447, der zweiten von 1476, der dritten von 1447, der vierten von 
1477 Tagen: die ursprüngliche Penteteris von 1446 Tagen ist ganz 
verschwunden. Welchem Monate der Zusatztag gegeben würde, ist 
für die meisten Rechnungen gleichgillig; lege ich ihn dem Poseideon 



m A. Boeckh: zur Gesehiekte der Moiiaeyeleii der Heilenea« 

,bei (Cap. 6), 8o wiH ich damit nicht behaupten, ^es sei auch ^rirk- 
Keh gesch^en; legt man ihn dem letBten Monat zu, so wird da* 
durch nicht unbedingt der Uebelstand vermieden, den jene Einfügung 
im Poseideon mit sich bringt, dafs nemlich drei volle Monate auf- 
einander folgen: denn derselbe tritt dann an den Grenzen der Jahre 
ein, wenn man nicht dann gegen die angenommene Regel das fol-> 
gende Jahr mit einem hohlen Monat beginnen läfst, was gewis oß 
stattgehabt hat, aber bei den meisten Rechnungen nicht in Betracht 
gezogen zu werden braucht und sich nicht ohne Unbequemlichkeit in 
den Reclmungen berficksichtigen Kefse, ohne erst einen besondera 
Kanon aufzustellen, der doch nicht geschichtlich sicher wäre. Di« 
folgende Tafel weist nun die cyclische Folge und die Länge und An- 
fänge der Jahre von Ol. 90 an im Anschlufs an die vorhergehende 
und bis OU 114, 2/3 nach den Regeln der Okta^teris auf und gibt 
eine Vergleichung mit dem metonischen Cyclus und den melonischen 
Jahresanfängen, absichtlich wie Ideler sie setzt, bei denen B das 
Schaltjahr bezeichnet. Sie zeigt an ihrem Schlufs das Ergebnis , dafs 
nach Ausmerzung eines Monates, die gerade kurz vorher wieder 
ndthig geworden war, das Jahr Ol. 114,3 gemäfs der OktaSteris 
schon am 30n Juni anfieng, während es nach dem metonischen Cyclus 
erst am 3n Juli anfängt ; es wird sich im Verfolg der Untersuchung, 
die ich hier unterbrechen mufs , ausweisen , dafs der Irtham auf der 
Seite des metonischen Cyclus, nicht der Oktaeteris liegt Wenn 
Geminos (S. 23) dessen ungeachtet im Gegensatz zur metonischen 
Periode die Oktaeteris tadelt und geradezu sagt, die Oktaeteris sei in 
allen Stücken fehlerhaft gewesen, so beruht dies auf einer besondern 
Betrachtung (S. 2lf.)f die mit der unsrigen nicht in Widerspruch 
steht, und man muls der Oktaeteris eben besonders die Nothwendig- 
keit der Ausmerznng eines Monats als Fehler anrechnen und gerin- 
gere Kleinigkeiten , die ich hier übergehe : denn es ist allerdings em 
grofser Fehler, dafs allmählich in 160 Jahren der Jahreswechsel bis 
zur Ueberschreitiing der Sommerwende um einen Monat vorrückte und 
dann plötzHch um einen ganzen Monat zurückgeschoben werden muste, 
und diesen Fehler vermied der metonische Cyclus. 



A. Boeekh: zw GMdudd« der Mimitjam der BeUtaea. ff 



ll= 


l|s 


H 


Olympia- 


Jahres- 


ii 


Pwiodemahl üd lUmutkmmgem 




• «'S 


deig'ahre 


anfang 


¥ 


nebst Vflr^ldehiiB^ BÜtMetona 
Cyelns 


6 


1 


354 


Ol. 86,3 


5. Aug. 


434 


•kt T, MiL 4. 


7 


2 


354 


4 


24. Juli 


b 433 




B8 


B 3 


384 


87,1 


13. Juli 


432 


/.«ei. CJydh», 16. Jiitt(l) 


1 


4 


354 


2 


l.Aug. 


431 


6.JaU(2) 


2 


5 


355* 


3 


21. Juli 


430 


25.JuniB(3) 


B 8 


B 6 


384 


4 


10. Juli 


b 429 


13. Juü (4) 


4 


7 


355* 


88,1 


29. Juli 


428 


2.JnliB(5) 


Bö 


B8 


384 


2 


19. Juli 


427 


2I.Jali(6) 


a 


1 


355f 


3 


7. Aug. 


426 


ttLt. llJuU(7) 


7 


2 


354f 


4 


27. Juli 


b 425 


29. Juni B (8) 


B 8 


B 3 


384 f 


89,1 


16. Juil 


424 


18. Juli (9) 


1 


4 


355 f 


2 


4.Aug. 


423 


7. Jnli (10) 


2 


5 


355 f* 


3 


25. Juli 


422 


27. Jon! B (11) 


IB]3 


[B]6 


355* 


4 


14. Juli 


b 421 


^'S^l^-^^-^a^^ 


4 


7 


354 


90,1 


4. Juli 


420 


4.JnUB(13) 


B 5 


B 8 


384 


2 


23. Juni 


419 


23. Juü (14) 





1 


355* 


3 


12. Juli 


418 


ttL f. Mk. i. M. 12. Jnli(15) 


7 


2 


354 


4 


l.Jnli 


b 417 


l.lnUB(16) 


B8 


B 3 


384 


91,1 


20. Juni 


416 


20. Juli (17) 


1 


4 


354f 


2 


9. Juli 


415 


9. Jnli (18) 


2 


5 


354 f 


3 


28. Juni 


414 


28. Jon! B (19) 


B 3 


B 6 


384f 


4 


16. Juni 


b 413 


J?.»e/.QMk#,16.Juli(l) 


4 


7 


354 f 


92,1 


5. Juli 


412 


6. Jnli (2) 


B 5 


B 8 


384f 


2 


24. Juni 


411 


25. Juni B (3) 


6 


1 


355* 


3 


13. Juli 


410 


•ktlO. 14. Juli (4) 


7 


2 


354 


4 


2. Juli 


b 409 


2. Juli B (5) 


B 8 


B 3 


384 


93,1 


21. Juni 


408 


21.Jali(6) 


1 


4 


354 


2 


10. Juli 


407 


11. Juli (7) 


2 


5 


355* 


3 


29. Juni 


406 


30.JiinlB(a) 


B 3 


B 6 


384 


4 


18.Jani 


b 405 


18. Juli (9) 


4 


7 


354 


94,1 


7. Juli 


404 


7.JnU(10) 


65 


B 8 


384 


2 


26. Juni 


403 


27. Juni B (11) 


6 


1 


355* 


3 


15. Juli 


402 


Okt n, lakk.0. M. 16. Juli (12) 


7 


2 


354 


4 


4. Juli 


b 401 


4. Juli B (13) 


B8 


B 3 


384 


95,1 


23. Juni 


400 


23. Juli (14) 


1 


4 


354 


2 


12. Juli 


399 


12. Juli (15) 


2 


5 


354 


3 


l.JuU 


398 


2.JuUB(16) 


B a 


B 6 


384 


4 


19. Juni 


b 397 


20. Juli (17) 


4 


7 


354 


96,1 


8. Jnli 


396 


9. Juli (18) 
28. Juni B (19) 


B 5 


B8 


384 


2 


27. Juni 


395 


6 


1 


355* 


3 


16. Juli 


394 


i^fc,ee«Ji^-^«^»(i) 


7 


2 


354 


4 


5. Jnli 


b 393 


6. Juli (2) 
25. Juni B (3) 


B8 


B 3 


384 


97,1 


24. Juni 


392 


i 


4 


354 


2 


13. Juli 


391 


14. Juli (4) 
3. Juli B (6) 


2 


5 


355* 


3 


2. Juli 


390 


B3 


B 6 


384 


4 


21.Jnni 


b 389 


2i.j«ii(e) 



38 A. Boeckh: zwr Gesehkhte deiuMondeyclen der Hellenen. 



ll= 


li 


1 


Olympia- 


Jahres- 




Periodenzahl und Bemerkungen 


Ip 


f 


1 


denjahre 


anfangp 


Ix W 


nebst Vererleichang* mit Metons 
Cyclus 


4 


7 


354 


Ol. 98,1 


10. Juli 


388 


11. Juli (7) 


B 5 


B 8 


384 


2 


29. Juni 


387 


30. Juni B (8) 


6 


1 


355* 


3 


18. Juli 


386 


Oktia, Hekk.7.M.19.Juli(9) 


7 


2 


354 


4 


7. Juli 


b 385 


7. Juli (10) 


B 8 


B 3 


384 


99,1 


26. Juni 


384 


27. Juni B (11) 


1 


4 


354 


2 


15. Juli 


383 


16. Juli (12) 


2 


t 


354 


3 


4. Juli 


382 


5. Juli B (13) 


B 3 


B 6 


384 


4 


22. Juni 


b 381 


23. Juli (14) 
12. Juli (15) 


4 


7 


354 


100,1 


11. Juli 


380 


B 5 


B 8 


384 


2 


30. Juni 


379 


2. Juli B (16) 


6 


1 


355* 


3 


19. Juli 


378 


OktU. 21. Juli (17) 


7 


2 


354 


4 


8. Juli 


b 377 


9. Juli (18) 


B 8 


B 3 


384 


101,1 


27. Juni 


37B 


28. Juni B (19) 


1 


4 


354 


2 


16. Juli 


375 


^.»ic^Oyc/tt*, 17. Juli(l) 


2 


5' 


355* 


3 


5. Juli 


374 


7. Juli (2) 


B 3 


B 6 


384 


4 


24. Juni 


b 373 


25. Juni B (3) 


4 


7 


354 


102,1 


13. Juli 


372 


14. Juli (4) 


B 5 


B 8 


384 


2 


2. Juli 


371 


3. Juli B (5) 





1 


355* 


3 


21. Juli 


370 


OktU, Hekk.8.22.Juli(6) 


7 


2 


354 


4 


10. Juli 


b 369 


11. Juli (7) 


B 8 


B 3 


384 


103,1 


29. Juni 


368 


30. Juni B (8) 


1 


4 


354 


2 


18. Juli 


367 


19. Juli (9) 


2 


5 


354 


3 


7. Juli 


366 


8. Juli (10) 


B 3 


B 6 


384 


4 


25. Juni 


b 365 


27. Juni B (11) 


4 


7 


354 


104,1 


14. Juli 


364 


16. Juli (12) 


B 5 


B 8 


384 


2 


3. Juli 


363 


5. Juli B (13) 


6 


1 


355* 


3 


22. Juli 


362 


Okt 16. 24. Juli (14) 


7 


2 


384 


4 


11. Juli 


b 361 


12. Juli (15) 


B 8 


B 3 


384 


105,1 


30. Juni 


360 


2. Juli B (16) 


1 


4 


354 


2 


19. Juli 


359 


21. Juli (17) 


2 


5 


355* 


3 


8. Juli 


358 


10. Juli (18) 


B 3 


B 6 


354 


4 


27. Juni 


b 357 


28. Juni B (19) 


4 


7 


354 


10Ö,1 


16. Juli 


356 


S.met.C^cIus, 11. in\i(l) 


B 5 


B 8 


384 


2 


5. Juli 


355 


7. Juli (2) 


6 


1 


355* 


3 


24. Juli 


354 


Okt 17, Hekk. 9. M. 26. Juni B (3) 


7 


2 


854 


4 


13. Juli 


b353 


14. Juli (4) 


B 8 


B 3 


384 


107,1 


2. Juli 


352 


3. Juli B (5) 


1 


4 


354 


2 


21. Juli 


351 


22. Juli (6) 


2 


5 


354 


3 


10. Juli 


350 


12. Juli (7) 


B 3 


B 6 


384 


4 


28. Juni 


b 349 


30. Juni B (8) 


4 


7 


354 


108,1 


17. Juli 


348 


19. Juli (9) 


B 5 


B 8 


384 


2 


6. Juli 


347 


8. Juli (10) 


6 


1 


355* 


3 


25. Juli 


346 


Okt 18. 28. Juni B (11) 


7 


^ 2 


354 


4 


14. Juli 


b 345 


16. Juli (12) 


B 8 


B 3 


384 


109,1 


3. Juli 


344 


5. Juli B (13) 


1^ 


4 


354 


2 


22. Jili 


343 


24. Juli (14) 


2 


5 


355* 


3 


11. Juli 


842 


13. Juli (15) 


B 3 


B 6 


384 


4 


30. Juni 


b 341 


2. Juli B (16) 


4 


7 


354 


110,1 


19. Juli 


340 


21. Juli (17) 


B 5 


B 8 


384 


2 


«. Juli 


839 


10. Juli (18) 



A. Btteekh: zur Geschichlei der Monddydea der fieUenea. 



i|= 


4' 


H 


Olympia- 


Jahres- 


li 


- 


||5 


in 
"f. 


denjahre. 


anfang: 


1^ 


nebst Vergpleichung' mit Metons 
Cydns 


6 


1 


355* 


01.110,3 


27. Juli 


338 


0kt.l«,Hekk.l0.29. Juni B (19) 


7 


2 


354 


4 


16. Juli 


b 337 


^. met, Cyclusi 17. Juli (1) 


B 8 


B3 


384 


111,1 


5. Juli 


336 


7. Juli (2) 


1 


4 


354 


2 


24. Juli 


335 


26. Juni B (3) 


2 


5 


354 


3 


13. Juli 


334 


. 16. Juli (4) 


B 3 


B 6 


384 


4 


1. Juli 


b 333 


3. Juli B (5) 


4 


7 


354 


112,1 


20. Juli 


332 


22. Juli (6) 


[B]5 


[B]8 


354 


2 


9. Juli 


331 


!f^r,aM.12.J„H(7)*) 


6 


1 


355* 


3 


28. Juni 


330 


Oktao. M, l.Juli (rectif, 28. 
Juni) B (8) ♦*) 


7 


2 


354 


4 


17*Juni 


b 329 


19.Juli(reclif.l6.JuU)(9) 


B 8 


B 3 


384 


113,1 


6. Juni 


328 


8. Juli (rectif. 5. Jnli) (10) 
28.Juni(rct.25.JuQl)B(ll) 
17. JuU (rectif. 14. Juli (12) 
5. Juli (rectif. 2. Juli) B(13) 


1 


4 


354 


2 


25. JuDi 


327 


2 


5 


355* 


3 


14. Juni 


326 


B 3 


B 6 


384 


4 


3. Juni 


b 325 


• 4 


7 


354 


114,1 


22. Juni 


324 


24.Juli(rectif.21.Juli)(14) 


B 5 


B 8 


384 


2 


11. Juni 


323 


13.Juli(reptif.lO.Juli)(i5) 


6 


1 


355* 


3 


30. Juni 


322 


Okt 1, Hekk. L M. 3. Juli (r«etif. 
30. Juni) B (16) 



'^) Spatestes Ende der Geltung der Oktaeteris zu Athen. 

**) Der metonische Cyclus gilt, soweit bis jetzt nachweislich, von 
Ol. 112 , 3 anstatt der Oktagteris zu Athen, und zwar Yon dem 28n Juni 
ab. Anfang der kallippischen Periode. 



10. Ehe ich sofort weiter gehe, ist es erforderlich, einige Be- 
trachtungen anzustellen, durch welche dieser Cyclus theils geprüft 
theils bewährt wird, wobei ich zugleich die Gelegenheit ergreife, eine 
und die andere früher von mir gehegte Meinung zu berichtigen. Doch 
sollen sich diese Betrachtungen nur auf den Theil des Cyclus vor 
Ol. 94 erstrecken , und auch von dieser Zeit dasjenige ausgeschlossen 
bleiben, was sich auf die Berechnung der Zeiten des peloponnesischen 
Krieges nach den Angaben des Thukydides bezieht, die ich weiter 
unten besonders erwäg,en werde. Es bleibt der Zeit anheimgestelU, 
ob spater ans Licht kommende Denkmäler diesen Cyclus bestätigen oder 
widerlegen werden, oder ob sie Modificationeh desselben nöthig 
machen dürften. Denn das unbefriedigende der bis jetzt vorliegenden 
Quellen läfst den behutsamen oder gar ängstlichen Forscher in Unter- 
suchungen der Artj in denen er zu sehr auf sich selbst angewiesen 
ist, nicht zum Vollgefühl der Zuversicht kommen. Man kann jeder- 
zeit nur mit dem jedesmal vorhandenen Material bauen ; ab?r die For- 
schung darf darum nicht so lange still stehen, bis alle ihre Elemente 



tO A. Boeekh: cur GvsditeMe 4er Moodeyelen der HeÜHieir. 

vollständig^ gegeben sind. Was ich hier nun in den vorhin ang^ezeig^- 
ten Beziehung^en zu bemerken finde, beschränkt sich auf folgende 
Punkte. 

ä) OL 86, 4 ist ein Gemeinjahr. Ich nehme zurück , was ich in 
der Abhandlung vom J. 1846 (Schriften d. Akad. S. 365) gesagt, es 
sei wenigstens annehmbar , jenes Jahr sei ein Schaltjahr gewesen. 

b) Im Jahr Ol. 88, 2 unter dem Archon Eukles (vgh über den 
Archon Redlich S. 73) ist, wie Aristoteles berichtet (Meteor. I 6), ein 
Komet im Norden erschienen im Monat Gamelion, nach den Worten 
des Aristoteles: inl d* &(novtog^A^'qviti(Hv EvKkhvg rov Molawog 
fyiveto xofii^rig idxriq ngog aQXtov (irivog Faiitihnvog ^ nsQt xqomag 
ovtog tov fjklov xetfUQivag. Redlich bemerkt (S. 65), dies passe nicht 
in den oklaeterischen Cyclus, und erklärt die Nachricht so, der Astro- 
nom, welchem Aristoteles diese Nachricht verdanke, habe nach dem me- 
tonischen Cyclus gerechnet. Dafs dergleichen Zurückrechnungen sogar 
in sehr frühe Zeiten nach dem metonischen Cyclus gemacht worden, habe 
ich schon im J. 1832, um welche Zeit mein Commentar zur parischen 
Chronik laut der Vorrede zum 2n Bande des Corpus inscr. Gr. erschie- 
nen ist, in eben diesem Werke (U S.326) genau durch Berechnung de^ 
Datums der Einnahme Trojas bewiesen, was ich Grund habe zu bemer- 
ken. Mit der Angabe des Aristoteles verhält es sich aber nicht so. 
Aristoteles hatte blofs überliefert gefunden, dafs OL 88, 2 im Game- 
lion ein Komet erschienen sei; er benutzt aber dieses Datum nach 
seinem Zusammenhang dazu, zu beweisen, dafs Kometen nicht blofs 
im Norden zur Zeil der Sommerwende erscheinen könnten , und setzt 
daher aus eigener Rede die Worte hinzu: yte^l vfionag ovtog tov 
^Xlov %siiUQtvag. Gewöhnlich ist nemlich die Sonne um diesen Mo* 
nat in der Winterwende; aber darauf kommt es nicht einmal an. 
Wenn auch die Sonne im Gamelion OL 88, 2, welcher nach unserem 
Cyclus erst um den lln Februar anfieng, als der Komet erschien schon 
etwa 50 Tage über die Winterwende weg war , so konnte Aristoteles 
doch immerhin im Gegensatz gegen die entgegengesetzte Stellung der 
Sonne um die Sommerwende so sprechen. 

c) OL 88, 3 — 89, 2 sind nach meinen Zinsrechnungen als fest 
bezeichnet , jedoch OL 89, 2 unter einer oben angegebenen wahrschein- 
lichen Voraussetzung. OL 89, 3 ist in Beziehung darauf, dafs. es ein 
Gemeinjahr sei , als fest bezeichnet aus einem Grunde , der oben schon 
angegeben ist, hat aber wegen des hypothetischen der Tagsumme 
einen Stern. Durch jene Zinsrechnungen habe ich bereits in der Ab- 
handlung vom J. 1846 bedingterweise die Ansicht erschüttert, als 
ob der metonische Cyclus damals in Athen gegolten habe. Im Jahre 
des Archon Stratokies OL 88, 4 eräugnete sich im Boedromion eine 
Mondfinsternis (SchoL Aristoph. Wolken 684), die vom 9nOctober425 
v. Chr. Dieses julianische Datum fällt nach Metons Rechnung in den 
Pyanepsion ; nach uns entspricht ihm der 16e Boedromion , während 
der Vollmond vielmehr um den 14n hätte eintreten sollen , indem eben 



A. Boeckh : zur GeAehiefate der Moadeyd«« der H^UivieA. M 

dM Jabr am zwei Tage zu fräh angefangen war. lieber diese Mond- 
finsternis haben nächst Vömel £. H^ 0. MOller und Redlich, dieser mit 
Nachweisung der Vorgänger gehandelt (S. 68 ff.)- 

d) Aristophanes lä&t in dem Antepirrhema der Wolken (60S ff.) 
die Selene den Athenern sagen , sie führten die Tage ganz unrichtig 
und mengten sie zu oberst und zu unterst, so dafs die Götter ihr je- 
desmal drohten , wenn sie um das Gastmahl getäuscht wieder nach 
Hause giengen, indem sie nicht nach dem richtigen Verhältnis der 
Tage ihres Festes theilhaflig würden; wenn geopfert werden sollte, 
folterte und richtete man, u. dgl. m. Dem Hyperbolos hätten die 
Gdtler seinen Hieromnemonenkranz geraubt, damit er besser wisse, 
dafs man die Tage des Lebens nach dem Monde führen müsse. Ide- 
ler (I S. a22 f.) müht sich vergeblich ab, diese Stelle mU dem voraus^ 
gesetzten bestehen des geordneten metonischen Kalenders zu Athen 
zu vereinigen; denn offenbar liegt hierin, dafs der Kalender nicht mit 
dem Monde stimmte. Aber weit wunderlicher schliefst Rinck (S. 39) 
aus der Stelle , zur Zeit der Aufführung der Wolken könne in Athen 
kein Mondcyclus Geltung gehabt haben; sie beweist vielmehr im Ge- 
gentheil dafür, dafs die Tage nach dem Monde gezählt werden sollten, 
da(s man aber eben in Verwirrung war. Redlich findet darin Spott über 
die unregelmäfsigeEinschiebung der Tage (S. 72): besonders aber mag 
auf die hiermit in Verbindung stehende unregelmäfsige Folge der vollen 
und hohlen Monate, wodurch die Tage allerdings gewissermaCsen zu 
Oberst und zu unterst gemengt wurden, angespielt sein; aufserdem aber 
ist darin zu suchen, dafs der Kalender nicht mit dem Monde stimmte, und 
daCs diese Fehler damals Gegenstand der Volksunterhaltung und der 
Klage über die Behörden waren. Die Wolken sind Ol. 89, 1 aufgeführt, 
und es ist keine hinreichende Veranlassung vorhanden , die sichere 
theilweise Diaskeue des Stückes und namentlich die Vertauschung der 
Parabase mit einer neuen auf dieses Antepirrhema auszudehnen ; das 
Bedenken, was man aus dem Scholiasten zu Vs. 620 (624 Dindf.) 
hernehmen könnte, im Jahre der Aufführung der Wolken, bei Kleons 
Lebzeiten, sei Hyperbolos noch nicht so hervorragend gewesen, um 
Hieromnemon zu sein, erledigt sich dadurch, dafs diese Hieromnemo- 
nle eine erlooste war , und ich möchte überdies bezweifeln , dafs die 
delphisch-pylaeische gemeint sei. Sollte aber auch diese Partie aus 
der Umarbeitung herrühren , so ist sie nicht jünger als OL 89, 2 (Teuf- 
fei im Philologus VII S. 351. f.)- Ol. 89, 1 — ^2 traten die bürgerlichen 
Neumonde nach unserem Entwurf des Cyclus im Vergleich mit Metons 
Bestimmungen zwei Tage vor der rechten Zeit ein, da das Jahr 
OL 69, 1 mit dem 16n Juli anfängt, während bei Meton der Anfang 
am 18n Juli ist; dies genügt zusammen genommen mit dem übri- 
gen, um die Klagen der Götter gegen die Selene und die übrigen 
Scherze zu begründen, da natürlich auch alle Feste dadurch verschoben 
wurden. Dagegen finden wir auch wieder eine Andeutung, dafs Ol. 91, 1 
der bürgerlicbe Neumond mit der Mondphase nahe in Uebereinstim- 
mang gewesen sei (s. Cap. 20), ganz unserem Cyclus gemäfs. 



Üi A. Boeekh: zur QeseiHclile äer Monäcyelen der Hellenen. 

e) Ol. 91, 2 ist nach Rangab^s Zinsrechnung (s. oben Cap. 5) als 
eiil Jahr von 354 Ta£^en festgestellt 

f) Dafs Ol. 91, 3 — 92, 2 als Teste Jahre bezeichnet sind, ist in 
einer gewissen Einschränkung zu nehmen, und dieser Umstand erfor- 
dert eine ausführlichere Erwägung. In dem akad. Monatsbericht vom 
J. 1853 (S. ö87 ff.) habe ich aus der dort erklärten kleineren logisti- 
schen Urkunde unter bestimmten Vol^ussetzungen eine panathenai- 
sche Penleleris von 1476 Tagen ermillell. Wie man aus dem Oange 
der dortigen Untersuchung sehen wird, beruht die Ermittelung, wenn 
ich auch nicht alles so ausgesprochen habe, auf folgendem: 1) Es 
seien in dem ersten Artikel der Generalsummen Z. 28—30* aufser den 
Zinsen der laufenden vierjährigen panathenaischen Periode von den 
Geldern , wetehe in der zunächst vorangegangenen Periode durch die 
früheren Logislen verrechnet waren, überdies Zinsen von 7 noch 
früheren Jahren berechnet gewesen. So verstand ich damals die 
Stelle. Die 4 laufenden Jahre sind Z. 28 bezeichnet mit den Worten : 
[iv rotg th]TaQ6iv hsatv roxov rotg xiig ^€ov, a ot n^[xiqot Xo- 
yictcA iloyleavto] , die 7 Jahre Z. 29 mit [IJjrra Iretfiv (vgl. a. a. O. 
S. 585). 2) Da der dritte Artikel dem ersten analog ist, und von dem 
dritten Z. 35 augenscheinlich eben dasselbe [iv xoig ri]ttaQCiv hiCiVj 
S ot nQoreqoi koyi[<Sral iXoylffavro] vorkommt, Z. 36 aber in dersel- 
ben Gegend, wo im ersten Artikel inrcc StBOtv steht, wieder — lte<Stv 
erscheint, so war es die Aufgabe, zur Ergänzung des letzteren die 
Zahl zu finden , welche nach der Analogie des ersten Artikels die An- 
zahl der Jahre enthielt, von welchen aufser den Zinsen der laufenden 
4 Jahre für die von den vorigen Logislen verrechneten Gelder, noch 
überdies Zinsen berechnet seien. Diese Anzahl der Jahre war im 
ersten Artikel 7 , im dritten erweislich nicht ; eine andere liefs sich 
auch nicht finden. Denn die Rechnung ergab (mittelst einer genau zu- 
treffenden Ergänzung der Kapilalsumme) 1476 Zinstage, d. h. entwe- 
der 4 Jahre oder 4 Jahre und'etwas darüber, folglich 5 Jahre; zieht 
man nun von diesen die 4 Jahre der laufenden Periode ab , so blieb 
für die zu ergänzende Jahreszahl entweder nichts oder nur ein Jahr 
übrig, ivl aber passte nicht zu ireaiv. Daher muste angenommen 
werden, dafs im dritten Artikel aufser den Zinsen für die laufenden 
4 Jahre keine für frühere Zeiten berechnet waren , und es muste also 
Z. 36 [tivtccq<Siv] itediv in dem von mir (S. 587) angegebenen Sinne 
ergänzt werden. Da nun das Kapital nachZ. 35 bereits von den vorigen 
Logislen verrechnet, also vor den laufenden 4 Jahren gezahlt war, und 
nur für diese laufenden 4 Jahre Zinsen berechnet waren, wie unter den 
angegebenen Verhältnissen klar ist, so war die Zahl der Zinstage 1476 
nolhwendig zugleich die Tagsumme der laufenden Penleleris , wie ich 
gesetzt habe. 3) Nach meinen Betrachtungen über die Geschichte des 
Schatzes muste ich urtheilen , das Denkmal könne nur entweder auf 
Ol. 91, 3 — 92, 2 oder auf Ol. 92, 3 — 93, 2 bezogen werden; ich ent- 
schied mich für letztere Setzung, weil nur bei dieser es nach meinen 
Betrachtungen möglich war , dafs in dem ersten Artikel aufser den 



A. Boeekh: zur GeseidcUe der Moadcyden der Helleneil. SS: 

Zinstitider laofenden Periode^ noch Zinsen von 7 früheren Jaltfen ^ 
rechnet seien. So viel über meine frOhere UntersuchuRg. Beaiebr 
man nun al^er das Denkmal auf Ol. 91, 3—92, 2, was ich hypolher« 
tisch gleichfalls aufgestellt hatte, und worauf sich die Erklärung dör 
Inschrift leicht modificieren läfst, so stellt sich die Sache anders; 
denn alsdann werden die laufenden 4 Jahre in den 7 Jahren, die im 
ersten Artikel vorkommen, einzubegreifen sein, und es ist dann mög- 
lich im dritten Artikel Z, 36, entsprechend dem Ijrra h&kv des 
ersten, eine Jahreszahl zu ergänzen , welche aufser den 4 Jahren der 
laufenden Periode noch eine vorher vergangene Zeit einschliefst: es 
müste dies [Ttivts] hscw sein. So kämen von den 1476 Zinstag«n 
einige, und zwar 29 oder 30 in die Zeit vor dem Anfang der läufen- 
den Penteteris, indem diese letztere dann eine kleinere von 1447 oder 
1446 Tagen würde. Es verschwände also der Nachweis einer pana,^ 
thenaischen Penteteris von 1476 Tagen. In der That hat Redlich 
(S. 62), ohne jedoch auf dieses verschwinden hinzuweisen, das 
Penkmal auf Ol. 91, 3 — 92, 2 bezogen und diese Meinung als der 
meinigen gleich gesetzt. Es ist mir gelungen eine Entscheidung zu 
finden , und sie ist zu Redlichs Gunsten ausgefallen. In dem vierten 
Jahre der Penteteris ncfmliah, auf welche sich das Denkmal bezieht, 
hatte die Leonlis die zehnte Prytanie; Ol. 93, 2 aber hatte nach der 
Baurechnung vom Poliastempel (Rangabe Ant« Hell. I Nr. 56 A S. 47) 
die Leontis die siebente Prytahie ; also kann die Penteteris des Denk- 
mals nicht Ol. 92, 3 — 93, 2 sein. Ist sonach der frühere Beweis, dab 
die Penteteris des Denkmals 1476 Tage hatte, verschwunden , so folgt 
freilich noch nicht , dafs sie nicht dennoch 1476 Tage haben konnte 
oder hatte. Vielmehr, so lange meine Ergänzung der Kapitalsumme 
bestehen bleibt, folgt dasselbe Ergebnis der Tagsumme der in Rede 
stehenden Penteteris auf eine andere Weise, nur nicht unbedingt, 
sondern unter der Voraussetzung, dafs diese Penteteris eine gr6fsere 
sei, wie sie sich uns nach Redlichs Oktaeteris ergibt , und in dieser 
Beschränkung ist die Bezeichnung der Jahre Ol. 91, 3 — -92, 2 als fester 
zu nehmen. Denn eine regelmäfsige gröfsere Penteteris, worauf man 
wol berechtigt ist diese Rechnung zu richten, hat entweder 1476 oder 
1477 Tage ; hätte nixa die Penteteris der Inschrift mehr als 1476 Tage 
gehabt, so müste der Zahltag des Kapitals, dessen Zinsen für 1476 
Tage berechnet sind, in die ersten Tage derselben Penteteris fallen; 
das Kapital ist aber schon von den früheren Logisten verrechnet, also 
schon in der vorhergegangenen Penteteris gezahlt; also haUe die lau- 
fende Penteteris, wenn sie eine grofse war, nur 1476 Tage: wobei 
also auch Redlichs Beweis, dafs der metonische Cyclus damals in Athen 
liiehi galt, vorausgesetzt die Richtigkeit der Construction desselben, 
bestehen bleibt, da nach dieser diese Penteteris 1477Tage hat. AuTser- 
dem ist bei diesem Gegenstande noch eine andere Schwierigkeit zu 
erwägen. Ol. 92, 2 ist nemlich in dem CyciA wie bei Meton ein 
Schaltjahr; aber im vierten Jahre der in Rede stehenden Urkunde hatte 
dem Zahltage nach die zehnte Prytanie nicht über 37 Tage, und bis 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. N. F. Bd. I. 3 



Oft A« Baeekh: 2Uff GesducMa det Moiidcf eleu der tt^tenesu 

jetzt ist e» obgleich älchi gewis doek waltfscheioUeii erscbtenen, im 
Schaltjahr habe zur 2eit der lehn Stamme keine Prylanie wenig«' aW 
36Tage^faabt (vgU m^hh. in denSchr. d. Akad. vom J. 1846 S. dßä); 
daher ich in der Erklärung der kleineren Urkunde das bezeichnete 
vierte Jahr zwar nicht entsciueden , aber doch der grö&eren Wahr- 
scheinlichkeit nach für ein Gemeinjahr halten wollte (Monatsbericht 
1853 S. 578). Indessen kann auch die WahrscbeinUchkeit, eine Pry- 
tanie habe im Schaltjahr nicht imter 38 Tagen haben können, völlig 
tauschen; und sie teuscht wirklich. Es ist dabei angenommen, bei 
K) Stämmen sei det Schahmonat, unabhängig von derZutheilung oder 
Verloo»ing der überschüssigen Tage an die Pry tanicn , zu gieicheia 
Theilen vertheilt worden ; für die Zeit der zwölf Stämme ist jedoch euie 
weit ungleichere Verlheflun^ im Schaltjslir bereits nachgewiesen 
<A. a* 0. aus Meiers Vorrede zu Hofs v. d. Deninen), indem ein Fall 
^offkommt, wo die zwei ersten Prytanien zusammen 72 Tage hattexi, 
wlhrend im Schaltjahr für jede der 12 Prytanien sich durchschnittlich 
nur 32 Tage ergeben : so kamen also andere Prytanien bedeutend zu 
knrz. Man kann nicht geradezu in Abrede steilen, dafs auch zur Zeit 
der zehn Stämme ähnliches stattfand. Die von Pittaldb (fanc. Ath. 
& 38) herausgegebene und von Rangabe (AnU Hell. I Nr. 348 S. 394 ff.) 
behandelte Rechnung über verkaufte eingezogene Güter aus der näch- 
sten Zeit vor der Anarchie liefet dafür meines eraehtens sogar defn 
Beweis. Nach dieser fallen des Gamelion ißdofufi lau^dvov^ ivccT9i 
^ßMvomog und änrif ^p^vovtog In die 7e Prytanie« Man kann dabei 
nur an ein Schaltjahr denken. Der 7e Gamelion ist , die 7 ersten Mo- 
naUe des Schaltjahres als 4 volle und 3 hohle i^eoommen, der 214e Tag 
des Jahres; setzt man diesen auch nur als ersten der Pry tanie, so hat- 
ten die 6 ersten Prytanien nur 213 Tage , also durchschnittlich jede 
35-*-36 Tage, während sie nach gewöhnlicher Ansicht mindestens 36» 
susammen 228 Tage haben sollten, die 4 ietztenPrytaoien aber erhalten 
Zttsaeimen 171 Tage, durchschnittlich jede 42 — 43. Wir haben hier 
also dasselbe Ergebnis wie schon früher für die Zeit der 12 Stämme, 
nur dafs in dem einen Fall die grösseren Prytanien am Anfang, im 
andern am Ende liegen; dies wird sich aber in andern Jahren umge^ 
kehrt haben, damit man beiden gerecht würde: wie wir in einer an* 
dern Inschrift aus der Zeil der zwölf Stämme finden , dafs die letzte 
Prytanie 34 Tage hatte (Ephem. archaeol. Nr. 32. Clansse Inscr. Gr. tres 
Nr. ni), also zwei Tage über die durchschnittliche Dauer im Schalt- 
jahr <vg4. Meier a. a. 0. S. VIII). Wieder in andern Jahren beliebte 
oaan eine gleichmäfsigere Vertheilung ; denn man scheint über diese 
Vertheilung keine feste für längere Zeit gütige Bestimmungen gehabt 
zu haben. Durch die so eben angestellte Berechnung der Tage jener 
vor-euklidischen Inschrift nun kommen wir ohngefähr zu einer Höhe 
einiger Prytanien im Sehaltjahr zur Zeit der zehn Stämme, die ich 
oben (Cap. 4) mit gitfem Vorbedacht als unwahrscheinlich nach der 
gangbaren Ansicht , keineswegs aber als unmöglich bezeichnet habe ; 
andere PrytanicA erhielten dagegen auch 'im Schaltjahr nur dieselbe 



A* BoBAkh : zm 6««Udrte <ter Mondcyclen der Heltenei. K 

Dauer wie im Gemeinjal»', und eg leucätet ei«, dafs luemach einmal 
eine IVylame, auch die zehnte« selbst im Schaltjahr nur 37 Tage er- 
halten konoie, nicht mehr als bisweilen im Gemeinjahtr. Freillgh hat, 
Rai^abe, von dem gewöhnlichen System ausgehend, in der in Rede 
st^enden Eeehnung einen Fehler des Steinsohrelbers oder eine un- 
gehörige Fassung oder Bedaction veimutet. Falsche Daten, zum 
Theil als Fehler der Steinschreiber, kommen vor (Staatsh. d. Ath. U 
S. 34^ vgl S. 47, und unten Cap. 12), und ich könnte ein solches no- 
thigenfeJJs auch für die kleine logistische Urkunde des Monatsbericht 
les geltend machen, um die kurze Prytanie zu beseitigen; aber sokhe 
Annahmen sind ohne Beweis oder hedeuiende Wahrscheinlichkeits* 
gründe niehtig. Was Rangabe nun (in Nr. 348) als Schreibfehler an« 
sieht, ist der 7e Gamelion; er glaubt die Schwierigkeit gehoben, wenn 
der 17e Gamelion der richtige Tag war. Dies beruht aber auf einem 
Rechnungsfehler. Der ]7e Gamelion ist der 334e Tag des Jahres, 
also bleiben für die 6 ersten Prytanien nur 223 Tage, wahrend die 6 
ersten Prytanien, jede aach nur zu 38 Tagen gerechnet, 2S8 Tage er- 
fordern; und es ist nicht wol abzusehen, welcher andere Schreibfeh- 
ler in der Insehrifl sein könnte, durch dessen wahrscheinliche Cor- 
rection das gewi^liche System gerettet wurde. Als etwanige unrich* 
tige Fassung stellt Rangab^ auf, der Posten vom 7n Gamelion sei aus 
einem gewissen Grunde unter der 7n Pryianie aufgefiihrt, habe aber 
in die 6e Prytanie gehört : diese Annahme ist aber völlig unstatthall. 
Vielmehr liefert diese Rechnung den Beweis für das , was ich »uCge^ 
stellt habe , und rechtfertigt somit die Kürze der lOn Prytanie in der 
kleineren logistischen Urkunde auch für ein Schaltjahr. Da ich übri* 
gens meinen Untersuchungen über die Zeitbestimmung dieser Urkunde 
eine unbedingte Sicherheit nicht zutrauen darf, so mufs ich schliefslich 
noeh, obgleich ich nichts besseres und überhaupt nichts anderes da- 
für zu setzen weifs, den Zweifel zulassen, ob die Rechnung, zu 
weicher das Stück aus der zehnten Prytanie gehört, wirklich aus 
OL 92, 2 sei ; so lange jedoch nicht durch ein neu ans Licht kommen- 
des Denkmal sich herausstellt , dafs sie nicht auf jenes Jahr sich be- 
ziehe oder dafs Ol. 92, 2 ein Gemeinjahr war, mufs ich bei den vor-* 
liegenden Erwägungen stehen bleiben. Sollte sich letzteres aeigen, 
so könnte man aufstellen , die von uns in Ol. 89, 4 angenommene Aus- 
merzung eines Schaltmonats habe erst Ol. 92, 2 stattgefunden , und es 
w&re dann möglich gewesen , dafs die Athener mit Ol. 92^ 3 in den 
metonischen Cyclus übergiengen. Dem zufolge müste aber wol die 
Stelle des aristophanischen Friedens (Cap. 9) aus der zweiten Aus- 
gabe, die dann um Ol. 92, 1 zu setzen wäre , in die jetzt vorhandene 
übertragen sein , was durchaus der Wahrscheinlichkeit entbehrt. 

g) Das Jahr OL 92, 3 ist in dem Cyclus ein Gemeinjahr <und zwar 
von 355 Tagen), wie ich es schon in der Staatsh. d. Ath. (II Beil. I) 
und im Corpus inscr. Gr. für die Erklärung der werthvollen Schatz- 
reohnung aus diesem Jahre gesetzt habe. Von den drei letzten Pry- 
tanien dieses Jahres kommt in der Schatzrecbnung der 36e Tag vor. 

3* 



36 A. Boccich: zur Geschichte der Mottdeyden der fieUeneh. 

A) Das Jahr OL 92, 4 ist nach dem Cyclus ein Gemeinjahr von 
334 Tagen. Im Corpus inscr. Gr. (Nr. 148, vgl. zu Nr. 149) habe ich ein 
schönes BruchstQck einer Schatzrechnung nach gemeinsamer Ueberle- 
gung mit Ideler (vgl. diesen I S. 340 ff.) in dieses Jahr als metont- 
sches Schaltjahr gesetzt; es steht aber nichts fest, als dafs die erste 
Prytanie 37 oder 38 Tage und der Metageitnion 30 Tage hatte. Gibt 
man dem Hekatombaeon nur 29 Tage , so wird die erste Prytanie nur 

37 Tage haben. Dies hielt ich ehemals für unmöglidi ; aber es ist 
jetzt nicht mehr zu leugnen, dafs Prytanien von 37 Tagen, und selbst 
in Gemeinjahren, vorkommen konnten (vgl. m. Abb. vom J. 1846 
S. 582 ff. Redlich S. 67). Die Inschrift kann also immerhin in Ol. 92, 4 
bleiben ; Rinck (S. 54 f.) setzt sie aus blofsem Belieben in Ol. 93, 2 
und sagt aus Versehen, ich hätte sie in Ol. 93, 1 gesetzt. In Ol. 93, 2 
kann sie , wenn dieses Jahr ein Gemeinjahr von 354 Tagen war, nicht 
gesetzt werden , weil wir sonst für dieses Jahr zu viel überschüssige 
Tage erhalten würden (s. sogleich t). 

Ol. 93, 2 ist in dem Cyclus wie bei Meton ein Gemeinjahr' von 
354 Tagen; als Gemeinjahr hatte ich es früher an mehreren Orten be- 
zeichnet. Auch Rinck setzt das Jahr als Gemeinjahr, was aber freilich 
länger als nach dem Mondcyclus ist. Nach der Baurechnung vom 
Poliastempel halte die sechste Prytanie 37, die achte 36 Tage. 

Ar) Die Inschrift Nr. 348 bei Rangab^ (s. oben /*) ist von diesem 
vermutungsweise in Ol. 93, 4 gesetzt worden: sie ist aus einem 
Schaltjahr , und Ol. 93, 4 ist nach unserem Cyclus ein solches. Die 
Vermutung meines hellenischen Freundes beruht zwar nicht auf zu- 
reichenden Gründen, ist aber wol richtig. In der Inschrift kommt 
vor, dafs in der 7n Prytanie etwas vom Staate verkauft wurde, was 
dem Adeimantos dem Sohne des Leukolophides zugeh6rt hatte; die- 
ser war kurz vorher , zur Zeil der Schlacht bei Aegospotambi , noch 
Feldherr , wurde aber in Folge dieser von einigen des Verralhes be- 
schuldigt (Xenoph. Hell. II 1, 32), und später als Ol. 93, 4 läfst sich 
die Inschrift aus einleuchtenden Gründen nicht setzen. Dafs in der 
vorhandenen Abschrift öfters H als Vocalzeichen vorkommt, mache 
ich für unsere Setzung absichtlich nicht geltend. Metonisch ist übri- 
gens Ol. 93, 4 nach Ideler ein Gemeinjahr, während die Inschrift fiir 
Athen auf das Gegentheil führt. 

11. Bis zu Ende von Ol. 92, 2 oder noch später hatte der me- 
tonische Cyclus, wie erwiesen ist, keinen Eingang in Athen gefun- 
den ; auch hatte er , wenn nur erst die Ausmerzung des Schallmonates, 
die oben nachgewiesen worden, stattgefunden hatte, für geraume Zeit 
keinen Vorzug vor der Oktaeteris. Dieser Vorzug desselben bestand 
darin, dafs er das zu starke vorgreifen des Jahreswechsels über die 
Sommerwende hinaus vermied; diesem Uebelstande hatte aber die 
Ausmerzung des Schaltmonales für eine Reihe von Jahren abgeholfen. 
Es war daher vor der Hand kein dringender Grund vorhanden, den me- 
tonischen Cyclus einzuführen, der überhaupt nicht früh scheint allge- 



A*fioeakli ; zur GastUdite der Mondcyel^ der Hellenen. ^ 

Bleuler geworden zu sein, da noch Geminos (S* 18) den bür^rlichen 
Gebrauch (tifv nohunifv iymyf^v) und die Monate der Staaten {xovg 
wtna %oUv (n^s) der genauer bestimmten Zeit entgegensetzt. Diese 
Ueberlegung hat mich veranlalst, in der Tafel den oktaSterischen 
Cyclus bis OL 114, 2/d fortzuführen. lieber das Ende dieser Tafel ist 
aber noch eine Erläuterung nöthig : und diese liefert die Fortsetzung 
der oben (Gap. 9) abgebrochenen Untersuchung. Nachdem Ol. 89, 4 
ein Schaltmonat ausgemerzt worden, fi^g im Beginn der nächsten 
Oktaeteris und Hekkaedeka^teris das Jahr Ol. 90, 3 dennoch erst den 
12n Juli, 14 Tage nach der Sommerwende an, die auf den 28n Juni fiel 
(Meton freilich hatte sie kurz vorher gar auf den 27n Juni gefunden) ; 
nach Verlauf der eilften Oktaeteris von Ol. 90, 3 ab, also Ol. 112, 3 
fieng daher das Jahr am Abend des 28n Juli an, volle 30 Tage nach 
dem Abend des Tages der Sommerwende , welche am 28n Juni gegen 
3% Uhr Morgens athenischer Zeit eingetreten war, fast genau gleich- 
zeitig mit dem astronomischen Neumond (vgl. Biot Resume de chro- 
noL astron. S. 436). Sollte dieser Misstand gehoben werden, so 
muste einer der Schaltmonate der von Ol. 112, 3 laufenden Oktaete- 
ris oder schon der zunächst vorhergehende, also der Schallmonat 
von Ol. 112, 2. 113, 1 oder 4, oder 114, 2 ausgemerzt werden, so dafs 
dann die nächste Periode nach der mit Ol. 112, 3 beginnenden Oktae- 
teris in OL 11^ 3, V. Chr. 322 mit dem ersten erscheinenden Neumond 
nach der Sommerwende begann, den 30n Juni v. Chr. 322. So ergibt 
es die in der Tafel ausgedrückte Berechnung nach den Regeln der 
Oktaeteris, und es stimmt vollkommen mit dem Mond. Denn ich 
finde nach Largeteau denjenigen astronomischen Neumond, der hier 
in Betracht kommt, den ersten nach der Sommerwende v. Chr. 322, 
auf den 29n Juni 2 Uhr 52' par. oder ohngefähr 4^ Uhr athenischer 
Zeit Nachmittags, so dafs der bürgerliche Neumond am 30n Juni 
war , während er nach Meton falsch auf den 3n Juli fiel. Uebrigens 
habe ich in der Tafel angenommen, die Ausmerzung sei gleich 
im Jahre Ol. 112, 2 erfolgt ; dies ist rathsam anzunehmen , weil ohne 
diese Ausmerzung das nächste Jahr schon einen vollen Monat nach 
der Sommerwende, am 28n Juli angefangen hätte. Dem näheren Ver- 
ständnis durfte folgende Betrachtung förderlich sein. Eine der aUi- 
sehen Oktaeteris angepasste Periode von 160 Jahren wird man theore- 
tischerweise von einer attischen Oktaeteris aus nehmen müssen, in 
welcher der erste bürgerliche Neumond mit der Sommerwende 
coincidiert oder dieser in der kürzesten Zeit nachfolgt. Man hat da- 
her OL 112, 3 oder Ol. 114, 3 als Anfang einer solchen grofsen Periode 
zu nehmen. Von da ab kann man solche Perioden zurückrechnen; 
rechnet man deren zwei zurück, so wird der Anfang der ersten 
derselben in Ol. 32, 3, v. Chr. 650, oder in Ol. 34, 3, v. Chr. 642 fallen. 
Wäre nun die Periode von 160 Jahren in genauer Ueberein Stimmung 
mit Sonne und Mond , so müsten diese Jahre nach der okta§terischen 
Rechnung in demselben Verhältnis zur Sommerwende und zu den 
natürlichen Mondphasen stehen wie Ol. 112|3 und 114,3. Dies trifit 



98 A. Boedih: z«r Geschtchle derMon^epyelen der Rett^eii. 

aber iiieht zu, 'weil jene grofire Periöd«' gegen die Sotme «m 
als einen Tag za lang iert, imd gegen. den^Mondlau^ ^dvon Idxgteieh 
hernach näher handle, zu koTÄ. Wenn z. B. Ol. 114, » den 30n JflMi 
einige Tage nach der Sommerwende begtnnl , und also Ot^ M, S 
nach oktaelerischer Rechnung ebenfalls de» 30n Juni beginne» sottte, 
und zwar einige Tage nach der Sommetwende , so begann Ol* 34, 3 
der entsprechende erste Monal, nach denv Monde gerechnet, wie wir 
sogleich sehen werden, schon den 28n odet 99a Juni, vm4 zwasr vor 
der Sommerwende, vorausgesetzt dafs dafmits wirklich neck dem 
Wonde gerechnet wurde und eine Oktaeteris' begann. Isr mi also 
ein Misverhältnis der okta«lerischen Zurückrechnung gegen 8onne 
und Mond vorhanden. Sehen wir von dem Mtsverhältnis gegen den 
Mond vorläufig ab , indem wir das geringe zurückweichen des Mo- 
natsanfanges in jener früheren Zeil gegen den Monalsanfang in 
Ol. 112, 3 und 114, 3 aufser Acht lassen, so bleibt doch dieses sehr 
störend, dafs in Ol. 32, 3 und 34, 3 ^er Jahresanfang, naeh dem 
Monde bestimmt, vor die Sommerwende fiel, da er im Anfang 
der Periode tnit dieser vielmehr coincrdieren odef ihr in- kürzester 
Zeit nachfolgen sollte. Dennoch habe ich, um eine Zählung der 
Okla^'lenden zu ermöglichen , zwei der grofsen Periode« ^rückge- 
rechrtet, wobei entweder von Ol. 112, 3 oder von Ol. 114, 3 auszuge- 
hen war, so dafs Ol. 32, 3 oder 34, 3 der Anfang 6et ersllen beider 
Perioden wurde. Welches Von beiden man wähle, Isl ziemlich 
gleichgiltig: das erslere erscheint jedoch als das richUtgere; aber 
aus einem besonderen Grunde, der freilich filr so entfernte Reifen 
nicht hoch angeschlagen werden kann, habe ich das letztere ge- 
wählt. £s ist nemHch denkbar, dafs auch damals schon eine uft* 
voPlkönimene Oktaeleris bestand, welche durch unregeliii^sfg eift- 
geschaWele Zusatztage ab und zu mit den Mondphasen in Üeber- 
Einstimmung gebracht wurde ; mit KücksTcbt hierauf ist es ange- 
fnessener, ron den beiden angegebenen Anfangspunkten der ersten 
der beiden zurückzurechnenden Perroden äen zu nehmen, in wel- 
chem der Jahresanfang in minderem Misverhältots tut Sommer- 
wende stand: und wenn auch die Okta^teris damals noch nieht ein- 
geführt war, ist es doeh passender so ztf reehnen, a*s <^ sfe 
schon bestanden hätte. Ol. 34, 3 war aber, wie Ideht zu era^hHen, 
das Misverhältnis , welches ich bezeichnet habe , getinger als Ol. 32, 3, 
und darum habe ich es vorgezogen , als Anfang der ersten def beiden 
zurückgerechnelen Perioden Ol. 34, 3, v. Chr. 642 zu setzen, in 
welchem Jahre die Sommerwende dert ton Juni NachmtCtaigs ßllt, 
kurz vorher aber, am 27n Juni ohngefähr Abends ^ Uhr athenischer 
Zeit, nach Largeteau berechnet, wahrer oder aslronomiseher Neu- 
mond ist , also den 28n oder spätestens wenigsten^ der Regel nach 
den 29n Juni bürgerlicher Neumond. "Wie Meton sich in dei* Be- 
stimmung der Sortitoerwende um mehr als einen Tag irrte «md sie 
zu früh setzte, so kann die Sommerwende vom J. v. Chr. 012 «bdtt- 
falls früher als sie Wirklich war gesetzt worden sein, w» den 



A. 6Mekh : «ur CtojMUeile, 4er Moadeyetm der Hellenea. SB 

98a Juni, 9^ dafe sie tals nahe «oäieidierend mit dan bürgeriicfaea 
Nenmond erschie»; dieser approximative Cokictde&zpunkt ist ein sehr 
passeiMier Ausgati^spankt fib* «ine profeptisefae oder ra» uns zur 
rüek£^eredincte Periode von awanzig^ attischen Oktaeletiden oder 
160 JiibTeD, die wir hypothetisch zu Grunde «ret^ haben; dedi 
kann wie gesagt selbst in jener KHihen Zeit schon eine, wetHh> 
gieieh nicht fest geregelte und nicht genau beobachtete Oktaeterls 
begonnen haben.. In eine solche Reihe fugte sich dann nach Ab- 
lauf von 6 Oktaeleriden die ersle, ohne Zweifel wirkliche soloni«- 
sdie als die siebente Okta^teris oder der Anfang der vierten Hekkaet 
dekagteris, von Ol. 46, 3, v. Chr. 594 ab, in weichem Jahre der 
erste astronomische Neumond, nach Largeteau berechnet, aaf den 
6n Juli gegen 10% Uhr Abends athenischer Zeit trifft, sa dafs um 
den 7/Bn Juli der bürgerliche Monat begonnen haben würde. Mit 
Ol. 74, 2, v. Chr. 483 lief die erste elnhundertundseehsigjährige Pe* 
riode, von OL 34, 3 ab gerechnet, zu Ende; hier oder kurz voc* 
her fiätle nach der spätem Regel ein Schaltmonat ausgemerzt werr 
den müssen, was aus Unkunde nicht geschah; sonst hätte das 
Jahr nicht in Ol. 86, 3 die Sommerwende so weit üfl^rsehriUeü^ 
als es sichertieh der Fall war« Mit Ol. 74, 3 begann, theoretisch be? 
rechnet, eine neue Periode von 160 Jahren tcnd eine neue Oktag^* 
teris, und von hier ab sind in der Tafel die Okta^teriden und 
Hekkaedekaeleriden gezählt: nicht als ob dies die einzig rodgliche 
Zahlung wäre , sondern wir haben nur für die Betrachtung und 
Rechnnng eine Norm annehmen müssen, und die Zählung würde 
steh verändern, wenn dem oben angegebenen hypothetischen Aus* 
gangspunkte (Ok 34, 3) ein anderer nahe liegender (etwa der oben 
dilenunatisch von uns gesetzte, OL 32, 3) substituiert würde, weh 
durch in der Hauptsache keide wesentliche Aenderungen entste:^ 
hen. Von Solon ab gerechnet würde die neue Periode von 16Q Jah-» 
ren OL 86, 9 geendet haben, nach wekshem Jahr mit Ol. 86, 3 die 
siebente Oktaeteris oder vierte Hekkaedekaetetis, von OK 74, 3 aus 
gerechnet, anfangt Auch hier war der Schaitmonat nicht ausger 
merzt worden« Die erste Ausmersung geschah Ol. 89, 4 (v. Chr. 421)» 
also 69 Jahre zu spät (von Ol. 74^ 2 ab gerechnet); folglich muste 
die zweite Ausmerzung spätestens schon 98 Jahre nachher, Ol. 114, 9 
(▼. Chr. 393) geschehen. Hierbei bemerke ich noch folgendea. Des 
letzte Tag der zweiten Periode von 160 Jahren ist der vom Abend 
des 99n Juni 329 v. Chr. ab. Rechnet man von da ab zweimal 
160 Jahre zurück, so würde wie gesagt die erslere der einhun- 
dertundseehzigjährigen Perioden der Rechnung nach den 30n Juni 
V. Clir. 643, Ol. 34, 3 haben beginnen müssen, und diese Rechnung 
würde den AslrOtiomen der Zeit um Ol. 114 auch in BetrefT de» 
Verhältnisses des Jahresanfanges zur Sommerwende völlig genügt 
haben, weil sie, über die wahre Dauer d^ Sonnenjahres noch 
nicht im klaren, die Sommerwende des J. v. Chr. 649 auf den- 
selben julianischen Tag wie zu ihrer Zeit (28n Juni) setzten; hat 



«0 A. BöecUi : zur Ge«€hieiae 4tt ÜMifaycleiL äer Uellatteo^ 

man aber im J. 6it v. Chr. schon titatsäefalieh Ae' OiBtalferis, ao 
kann sie, wenn damals der bfkr^^erliche Neumond mit der Mcmd- 
phase übereinstimmte and die Mondsichel nicht etwa erst am drit«- 
ten Abend nach dem wahren Neumond beobachtet wurde, nach 
obig^em der Rechnung gpemäfs nur vom Abend des 28n oder 39n Juni 
begonnen haben, und es müsten also thatsächUch zwei oder min- 
destens ^in Tag mehr eingeschoben worden sein, als die Theorie 
der Olctaeteris erforderte. Beides hängt zusammen, und diese Ver- 
mehrung der Zusatztage war ganz in der Ordnung. Denn die Pe- 
riode von 160 Jahren , in welcher nach der Theorie der Oktaeteris 
80 Tage eingeschoben und wieder ausgelassen werden, ist gegen den 
wahren Möndlauf zu kurz , da in ihr der Monat zu 29 +'% + Vss Tagen 
oder zu 29 Tagen 12 Stunden 45' Ya genommen ist, während er 
99 Tage 12 Stunden 44' 3''% beträgt, was auf zweimal 160 Jahre 
eine Vermehrung des Zeilraumes von 27% Stunden ergibt; und 
überdies wurden durch die Weglassung eines Schaltmonates von 
30 Tagen in einer Periode von 160 Jahren etwa 11% Stunden 'mehr 
als ein synodischer Monat weggelassen, also in zwei solchen Perio* 
den 22^ Kunden: so dafs binnen zwei Perioden zwei Tage mehr 
zuzufügen waren, um mit dem Mondlauf in Ueberelnstimmung zu 
bleiben (vgl. Ideler I S. 296 f^ und daselbst Geminos). An dieses Et't 
gebnis könnte man folgende weitere Betrachtung knöpfen. Wir haben 
gesehen, dafs Ol. 87, 1 das attische Jahr um drei Tage zu früh 
anfieng, dafs man aber auch annehmen kann, es habe nur zwei 
Tage zu früh angefangen (Cap. 9): diese zwei Tage, um die Ol. 87, 1 
zu früh anüeng , könnten eben die scheinen , die in den zwei grofisen 
Perioden von Ol. 34, 3 ab noch hätten zugefügt' werden müssen» und 
daraus könnte man schliefsen , abgesehen von diesen zwei Tagen 
habe die ganz regelmäfsige durch die Hekkaedekaeteris corrigierte 
OktaSteris schon seit Ol. 34» 3 bestanden und sei bis OL 87, I 
ordnungsmäfsig fortgeführt worden (was wir bisher nicht annah- 
men); nur dafs die Zusetzung jener zwei Tage und die Ausmer- 
zung des Schaltmonates nicht geschehen sei. Bei näherer Erwä- 
gung erseheint jedoch diese Betrachtung als falsch. Denn letztere 
beruht zu einem Theil auf der Voraussetzung einer zweimaligen Aus- 
merzung des Schaltmonafes, und bis Ol. 87, 1 hat der Voraussetzung 
nach eine solche gar nicht stattgefunden seit Ol. 34, 3, sondern die 
erste erst Ol. 89, 4, die zweite erst gegen Ende der zweiten grofsen 
Periode, nach uns Ol. 112, 2. Zum andern Theil beruht die Be- 
rechnung der zwei Tage , welche in zweimal 160 Jahren noch zu- 
zusetzen waren, auf dem Ablauf beider grofsen Perioden, deren 
zweite Ol. 87, 1 noch nicht zum dritten Theile abgelaufen war. Ueber- 
haHpt aber läfst sich nicht annehmen, dafs die Oktaeteris so früh 
grundsätzlich geregelt war, sondern man fügte die Zusatztage auf 
dem Wege einer unsidier tastenden Praxis ein, wenn die Incon- 
gruenr der bürgerlichen Zeitrechnung und der Mondphasen bemerkt 
worden war. 



.A* Bo«eiib : z»tr fi^^NstiMtile 4er Mgoieyilleii 4er tteUiooea, 44 

12. Wßfin .g^TaaBft^ZeU naeh der Ausmerxun«^ ies ScMbnonaie^ 
ia Ol* 89» 4 ein Grund zur Einführung «des. m^niseiien Gycius durck- 
aos nicht vorhanden war^ dia Oktaeteris viehnehr, im, ganzen genom* 
men and , ahgesehn von »kleinen Abweichungen deß bargerlichen 
Neumondes gegen die Mondphase in einzelnen Fällen , sogar besser 
als der m^tonische Cycliis mit dem Monde stimmte , so konnte gegen 
Ende der ^weiten Periode von 160 Jahren allerdings dazu der Grund 
führen, dafs man das übermäTsige hinausgreifen des Jahreswechsels 
über die Sommerwende ein für alle mal , für lange Zeit wenigstens, 
beseitigen wollte. Ks bedarf aber dafür, dafs der metonische Cyclus 
eingeführt worden und wann es geschehn sei , der Beweise : und bis 
jetzt reichte der einzige haltbare Beweis nicht weiter als bis OL 116» 3 
zurück. Plolemaeos gibt zwar aus Hipparch drei Daten von babylo«- 
nischen Beobachtungen, von Mondfinsternissen nach den. attischen Ar- 
chanten und Monaten, zwei aus Ol. 99, 2, eine aus Ol. 99, 3, wonach 
erateres Jahr ein Gemeinjahr, letzteres ein Schaltjahr, ist, und, diese 
drei JDaten bezieht man auf den metonisohen Cyclus, der jedoch 
schon um einen Tag gegen den Mond irrig war, indem er den 13n 
Monatstag zahlte, statt dafs er dem Monde nach den 14n hätte zählen 
sollen (Ideler I S.338 f.), während die Oktaeteris dagegen, nach wel- 
cher diese Jahre einen Tag früher anfiengen, ganz richtig lief: in der 
von uns entworfenen Oktaeteris fällt aber niemals ein Schaltjahr auf 
ein drittes Olympiadenjahr, und es ist also schon daraus klar, dafs 
jene Daten nicht nach der attischen Oktaeteris , sondern nach dem me- 
ionischen Cyclus gemacht sind. Dies beweist jedoch nicht, dafs da- 
mals in Athen der metonische Cyclus gegolten habe ; denn wir haben 
hier nur von Hipparch oder einem altern gemachte Reductionen ba* 
bylonischer Beobachtungen auf hellenische Daten nach dem metoni- 
schen Cyclus vor uns, dessen sich Hipparch oder sein Gewährsmann 
hier bedient haben wird (vgl. Redlich. S. 52. 65). Was sollte die 
Athener, vorausgesetzt dafs sie die Regel der Oktaeteris genau ausge* 
fuhrt hatten, damals bewogen haben, ihren mit dem Monde besser 
stimmenden und von der Sonne nicht mehr als der metonische. ab- 
weichenden Cyclus gegen jenen zu vertauschen? Aus späterer Zeit, 
gegen Ende der in der Tafel dargestellten Periode , aus Ol. 112 , 2, 
findet Ideler (I S» 347) ein Datum, welches er aus dem metonischen, 
jedoch um zwei Tage von ihm. berichtigten Cyclus erklärt, indem der 
metonische Jahresanfang damals gegen den Mond um zwei Tage zu 
^t eingetreten sei; was ihm Rinck (S. 57) abgeborgt hat, während 
er so spricht, als ob Ideler die Sache nicht gewust. Plutarch (Cam. 
19) bezeugt nemlich , die Perser seien am fünftletzten Boedromion bei 
Arbela überwunden worden, und derselbe berichtet anderwärts (Alex. 
31), in der eilften Nacht vor der Schlacht bei Gaugamela oder nach 
gewöhnlicher Benennung bei Arbela und zwar im Boedromion habe 
sich eine Mondfinsternis eräugnet, wogegen wol eine andere von Kru- 
ger zu Clintons Fasten (unter dem J. v. Chr. 331) angemerkte At^be 
des ättern PUnios über die Zeit dieser Mondfinsternis nicht in Betracht 



4£ A. Boeckh : zm Öegd U cÜte ^r MdAdcföten ^Ur Betteneh. 

kommt. Diese MoniMiBföfft» ist die, welche in def Mseht vob 90a 
zom iln Septemli^r ▼. Cht. 3^, Ol. 112, 2 eintrat. Die Scliiacht bei 
Gaagamela oder Arbela fiel also den In October SSi v. €^r. vor. Nach 
Metons Cyclus entsprach di^er Tag, wie Ideler sagt, dem-7n Boedro- 
mion vom Ende; man habe also, meint Ideler, das metonische Dalam 
nach dem Himmel berichtigt, was m diesem Falle sehr leicht gewesen, 
da man nur von jener Finsternis ausSugehien brauchte (wobei eine 
schwer denlibare improvisierte Kalenderverbesserung milten im Jahre 
angenommen ist). Dafs der metonische Cyclus eingeführt gewesen, 
wird hierbei vorausgesetzt, und könnte durch diese Combination t&t 
diese Zeit bestätigt scheinen. Ideter hat sich indes in der Beredt* 
nung um einen Tag geirrt. Die Schlacht bei Gaugamela oder Arbela 
wurde am Lichttage des In October und des entsprechenden griechi- 
schen Datums geliefert und entschieden ; hiemach wurde sie natarlich 
datiert, nicht nach der darauf folgenden Nacht oder dem andern Mor- 
gen , wenngleich die Verfolgung in die Nacht fortdauerte und Arbela 
erst am folgenden Tage erreicht wurde. .Metons siebenter BoSdi^mion 
vom Ende fangt aber erst nach dem Lichtlage , am Abend des In Oc- 
tober an. Dem Lichttage des In October entspricht also Metons Licht* 
tag' des achten Boe'dromion vom Ende. Aber die ganze Combination 
ist auch hiervon abgesehn ohne Beweiskraft; vielmehr kann ich mit 
Viel mehr Recht behaupten , dies Datum beweise , dafs damais die Ok* 
taSteris galt. Das Jahr Ol. 112, 2 (v. Chr. 3^1) beginnt nemlt<^ in der 
ohne alle Rücksicht auf diese Sache von uns bestimmten Oktaeteris 
den 9n Juli, in voller UebereinstimmUng mit der Mondphase, da det 
wahre oder astronomische Neumond, nach Largeteau berechnet, den 
8R Juli Abends 774 Uhr athenischer Zeit eingetreten war, und das Jaht 
ist ein Jahr von 354 Tagen, in weichejn abwechselnd volle und hohle 
Monate auTeinander folgten. Es hat kein Bedenken , gerade wiie in 
dem metottischen Cyck» dieses Jahr mit dem hohlen Monat an- 
fangen zu lassen und den Bo€dromion mit Ideler als hohlen zu neh- 
men. Läfst man nun, ebenfalls mit Ideler, die decti^ qt^Cvowtoq 
nicht aus , auch nicht im BoSdromton , in welchem ich ehemals (C. L 
6. 1 S. 226 b), schwankende Nachrichten umdeutend, diese Auslassang 
annahm; so beginnt der ffinftletzte Boedrömion am 30n Sept. Abend», 
und der Lichttag des fönflletzten Bo^romion fällt auf den in October. 
Dies spricht gerade dafür, dafs Ol. 112, 2 noch die Oktaeteris giilL 
Freilich sagt Arrian (Exp. Alex. III 15), die Schlacht sei im Pyanepsion 
unter dem athenischen Arehon Aristophaiies geliefert, was Ideler auf 
Rechnung eines Fehlers in der Reduclion des makedonischen KoleU'^ 
ders auf den attischen schreibt; diese Angabe des Arrian könnte der 
GDaubwärdigkeit der plutarchiscben' Abbruch thun. Gesetzt nun Ar* 
rian hätte Recht, so wäre vollends nicht mehr daran zu denken, dafe 
Metons Cyclus in Athen gegolten hätten mit der Oktaeteris dagegen 
ist auch diese Angabe vereinbar ; nur mdsie dann die Awameraung des 
Schaltmonats, in Voraussicht dafs 4er Jahteswechsel sehr bald die 
Sommerwende übermässig ftberschreiten werde , schon vor 0). 112, 2 



slaltselMdeiiiiiteils ileftn ftisdarinfi«^ dtr le Oc4« «31 v; Oir. in lieti 
Byanepsion. Man könnte -sogar sagen, da scbon OL 110, 5 erst deti 
37n Juli anfieng-^ und da man die Sommerwende vielleicht wie MetoR 
schon den 27n Juni annahm, habe man vielieicht gldbh nach (^h 110y§ 
den näciKlen Sehaltmonat ausgemerzt. Wie dem auch sei , bis jetzt 
laicht niehAs dafär, dafs Ol. L13, 2 der melonische Cyeius in Athen 
gegolten iiabe. leh witt zwar eine frühere Einführung desselben, wo* 
bei jedoch eine kleine Rectification desselben vorgenommen sein müsCe; 
dennoch nicht md^edingt in Abrede stdlen; aber bis jetzt ünde ich es 
am wahrscheinlichsten, dars er erst mit Ol. 112, 3, nach Ablauf einer 
panathenaischen Oktaeteris, eingeführt und dafs sofort in das laufende 
Jahr desselben, das achte, übergegangen wurde. Man konnte jetzt eben 
den Fehler der Oktaeteris wieder erproben, dafs sie eine zu groise Ve^ 
berscfareilung der Sommerwende durch den Jahreswechsel herbeifQlu'e; 
^gegen stellte der metonische Cyclus auf lange Zeit sicher, und darum 
war seine Binfähning gerathen/ Ferner war vorauszusehen, da£», 
nachdem Ol. 112, 2 der Schaltmonat ausgemerzt wtwden, das Jahr in 
der Folge sehr weit in den Anfang des Juni zurückweichen werde; 
noch um etliche Tage mehr als in der kalUppisohea Periode, wenn 
man die oktagleriache Regel fortsetzte ; an dieses zurOekweichen war 
man aber nicht mehr gewöhnt , und es konnte also anstölsig sein 9 ob* 
gleich es dem natfirbchen, wenn auch nur durch Reehnang bestinknten 
Anfangspunkt und dem Laufe der attischen Oktaeteris vdlüg angemeä* 
sen war, wie si^ aus dem kurz vorher gesagten (Cap. 11) abnehmen 
läfst, und daher auch an der kalHppischen Periode nicht befremden 
kann , in welcher es vielmehr als eine Rückkehr zum ursprÜDglieheii 
erscheinen darf. Auch dieses anstöfsige wurde durch den metonischen 
Cyclus vermieden. Endlich finde ich für meine Ansicht, mit Ol. 112, d 
habe in Athen die Geltung des metonischen Cyclus begonnen, eine Btf- 
slätigung in dem Umstände , dafs die kallippische Periode gerade mit 
OJ. 112, 3 anlangt. Wahrscheinlich neaiüch war in Athen für den 
Beginn der mit Ol. 112, 3 anfangenden neuen Oktaeteris kurz zuvor, 
die Kalenderveränderung projectiert, und Kallippos der Kyzikener, , 
der mit Aristoteles in Athen lebte (Simplikios zu Ar. de caelo II S. 498 b 
akad. Ausg.), hatte d^für seine Periode entworfen ; aber die Athener 
nahmen den Entwurf des lebenden Fremdlings nicht an, sondern gaben 
ihrem längst verstorbenen und s^ allem Neid« dem er früher ausge- 
setzt gewesen war, entnommenen Mitbürger Mcton durch Annahme sei- 
nes Cyclus eine späte Genugthuung. Es kann jedoch nicht davon die 
Rede sein , dafs die Athener das Jahr Ol. 112, 5 darum mit Meton den 
In Juli angefangen hätten , ein Jahresanfang der augenscheinlich um 
zwei Tage zu spat war. Das oktaeierische Jahr Ol. 112, 2 schlofs am 
Abend des 28n Juni; es war also in der Ordnung, das Jahr Ol. 112, 3 
mit dem Abend des 28n Juni beginnen zu lassen , wie nach Kallippos, 
der cfies gewis nicht an» Unkunde oder irtbam ühat, d. h. mit dem 
Abend des Sommerwendetages (vgl. Cap. 11). Freilich erschien an 
diesem Abend die Mondsichel noch nicht, da der wahre Neunotid oder 



44 A. Boeekii: cor Geschiehfe der llMidcf«leii der HelteneH. 

di€ Conjunction, wie Ideler (I S. MS) rechnet, erst am ttn Juni S Ulir 
54^ Morgens eingetreten war; aber wie Kallippos sidi hierüber weg^ 
gesetzt ond mehr auf den wahren Neumond gesehen hatte y so ma|^ 
dies, ztfmal mit Rücksieht aaf die Oktaeteris, die eben auch auf den 
38n Juni als Jahresanfang geführt hatte , auch von de« Athenern nicht 
in Betracht genommen worden sein ; ja man mochte es sogar bei vor- 
geschrittener Entwicklung der Zettrechnung angemessener finden, statt 
von dem schwankenden erscheinen der Mondsichel am Abend lieber 
von dem Abend des Tages des wahren Neumondes auszugehen in der 
Bestimmung des Anfanges der neuen Periode. Wie dennoch der An- 
fang des bürgerlichen Neumondes auch wieder mit dem ersten er- 
scheinen der Mondsichel zusammentreffen konnte, kann man schon 
daraus sehen, dafs Ol. 114, 3 hiernach mit dem Abend des 30n Juni 
begann und der astronomische Neumond schon am 29n Juni Nachmit- 
tags eingetreten war (Cap. 11). Doch genug hiervon. Ich beweise 
nun, dafs Ol. 112, 3 der metoniscKe Cycius wirklich in Athen galt; 
wobei ich wie immer die Richtigkeit der Idelerschen Bestimmung der 
Sehaltjahre voraussetze, wie ich dies auch bei der kallippischen Pe- 
riode thue ; doch werde ich auch auf Biots abweichende Construction 
der letzteren Rücksicht nehmen, von welcher ich später noch beson- 
ders werde sprechen müssen. In der archaeologischen Ephemeris 
Nr. 1407 findet sich nemlich ein kleines Bruchstück eines cxovirfiov 
geschriebenen Volksbeschlusses, dessen Daten nur aus einem Schalt- 
jahr mit zehn Prytanien erklärbar sind. Aus dem Namen des Archon 
ist Z. 1 lO^ßN'* übrig; Pittakis sah schon, dafs dies f^^Jro- 
ifmvx\pg] sei, indem in dem ganzen Zeitraum, aus welchem das 
Jahr dieses Beschlusses nach dem eben gesagten und nach der 
Schrift und der Form des ProtokoUes nur sein kann , kein anderer 
Archontenname zu den Resten passt: das Jahr des Beschlusses ist 
also Ol. 112, 3. Hier ist die Inschrift, die genau nach der leicht 
erkennbaren Zeilenlänge herstellbar war. 

[EPIAPI^llO^nN-COCA P XO N] 
[T O C E n I T] H C A E n N [T I A O C E N] 
[ATH;CnPY]TANEIA[CHIl. ... 

[E A] n I N O Y P A[l A N I E Y] 

5 [CErPAMM]ATEYEN0A[Pr HA I] 
[AN OCT EP P AA I E n I A[E K A A E] 
[YT EPA l]K A ITP I A KO C[T H I T] 
[H C P P Y T A N] E I A C E K K A H [C I A] 
[K Y P I A TflN PPOE A Pfl N]E[P E Y] 
10 [H ♦ IIE N] 

[■EatVAQUS\xotpÄw[oq &ifX9vvogy inl t}i\g Ae99p[tiöog ivatfig itqv]t€C' 

väalg^ {] (Eljxlvov na[tavuvg fygafifi]€itiveVj Öa[^^f5l- 

VQ tBt]ifu6i hcl d[ix€r , iwxiqa] %al T^taaux^t^ t% %i^uv\Ü€igy ix- 



A. Boeckh: zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. 45 

%lf^ala nvqla^ rc5v nqoiBqtov] i[ntipYi(piiev Slatl nct[ux' 

vuvg\ Z. 4, was ich von PiUakis beibehalten habe , kann man auch 
IIci[lXrivevg\ setzen. Z. 6 — 7, wo ich öevrigo^ gegeben habe, fülll den 
Raum auch teraQxy) ich werde sogleich von beidem sprechen. Dem 
erhaltenen zufolge ist der 14e Thargelion der mehr als dreifsigste Tag 
einer Prytanie; dies ist bei zwölf Stammen nur in der eilflen Prytanie 
eines Schaltjahres und nur unter Voraussetzung einer sehr ungleichen 
"Verlheilung möglich, ivösKoctrig kann aber nicht gesetzt werden, weil 
es für die Lücke zu lang ist, so dafs an zwölf Stämme hier nicht ge- 
dacht werden kann: bei zehn Stämmen aber ist es nur in einem 
Schalljahre möglich. Denn gibt man dem Gemeinjahr die höchste 
Tagsumme 355, den zwei letzten Monaten Thargelion und Skiropho- 
rion zusammen die geringste Tagsumme 59, und den zwei letzten 
Prytanien sogar alle 5 überschüssigen Tage, zusammen also 75 Tage, 
so ist der 14e Thargelion doch immer erst der 30e Tag der neunten 
Prytanie. Wollte man auch Z. 6 — 7 statt des von uns ergänzten isv^ 
xiqa den möglicherweise mindest hohen Tag der Prytanie, den 31n 
[|*ta] xal xqia%o(5x^ setzen , so würden die zwei letzten Prytanien zu- 
sammen schon 76 Tage erhalten, was für ein Gemeinjahr selbst 
unter der Voraussetzung der höchsten möglichen Zahl zu viel ist. 
Die letztere Ergänzung ist jedoch ganz unwahrscheinlich, weil sie 
zu weil hinler der regelmäfsig erforderlichen Anzahl der Buchsta- 
ben zurückbleibt; dieser Anzahl entspricht dagegen genau der nächst 
höhere Prytanientag [SEVxiqu] xal r^. , nach welcher Ergänzung der 
14e Thargelion der 32e Tag der neunten Prylanie ist. So ergibt 
sich bei der Tagsumme der zwei letzten Monate 59, wie sie auch 
Meton für dieses Jahr hat, auf die neunte und zehnte Prytanie 
zusammen die für das Schaltjahr sehr regelmäfsige Tagsumme 77= 
38+^9 Tage. Jede weitere Erhöhung der Zahl des zu ergänzen- 
den Prytanientages, z. B. \tqixri\ xal t^. oder [tsiiqxin] xal t^., wel- 
ches letztere wieder der zu ergänzenden Zahl der Buchstaben, regel- 
rechte Schrift vorausgesetzt, entspricht, ergibt noch eine Vermehrung 
der Tagsumme der zwei letzten Prytanien: bei x^iq/tr^ wäre diese 
Tagsumme 79=39 + 40 Tage, minder regelmäfsig als bei dBvxiqa^ 
aber allerdings möglich. Hiermit ist meines erachtens hinlänglich er- 
wiesen, dafs OL 112, 3 in Athen ein Schaltjahr war ; dies ist es im me- 
tonischen Cyclus , nicht aber bei Kallippos nach Idelers Schaltordnung, 
sondern nur nach der Biotschen , auch nicht nach der attischen OktaC- 
teris : folglich galt , Idelers Schaltordnung des metonischen und kallippi- 
schen Cyclus vorausgesetzt, OL 112, 3 ^er metonische Cyclus in Athen. 
Bas nächste Jahr Ol. 112, 4 ist in allen drei in Betracht kommenden 
Cyclen ein Gemeinjahr , und braucht daher nicht in Erwägung gezogen 
zu werden ; doch dürfte es keine eigentliche Abschweifung sein , wenn 
ich hier eine Inschrift gebe, welche wol in dieses Jahr gehört und 
nach der ermittelten Prytaniendauer in ein Gemeinjahr gesetzt werden 
kann. Ich meine das Bruchstück Ephem. archaeol. Nr. 941 und 9041, 
welches ich so herstelle , so weit es zu meinem Zweck erford^^rt wird : 



46 Aj Boi^kh: vox Gosölucliie der Mendcyeleft «ler Hellene^ 

[Eni]KH<l>ICC[<l>nNT0^APX0NT0 5;] 
[EP]! TH C O I N I [I AO ^ TETA P T H i P] 

[P]Y T A N E I A C H [I] . . , 

. . . HTOYEY PY[PI AHtETP AMMA] 

5 [TEY]ENPYANOY[lßNOiENH I KAI] 

[NEA]I E N AE K A[TH I TH tPP Y T A NE] 

IAiT12NPPOEA[PnNEPEyH4> II E] 

.CIPPOinAOl[NKAI^YMPPOEA] 

[P 0]l AH M[A]A H^[AH/v\EOYnAIANIEj 

10 [Y i;]E I P E N 

Man hal Z. 1 den Archon Kephisodoros oder Kephisodolos er- 
. gänzl; nur Kephisophon von Ol. 112, 4 entspricht der Buchstabenzahi 
g€nau, die aus der Gesamtheit der Ergänzungen hervorgeht, aufser 
dafs Z. 8 .^IPPO^ sich nicht darnach zu einem gangbaren Namen er- 
gänzen läfsl; und Kri(pt0o[(pavtog] ist also das wahrscheinlichste. 
Ueber Jr^iadrig Jr^iiov IIctLuvuvg vgl. Urkunden über das Seewesen 
des attischen Staates S. 234. Im Jahre Ol. 112, 4 hat dem metonischen 
Cyclus gemäfs der Hekalombaeon 30, der Metageilnion 29, der Boe- 
dromion 30, der Pyanepsion 29 Tage; gibt man zweien der drei ersten 
Prylanien 36 , einer derselben 35 Tage , so beginnt die vierte Prylanie 
den 19n Pyanepsion, und ihr eilfter Tag ist der letzte Pyanepsion. Eine 
andere Herstellung ist kaum möglich. Wichtiger für unsere Unter- 
suchung ist das Jahr Ol. 114, 3. Dieses Jahr würde in der Oktaeteri» 
kein Schaltjahr sein , und ist es auch weder nach Ideler noch nach Biol 
in der kallippischen Periode, deren neuntes Jahr es ist; wol aber war 
es in Athen wie bei Meton ein Schalljahr. In der archaeol. Ephem. 
Nr. 371 findet sich nemlich folgender Eingang eines Volksbeschlusses r 
[Eni] 0ikoKXibvg ÜQXovrogy inl r% OlvitSog iv€c[Tfig] 7tQvravg[^€i[g], 
^ Ev&vyivfig 'Hq^aiarodf^f/^ov Kfiq>i[au]vgl'iyQci(iii€irev£v ^ &aQyriXi€^ 
vog ÖEvriQcc i0T[ufjiiv]ov y TgCry nal slocoary rrjg Tt^avalocgj ix- 
%[lfial]a, Tcov TtQoiÖQGyv i7tß'tjjfrjq>i^6v EvaXnog 0aXi]QEvg, Man könnte 
vermuten, dieses sei die Inschrift, welche Rangabe (Ant. Hell, l 
S. 392) im zweiten Theile seines sehr schätzbaren Werkes unter Nr. 1 
herauszugeben versprochen hat und womit er beweisen will, Ol. 97, 1 
sei ein Schaltjahr gewesen , wodurch eben wenig bewiesen wäre , da 
Ol. 97, 1 ebensowol in der Oktaeteris als im metonischen Cyclus ein 
Schaltjahr ist. Aber meinte er diese Inschrift, was ich jedoch kaum 
glauben kann, so hätte er sie fälschlich unter den Archon Philokles 
von Ol. 97. 1 gesetzt. In Ol. 97, 1 findet sich die hier vorkommende 
Einleitungsformel rmv TtQoid^Giv iTCajfßtjfpi^ev (oder instlnj^tasv) a 
öuvci noch nicht; das Beeret vom Archon Nausinikos Ol. 100, 3 (bei 
Meier comm. epigr. II Nr. 61) , ein Beeret in der archaeol. Ephem. 
Nr. 1627, welches zwar gerade an der Stelle, auf die es ankommt, 
verstümmelt ist, aber was die in Rede stehende Formel betrifft mU 



Ai Boeckii« «ut» Cesehichie nlet Mondeyeleh der ll^H^neti'; 4t 

Sicherheit hergeslelU werden kann und dem erstem der 2eit ^lach 
nahe liegt, und das Decrel in der Ephem. Nr. 1368 aas Ol. 100, 4 un- 
ter dem Archon Kaliias beweisen, dafs damals nooh die alle Fqrmei 
o öslva iitaazcizH gebräuchlich war; und merkwürdigerweise, um 
dies für die kundigen gelegenlUch zu sagen, ist in diesen Decrelen 
dieser Epi^latös nicht, ^ie früher unstreitig, Prylahe, nemlich in den 
beiden, in welchen sein demolischer Name zugesetzt ist (denn in 
Nr. 1368 ist dieser weggelassen). Ja sogar noch Ol. 104, 5 unter dem 
Archon [MJolon kommt diese Formel vor, und der dabei genannte 
gehört ebenfalls nicht zu den Prylanen (Ephem. archaeol. Nr. 1388). Das 
älteste vorkommen der Formel rmv TtQoiÖQcov In;fi^jj9?tffv 6 ÖBiva ist 
bis jelzl in Ol. 102, 4 unter dem Archon [L]ysistratos (C. I. G. Nr. 85 C 
Bd. 1 S. 899). Wie es zu erklären sei, dafs nachher doch die For- 
mel o Java iTTSöTiixet wiederkehrt, lasse ich anheimgeslellt, und be- 
merke nur, dafs man den Archon [LJybislratos und die Zeitbestimmung 
des Bruchstückes, worin er vorkommt, schwerlich beseitigen kann,! 
da namentlich O statt OY in dem Namen des Archon auf frühere Zeit 
weiset , und nicht in die Zeilen , wo uns die Archonlenlisle verläfst. 
Nicht wahrscheinlich läfsl sich aber umgekehrt die Formel tcov ngoi- 
ÖQOiv iTtaipiJqptS^v bis in Ol. 97, 1 zurückdatieren ; auch weiset die gänz- 
liche Abwesenheit des . O statt O Y auf eine spätere Zeit der Inschrift 
vom Archon Philokles. Die in Rede stehende Inschrift gehört also 
vielmehr unter den Archon Philokles von Ol. 114, 3, wie ich schon 
früher (Staatsh. d. Ath. I S. 257) bemerkt habe ; sie ist ein Ehren- 
beschlufs für den Arzt Euenor von Argos Amphilochicum , für welchen^ 
wir noch zwei andere Ehrenbeschlüsse haben (Ephem. archaeol. Nr. 357» 
1455, vgl. auch Athen. IL S. 46 D). In ihr ist der 2e Thargelion 
der 23e Tag der neunten Prytanie, was nur in einem Schaltjahr mög- 
lich ist. Dieser 2e Thargelion ist in diesem Jahre nach den Entwür- 
fen des metonischen Kanons der 327e Tag des Jahres, und die neunte, 
Prytanie begann also mit dem 305n Tage des Jahres, so dafs die 
acht ersten entweder jede oder durchschnittlich 38 Tage halfen 
und für die zwei letzten 80 Tage übrig bleiben , die zu 40 und 40. 
oder 41 und 39 oder 42 und 38 unter beide verlheilt oder verloost 
wurden: am wahrscheinlichsten ist es mir, dafs für dieses Jahr, 
den acht ersten Prytani*n von vorn herein je 38 Tage gegeben,. 
den zwei letzten aber zu dieser Zahl durchs Loos die vier überschüs- 
sigen zugelheilt wurden. Hierzu kommt ein Bruchstück einer atoi%ri-] 
öov geschriebenen Inschrift, welches ich während dieser Arbeit von 
Hrn. Prof. Vischer zu Basel erhallen hatte: später ist dasselbe von 
ihm selber (epigraphische und archäologische Beiträge aus Griechen- 
land Nr. 71 S. 62 ff.) herausgegeben und genau behandelt worden. Die- 
ses Bruchstück lautet nach einer nicht blofs wahrscheinlichen Her- 
stellung, so weit es unsere Untersuchung angeht, wie folgt: 



48 A. Boeckh: zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. 

[EP !♦ l]AOK[AEOVCAPXONTO tBP I] 
[THCEPEXJOHI AO^AEKATH^[nPYTAl 
[NE IA]CHI EYOYrENHCH^AI ^[TOAH] 
[M O] Y K [HO] I [i] I E Y ^ E r P [A M] M A T E [Y E N O] 
5[AP]rHAIßNO^ENHI KAIN[E]AI . . . . 
.[HIK]AITPIAKO^THI [T]H [^ P P[Y T A N] 
[E I A ^ E K K] A I ^ I [A] Tß N I P O E A[P ß N E P] 
[EYHOIIEN]- 

(Eid 0i^loK[Xiovg ceQXOvrog, &rl xijg ^EQ8xd]7j[t8og StuixTiq [jtQvrcc- 
vBla\gy ]/ Ev^vyivr^q *Hq)CiiC[xo8riiiuii\v K[^q>\i[(S\uvq ly^[of|x]jwaTe[v€v, 

SctQlyrikLmfog ^vrj xccl v[f]a, []? x]«l TQtaxoaxy [r]^[g] ytQ[v- 

xavtlotg^ ixx]i[i?]a/[a]5 tcav [7c]^0£d[(»a>v ins^rjfpi^ev] Der 

Stamm ist unsicher; Hr. Vischer bemerkt, es könne auch [EPIT||HC 
PANAI]0[N]IAOC geschrieben werden. Man erkennt leicht densel- 
ben Archon Philokles wie in der vorigen Inschrift; selbst der Schrei- 
ber ist derselbe in den zwei verschiedenen Prylanien , wovon schon 
früher Beispiele da waren (Staatsh. d. Ath. I S. 255) und gleich her- 
nach in den Inschriften aus Ol. 119, 2 noch eines hinzukommt, und 
zwar von einem Mann , der sehr wahrscheinlich sogar in drei Pryla- 
nien desselben Jahres dieses Amt verwaltete: war der Stamm der 
erechtheische , so wurde dieser Schreiber auch Schreiber der Pryta- 
nie sein, zu der er selber gehört (vgl. ebendas.). Unbegreiflich wa- 
ren aber die Daten, ehe ich die vorhergehende Inschrift verglich, 
aus welcher ohne weiteres erhellt, dafs OagyriXicövog ein falsches 
Datum statt £KiQOtpoQimvog ist, wie man sich oft im datieren ver- 
schreibt. Die Inschrift gehört in die zehnte Prytanie des Jahres 
Ol. 114, 3 und ist vom letzten Tage des Jahres; wie Z. 6 zeigt, halte 
die letzte Prytanie weniger als 40 Tage, 38 oder 39; ENNATHI 
füllt gerade die normal abgemessene Lücke , und an dem N N ist wol 
nicht Anstofs zu nehmen , obgleich in der ersteren Inschrift ivarrig 
Bland: doch könnte Z. 5 auch um einen Buchstab kürzer gewesen 
«ein , so dafs auch oyöoti stehen konnte. Die neunte Prytanie hatte dann 
41 oder 42 Tage. Demnach galt also Ol. 114^ 3 der melonische Cyclus 
in Athen. Ferner habe ich (C. I. G.Nr. 'l05, vgl. Ideler I S. 342) 
gezeigt, dafs Ol. 116, 3 den Athenern ein Schaltjahr war; die ge- 
ringe Modification der Berechnung der Prytanien dieses Jahres, die 
ich später gemacht (Sehr. d. Akad. vom J. 1846 S. 682), ändert niehls 
an diesem Ergebnis. Auch dieses Jahr ist weder in der Oktaete- 
ris noch bei Kallippos ein Schalljahr, und zwar bei letzterem we- 
der nach Idelers noch nach Biols Rechnung, ist also von den Athe- 
nern offenbar nach Melons Cyclus bestimmt worden. 

13. Bei allen drei Jahren , OL 112, 3. 114, 3 und 116, 3, welche 
aU Schaltjahre der Athener und zugleich des metonischen Cyclus 



A. Boeckh : zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. 40 

nachgewiesen worden, habe ich zugleich schon bemerkt, dafs sie 
in Idelers kallippischem Cyclus keine Schaltjahre waren; nach Biot 
ist zwar Ol. 112, 3 Schaltjahr, nicht aber die beiden andern. Ideler 
hat daher schon aus dem Jahre Ol. 116, 3 geschlossen, der kal- 
lippische Cyclus, wie ihn nemlich Ideler selbst gefafst hatte, sei nicht 
von seinem Anfang an in Athen eingeführt worden (I S. 361), und 
ich kann es nicht ungeriigt lassen, wenn Rinck (S. 35 f.) gegen 
Ideler die Miene annimmt, als ob er selbst zuerst urkundlich nach- 
weise , ein solcher Cyclus wie Idelers kallippischer habe Ol. 116, 3 in 
Athen nicht gegolten , während gerade Ideler es bemerkt hat. Ganz 
unabhängig von der Einführung in Athen ist aber das Epochenjahr 
des kallippischen Cyclus von 76 Jahren, der eine wesentliche Ver- 
besserung des metonischen war und von Ol. 112, 3 ausgieng (Ideler 
I S. 3M if.); Rinck vermengt beides und führt von dieser Vermen- 
gung aus eine Polemik gegen Ideler, um zu zeigen, es habe gar 
keine eigene kallippische Periode gegeben, eine so oberflächlich 
und ungrQndlich durchgeführte Behauptung, dafs sie keiner Wider- 
legung bedarf. Ich habe mich überzeugt, dafs Idelers Ansicht (I S. 348) 
die richtige ist , Kallippos habe zwar dieselben Jahre, wie Meton, nem- 
lich das dritte, fünfte, achte usw. in den vier neunzehnjährigen 
Cyclen, aus welchen seine Periode bestand, zu Schaltjahren gemacht, 
nicht aber in seiner Periode die Schaltjahre so geordnet , wie die me- 
tonische sie gegeben haben würde, wenn er dieselbe nicht unterbrochen 
hätte , so dafs gleich sein erstes Jahr ein Schaltjahr gewesen wäre : 
obgleich ich sehe, dafs die Ansicht, das erste kallippische Jahr sei 
ein Schalljahr gewesen, noch nicht von allen verlassen wird. Eine 
mächtige Stütze muTs diese Setzung an dem hohen Ansehen Biots 
finden, dessen Construction der kallippischen Periode (Resunie de 
chronol. astron. S. 440 ff.) damit übereinstimmt. Letztere ist nun zwar 
mit seiner Construction des metonischen Cyclus nicht im Einklang, 
wenn man daran festhält, Kallippos habe dieselben Jahre wie Meton 
zu Schaltjahren gemacht; denn Biot setzt die Jahre 1, 4, 7, 10, 12, 15, 
18 in jeder Enneakaedekaeteris der kallippischen Periode als Schalt* 
jähre: aber sie beruht freilich auf einem scheinbar entscheidenden 
Zeugnis, dessen Bedeutung,, wie er bemerkt, Dodwell und Ideler 
übersehen hätten. Ptolemaeos (Almag. HI 2 S. 162. 163 Halma) gibt 
nemlich wiederholt an, Aristarch habe die Sommerwende imöOn Jahre 
der ersten kallippischen Periode, und zwar wie es in der zweiten 
Stelle heifst, r^ v Stei Xiqyovti rilg Ttgcitrig Tuctic KdXimtav TtBQiO- 
dov beobachtet, wie Hipparch später rm fly Stei kiqyovti r% r^- 
zfig xati KaXiatitov t^qioöov: auch Hipparch selbst, auf welchen 
sich Ptolemaeos bezieht, scheint sich so ausgedrückt zu haben« Nun 
schliefst aber nach Idelers System das 50e Jahr der kallippischen Pe- 
riode schon am Abend des 16n Juni, also wie Biot bemerkt, 12 Tage 
vor der Sommerwende, während die Sommerwende noch in das 
50e Jahr (allen soll. Es ist kaum denkbar, dafs Ideler dies übersehen 
haben sollte , da er auf die Stelle des Ptolemaeos selber Bezug ge- 

Jahrb. f. class. Philol. Snppl. N. F. Bd. I. • 4 



so A. Boeckh: cur Geachidiie ött Mondcycien der Hellenen. 

nommen hat (I S. 345); er hielt sie nur nicht für entscheidend, und 
ich kann sie auch nicht dafür halten. Es ist nicht klar , dafs damit 
gesagt sein solle , Arislarchs Beobachtung sei innerhalb des &0n kal- 
lippischen Kalenderjahres angestellt worden. Hipparch und Ptole- 
maeos zählen die Solstitial jähre, um nach den eine bestimmte Zahl 
von Jahren auseinanderliegenden Beobachtungen die Dauer des Son- 
nenjahres zu bestimmen; sie mustcn also die Jahre von Sommer- 
wende zu Sommerwende rechnen. So zählen sie von Metons Beob- 
achtung der Sommerwende bis zur aristarchi sehen 152 Jahre, von die- 
ser auf das 50e Jahr der ersten kaliippischen Reriode bestimmten bis 
zur hipparchischen im 43n Jahre der dritten Periode 145 Jahre. Von 
der aristarchischen Beobachtung an ist diese Zählung nach Jahren 
der kaliippischen Periode gemacht; es kam aber bei dieser Zählung 
der Jahre nicht auf das kalendarische Datum der Beobachtung an, 
sondern die Zählung bezieht sich blofs auf die Jahre der kaliippi- 
schen Periode, die denSolstitlaljahren, abgesehn von den Enden und 
Anfangen der bestimmten kaliippischen Jahre, entsprachen: denn es 
sollten eben nur die Jahressummen bestimmt werden. So entsprach 
das Solstitialjahr , an dessen Ende Aristarch die Sommerwende beob- 
achtet hatte , dem 50n Jahr der kaliippischen Periode : wenn das ka- 
lendarische Ende des letzlern auch nicht bis zurlSommerwende reichte, 
muste für die Zählung der Jahre die beobachtete Sommerwende noch 
auf das 50e Jahr gerechnet werden, welches in solslitialer Beziehung 
bis zur Sommerwende zu rechnen war, wenn es auch kalendarisch 
früher geendet hatte. Mit andern Worten , das Xi^yovtt ist auf das 
Ende des dem 50n kaliippischen Jahr entsprechenden Solstitialjahres zu 
beziehen und bezeichnet dessen wirkliches und genaues Ende ohne 
Rücksicht auf das kalendarische Ende dieses 50n kaliippischen Jahres, 
welches blofs um der Zählung willen genannt ist : womit übereinstimmt, 
dafs ein kalendarisches Datum des Tages nicht angegeben ist. Auch 
war der Ausgangspunkt des kaliippischen Jahres von der Sommer- 
wende aus genommen, und sollte wieder in dessen Nähe zurückkeh- 
ren; dafs das kallippische Jahr, von welchem die Rede ist, früher 
endete, konnte also als etwas zufälliges oder unwesentliches für 
die Zählung der Jahre oder für die numerische Bezeichnung des 
Periodenjahres der aristarchischen Beobachtung nicht in Betracht kom- 
men. Diese Erklärung genügt dem Zweck der ptolemaeischen Aus- 
führung vollkommen , und es ist nicht nöthig anzunehmen , dafs das 
60e Jahr der kaliippischen Periode, kalendarisch gefafst, die beobach- 
tete Sommerwende in sich begriffen habe. So ohngefähr mufs auch 
Ideler die Sache angesehen haben, an dessen im übrigen begründeter 
Construction also die Stelle des Ptolemaeos nicht irre zu machen 
braucht. Für Biots Construction der kaliippischen Periode scheint 
freilich meines verehrten Freundes Th. H. Martin scharfsinnige Her- 
stellung des chaldaeisch- makedonischen Kalenders ein Zeugnis ab- 
zulegen, da diese auf jene gegründet ist; indessen läfst sich die 
von Martin gelöste Aufgabe auch ohne die bezeichnete Voraussetzung 



A. Boeekb: zur 6^s<ihichte der Mondeyclcn der HeUenen. 51 

auf die seine Untersuchung sich grftndet, lösen, indem man vom me- 
tonischen Gyclus ausgeht und im chaldaeisch -makedonischen Kalen- 
der diejenigen Jahre als Schaltjahre nimmt , welche nach den laufen- 
den Jahren des metonisohen Cyolus (wie in Athen seit 01.112, 3) Schalt- 
jahre waren, aber die Anfänge der Monate richtiger als nach Meton 
bestimmt: was ich jetzt nicht näher auseinandersetze, w^il Martin 
selbst in seinen Rechnungen, wie er mir schreibt, noch einiges zu 
berichtigen findet. Der Anstofs endlich , weichen Idelers Gonsürucüon 
dadurch gibt, dafs nach dieser die kallippischen Jahre so stark in 
den Juni zurückweichen, ist bereits oben (Cap. 12) von mir besei- 
tigt. Allem gesagten zufolge verbleibe ich also bei Idelers Ansicht, 
und auf dieser meiner Ueberzeugung von der Idelerschen Anordnung 
der Schaltjahre der kallippischen Periode beruht grofsen^heils so* 
wol das bisher gesagte als das was ich im folgenden auseinander«- 
setze, soweit die kallippische Periode in Betracht kommt. Wenn 
nun bis Ol. 116, 3 die kallippische Periode in Athen nicht galt, so 
entsteht die Frage, ob sie später von diesem Staate angenommen 
worden. Ideler (I S. 351) vermutet, dies sei mit Einführung der 
veränderten Stammverfassung Ol. 118, 3 geschehen. Diese Annahme 
erweist sich jedoch als irrig, man mag nun annehmen, Ol. 118, 3 
sei als das erste Jahr einer kallippischen Periode gesetzt worden, 
die man von Anfang an begonnen habe (vgl. Redlich S. 73), oder 
man sei mit jenem Jahre in das laufende Jahr der kallippischen Pe- 
riode eingetreten , das ist in das fünfundzwanzigste : vielmehr dauerte 
auch von dieser Zeit ab der metonisehe Cyclus im Gebrauche der 
Athener fort. Den Beweis gibt das Jahr Ol. 119, 2 an die Hand. 
Dieses Jahr , unter dem Archon Leostratos , ist in der Oktaeteris und 
sowol nach Ideler als nach Biot bei Kallippos, in dessen Periode 
es das achtundzwanzigste Jahr ist, ein Gemeinjahr, und bleibt 
nach Ideler auch Gemeinjahr, wenn die kallippische Periode mit 
OL 118, 3 von vorn angefangen wird, indem es dann das vierte 
wird; nur nach Biot würde es im letzteren Falle Schaltjahr werden, 
Metonisch ist es Schaltjahr. Mehrere Inschriften dieses Jahres , di« 
zwar sehr verstümmelt sind , aber bei der meist i$xov%rfi6v eingerich- 
teten Buchstabenstellung doch wenigstens eine mehr als ohngefähre, ja 
vielmehr eine nahe zutreffende Beurtheilung der Gröfse der Lücken 
erlauben, geben die Ueberzeugung, dafs das Jahr in Athen Schaltjahr 
war wie bei Meton. Die eine derselben, Ephem. archaeol. Nr. 127, 
ist aus der achten Prytanie; auf S. 53 unter Litt. A gebe ich ihren 
Anfang nach der angemessenen Herstellung von Ciarisse (Inscriptio- 
nes Graecae tres S. 9), in welcher ich noch den prytanisierenden 
Stamm und den vollständigen Namen des Schreibers zugefügt habei 
die er nicht kannte. Ciarisse ereifert sich überflüssig gegen di« 
Meinung, zur Zeit der zwölf Stämme hätten die Prytanien immer mit 
den Monaten übereingestimmt ; der das sagte , hat dies selbslversland- 
lich nur auf die Gemeinjahre bezogen. Dafs aber in dieser Inschrift 
eine solche Uebereinstimmung mcht stattfinde, ergibt sich aus der 

4* 



62 A. Boeckh: zur Geschichte der Mondcyclen der Helleüen. 

Buchslabenzahl der Zeilen , falls diese gleich lang und ganz ausge* 
(üUt waren, was freilich nicht ganz sicher ist; denn wo die Ergän- 
zung (Z. 4 — 5) EIK0I:TEI gibt, würde OrAOEt zu kurz sein. 
Daher hat Ciarisse das Jahr der Inschrift für ein Schaltjahr erklart 
und schon bemerkt, dafs dies nur zum metonischen Cyclus, nicht 
zum kallippischen passe. Die natürlichste Yertheilung des Schaltjahres 
unter zwölf Prytanien ist die zu gleichen Theilen von 32 Tagen; 
hiervon gab es zwar Ausnahmen (s. oben Cap. 10 f und m. Abh. vom 
J. 1846 in d. Sehr. d. Akad. S. 383), aber für diese Inschrift passt diese 
natürlichste Yertheilung. Ol. 119, 2 ist nach Meton der le Anlhesterion 
der 237e Tag des Jahres , also der 8e Anthesterion der 244e Tag des 
Jahres, und da dieser, nach der passenden Ergänzung, der 20e der 
achten Ptytanie ist, so war der erste Tag der achten Prytanie der 225e 
Tag des Jahres, so dafs auf jede der sieben ersten Prytanien je 
32 Tage kommen , und je gleich viele auf die fünf übrigen. Mit dem 
von Ciarisse behandelten Bruchstück war ein anderes nicht von ihm 
in Betracht gezogenes zu vergleichen, dessen Beziehung auf dasselbe 
Jahr und dieselbe Prytanie ihm freilich verborgen bleiben muste , weil 
ihm der vollständige Name des Schreibers der achten Prytanie un- 
bekannt war. Es ist Nr. 29 der Ephem. lithographiert, und neu mit 
etlichen richtigeren Lesarten Nr« 2020 der Ephem. herausgegeben. 
Der Archon ist nicht genannt. Ich gebe es auf S. 53 unter LitL B 
soweit es hierher gehört mit meinen Ergänzungen , die keines Be- 
weises bedürfen. Der Beschlufs ist neun Tage nach dem vorigen 
gefafst. Dieses Bruchstück bestätigt die Herstellung der vorherge- 
henden Inschrift, namentlich auch die der Tagzahlen, vollkommen; 
freilich nölhigt die Ciarissesche Herstellung der Nr. 127, dafs in 
dem andern Bruchstück Z. 3 EBAOMEI, nicht was der Zahl der 
Buchstaben angemessener wäre OfAOEI, gesetzt werde, und hier- 
durch erhält Z. 3 einen Buchslaben mehr als die anderen; aber der 
Augenschein der wenn auch unvollkommenen Lithographie lehrt, dafs 
die Inschrift nicht ganz genau cxqi%k\^6v geschrieben war, und Z. 8 
scheint dem zweiten Abdruck zufolge sogar vorn an ein Buchstab 
aufser der Reihe zugefügt zu sein , indem nach Pittakis dort der untere 
schiefe Strich von Z übrig ist. Drei andere Stücke desselben Jahres, die 
ich aus derEphemeris hinzufüge, sind aus der zwölften Prytanie, welche 
aber, gelegentlich als Nachtrag zum oben gesagten bemerkt, den- 
selben Schreiber wie die achte und zehnte hatte. Das eine derselben, 
Ephem. archaeoL Nr. 1462, hat Pittakis angemessen so hergestellt 
wie ich es auf S. 53 unter Litt. C gebe. Die Buchstabenzahl der Zei- 
len war hier augenscheinlich nicht gleich; doch hat die fünfte Zeile 
nach der Herstellung gerade so viel Buchstaben wie die sechste , de- 
ren Herstellung ganz sicher ist, was aber nicht minder von der vier- 
ten gilt und von allen übrigen. Der Skirophorion hat in diesem 
Jahre auf jeden Fall 30 Tage: war der 21e Skirophorion der 23e Tag 
der zwölften Prytanie, so hatte diese 32 Tage, f^xotfr^ Z. 6 ist 
her in der Benennung des Pry tanienlages , sowie Z. 5 dfxary in 



A. Boieekh: zur 6e8<ihicbte der Mofifdey(riett der' HeUeAoii. U 





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10 















der Benennung des'MonaUtages; Ueberein&timmung der Prytanien mii 
den Monaten ist hierdurch aasgeschlossen. Das zweite nicht genau 
ötotxfidov geschriebene Stück aus der zwölften Prytanie, Ephem. 
archaeol. Nr. 1031, ist leicht herstellbar, wie ich es auf S. 55 unter 
Litt. D gebe: das übrige setze ich nicht her. Die Copie in der Ephem. 
gribl schwerlich die richtige. Form der Inschrift; dafs sie aber nicht ge- 
nau reihenweise geschrieben sei , ist bezeugt. Zweimal hat der Schrei- 
ber oder der copierende das Iota subscr. weggelassen. Die . Svti 
nal via nqoxiqa ist, in Verbindung mit der folgenden Inschrift, nicht 
SU verkennen; es gab also noch eine zweite, nemlich die iiißoXtfipg 
(0. oben Cap« 6), und die erstere ist der vorletzte Tag des Moi^ates 



S4 A. BoedLh: zur Gesehichte der Mondcyckti der HelleAeii. 

und hier zug^Ieich des Jahres, welches 384 Tage hat. Dafs ein 
solcher Tag eingeschaltet wurde , fQhrt dahin , dafs der metonische 
Cyclus nicht ganz beobachtet worden sein dürfte, sondern Abwei- 
chungen davon stattgefunden haben; doch hatte das Jahr nicht etwa 
385 Tage. Ich vermute, dafs die sechs letzten Monate, die nach 
Meton 30, 30, 29, 30, 29, 30 Tage haben sollten, zuerst zu 30, 
29, 30, 29, 30, 29 genommen waren; so galt der Skirophorion als re- 
gelmäfsig hohler Monat, und sein 29r Tag war ivfi nal via; da aber 
noch ein dreifsigster zukommen muste , so wurde jener ^vri nal via 
leQOtiQaf dieser Svtj xal via ifißoXniog^ indem letzterer als zugefügt 
erschien: in der Zurückzählung jedoch muste der 21e nach der 
Wahrheit Sexavti vtStiqa genannt werden, indem die li/i; xal via 
ngotif^ in dem nunmehr vollen Monat nichts anderes als Sevxiqa 
q^lvovtog ist. Der vorletzte Tag des Jahres ist aber der 31e der 
zwölften Prytanie, ganz wie nach dem bisher gesagten zu erwar- 
ten war. Endlich haben wir noch ein Bruchstück eines Cxoi%ieiö6v 
geschriebenen Decretes Ephem. archaeol. Nr. 1461 , von demselbigen 
Tage, welches sich nach dem vorigen soweit es für uns erforder- 
lieh ist leicht herstellen läfst und dasselbe Ergebnis liefert. Der Ein- 
gang ist S. 55 unter Litt. E dargestellt. Sonach wird man nicht 
mehr zweifeln, dafs Ol. 119, 2 ein Schaltjahr war und der meto- 
nische Cyclus damals in Athen Geltung hatte. Aus demselben Jahre 
ist noch ein Bruchstück vorhanden, das ich, obgleich es für un- 
sere Untersuchung gleichgillig ist, hier beifüge, weil es dahin führt, 
dafs dieselbe Person auch in der zehnten Prytanie wie in dÄ achten 
und zwölften Schreiber war. Es steht Ephem. archaeol. Nr. 2039 
und lautet nach einleuchtender Ergänzung wie ich es auf S. 55 
unter Litt. F gebe. Dafs Z. 2 dfixari^g, nicht itvxiqag stand, ver- 
mute ich aus dem genauen zutreffen der Buchstabenzahl ; Z. 3 ist I F 
von N T übrig. Pittakis erkannte offenbar schon die Identität des 
Schreibers mit dem der anderen Psephismen, ohne doch den Na- 
men desselben richtig herzustellen, sah auch den Namen des pry- 
tanisierenden Stammes, der Antigonis, richtig: jene Identität des 
Schreibers ist wenigstens durch das genaue zutreffen der Buchsta- 
benzahl im höchsten Grade wahrscheinlich. Aus dem vorher gesag- 
ten folgt nun von selbst, dafs das nächste Jahr, Ol. 119, 3, ein Ge- 
meinjahr ist für Athen wie in der Oktaeleris,* bei Meton und in 
Idelers kallippischer Periode, wenn sie von ihrem ursprünglichen 
Anfang aus berechnet wird ; wollte man dagegen setzen , man habe 
sie von Ol. 118, 3 von vorn begonnen, so würde Ol. 119, 3 als 
fünftes Jahr nach der Idelerschen Conslruclion ein Schaltjahr werden ; 
umgekehrt würde nach Biot im letzteren Falle dieses Jahr ein Gemein- 
jahr und im ersteren ein Schaltjahr. In der That hat Rangabe (Ant. 
Hell. I S. 393) geäufsert , die Inschrift Nr. 22 seines zweiten Bandes 
werde beweisen, Ol. 119, 3 sei ein Schaltjahr gewesen. Aber ehe 
ich dies selber sehe , kann ich es nicht glauben : und dafs das Jahr 
Ol. 119, 3 ein Gemeinjahr war, damit einigt sich auch der Um- 



A. Boeckht zvat Geschiehte *r Mondcyden der Helieneä, 55 

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stand, dafs nach einer bekannten Inschrift (Ephem. archaeol. Nr. 350. 
Cttrtios de portubus Ath. S. 46) Ol. 119, 3, unter dem Archen Ni- 
kokles, die zwölfte Prytanie genau mit dem zwölften Monat Ski- 
rophorion übereinstimmte. Diese von Pollux (VIII 115) bezeugte 
llebereinstimmung der Prytanien mit den Monaten in der Zeit der 
zwölf Stämme findet sich in vielen Beschlüssen, z. B. C. I. G. Nr. 
111. 112 (nach Ergänzung). 122. 124. Ussing Inscr. Gr. ined. 55 
(Ephem. archaeol. Nr. 1056). 58. Ephem. archaeol. Nr. 1. 1372. 1393. 
Joseph. A. I. XrV 8, 5, und dieselbe ist die Regel für das Gemein- 
jahr; konnte sie, wie sich aus dem S. 34 f. gesagten schliefsen 
läfst , in einigen Prytanien auch im Schaltjahre vorkommen , so war 
dies jedenfalls das seltnere. Es kommt, gelegentlich gesagt, auch 
vor, dafs in einem Gemeinjahre, obgleich alle Prytanien nur 29 und 
dO Tage hatten, Prytanie und Monat sich nicht deckten. Doch ge- 



56 A* Boeckh : 'zur Gesehicbte der Monücytdea 4er Helleneji. 

nug hiervon. Aus der folgenden Zeil nach dem so. eben betrach- 
telen Jahre fehlt es an sicheren Daten, weil in den dahin gehörigen 
Inschriften die Archonlennamen fast ganz verschwunden- sind oder 
die Jahre der erhaltenen Archonten sieh nicht chronologisch bestim- 
men lassen. Indessen scheint Ephem. archaeol. Nr. 1572 Pittakis 
richtig inl E[vKr7J(iov]os iq%oyxQ^ ergänzt zu haben , und da in die- 
sem Denkmai die Prytanie mit di*m Monat stimmt, so darf man das 
Jahr Ol. 120, 2 für ein Gemeinjahr nehmen wie im metonischen Cy- 
clus, wogegen es in Ideiers kallippischer Periode, von ihrem ur- 
sprunglichen Anfange aus gezählt, als zweiunddreifsigstes Jahr ein 
Schalljahr ist, und ebenso von Ol. 118, 3 ab gezählt: nach Biot 
ist es allerdings in beiden Fällen Gemeinjahr. Der Beschlufs für 
Herodoros den Vertrauten des Demelrios Poliorkeles (Ephem. ar- 
cHaeol. Nr. 41. Ciarisse Inscr. Gr. par Nr. 1) zeigt ein Schaltjahr 
an; ich vermute er sei aus Ol, 121, 2, unter dem Archon Niko- 
stratos, dessen Name nach einer Abschrift von Rofs, die ich besitze, 
dem auszufüllenden Kaum genau enlspricht, und nehme die früher 
(Staalsh. d. Ath. I S. 230) angenommene Zeilbestimmung zurück. 
Auch dieses Jahr ist bei Melon Schalljahr, bei KalHppos m Idelers 
System nach beiden Zählungen Gemeinjahr, in Biols System nur 
dann Schaltjahr, wenn von Ol. 118, 3 ab gerechnet wird. Es ist zu 
bedauern, dafs das Jahr des Archon Diotimos sich noch nicht mit 
Srcherheit hat bestimmen lassen, da in dasselbe die berühmten Be- 
schlüsse für Spartokos und Audoleon fallen, welche ziemlich klar ein 
Gemeinjahr anzeigen. 

Hier ist der Ort von einer sehr merkwürdigen Erscheinung zu 
sprechen, wodurch, wie ich zu zeigen hoffe, sich herausstellt, dafs 
der metonische Cyclus in Athen auch weiter als OL 150, 3 gaK, da- 
mals aber secundär auch die kallippische Periode angewandt wurde, 
schwerlich jedoch lange Zeit, da der Spuren davon so wenige sind. 
In der archaeologischen Ephemeris Nr. 385 und 386 finden sich zwei 
Beschlüsse mit doppeltem kalendarischem Datum. Der erstere ist 
aufser rechts von allen Seiten stark verstümmelt, und sehr ungleich 
geschrieben ; der andere , welchen Curlius (Inscr. Alt. duodecim Nr. 
VIII) mit Benutzung einer mir von Rofs milgetheilten Abschrift wie- 
ilerholl hat, ist in den meisten Partien regelmä£siger geschrieben, 
Aber Z. 4 — 6 ist frühere Schrift getilgt, und auf deren Stelle die 
jetet vorhandene gesetzt und theilweise enger zusammengedrängt: 
.dennoch läfst sich die ursprüngliche Breite ohngefähr veranschlage!^ 
»nd ist für die allerdings schwierige Ergänzung von mir erwogen 
worden. Ich lasse die Anfänge beider, so weites für unsere Uff' 
lersuchung erforderlich ist, mit den versuchten Ergänzungen folgen 
(s. Nr. 385 und 386 auf S. 67). Ob die Tilgung der früheren Schrift 
in Nr. 386 mit dem doppelten Datum zusammenhänge, ist mir sehr 
,„,^;p^ijjafi. In Nr. 385 fehlt der Archon nebst dem Stamm und 
anienzahl, die Ergänzungen zeigen ihre Stelle an; es fehU 
Name des Schreibers^ der dem Demos nach Jlawvtsvs 



A. Boeckh: zur Gesehichte der Mondcyelen der Hellenen. 57 



























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58 A. Boeckh: zur Gesdiiclile der Mondefclen der HeUeBeB, 

oder ^Aifivuvg oder JSowuvg war. Das doppelte Datam beschränkt 
sich in Nr. 385 auf die Zahlen der Monatstage; denn die erforschte 
Breite bietet keinen Raum für die Einsetzung des Monats beim 
zweiten Datum. Das erste Datum ist Z. 3 [- - - imvog dcKJary 
votiofy am einundzwanzigsten des Monats; das zweite ist ein ge- 
wisser Tag [fiejr' il»aöag. Vergleicht man beide Inschriften, so 
leuchtet bald ein , dafs der Unterschied in der Tagzählung gering ist, 
wie natürlich; denn die cyclischen Monate musten sich ganz oder 
bis auf «wenige Tage decken. Ich erkenne in Nr. 386 einen Unter- 
schied von zwei Tagen in dieser Zählung ; aufser allem Zweifel stand 
Nr. 386 Z. 3 devxiQU [fur' slxadag]. Es folgt nun zwar nicht noth- 
wendig, dafs auch in Nr. 385 der Unterschied zwei Tage betrug ; denn 
in zwei verschiedenen Cyclen können die Folgen der hohlen und vol- 
len Monate verschieden sein, wodurch, wenn auch normal der Un- 
terschied zwei Tage beträgt, in gewissen Monaten und Jahren der 
Unterschied von dem normalen um eine Einheit, in abstracto be- 
trachtet , nach der einen oder der anderen Seite hin abweichen , also 
eintägig oder dreitägig werden kann. Es ist jedoch nichts dage- 
gen, auch in Nr. 385 einen Unterschied von zwei Tagen zu setzen, 
und ich schreibe daher Z. 4 daselbst zunächst beispielsweise [t^/r|} 
(U]x^ tlMadmgy ^am dreiundzwanzigsten des Monats'. Hinter dem 
ersten Datum Nr. 385 Z. 3 steht Kceta - - als Anfang der Bestim- 
mung des zweiten Datums; ich habe ntna [öi KalkutTtov] geschrie- 
ben: warum, kann noch nicht erörtert werden; auch verbürge ich 
di^e Ergänzung nur soweit sie den Sinn betrifft, indem auch etwas 
anderes dagestanden haben kann, was dieselbe Bedeutung in sich 
schlofs, z. B. tuxxa dh xo viov. Vielleicht stand auch KAAIPPON, 
wie der Name bei Geminos, auch in dem Kalender bei ihm (Cap. 
16), beständig geschrieben ist, und sonst hier und da, auch bei 
Ptolemaeos. Z. 7 scheint [6 öeiva - - ']za ^AXiiJuovCiog zu lesen. 
Die übrigen Ergänzungen können noch nicht besprochen werden. 
Ich gehe nun auf Nr. 386 über. In diesem Decret ist der Archon 
und der Schreiber erhalten ; als Anfang des Vaternamens des letzte- 
ren gibt Pittakis ANO, Rofs ANI, welches ich in ^Avi[xiqt(yv] er- 
gänze : nicht unwahrscheinlich hiefs Herakleons Vater Aniketos , wie 
des Herakles und der Hebe Sohn. Z. 6 hüte man sich in der Lücke 
of zu ergänzen; dies hatte der Steinschreiber vielmehr getilgt. Hier 
sind aber die Monate der Daten verschieden, weil sie sich durch 
die Einschaltung in einem der Cyclen, während nach dem andern 
noch nicht eingeschaltet war, verschoben hatten. Die Tagzählung 
in den Monaten kann aus dem oben angegebenen Grunde nur einen 
Unterschied von wenigen Tagen ergeben haben; im ersten Datum 
stand Z. 3 ^Av^'iCttiqiÄvog ösvtiqf [fut^ sUccdag]^ im zweiten ^EXa- 
gnißoliävog ret^adi ftct' eliiidcc[g]: was ich sonst ergänzt habe, er- 
hält später seine nähere Erläuterung. Dieser zweite Beschlufs Nr. 386 
ist unter dem Archon Achaeos geschrieben zu Gunsten des Arztes 
Menandros des Pergameners unter dem pergamenischen König Eume- 



A. fi«M^c zur OMeUdlte der litmd^yelQO der Hettehe«. M 

näs U, MToraos ^heUi, daft der Areboo A«haeo8 in die Zeit vob 
OL 145, 4 — 156, 2 (v. Clir. 197—159) gehdrt (Meier Comm. eplgr. U 
S. 82). Dadurch daTs der geelirte eio Pergaaiener und aucli Nr. 3d5 
ein Besclüafs zu Gunsten fremder i&t^ kann das doppelte Datum niclit 
veranlafst sein. Mehriache Daten nach Verschiedenen Kalendern fin- 
den steh in Ydrhandiungen verschiedener Staaten miteinander; aber 
hiet ist keine Verhandlung verschiedener Staaten , sondern in beiden 
Fällen ist ein athenischer Volksbeschlufs und eine athenische Volks* 
Versammlung doppelt datiert. Dies ist also ein datieren nach altem und 
neuem Stil. Was dies nun für Süle sind und In weiche Zeit dieses 
doppelte datieren falle, ist zu ermitteln. Die hipparchische Periode ist 
hierbei aus vielen Gründen aus dem Spiele zu lassen. Man überlege 
aber mit mir folgendes. Um die Mitte des so eben angegebenen Zeit^ 
raumes^ Ol. 150« 5 (v. Chr. 178) beginnt der dritte kallippische Cycius 
Cldeier I S. 392). Wir haben gesetzt, Ol. 113, 3 (v. Chr. 330) sei der 
metonisehe Cyelus in Athen eingeführt worden, indem man in das 
aehte Jahr desst^ben eingetreten sei , und bewiesen , dafs die Athener 
damals nach Metons Cycius das Jahr rechneten. Von diesem Jahre 
ab bis zu Anfang Ol. 150, 3 (v. Chr. 178) sind 152 Jahre, also zwei 
kallippische Perioden von je 76 Jahren (27759 X 2 S3= 55518 Tage), 
oder acht atüsch - metonisehe Enneakaedekae'teriden (6940 X 6 »e: 
Ö5520 Tage), diese vom achten Jahr an gerechnet, abgelaufen. Das 
reetificierte attisch - metonisehe Jahr Ol. 112, 3 begann mit dem 
28n Juni , gerade wie das kallippische , über welches ich nur auf 
Ideler verweise ; während der 152 Jahre , welche von da ab bis zu 
Anfang von Ol. 150, 3 abgelaufen, schob sich der Anfang des meto- 
nischen Jahres , wie aus dem gesagten klar ist« zwei Tage vorwärts 
auf den 30n Juni als erbten Hekatombaeon Öl. 150, 3, so dafs der 
3/ile J«li dar dritte Hekatombaeon war. In der kalUppischen Periode 
fiadet keine Vorschiebung statt; das Jahr OL 150, 3 begann nach Kal- 
lippos wieder am 28n Juüi als ersten Hekatombaeon, so dafs Kallip- 
pos den driften Hekatombaeon an dem Tage zählte > an welchem man 
nach Meton den ersten Hekatombaeon zählte. KalUppos ist also dem 
Meton in der Zahlung der Tage um 2 voraus , wie der zweite oder 
neue Stil der beiden Inschriften. Es ist noch die Verschiedenheit der 
Monate beider Stile, der Monate Anthesterion und Elaphebolion , zu 
erklären, was sehr leicht ist. Legen wir einen Augenblick das Jahr 
Ol. 150, 3 zu Grunde. Das Jahr Ol. 150, 3 (v. Chr. 178) ist das 
erste eines attisch- metontschen Cycius von Ol. lli, 3 ab gerechnet, 
d. h. das achte der alten tnetonischen Periode. Dieses ist ein Schalt- 
jahr im metonischen CydusJ also wurde der zweite Poseideon einge- 
schaltet, und hierdurdi ^urde der Anthesterion, der gewöhnlich ach- 
ter Monat ist, der neunte des Jahres OK 150, 3. Ferner aber ist das 
Jahr Oi. 150, 3 das örate der kallippischen Periode, welches ein Ge- 
meinjahr ist; folglich fiel der im Gemeinjahr neunte Monat, £laphebo>r 
lion, kallippisch gezählt , auf den metonischen Anthesterion. Hierbei' 
ei^ibt sich jedoch eine Schwierigkeit. Nach Meton sind vor-dem 



60 A. Boeckh: zur GesckM^te der MeBäcyclen der Heiienen. 

erslen Anlheslerioo im Jähre OL 160 , 3 (v. Chr. 178), dem achten der 
Enneakaedekaeteris, vier volle und vier hohle Monate, zusammen 
236 Tage verflossen, nach Kallippos aber dem von mir befolgten 
Idelerschen System gemäfs vor dem ersten Elaphebolion desselben Jah- 
res, dem ersten des kallippischen Cydus, fünf volle und drei hohle 
Monate, also 237 Tage. Fieng nun dieses melonische Jahr den 30n Juni, 
dieses kallippische den 28n Juni an, so ist, vermöge jener Verschie- 
denheit der in beiden vor den benannten Monaten verflossenen Tag- 
summe , der 22e Anthesterion des Meton der 13/l4e März v. Chr. 177 
(welches julianische Jahr ein Schaltjahr ist), der 24e Elaphebolion des 
Kallippos aber ist der 14/15e März, so dafs die beiden Tage verschie- 
den wären , während sie identisch sind nach der Inschrift. Demnach 
kann ich das Jahr des Archen Achaeos nicht für Ol. 150, 3 halten, 
sondern mufs es für ein anderes nahe liegendes nehmen. Ein nahe- 
liegendes mufs man suchen, weil es nicht wahrscheinlich ist, dafs das 
doppelte datieren lange gegolten habe. Jlweitens darf man kein vor- 
hergehendes nehmen: denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dafs 
Athen den kallippischen Cyclus gerade im Anfang einer kallippischen 
und unmittelbar nach Ablauf einer attisch -metonischen Periode, also 
Ol. ISO, 3 in secundärer Geltung angenommen habe. Um bei dieser 
Wahl zum Leitfaden zu dienen, lege ich eine Tafel hier ein, in wel- 
cher die 12 ersten Jahre von Ol. 150, 3 an metonisch und kallippisch 
bestimmt sind. 







Metottisehe Reohnniig. 






fangen 










Olympiaden- 














Jahre 


an 
V. Chr. 


Jahre des 

metonischen 

Cyclus 


Tagr 
summe 


Jahresan- 
fang 


Jahre d. kal- 
lippischen 
Cyclos 


Tag:- 
summe 


Jahresan- 
faner 


150, 8 


178 


B 8 


384 


30. Juni 


1 


355 


28. Juni 


4 


bl77 


9 


354 


18. Juli 


2 


354 


17. Juni 


151, 1 


176 


10 


355 


7. Juli 


B 3 


384 


O.Juni 


2 


175 


B 11 


384 


27. Juni 


4 


354 


25. Juni 


3 


174 


12 


354 


16. Juli 


B 5 


384 


14. Juni 


4 


bl73 


B 13 


384 


4. Juli 


6 


355 


2. Juli 


152, 1 


172 


14 


354 


23. Juli 


7 


354 


22.Jani 


2 


171 


15 


355 


12. Juli 


B 8 


384 


11. Juni 


3 


170 


B 16 


384 


2. Juli 


9 


354 


30. Juni 


4 


bl69 


17 


354 


21. Juli 


10 


355 


18. Juni 


153, 1 


168 


18 


354 


9. Juli 


B 11 


384 


8. Juni 


2 


167 


B 19 


384 


28. Juni 


12 


354 


27. Juni 



Das erste metonische Schaltjahr nach Ol. 150, 3 ist hiernach Ol. 
151, 2 (v. Chr. 175), das eilfle der metonischen Enneakaedekaeteris, 
das vierte der kallippischen Periode und in dieser ein Gemeinjahr. In 
diesem liegen vor dem ersten metonischen Anthesterion und dem ersten 
kallippischen Elaphebolion gleich viele Tage, nemlich 236, oder vier 
volle und vier hohle Monate, und hierdurch wird, bei einer Differenz 
von zwei Tagen im Jahresanfang, die Schwierigkeit vollkommen ge- 



A; Boe(^h : 2ar Gesehiebie der Mbndeydeii der JMkme^. Ol* 

liotoi. So w^^en wir also den Ardion Acfaaeos frtthe^ens in 
Ol. 151, 2 zu setzen, dennoch aber festzuhalten haben, daTs der kai- 
l^sche Cyclus Ol. IdO, 3 in zweker Stelle in Gtitigrkeit trat. Hierbei 
bleibt nur noch zu überlegen, welcher der beiden StHe, der ältere me- 
tonische oder der neuere kallippische, der eigentlich amtliche war, 
nach welchem sieh zugleich dieEintheilung des Jahres in diePrytanien 
richtete. Es versteht sich, denke ich, von selbst, dafs das an erster 
Stelle erscheinende Datum, welches absolut oder ohne eine nähere Be- 
stimmung durch Tuxta hingestellt ist, eben das amtliche ist, also 

das metonische, und es fragt sich nur, ob hiernach sich die Inschriften 
ei^nzen lassen. Dies habe ich für Nr. 386 allerdings bewährt gefun- 
den. Das Jahr dieser Inschrift ist als Ol- 151, 2 (v. Chr. 175) genom- 
men. Dieses ist ein metonisches Schaltjahr, und hat vor dem In An- 
theisterion, wie wir gesehen haben, 236 Tage. »Die Prytanien haben in 
den Schaltjahren zur Zeit der zwdlf Stämme in der Regel 32 Tage; 
die neunte Prytanie beginnt daher mit dem 257n Tage des Jahres; da 
der le Anthesterton der 237e Tag des Jahres ist, so ist der 22e An- 
thesterion der 258eTag des Jahres, und dieser ist der 2eTag der nenn- 
ten Prytanie. Die hiernach oben gemachten Ergänzungen passen in 
die Lücken vollkommen ; wollte man dagegen die Prytanien nach dem 
kallippischen Kalender angeordnet nehmen, in welchem das Jahr ein 
Gemeinjahr Ist , so müste wenigstens der Regel nach der 24e Tag der 
Prytanie ergänzt werden, wofür der Raum kaum hinreicht Wenn die 
Ergänzung devri^c^ etwas zu kurz scheint , mufs man eben die durch 
Correctur entstandene Ungleichheit der Schrift bedenken. Die Inschrift 
Nr. 385 bietet auf den ersten Anblick zu wenig Anhaltspunkte für eine 
Herstellung, die daher eigentlich auch nicht verlangt werden kann; 
sie ist obendrein unmöglich genügend zu. bewerkstelligen , wenn in 
dem Jahre irgend eine Unregelmäfsigketl in der Vertheilung der Pry- 
tsuüen stattfand , die nun einmal nicht zu leugnen ist. Es liegt jedoch 
sehr nahe auf eine Herstellung der Inschrift zu kommen, vermöge 
welcher in diesem Beschlüsse der Stil des zweiten Datums, also der 
kallippische, der Vertheilung der Prytanien zu Grunde gelegen hätte ; 
man könnte nemlich hier eine nach dem obigen in abstracto mögliche 
Verschiebung der Daten beider Kalender nicht blofs um zwei , sondern 
um drei Tage annehmen, also Z. 4 statt [tQlvg fifjr' ünadag setzen [rf- 
tqadi |w]t' ü%uöag^ und dann Z. 4 — 5 T€Ta^|y [xal ü%0(St^ rijg 
nQv\t, ergänzen , wodurch die Prytanien in Uebereihstimmung mit den 
kallippischen Monaten kämen, wie sie in der Zeit der zwölf Stämme 
im Gemeinjahr gewöhnlich mit deti Monaten stimmen. Aber es ist zu 
unnatürlich anzunehmen , das zweite Datum sei das amtliche ; und 
wenn ich richtig verglichen habe, kommt die in abstracto mögliche 
Verschiebung der beiden Cyclen um drei Tage in einem kallippischen 
Gemeinjahr bei Gleichnamigkeit des Monates mit dem zeitlich entspre- 
chenden metonischen selten vor. Wie ungeeignet zu einer Ergänzung 
die Inschrift übrigens scheinen mag und wie wenig man dieselbe verlan- 
gen kann, will ich doch die Möglichkeit einer Herstellung zeigen, weiche 



8S A» Be^oKh: zur G«s«liiohie ierMbadey«len der IkMeaeif. 

zasammenstimmt mit der AttDileDaiiig^ , das metonische Daimn sei das 
amütehe. Ich wähle dazu das Jahr Ol. 15d, S, ein metonisehes Behalt- 
jähr , und nehme die ganz regelmäßige Pryiantendauer von 33 Tagen 
zur Grundlage. Ich setze Z. 1 die vierte Prytanie (tsta^ttig «^vrte* 
vBiag) und Z. 3 den Monat Pyanepsion (Ilvcep&^ffuSfvog dcmrrf icvi^). 
Da ich die Ansicht für die richtige halte, die dewonj v&viqa komme 
in den hohlen Monaten nicht vor, so mufe, wenn die Herstellung mir 
genügen soll, der Pyanepslon des metonisohen Cyclus in dem Jahre 
der Inschrift ein voller Monat sein , und er ist es nach dem Kanon. 
Dieses metonische Jahr beginnt den 28n Juni ; die drei ersten Monate 
haben folgende Dauer : Hekatombaeon 30 , Metageitnion 99 , Bo€dro< 
mion 30, zusammen 89 Tage. Der le Pyanepslon ist folglich der Tag 
vom Abend des 25n September ; der 21e Pyanepslon, der Tag des me- 
tonisohen Datums , beg'mnt am 15n October« Der Anfang der zweiten 
Prytanie ist der 3e Metageitnion, der Anfang der dritten Prytanie der 
6e BoSdromion, der Anfang der vierten Prytanie der dePyanepsion * also 
ist der Sie Pyanepslon, der Tag des metonischen Datums , der 14e Tag 
der vierten Prytanie, wonach sich Z. 4 — 5 ganz passend ergänzen läfst: 
vnm^if [Kai dsKar^ vijg ^Qv}t. Kallippisch beginnt das Jahr den 
S7n Juni ; nach der kailippischen Periode hat in diesem Jahre der Heka- 
tombaeon 29, der Metageitnion 30, der Boedromion 29, die drei ersten 
Monate zusammen 88 Tage. Der le Pyanepsion ist also kallippisch der 
Tag vom Abend des 23n Sept., und der 23e Pyanepsion (r^riy fisr' dna^ 
iag^ wie ich oben schon gesetzt habe) beginnt den I5n Oct. wie Metons 
dtTuetfi v^xtqot. Eine andere gleich befriedigende Hersteilung wird 
man schwerlich finden , und ich habe daher kein Bedenken getragen, 
die vorgetragenen Ergänzungen in die Lücken einzufügen , in welehe 
sie unstreitig passen. So viel über die amtliche Geltung des metoni- 
sehen Gydus in der Zeit dieser Beschlüsse. Nun sollte man dennoeh 
denken , nadidem man einmal angefangen hatte secundär auch kal- 
lippisch zu datieren, werde man bald ganz zum kalKppischen Kalender 
übergegangen sein. Aber auch dieses scheint man nicht gethan 2u 
haben. Wie ich schon früher im Corpus inscriptionum Graecarum 
nachgewieäen habe, ist das Jahr des Archon Dionysodoros ein Ge- 
meinjahr gewesen (s. daselbst Nr. 267), und soweit ich crmessen kann, 
ist das Jahr des Dionysodoros richtig auf Ol. 208, l (nach Chr. 53/54) 
bestimmt, wie schon Scaliger in der ^OXv^niiömv avayqatpri gethan 
hat Dieses Jahr ist aber das dritte des kailippischen Cyclus und in 
diesem ein Schaltjahr: folglich ist, wie Ideler (I S. 353) mit mir be- 
merkt hat, die kallippische Periode damals nicht amtlich giltig 
gewesen, wenigstens nicht, inwiefern sie von ihrem eigenen An- 
fangspunkt aus gerechnet wird, und nach dem Idelerschen Kanon. 
Ich hätte nur nicht sagen sollen , * cyclus Metonis et Callippi ' sei da- 
mals nicht in Athen giltig gewesen; denn dasselbe Jahr ist das 
zehnte des metonischen Cyclus, oder was einerlei ist, das dritte einer 
attisch -metonischen EnneakaedekaSteris , wie ich oben mich ausge- 
drückt habe, und dieses zehnte der metonischen Periode ist ein Ge- 



A» AMekh : zur (xeathidKe der MoAdcyelen der HeUenea. M 

flieiojaiir. SeN»«l diese späte Inschrift Mimmt also damit überein ^ dafs 
in den eben behandelten Votksbeschlüssen das amtliche Datum das 
oietonisehe isl^ und es wird anzunehmen sein, dafs man fortwährend 
bis in die Kaiserzeiten und mindestens bis nach der Mitte des ersten 
Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung metonisch rechnete , wahr- 
acheintieh jedoch mit der erforderlichen Reclification, welche um OL 
150 aber noch nicht gemacht war. 

14. Nach diesen Erörterungen über die hellenischen Mond- 
eyelen kehre ich zur Beseitigung der Aufstellungen zurück, welche 
Block für seij^n Tricesimalcycius vorgebracht hat, nicht blofs um 
^ese zu wideRgen , welcher Zweck kaum so grofsen Aufwand recht- 
fertigen würde, sondern um zugleich einige wichtige chronologische 
Fragen zu beleuchten. Die alten rechnen sehr häufig den Monat zu 
99 f das Jahr zu 360 Tagen, selbst in einer Zeit, in welcher nach Itinck 
selber der Tricesimalcycius nidit mehr gegolten haben soll; dies soll 
ihm Iheils beweisen, dafs ehemals das Jahr diesen Umfang gehabt, 
theils wenigstens lehren , dafs später noch aus Erinnerung alter Zeiten 
das Jahr von 3§0 Tagen als das eigentlich hellenische angesehen wor- 
den (Rinck S. 28« 37). Schon Ideler hat richtig und klar ausgeführt 
G S. 364) , dafs diese Angaben auf runder Berechnung beruhen , da 
andere Zahlen zu unbequem gewesen wären; ich will jedoch das 
wühtigste, was mir davon vorgekommen, noch einmal zusammen- 
stellen. Die alte attische Stammverfassung, 4 Stämme, 12 Phtatrien, 
360 Geschlechter, war allerdings, dies ist keine Grille, eine Nachah* 
mung der himmlischen Ordnung des Jahres, was PhilodiOTos riehtig 
bemerkte; aber weder das Sonnenjahr noch das Mondjahr konnte 
dabei zu Grunde gelegt werden , sondern man wählte den ohngeßh-^ 
Ten DuTchschiütt zwischen beiden. Hesiod rechnet den Monat zu 30 
Tagen, das Rathsel des Kieobulos gibt dem Vater Jahr 12 Söhne und 
jedem der S^hne 30 Töchter (Diog. L. I 91). Hippokrates rechnet die 
Monate, sogar bis auf ihrer neun zusammen, je zu 30 Tagen. Das 
sind fireiiieh seltsame Multiplicationen runder Zahlen; aber dafs sie 
nicht auf einem bürgerlichen Jahre von 360 Tagen und 12 dreifslg- 
tägigen Monaten beruhen, kann man aus Aristoteles sehen, der doch 
sicher nicht nach einem solchen Jahre rechnen konnte , und dennoch 
72 Tage für ein Fünftel, 60 Tage für ein Sechstel des Jahres erklärt 
(die Stellen s. bei Ideler I S. 257 ff.). Man war einmal an diese Ab- 
nindong gewöhnt. Ebenso rechnet Xenophon selbst bei Geldüber- 
schlägen das Jahr zu 360 Tagen (fce^l mQmv Gap. 4, 23 — 24 Sehn.), 
indem er annimmt, ein Bergwerksklave des Staates bringe täglich 1* 
ein, also 6000 Sklaven jährlich 60S 10000 Sklaven jährlich lOOS wobei 
eben das Jahr zu 360 Tagen angenommen ist: freie Tage sind nicht ab- 
gezogen, wie ich in der Abhandlung über Laurton geglaubt hatte: aber 
die athenischen Staatsmänner und Finanzbeamten wüsten, wie wir oben 
gesehen haben, l)e88er zu beachten, wie lang die Jahre waren. Selbst 
der Scholiast des Aristophanes rechnet zur Erklärung seines Schrift* 



64 A. Boedih: z«r Gesdüclite der MoBdcyden der HeUenen. 

stellers (Wespen 661) 10 Monate zu 300 Tagen, ungeachtet weder in 
des Aristophanes noch in des Scholiasten Zeiten bei den Hellenen eine 
solche Zeitrechnung galt; und ebenso die Apokalypse (11, 2 — 3), ob 
diese hellenische oder hebraeische oder römische Monate abrundend, 
weifs ich nichL Zur Zeit des Phalerers Demetrios dachte doch kein 
Mensch mehr an ein Jahr von genau 360 Tagen; setzte man dem De- 
metrios dennoch gerade 360 Bildseulen , so liegt darin wahrscheinlich 
allerdings die Absicht, soviel Bildseulen ihm zu setzen als rund Tage 
im Jahr sind; aber was Varro darüber sagt : quol luce$ habet annus 
absohUuSy oder der ältere Piinius : nondum anno hunc numerum dierum 
excedenie (XXXIV 12) ist, wenn es als genaue Angabe gelten soll, 
für jene Zeit erweislich falsch und verkehrt (vgl. zurwitik der gan- 
zen Erzählung Yischer im Rhein. Mus. N. F. IX S. 386 if.)* Allerdings 
sehr befremdend ist es, wenn Herodot (I 32) den Selon, der oben- 
drein gerade ein Begründer der Rechnung nach dem Monde war, 70 
Jahre, das Jahr zu 360 Tagen, auf 25200 Tage berechnen läfst, und 
dazu auch noch 35 Schaltmonate zu 30 Tagen zurechnet nach triete- 
rischer (zweijähriger) Einschaltung; hier läfst sich fast nichts ent- 
gegnen, als was von Tdeler (a. a. 0. S. 272) gesagt ist, dafs Herodot 
aus tiefer und ich möchte sagen naiver Unkunde (oder aus grofser 
Fahrlässigkeit) einen groben Fehler begangen hat, und, setze ich 
hinzu, dafs er eben wie alle seine Landsleute den Monat rund, selbst 
bei Multiplicationen , zu 30 Tagen nahm und die in der Oktaeteris 
eiementarisch vorhandene Dyas , wie ich sie oben nannte , oder Trie* 
teris allein im Auge habend die trielerische Einschaltung verallge- 
meinerte, wie er auch anderwärts (II 4) sagt, die Griechen schalteten 
Jahr um Jahr der Jahreszeiten wegen einen Monat ein , was sie frei- 
lich oft, aber nicht für sich allein, sondern zwischendurch zwischen 
triadischen Einschaltungen thaten. Selbst die Worte des Geminos (Gap. 
6 S. 20) : ot fi€v ovv iQ%ai!oi xovq fi^vccg VQiaxov^fiiQOvg ffyovy rovg 
dl ifLßoXlfAOvg naq iviamov, können eben so wenig mich als Ideler 
an einen so verrückten Cyclus glauben machen ; ich vermute vielmehr, 
dafs für Geminos oder seinen Vorgänger nur Herodots verkehrte An- 
gaben die Quelle dieser Behauptung waren. 

15. Gegen den Mondcycius macht Rinck (S. 37) besonder» gel- 
tend, nian müsse schon in den Perserkriegen von der solonischen 
Ordnung der Zeiten abgegangen sein; denn die Schlacht bei Marathon 
erfolgte im Vollmonde (Her. VI 106. 120) und doch am 6n Boedromton 
(Plut. Cam. 19). K. F. Hermann (gr. Monatskunde S. 26 f.) nimmt 
zwar das hellenische Mondjahr an, glaubt aber, es sei so schlecht ge- 
handhabt worden, dafs sich die Anfange der Monate ganz von den 
Neumonden entfernt hätten, und er verharrt, wie auch Clinton (Fasli 
Hell. u. d. J. V. Chr. 490) ebenfalls dabei,, die Schlacht bei Marathon 
sei am 6n Boedromion und doch etliche Tage nach dem Vollmond 
geliefert worden : so hätte denn der Kalender wenige Tage vor dem 
Vollmond — Neumond gesetzt. Hiervon wird mich niemand je über- 



A. Boeckh: zur Geschichte der Motidcyclen der HettMeA. 05 

zeugen. Plutarch sah die UnzuläsBigkett dieser Annahme sehr wol 
und stellt daher in Abrede , dafs die Schiacht bald nach dem Vollmond 
fpeliefert worden; und war der spartanische Kalender, wie aus der 
Geschichtserzählung folgt, nahe in Ordnung, indem der Vollmond um 
die Mitte ihres Monates fiel, wie soll man glauben, die Athcfner seien 
mit ihrer Zeitrechnung in so grofser Verwirrung gewesen? Doch ehe 
ich die Sache näher erwäge, will ich weniges über Rincks Bestätigung 
seines Systems aus dem Datum der Schlacht bei Marathon sagen. Er 
lehrt, gerade den 6n Boedromion , am 66n Tage des Rinckschen Jah- 
res Ol. 72, 2 (v. Chr. 491) am 20n August sei Vollmond gewesen: 
*keln anderes System würde wol in dem Grade zutreffen' (S. 43). 
Es verhält sich aber gerade umgekehrt. Denn erstlich ist die Schlacht 
bei Marathon nicht im Vollmond geliefert, sondern drei Tage nach dem 
Vollmond; zweitens setzt Rinck, was freilich auch ältere Chronologen 
geglaubt hatten, die Schlacht bei Marathon sei Ol. 72, 2 geliefert, da 
sie vielmehr Ol. 72, 3 vorgefallen ist, verlangt jedoch (S. 44) von 
den Chronologen, sie sollten seinem Cyclus zu Liebe das Jahr der 
Schiacht bei Marathon berichtigen. Er weifs freilich allerlei beschö- 
nigende Gründe beizubringen; dahin gehört, dafs die parische Chro- 
nik die Schlacht 227 Jahre vor ihrem Epochenjahre , also in das von 
Rinck angenommene Jahr setze. Die Zählungen der Jahre in der 
parJschen Chronik habe ich in meinem Commenlar zu derselben 
genau erörtert (C. I. G. II S. 305 ff.); sie sind von viererlei Arten, 
die ich mit A, B, C, D bezeichnet habe, und es ist erwiesen, dafs die 
Zählung B, zu welcher das Jahr 227 bei der parischen Chronik gehört, 
ein Jahr zuviel gibt. Es kommt auf den Archen Phaenippos an , in 
dessen Jahr die Schlacht nach der parischen Chronik selbst und nach 
Plutarch (Arist. 5) vorfiel : um diese Schwierigkeit zu entfernen , knüpft 
lUnck zuerst an die Fabel an, die ich (zu Soph. Antig. Abh. I Cap. 3. 
Abhh. der Akad. vom J. 1846 S. 365: vgl. Ideler I S. 288. 291 f.) wie 
ich g-laube richtig beseitigt habe , das Jahr habe damals mit dem Ga- 
meüon begonnen ; und dann soll es ja auch pseudeponyme Archon- 
ten gegeben haben, die ich mir, wie andere später auf andere Weise, 
zutraue ebenfalls ausgerottet zu haben. Nichts ist sicherer, als dafs 
Phaenippos der Archen des Jahres Ol. 72, 3 sei und unter ihm die 
Weltschlacht bei Marathon geschlagen worden (vgl. Clinton a. a. 0. 
und besonders Thuk. 1 18. Piatons Gesetze III S. 698 C) : Ol. 72, 2 aber 
war Hybrilides Archon, und selbst unter der Voraussetzung^, das Jahr 
habe damals mit dem Gamelion begonnen, kann man den Phaenippos 
nicht bis in die erste Hälfte des olympischen Jahres Ol. 72, 2 zurück- 
bringt, sondern nur bis in die zweite, während doch die maratho- 
nische Schlacht in einen Monat der ersten Hälfte des olympischen Jah- 
res fällt. Doch hiermit genug von Rincks Beweisführung; es kommt 
darauf an, den 6n BoSdromton als Schlachttag zu beseitigen. Schon 
Fröret hatte dazu den Weg gezeigt; und im Jahr 1816, in einer Vor* 
rede zu dem Verzeichnis der Vorlesungen der hiesigen Universität 
vom Sommerhalbjahre, habe ich dies mit Gründen versucht, die Ideler 

Jahrb. f. clMi. Philol. Soppl. N. F. Bd. 1. ^ 5 



06 A. Boeckh: zur Geseiuchle dec Moadofelea der HeUenea. 

geDügend gefondeB hat (a, a. 0. S. 391 f.)' j^^t oölhigt mich der da- 
gegen erhobene Widerspruch, die Sache hier noch einmal auCzu,- 
nehmen. Herodol (VI 105 f.) erzählt, die athenischen Feldherrn hät- 
ten, als sie noch in der Stadt waren, den Sehneliäufer Pheidippi- 
des gen Sparta gesandt; dieser sei am zweiten Tage dort angekom- 
men und halte das Gesuch der Athener um Hilfe vorgetragen. Es 
war der neunte des wachsenden Monds oder Monats (forafftivov tov 
^fivog €^vcrti|); am neunten aber, erklärte die spartanische Behörde, 
könnten sie nicht ausziehen, so lange der Kreis nicht voll sei. Sie 
warteten also den Vollmond ab, marschierten nach demselben aus und 
kamen nach der Schlacht an (VI 120). Man erkennt hier gleich , dafs 
ein Mondmonat zu Grunde liegt bei der Erzählung ; Rincks Ausflucht 
(S. 4d), Uerodot übersetze die Worte der Lakedaemonier in die 
Sprache eines kleinasiatischen Mondjahrsystems, in welchem am funC- 
z^nten Vollmond war (vgL dens. S. 31), ist lächerlich, zumal wenn 
man bedenkt, dafs Herodol ein einfacher Erzähler und in solchen chro- 
nologischen Dingen unerfahren ist^ und für die gesamten Hellenen 
schrieb. Hat nun Herodol die Wahrheit erzählt, und daran ist nicht 
zu zweifeln, so irrt Plularch, wenn er behauptet, die Schlacht sei 
nicht nach dem Vollmond, sondern am 6n Boedromioa geliefert wor- 
den. Er behauptet dies nicht weniger als dreimal (de HerodoU maUg& 
36. de gloria Athen. 7- Cam. 19), wogegen Aelian (V. H. II 25) noch 
irriger das Datum der Schlacht auf den 6n Thargelioa überträgt. Plu- 
larch verräth zweimal, woraus er das behauptete wisse ; der 6e Boedro- 
mion sei es nemlich, an welchem noch zu seiner Zeit die Athener der 
Artemis Agrotera das für den Sieg gelobte Opfer darbrachten (de gloria 
Athen. 7. de Herod. malign. 26) : und er weist den Herodot tüchtig über 
seinen Irthum zurechl , dafs er den Vollmond in den Anfang des Mo- 
nats übertragen habe. Auch Aelian hat den Schlachttag aus dem OpDer 
eracbloasen, welches er nur fälschlich in den Thargeiion setzte i ich 
übergehe andere Stellen, die nichts wesentliches für die Sache bei- 
tragen. Freret Utat den richtigen Blick , und auch dem Corsini (Fasti 
Alt I S. Id4) blieb dieser Gesichtspunkt nicht verborgen, obgleich er 
ihn rucht gut ausgeführt hat, dafs Plularch den Tag des Dankfestes mit 
dem Schlachttage verwejchs^^t hat. Dieses Dankfest wurde mit einem 
Pompaufzug in Agrae gefeiert, wo Artemis Agrotera verehrt wurde; 
es wurde gewis schon in dem Jahre der Schlacht selbst gefeiert, aber 
einige Zeit nach der Schlacht, wohin mehrere Umstände weisen, wir 
wollen vorläufig sagen 18 Tage nach derselben , indem wir die Schlacht 
eben vorläufig auf den 17n Metageitnion setzen. Gleich nach der 
Schlacht hatten die Athener mehr zu thun als Feste zu feiern; uAd die 
Feier selbst erforderte erst eine Volksversammlung, welche die nähe- 
ren Bestimmungen derselben beschlofs. Ja es ist sogar überliefert, 
dafs die Ausführung des Gelübdes Schwierigkeiten fand. Man hatte 
olESenbar zu derselben Anstalten getroffen, die schon Zeit gekostet 
hatten und ohne Erfolg gewesen waren ; denn man hatte nicht so viel 
Ziegen beschaffen k6nnen» als zur Erfüllung des Gelübdes erforderUcb 



A. Boe^Ji: zur Gieseiüehte der Mondcyelea der Heiimen. 0? 

waren. Dwhes wtffde wiedemm ein zweiter V^üubescUufo gefiikfet, 
nv &eO (nadi Aelian aoo) Ziegen tu opfern (PtaU de malign. Herod. 
au &. O. Xen. Anab. III 2, 1^. Nim muate erst diesem neuen Be- 
sehlufs gemafe das nöthige angeordnet werden. Also Aufenthalt über 
Aufen&alt. Hatte sich nun im Jahre der Schlacht selber das Bank- 
fest bis zum Gn Boedromion verzögert , so wurde es auch in den M- 
genden Zeiten an eben diesem Tage gefeiert: eine Schlachifeier war 
es <^nehin nicht; dean warum sollte man die marathonisehe Sehlaeht 
als solche in Agrae feiern? Es ist überdies sogar möglich » dafs gleich 
ursprQnglieh dieses Danhfest auf den nicht zu entfernt liegenden 6n 
Boedromion angesetzt war, weil dieser Tag schon vorher ein Festlag 
der Artemis Agrotera war^ ft^ weichen das gelobte bestimmt worden: 
denn unabhängig von der Schlacht bei Maralhon wurde die Agrotera 
als Jagdgöttin ohne Zweifel im Bo€dromion zu Agrae verehrt , wo sie 
auierst gejagt haben soll (Paus. I 19, 7), sowie ApoUon Boed|omiQf 
im Boedromion sein Fest hatte« Er und die Schwester sind eben die 
Götter der Jagd (vgl. besonders Xenophon de ven. a. Anf. u. 6, ld> 
Auch wsur es sehr passend dies Bankfest für die gewonnene Schlacht 
einen Tag nach dem allgemeinen Todtenfeste der Genesien vom ön 
Boedromion (Lex. Seg. S. 86, vgL IL F. Hermann gotlesd. Aitetth. d. 
6r* S. 289) zu legen, wenn dieses Fest damals sehen bestand. Vor» 
trefflieh verbindet sieh daaut, dals die Siegesfeier der plataeischen 
Schlacht am 3n oder 4n Boedromion stattfand; man legte auch diese 
mit den Genesien und mit dem marathonischen Dankfeste zusammen; 
und nur vermöge desselben Fehlers, den er in Bestimmung des mara- 
tbomschen Sehlachttages machte, konnte sich Plutarch die Behauptung 
erlauben, die Schlacht bei Plataeae «ei am viertletzten Pan«fnos der 
Boeoter und dritten oder vierten Boedromion der Athener gehetert, 
welche Tage er fäkchüch für identisch hielt (Cam. 19. de gioria Alh. 
7. Axisi. 19). Biese unter sidi widersprechenden Angaben sind beide 
nur von den Siegesfeiern abgezogen, was für das boeotische Datum 
ans Phitarchs eigener Aussage erhellt (Arist. 19); und ich nehme so«- 
gar das zurück , dafs ich ehemals das boeotische Datum für das rich- 
tige Datum der Scbiachi hielt, was Ideler S. 365) von mir ange- 
nonunen hat: vielmehr war die plataeische Schlacht schon eäiche 
Tage vor dem viertletzten Panemos geliefert, und wurde erst an die- 
sem Tage von der Gemeinschaft der Hellenen an Ort und Stelle , m 
Alben aber begreiflicherweise noch später, Anfangs Boedromion ge- 
feiert Ja die Feste für die plataeische Sohlacht geben den deutlidh- 
sten Beweis, dafs die Sieges- oder Todtenfeiern nicht immer mit den 
Sehlaohltagen zusammenfielen; denn die zu Plataeae begangenen jäh- 
rigen Eieutherien, ein Befreiungs* und Todtenfest zur Feier der 
fiahkcht bei Plataeae, wurden den 16n Maemakterion begangen (Plnt 
Allst 21), auf welchen niemand die Schlacht selber setzt. Dals PlUr 
teeh auf diese Weise aus den Festfeiern Sehlaehttage folgerte, läfst 
sich aufserdem an einem klaren Beispiele zeigen. Im Camillos (Cap. 
19> sagt er selber, der Sieg bei Salamis sei um den 90n Boödromion 

5* 



68 A. Boeekh: zar Geschichte der Mottdeyelen der Hellenen. 

erfochten worden, und dies ist sicherlich das richtige; aber im Wider« 
Spruch mit sich gibt er im Lysander (Gap. 15) statt dessen den 16a 
Munychion an, und glücklicherweise erfahren wir aus seinem Büchlein 
vom Ruhme der Athener (Gap. 7), wie er hierauf gekommen ist: *den 
16n Munychion' sagt er ^heiligten (die Athener) der Artemis, an wei« 
ehern Tage diese den Hellenen als Siegern bei Salamis mit vollem Monde 
X^tavitilfivog) zuleuchtete/ Hier haben wir aus dem Plutarch selber 
den Plutarch überwiesen, dafs er leichtsinnig und sogar mit sich im 
Widerspruch au^ dem Feste den Siegestag erschlofs. Wer wolRe nun 
noch um seinetwillen die Athener der Thorheit zeihen, einen Kalenr 
der gehabt zu haben, der etwa drei Tage vor dem Vollmond Neumond 
angezeigt hätte? So etwas läfst sich nipht von ihnen erwarten* 

Doch ich habe noch einen andern, wie man zu sagen pflegt 
künstlichen Beweis geführt, dafs die Schlacht bei Marathon nicht den 
6n Bo|dromion, sondern nach der Mitte des Metageitnion geliefert wor- 
den. In der Schlacht bei Marathon stand nach Aeschylos die Taxis 
der Aiantis auf dem äufsersten rechten Flügel (Flut, quaest. symp. 1 10)» 
d. h. die Aiantis war dem Range nach der erste Stamm , da die Hel- 
lenen in jenen Zeiten die Stellungen in der Schlacht nach dem Range 
bestimmten. Es gibt zwei Ordnungen der Stamme, eine feste und 
eine alljährlich durchs Loos bestimmte. Die erstere ist sicherlich seit 
Rleisthenes immer dieselbe geblieben; sie ist uns wol bekannt und 
weit zurück als eine und dieselbe nachweislich (s. besonders G. L G. 
P. II Gl. III). Nach dieser ist die Aiantis der neunte Stamm ; sie kann 
daher in der Schlacht bei Marathon nur vermöge des für jenes Jahr 
erloosten Ranges die erste Stelle gehabt haben : und überhaupt ist die 
feste Ordnung nicht von Einflufs im Staate gewesen, sondern nur bei 
Katalogen angewandt worden. Nach dieser erloosten Ordnung folg* 
ten sich die Stämme auch in den Prytanien der Zeit nach, und räum- 
lieh in der Aufstellung der kämpfenden Ghöre, der die Schlachtord- 
nung analog ist. Hieraus folgt, dafs die Aiantis in diesem Jahre auch 
die erste Pry tanie hatte ; sie war dem Range nach in allen Dingen die 
erste, und wie Herodot (VI 111) noch sehr genau sagt, folgten sich in 
der Schlachtordnung die Stämme, wie sie (damals) gezählt wurden (jAg 
iqi^l/dovto at gwlat) vom rechten Flügel ab, womit er deutlich bezeich- 
net, die Stämme hätten nach derselben Ordnung gestanden, die eben zu 
der Zeit, d. h. in diesem Jahre und für dieses Jahr bestimmt gewesen, 
nemlich nach derselben, wonach sich zeitlich die prytanisierenden 
Stämme in den Prytanien folgen. Nun war ferner der BeschluTs, ver- 
möge dessen Miltiades die Truppen ausführte, unter der Pry tanie der 
Aiantis gefafst (Plutarch a. a. 0.), also in der ersten Prytanie , welche 
in dem Jahre der Schlacht, einem Gemeinjahre der Oktaeteris , um den 
5n oder 6n, höchstens 7n Metageitnion zu Ende gieng; also war der 
Beschiufs spätestens Anfangs Metageitnion gefafst. Am neunten des 
Monats kam Pheidippides der Schnelläufer von Athen aus am zweiten 
Tage in Sparta an, und er war abgesandt als die Feldherrn noch in 
der Stadt waren; kurz vorher, gegen Ende der ersten Prytanie^ mufs 



A. Boeekh: zur GeschtcUe der Mondcyelen der Hellenen. 00 

also der Beschhifs des Aussuges gefafst worden sein, ich will sagen 
um den 4n Metageitnion. Sollen nun die Athener bis zum 6n 6o6dro- 
mion vier Wochen und drüber bei Marathon gestanden haben , ehe die 
Sehlacht vorfiel? Das ist ungereimt. Die Schlacht fiel vielmehr kurz 
darauf nach dem Vollmonde des Metageitnion vor. Dieser Beweis isi 
ans den angegebenen Praemissen durch untadeiliche Schlüsse geführt. 
Dennoch sagt mein verehrter Freund K. F. Hermann (gr. Monatskunde 
S. 37): das Argument sei zwar scharfsinnig, aber es beweise nur, 
dafs zur Zelt der Schlacht bei Marathon die aiantische Phyle die Pry-* 
tarne bekleidete und deshalb auch auf dem äufsersten rechten Flügel 
stand, nicht dafs ihre Prytanie gerade die erste jenes Jahres ge- 
wesen wäre. So verhalt es sich aber keineswegs , wie folgende Be- 
trachtung meines erachtens zeigen wird. Die durch das Loos be- 
stimmte Rangordnung der Stamme war voraussetzUch die Regel für 
den Rang in den verschiedenen Beziehungen, worin der Rang in Be- 
tracht kam ; sie war die Ordnung für zeitliche und räumliche Folge, 
iur zeitliche in der Folge der Prytanien , für räumliche in der Stellung 
des Heeres und in dem auftreten und der Stellung der Chöre. Hat 
ein Stamm die erste Stelle erloost, so kommt sie ihm in allen diesen 
Beziehungen zu, vielleicht auch in anderen, die wir nicht kennen; 
und ebenso wenn er die zweite oder irgendwievielte erloost hatte. 
Was In der Prytanienfolge die Ordnung der Zeit, das ist in den Stel- 
lungen die räumliche Folge. In der Zeit , in welcher ein Stamm die 
Prytanie hat, kommen ihm allerdings, auch wenn er nicht der erste 
sondern sogar wenn er der letzte ist, die Praerogativen in der Verwal- 
tung der Geschäfte zu, welche die Prytanie mit sich bringt; aber zu 
diesen Geschäften gehören die Kämpfe des Heeres und der Chöre 
nieht, und die Rangordnung in Heer- und Chorstellung hängt nicht 
von den Prytanien ab , sondern jene und diese gehen von dem ge- 
meinsamen Princip des Looses aus ; die Ordnung des Heeres und der 
Chöre ist der Prytanienfolge coordiniert, und wird nicht von dem 
Prytanien Verhältnis beherscht, welches selber gerade wie jene durch 
ein über allen diesen Verhältnissen stehendes Princip , das Princip des 
Looses bestimmt ist. Sollte der zufälligerweise in einer gewissen Zeit 
prytanisierende Stamm in der Heer^ und Chorordnung die erste Stelle 
deshalb erhalten, weil er gerade die Prytanie hat, so käme folgendes 
heraus: dieser Stamm, z. B. der antlochische , hat jetzt z. B. die dritte 
Prytanie, weil er durch die für alle diese Rangverhältnisse in Betracht 
kommenden Beziehungen die dritte Stelle hat, also auch für Heeres- 
stellnng und Chorordnung: weil er aber in dieser Zeit vermöge 
dessen, dafs er dem Rang nach der dritte ist, gerade die Prytanie in 
seiner Eigenschaft als dritter hat , so soll er nun in der Ordnung des 
Heeres and der Chöre den ersten Rang haben, obgleich er nach dem. 
für alle diese Verhältnisse allgemeinen Princip der Loosung den dritten 
Rang hat. Dieser Gedanke enthält einen Widerspruch. Will man den 
in Rede stehenden Beweis angreifen, so mufs man ihn von einer an- 
dern Seite fassen: sein schwacher Punkt liegt darin, dafs nicht be- 



TO A. Boeckh: zur GesdnoMe der IfoadeyAlett der HeUencD. 

wiesen, sondern nur ang^nommea isi, durch etne und dieselbe Loö- 
sang sei die Ordaang der Skämme für aäe Verhallmsse, die ia Be* 
tracht kommen, bestimmt worden , namentlleh für die Folge der Pry- 
tarnen, die Heersleilung, die ChorBtelivng: man kann einwenden, die 
Rangordnung sei für jedes einzelne dieser Verhältnisse dureh beson- 
dere Loosungen festgestellt worden* Für die ChorsleUnng insonder- 
heit könnte man dies wahrscheinlich machen; um zu zeigen wie, mufs 
ich etwas weiter ausholen. Streng genommen gibt es keinen ge- 
sohichüichen Beweis , da£s für die Chore' der Stamme eine durchs Loos 
bestimmte Ordnung stattgefunden habe. Neanthes von Kyzikos bei 
Plutarch (quaest. symp. 1 10, 2) sagt nur, onT« AUtvMi ffvh^ yi^tng 
V9€^q%9 to fii| %QlvsC^a^ xov iuvrijs %Oifov B6%tn9v^ also wörtlich 
genommen, es sei ein Vorrecht der Alantis gewesen, dafs bei Bear- 
theilung der Leistungen der Chöre der Chor der Alantis nie für ddft* 
jenigen habe erklärt werden können, der am wenigsten geleistet habe; 
so versteht es auch Plutarch (a. a. 0. S 8 zu Ende): ov yi^ fvnolag 
hmyKHv ^rrav 6 Tikafimvtog , oiU' clog ag>ttiHv napxmf im iw^s 
Stfi q>ikovuiUag' tva o^vf*i} %vilmoq { \Mffi^ «aucou(u6^f[9ogf loi^e 
t^g ^rxfig aq>%kHv %o ävgxt^Ütctvov^ dg t'qv i0%ttpfiv xd^^ fM/di- 
n9tß viiv qnflfiv titivav Mttaßulovtttg, Ob die Sache wahr sm, steht 
nach der Unterhaltung darüber bei Plutarch im Zweifel, und welches 
auch dieses Vorrecht gewesen sein mag, kann es daher kein dauern- 
des gewesen sein bis in die späteren Zeiten. Aber wie die Sache 
ef2äh]t wird, ist sie unsinnig; nur ein Staat von wahnsinnigen konnte 
einer Körperschaft das Vorrecht geben, ihre Leistung im Wettstreite 
könne niemals von den Kampfrichtern, die parteilos urtheilen müssea 
nach dem Thatbestand, für die geringste erklärt werden. Es muCs 
hier ein Misverständnis obwadten ; das Wort x^vs^^wt$ war falsch ge- 
wählt. Stillschweigend habe ich daher die Erzahluag dahin umge^ 
deatet, in der Hangordnung der Chöre bei Stellung aokd auftreten der- 
selben habe die Aiantis das Vorrecht gehabt nie die letete zu sein ; 
dies konnte ihr ehrenhalber wegen irgend welcher Auszeichnung ver- 
liehen sein. Dies scheint nun aber in Widi^^prueh damit, dafs die 
Rangordnung der Chöre von einer für alle in Betracht kommenden 
StaatsverhäitniBse aligemein giltigen Loosutig, ja überhaupt von einer 
Lo^isung abgehangen habe. Aber es seheint nitr; es konnte diese 
Rangordnung der Chöre allerdings durch Loosung und zwar dureh 
jene allgemein gütige festgestellt werden; nur war in dem Falle , dafs 
die Aiantis die letzte Steile erlooste, eine aaohtragUehe Correction ^- 
forderlich: man brauchte in diesem Falle nur eine Nachloosung zu 
machen, durch die bestimmt wurde, in welche höhere Stelle die 
Aiantis einrücken solle. Dieser Einwurf, in Bezug auf die Choretel- 
lung insbesondere, wäriS also beseitigt. Aber das gebe ich zu nicht 
streng bewiesen zu haben, dafs die alle Jahre wechselnde Eangord- 
nung für alle in Betracht kommenden StaatsveihSdtnisse , namentlich 
für die Folge der Prytanien und für Heerordnung und Chorstellung, 
durch eine und diesdbe allgemein giltige Loosung festgesetzt worden: 



A. Boeekh: 2ur Gesditehte der Mondcyeien der Hellenen. !J1 

ja ich mufe zagestehen, dafs ich selber (Staatsh. d. Alh. II S. 24S) 
faypolhetisefa aufgesteUt habe, die Ordnung der Schatemeister könne in 
gewisser Zeit durch eine specielte Loosungp bestimmt worden sein ; doch 
sind die Gründe dieser Hypothese von mir selber gering angeschlagen 
worden. Für die Reihenfolge der Wahl des Aulelen fand allerdings 
eine besondere Loosung unter den Choregen statt ^Demoslh. g. Meid. 
S. 519); aber auch dies ist nicht entscheidend. Andererseits führt der 
Ausdruck des Herodot (mg a^i^fiiowo ctt tpvlat) doch eben dahin^ 
es sei von einer nicht blofs für die Heeresordnung , sondern im Staate 
überhaupt giUigen Zählung oder Rangfolge , wie in den Prylanien, die 
Hede. Soll mein sogenannter kunsllicher Beweis dafür, dafs die 
Schlacht bei Marathon nach der Mitte des Metageilnion geliefert wor- 
den, giltig bleiben , so mufs jenes nicht streng bewiesene als sachge- 
mäfse Voraussetzung, die des strengsten Beweises nicht bedürfe, an- 
gesehen werden ; und wenigstens ist die Voraussetzung eine sehr na- 
türliche, einem nach einfachen und durchgreifenden Regeln organisch 
eingerichteten Staate angemessene. Selbst jedoch , wenn dieser künst- 
liche Beweis wegfiele, bleibt bestehen, dafs die Schlacht kurz nach 
dem Vollmonde, der dem 6n Boedromion zunächst vorangieng, vor- 
gefallen sein müsse. Ich bleibe also dabei, dafs die Schlacht bei 
Marathon nicht am 6n Boedromion , sondern nach der Mitte des Me- 
fageitnion geliefert worden. Nur das würde nach Wegnahme jener 
unbewiesenen Voraussetzung nicht mehf folgen , dafs die Aiantts vom 
Hekatombaeon an die erste Prytanie hatte. Aus letzterer Folge bot 
sieh mir später zugleich das wichtige Ergebnis dar , dessen ich schon 
oben gedacht habe, dafs damals das Jahr mit dem Hekatombaeon, 
nicht, wie Scaliger und viele glaubten, mit dem Gamelion begonnen 
habe : also würde auch dieses schwinden. Aber man erwäge doch 
die Harmonte aller dieser Punkte untereinander : dafs die Aiantis in der 
maratbonischen Schlacht die erste Steile hatte, dafs sie dem Beschlufs 
zur Ausführung der Truppen praesidierte und also unter der VörÄus- 
sefzang, die Rangordnung sei füt alle in Betracht kommenden Verhält- 
nisse durch eine und dieselbe Loosung der Stämme bestimmt worden, da- 
mals auch die erste Prytanie hatte, und dieses gerade mit dem gewöhii- 
Irehen Jahresanfang übereinstimmt; dann wird man hoffentlich audi die 
nicht bewiesene Voraussetzung, unter welcher alles zusammenstimmt, 
nebst dem damit in Verbindung stehenden für gerechtfertigt halten. 
Unsefre Tafel des okta^.terischen Cydus der AÖiener weist als 
Jahresanfang von Ol. 86, 3 den 5n August nach. Dieser ist von dem 
Anfang Ol. 87, 1, denk 13n Juli aus berechnet, und zwar unter der 
Setzung, dafs die Jahre Ol. 86, 4 und «6, 3 je 354 Tage hatten; abet 
nach dem verbesserten oktaeteri sehen Cyclus erhält, wenn man diese 
Regel auf die frühere Zeit theoretisch anwendet, Ol. 86, 3 als erstes 
Jahr einer Oktaeleris 355 Tage, wodurch der Anfang von Ol. 86, 8 
auf den 4n August kommt. Ferner war der Anfang von Ol. 87, l drei 
Tage zu früh, also au<^ der von Ol. 86, 3: der richtige Anfang des letz- 
tem Jahres wäre also der 7e August gewesen. Von dem Jahre der 



72 A. Boeckh: zur GescUchle der Mbndcyalen der HeHenen. 

marathonischen Schlacht, OL 73, 3, welehes wie 01.86, 3 das erste 
einer Oklaeteris ist, bis zu letzterem liegt zunächst die zweite Okta* 
eteris einer Hekkaedekaeleris (Ol. 72,3 — 74, 2), und dann drei 
vollständige Hekkaedekaeteriden : so dafs mittlerweile 11 Zusatztage 
halten eingefügt werden müssen ; man vergleiche z. B. den Zeitraum 
von Ol. 92, 3 — 106, 2, welcher dem Zeitraum von Ol, 72, 3 — 86, 2 
cyclisch genau entspricht. Vorausgesetzt was sicher ist, dafs imter> 
dessen kein Schal tmonat ausgelassen worden, fieng also das Jahr Ol. 
72, 3 dem System gemäfs 11 Tage früher als Ol. 86, 3 an, letzteres 
vom 7n August an gerechnet. In der Wirklichkeit sind freilich einige 
Tage weniger eingefügt worden , wie der Anfang des Jahres Ol. 87, 1 
thatsächlich zeigt; aber wir müssen so rechnen, als ob dieser Fehler 
erst nach Ol. 72 , 3 entstanden sei, wobei immerhin vorbehalten blei- 
ben mag, dafs auch Ol. 72, 3 die Zeitrechnung nicht in voller üeber- 
einstimmung mit den Mondphasen gewesen. Rechnen wir jene 11 
Tage vom 7n August OL 86, 3 (v. Chr. 434) mit der übrigen Zwischen- 
zeit bis OL 72 r 3 zurück, so ergibt sich, dafs OL 72, 3 den 27n Juli 
v. Chr. 490 anfieng. Dies stimmt mit der Mondphase; denn den 26n 
Juli dieses Jahres war am Nachmittag wahrer Neumond, also den 27n 
Juli bürgerlicher Neumond. Rechnet man den Hekatombaeon zu 30 
Tagen , so war also der le Metageitnion der Tag vom Abend des 26n 
August ab; hiermit ist der wahre Neumond in Uebereinslimmung, der 
nach Largeteau berechnet den 25n August 6 Uhr 3ö' bis 36' Morgens 
athenischer Zeit eingetreten war, nach anderen Tafeln, nach welchen 
Hr. Encke diesen Neumond nochmals berechnet hat, l'/^ Stunde spä- 
ter. Der nächste Vollmond trat den 9n September 6 Uhr 17' Morgens 
athenischer Zeit ein und war folglich am Abend des 8n oder 9n 
September, 13 oder 14 Tage nach dem bürgerlichen Neumond, am 
Schlufs des 13n oder 14n Metageitnion zu erkennen. Wii^ müssen je«- 
doch dafür den 8n September, den Abend, der die Grenze des 13n 
und 14n Metageitnion bildet, annehmen; denn in den Lauf des Tages 
vom Abend des 8n September bis zum Abend des 9n September fiel 
der Vollmond. Der spartanische Volimondstag begann also mit dem 
Anfang des 14n Metageitnion am Abend des 8n September , der Licht- 
tag des 14n Metageitnion oder der 9e September war aber ohne Zwei- 
fel eben der fesüiche, den sie vorbei gehen lassen musten, da sie erst 
nach dem Vollmond ausmarschieren durften und nach diesem ausmar- 
schiert sind ; sie werden also erst am Lichltage des 15n Metageitnion, 
den lOn September ausmarschiert sein. Sie kamen binnen 3 Tagen 
an der Grenze von Attika an , in welchen sie 1200 Stadien zurückge- 
legt hatten (Her. VI 120. Isokr. Panegyr. S. 78 der hall. Ausg.). Wir 
wollen rechnen, dafs sie am vierten Tage, also den 13n September 
oder am Lichttage des 18n Metageitnion in Athen ankamen. Sie ka- 
men aber einen Tag nach der Schlacht an (Piaton Gesetze IIT S. 698 
£. Menex. S. 240 C). Die Schlacht war also nach diesen Setzungen 
am 12n September oder an dem Lichttage des 17n Metageitnion, Diese 
Setzungen sind freilich um ein geringes beweglich, weil dabei aufser 



A. Boeekh : zur Geschichte der MondeycLen der Hellenen; 73 

anderem die Richt^keit des Kalenders der Athener and auch der Spar- 
taner vorausgesetzt wird; aber um vieles kann nicht gefehlt sein. 
Krüger zu Clinton (u. d. J. 490) hat aus einer handschriflUchen Mit- 
theilung als meine Bestimmung den 16n oder 17n Metageitnion gesetzt; 
eine geringe Differenz der Rechnung, über deren Ursprung zu reden 
nicht verlohnt. 

16. Da Rinck auch den Tag der salaminischen Schlacht im 
Jahre Ol. 75, 1, v. Chr. 480 in Erwägung gezogen hat (S. 44. 243. 318), 
so will ich auch diesen nicht übergehen. Polyaen sagt (III 11, 2): 
Xaßqlag OB^l Na^v vttuiiaxciv ivlxffie Bwfiqo^u&vog Skt« htl dhtOj 
tWTfjp v^v fifiiQov iTtttfjÖBtav vy vaviuxyJUf x^lvag, ort r^v fUa vmv 
(uyaXmy (tvöTfiolmv, ovroo vi vo$ »al SefAUftoxlrfg toig Hiffiaig iv€tv- 
fM%ffi9 9f€^l HuXaiuva, allu ot (Mv nt^l Ssfuotwikiet iivfL^%w 
iaxov tovlaKxmfj ot di sr^^l Xaß^v^Alads (Avatai. Auf den ersten 
Anblick mufs es scheinen , Polyaen setze auch die Schlacht bei Sala- 
mis auf den 16n Boedromion; beachtet man aber die Zusammen- 
stellung mii''Ala6e (iMSvM^ so mufs man urtheilen, unter lakchos sei 
nicht die göttliche Person, sondern der Tag gemeint; dieser Tag ist 
der 20e Boedromion , an welchem der mystische lakchos im Pompauf- 
zuge ausgeföhrt wird (Flut. Cam. 19). Plutarch indessen, der in dem 
Buche von den Tagen über diesen Schlachttag besonders gehandelt 
hatte, sagt nur, um den 20n (neql rag slKccdag) des Boedromion sei 
die Schlacht gewonnen (Cam. 19). Man setzt sie jedoch gemeinhin 
auf den 20n Boedromion (Ideler I S. 308 f.). Wie ich schon bemerkt 
habe , gibt dagegen Plutarch an zwei Stellen an , sie sei den 16n Mu- 
nychion geliefert, was der sichern Jahreszeit, in welche sie fiel, wider- 
spricht: er hat dies daraus geschlossen, dafs am 16n Munychion der 
Artemis Munychia ein Dankfest fiir den Sieg gefeiert wurde, weil sie, 
als Mondgöttin, den Siegern bei Salamis mit voller Mondscheibe zu- 
leuchtete (i7giXa(iil}ev ^ &sog TtcxvCiXrpfog , de glpria Athen. 7). Hat 
Plutarch nun auch im Widerspruch mit sich selbst einen falschen 
Schlachttag angegeben, so mufs doch das Dankfest einen Grund ha- 
ben: es scheint richtig, daüs am Abend des Sieges heller Mondschein 
war, der den Siegern, wie leicht zu erachten, sehr konnte zu statten 
gekommen sein , weshalb sie der Artemis dafOr ein Dankfest stifteten. 
Diese Uebereinstimmung mit der Mondphase kann auch Rinck aus sei- 
nem Systeme nicht erreichen ; zuerst setzt er die Schlacht auf den 20n 
Bo^^omion oder 24n September, verspricht aber nachher, er werde 
beweisen, sie sei den 16n Boedromion oder 20n September, drei Tage 
nach dem Vollmonde geliefert, und beseitigt die plutarchische Erzäh- 
lung vom Vollmonde mit einer seiner gewohnten Redensarten. Fol- 
gende Ansicht möchte genügender sein. Mit dem Jahre der Schlacht 
bei Marathon beginnt, wenn man die Oktaeteriden zurückrechnet, eine 
neue OktaSteris, und zwar die letzte vor der neuen Periode von 
160 Jahren, die mit Ol. 74, 3 anfieng (Cap. 11), die zweite der 
letzten Hekkaedeka^teris. Legt man die später beobachtete Regel zu 



74 A. Boeckh: «ur Gesehichte der Mondcyeiea der HelleDen. 

Grande , so hatte diese OktaSleris dieselbe Form wie die von OL 95, 3 
ab , und es erg^ibl sich hieraus folgendes Schema der Jahre von Ol. 
72, 3 — 75, 1, den Anfang vom 27n Juli v. Chr. 490 genommen: 



Jahre des 


Jahre des 




Olym- 
piaden- 
jähre 




im Jahre 




Redlich- 
schen 
CycluÄ 


panathenai- 
Bchen 

Cyclus 


Tay. 
summe 


Jahres- 
anfang- 


vor 
Chr. Geb. 


Periodenzahl 


6 


1 


355* 


Ol. 72, 3 


27. Jali 


490 


Okt. 20. 


7 


2 


354 


4 


16. Juli 


b 489 




B 8 


B 3 


384 


73, 1 


5. JuU 


488 




1 


4 


354 


2 


24. Jali 


487 




2 


5 


355* 


3 


13. Juli 


486 




B 3 


B 6 


384 


4 


2. Juli 


b 485 




4 


7 


354 


74, 1 


21. Juli 


484 




B 6 


- B 8 


384 


2 


10. Juli 


483 




6 


1 


355* 


3 


29. JuU 


482 


Okt.l.Uekk. 1. 


7 


2 


354 


4 


18. Juli 


b 481 




B 8 


B 3 


384 


75, 1 


7. Juli 


480 





So hätte denn der 20e Boedromion Ol. 75, 1 am Abend des 23n 
September v. Chr. 480 begonnen, auf welchen TagPelavius die 
Schlacht setzt. Der Vollmond war aber schon den 18n September 
Morgens eingetreten. Es ist jedoch nur Voraussetzung, dafs Ol. 72, 3 
erst den 27n JuU begonnen habe; man kann statt dessen auch, da 
nicht gewis ist, dafs der Kalender damals ganz in Ordnung gewesen, 
den 26n JuU setzen : und es ist sogar kaum wahrscheinlich , dafs von 
da bis Ol. 75, l die drei gehäuften Zusalztage eingefügt worden. Es 
ist daher wol anzunehmen, der 20e Boedromion Ol. 75, 1 sei etwa auf 
den 20n September gefallen, nemUch der Anfang desselben auf den 
Abend des 20n September. Die Schlacht fiel aber nicht besUmmt auf 
den 20n Boedromion, sondern, wie Plutarch sagt, tcsqI rccg slKccSag; 
es ist also unbedenklich sie auf den LichUag des 19n Boedromion oder 
den 20n September zu setzen, auf welchen am Abend der 20e Boe- 
dromibn folgt, und mit diesem Abend beginnt der lakchostag, der dem 
Erfolge gunstig war, und etwa zwei Stunden nachher zeigte sich Arte- 
mis Selene noch im Glänze , zwei Tage nach dem Vollmond , und gab 
den Siegern eine klare Nacht. So löst sich alles befriedigend auf. 

17. Rinek (S. 37 ff.) hat eine Anzahl Gründe beigebracht, wor- 
aus erhelle , der metonische Cyclus sei nicht seit OK 87 , 1 in Atlien 
eingeführt gewesen; es üefse sich nemUch daraus dieses und jenes 
nicht erklären, was dagegen aus seinem Tricesimalcyclus sich er- 
ledige. Jene Einführung des metonischen Cyclus behaupte ich nicht, 
sondern habe sie widerlegt ; aber die Aufgaben , die hier zur Sprache 
kommen, bedürfen der Lösung, und die verschiedenen Aufsteltungeri 
über den zur Zeit des peloponnesischen Krieges giltigen Cychis , also 
auch über unsere Okta^teris, müssen daran erprobt werden. Die 
•e, viel besprochene Sache ist in kurzem folgende. Thukydides 



A« Boeokh: zur Goadiicllte der Mondeyclen der HeUeaea. 75 

(li 3) sagt: am Ende des Monates (tBlevmwtog tov fiffvog), da Py- 
thodoros noch Bwei Monate Arefaon war, folglich zu Ende Munychion, 
also um den widiren Neumond, der ans Ende des Monats fällt, mit An- 
fang Frühlings Ol. 67, 1 (431 v. Chr.) sei die hinterlistige Ueberrum- 
pelung Plataeaes erfolgt. Der Ueberfall geschah um den ersten Schlaf 
(li 2); die Erzählung von den Unterhandlungen und dem nachfolgen- 
den Kampf, während dessen immer noch dunkle Nacht war (II 3. 4), 
beweist aber, dafs ziemlich die ganze Nadit mondlos war, und Thu- 
kydides selber begründet die Dunkelheit eben dadurch , dafs es Ende 
des Monats gewesen (xal yuq xsXsmmvtog vov fitivog xa yiyv6[Uva ^ 
II 4). Man darf daher Tslevvmvrog r. fe. nicht lur gleichbedeutend 
mit qMvowoq x, ft, von der ganzen letzten Dekade verstehen, son- 
dern die Zeit mufs nahe dem Neumond gewesen sein: auch besagt 
xtkevx&vxoq dies schon an sich sprachlich, und wenn Thukydides 
nicht sagt, Pythodoros sei ohngefähr noch so und so viele Monate 
Ardion gewesen , sondern die Zahl der Monate schlechthin ausspricht, 
80 führt auch dies dahin, dafs die Zeit um den Neumond gemeint 
sei. Nun sagt er ferner, so ziemlich ((uikiaxa) am 80n Tage dar- 
nach seien die Lakedaemonier zum erstenmal in Atlika eingefallen, als 
es hoher Sommer und das Getraide nahe reif war (xov ^iqovg xecl 
xov 6k€v mtfuiSovxog II 19). Es folgt hieraus , dafs der letzlere Ein- 
fali^ um nichts zu genaues zu setzen , nicht später als etwa in der 
zweiten Hälfte des Juni erfolgte ; ich verweise über die Bedeutung des 
griechischen Ausdrucks auf die treffliche Abhandlung von Vömel : 
*de quo anhi tempore in Attica axfiaiovxog xov ölxov dicatur' (vgl. 
aadi au&er Rinck was Poppe Thuc. ThL III Bd. II S. 85 zusammen- 
stellt). Dies stimmt weder mit dem metonischen Cyclus noch aber 
aach mit Redlichs und meiner Okta^leris, nur mit Rincks Tricesimal- 
cyclus, wie er näher nachweist (S. 45): ich bemerke nur, dafs in 
letzlerem das Jahr Ol. 87 , 1 den 17n Juni anfängt und ein Gemeinjahr 
Ist, wodurch diese Uebereinstimmung ermöglicht wird; dafs dies aber 
geschichtlich ialseh sei, geht aus dem obigen hervor: und solche 
Uebereinstimmungen hervorzubringen war in dieser sogenannten Okta- 
eteris sehr leicht, da ihr Urheber die Schaltjahre bakl an dieser bald 
an jener Stelle beliebig einsetzen konnte: hätte er Ol. 87, 1 zu einem 
Schaltjahre gemacht, wie seine Schaltjahre Ol. 80, 4 und 99, 4 mit 
dem 17n Juni beginnen , so wäre die Uebereinstimmung verschwun- 
den. Auch habe ich schon in meiner Angabe über- des Thukydides 
Darstellung bezeichnet, dafs Thukydides bemerkt, die Nacht des Ueber- 
falls von Plataeae sei dunkel gewesen, eben weil der Ueberfall zu 
finde des Monats, wo es wahrer Neumond ist, stattfand; er spricht 
also von einem Mondmonat, welcher ohngefähr , wmin auch nicht auf 
eisen Tag oder zwei oder drei, mit dem Monde stimmte. Auch in 
imserem oktaigterischen Cyclus gehen Ol. 87 , 1 die Monate wegen der 
eingenasenen Kalenderverwirrung etwa zwei Tage vor dem wahren 
Neumond zu Ende, aber das ist doch nicht damit zu vergleichen, dafs. 
nach Rinck der letzte Munychion der 13e April ist, an welchem Pia- 



76 A. Boeekh : sur Gesehidile der Mondeyden der Heileiien. 

taete Ton den ThebaiierB überfallen sein würde, während der wahre 
Neumond den 7n ^rii war; nnd daTs unter dem Ende des Monates 
(xtUwmvtog tov iifpfog) nichl gerade der letzte Tag oder wenigstens 
einer der letzten desselben zu verstehen sei , wie er gleichfalls wie- 
der aurstellt, möchte ich auch nicht gern zugeben: wenigstens kann 
man doch nicht, wenn viele Tage vor dem Ende noch übrig waren, 
diesen Zeitpunkt als Ende bezeichnen. Doch mag man sagen, wir 
nahmen die Sache zu haarscharf: wie aber, wenn Rincks Cyclns 
gerade sogar dadurch sich als falsch auswiese, dafs er mit den 
Worten des Thukydides, wie sie jetzt in den Texten lauten, aberein- 
stimmt? Er deutet selber an (S. 37), dafs man zuTextändernng 
seine Zuflucht nehmen wollte, wo sein Cyclus die Erklärung ohne 
Textanderung gibt; wie dann, wenn die Textandening erweislich rich- 
tig ist? Dann ist der Cyclus, der auf den gewöhnlichen Text und 
nicht zu der erwiesenen Aenderung passt, gerade falsch. Bekannt- 
lich hat K. W. Krüger in seinen historisch - philologischen Studien 
(I S. 221 ff.) einen Aufsatz bekannt gemacht , welcher die Ueberschrift 
führt: *Die Thebaeer überfallen Plataeae gegen das Ende des Anthes- 
terion Ol. 87, 1.' Er behauptet daselbst, bei Thukydides (EL 2) sei 
in den Worten ÜvOodiD^oi; h$ dvo (Ai^vccg &(fjipvtog statt ivo ;eu 
schreiben xi66a^agj welches mit A geschrieben gewesen; ähnlich 
wie er in einer anderen thukydideischen Stelle (V 25) d&a fi^ag 
in xi06aifag ^i^^vag verwandelt (zu Clintons Fasli Hell. u. d. J. 414), 
was Ullrich (Beiträge zur Erklärung des Thukydides S. 153 ff.) wei- 
ter erörtert haL Solche Verwechselungen sind in späteren Schrift- 
stellern eher nachweisbar (s. Vömel a. a. 0. S. 5) : in älteren nehme 
ich sie ungern an, aber zwingenden Gründen muTs mau weichen, und 
keiner, der die thukydideische Zeitrechnung genau studiert hat, konnte 
jener Krügerschen Aenderung widerstehen , nicht Weifsenborn (Hellen 
S. 1®9), nicht Vömel (a. a. 0. S. 7 und in der Abh. *quo die secun- 
dum Thucydidem bellum Peloponnesiacum inceperit'), nicht E. H. 0. 
Müller (de tempore, quo bellum Peloponnesiacum initium ceperit S. 
32), nicht Redlich (S. 72). Man mufs zwar bei dem Streite über Cy- 
clen von Krügers Beweisführung dasjenige abziehen, was unter Vor- 
aussetzung eines andern Cyclus seine Geltung verliert; und man mufs 
zugeben, dafs sein Beweis unter der Voraussetzung des Rinckschen 
Cyclus nicht mehr sehr haltbar ist : aber auf einen solchen konnte er 
fireüich nicht rechnen , und sein Beweis bleibt daher dennoch beach- 
tenswerth und völlig sachgemäfs. Hierzu kommt noch eine andere 
Andeutung desselben Gelehrten (zu Clintons Fasti Hell. J. 423 und 421). 
Thukydides (IV 116) sagt, mit Ablauf des Winters , von dem er spricht, 
das ist des Winters Ol. 89, 1 (v. Chr. 423) sei das achte Jahr des Krie- 
ges zu Ende gegangen, und er setzt den Waffenstillstand vom 14n 
des folgenden Elaphebolion desselbtgen Jahres in das folgende Kriegs- 
jahr vom Anfang des Frühlings an (afia ^^«); es fehlen aber an acht 
Jahren bis dahin anderthalb Monate, wenn man den Anfang des Krie- 
ges vom Ende des Munychion nimmt , als ob Pythodoros Ol. 87, 1 vom 



A. Boeckh: zur Gesehtehte cter MoDdcyelen der Hellenen. 77 

Anfaog^ des Krieges ab nur zwei Monate noch im Amte gewesen , und 
man mufs also den Anfang des Krieges zwei Monate fraher setzen, 
so dafs Pythodoros noch vier Monate, Eiaphebolion, Munychion, Thar- ^ 
gelion, Skirophorion im Amte war: in den folgenden Jahren zwt- 
schenliegende Schaltmonate sind, wie sich von selbst versteht, hier- 
gegen nicht in Rechnung zu bringen. Des Thukydides Kriegsjahre 
sind insgesamt volle natürliche Jahre, die mit dem FrOhling begin- 
nen (Sfia «o*); so begann auch das erste unter Pythodoros mit dem 
Frühling {afna ^Qt ä^Ofiiuip II 2), welcher durchschnittlich tun den 
Eiaphebolion beginnt, da schon dessen Vorgänger Antheslerion, der 
Blumenmonat heifst (vgl. auch Krüger hisU philol. Slud. a. a. 0. und 
£. H. 0. Müller a. a. 0« S. 32), und eben weil der Krieg mit Früh- 
lingsanfang begann , kann der Geschichtschreiber die vollen Kriegs- 
lahre vom Frühling ab zählen und mit Ende Winters schliefsen, wie 
er gleich beim ersten Jahre thut (II 47> Ferner sagt unser Geschicht- 
sehreiber (V 20. vgl. 19), der Friedensvertrag vom sechstletzten Eia- 
phebolion Ol. 89, 3 (v. Chr. 421) sei geschlossen tsXsvt&wog vav %€c- 
fuSvog ofM ijQi ix Jiowclmv sv^g tmv aanxcivj tevroSixa kmv 
iuX^ovtoüv %ai ^^^cov okiymv TtuifiveyTtovccSv tj mg to jc^wtov ^ ig- 
fiolf^ 1] ig^riiv ^Attixiiv «al i^ a(^ff vov noUitqp tovie fyivnoj mit dem 
Bemerken, er meine nicht bürgerliche Jahre, die nach Behörden ge- 
xahlt werden, sondern natürliche Zeitjahre. Bei dieser Stelle mufs 
ich, ehe ich darauf weiter baue, zwei Bemerkungen machen« Es 
leidet erstlich keinen Zweifel, dafs der Anfang des Krieges von d& 
Einnahme von Plataeae ab zu berechnen sei (vgl. dazu noch Vömel: 
quo die secundum Thucydidem bellum Pelop. inceperit S. 7 f.) ; be- 
fremdlich sind also hier die Worte ig to %qmov ^ igßolri i} ig t^v 
jhuKi^Vj als ob der Einfall der Lakedaemonier in Attika der Anfang 
des Krieges sei; £• H. 0. Müller (a. a. 0. S. 34) hat daher hier ein 
Einschiebsel vermutet, aber vielleicht ist der Ausdruck ein kleines 
Versehen des Schriftstellers und er hat das folgende xol fj aQxii rov 
Ttolifiov tovSs gewissermafsen um jenes wieder gutzumachen zuge- 
setzt, freilich duAh ein wste^ nqitiqov. Zweitens heilst oUytov 
^(Ui^ mtQevsyxavaw nicht, wie es einige nehmen, * wenige Tage 
darüber oder darunter', sondern ausschlief stich * wenige Tage 
darüber'; sonst hätte statt ncA jaij gesagt werden müssen; ebenso 
anderwärts (V 26): sv^cet ttg roöatvza Stti (27 Jahre) koyii6(Uvog 
waic tovg XQOvovg, nal fffiiQ^ ov TtoXlag nagsveynovöag (vgl. Butt- 
mann Exe. zur Mid. ÜI und Vömel : quo üie bellum Pelop. inceperit 
S. 6). Uebrigens ist unter den wenigen Tagen bei Thukydides im- 
mer weniger als ein Monat zu verstehen , indem er ^onst einen Monat 
selber würde in Rechnung gebracht haben, wie bereits. Vömel (ebd. 
S. 7) nach Dodwell bemerkt hat. Die zehn Jahre nun und noch we- 
nige Tage darüber, nach natürlicher Zeit gerechnet, kann man vom 
Ende des Munychion Ol. 87, 1 bis zum sechstletzten Eiaphebolion Ol. 89, 3 
nicht herausbringen, sondern es fehlen ziemlieh zwei Monate; die 
etwaige Verschiebung der Monate durch Einschaltungen hilft dem 



n A. Boeddi: zur Geed^dhUe ^r MoBdeyd<» der H^eae«. 

Mangel aa Uebereinsümoniiig niehi ab. Endlich ergibt meh eine an- 
zureichende Zeit, vrenn man den Anfang des Krieges vom Ende des 
Muuychion Ol. fi^, 1 rechnet, auch bei der BerechnuDg der ganzea 
Dauer des peloponnesischen Krieges; diese BerechnuDg verspare ieh 
aber noch, da sie zumal gegen Rinck nichts beweist (Cap. 18, 3>. 
Durch alles dieses ist Krugers Verbesserung der thukydideischefi 
Stelle TÜiSeiQag für ovo völlig gesichert. Ich rechne nun ganz streng, 
was immer das sicherste und unbefangenste ist. Zu Eade des Mo- 
nats , vier Monate vor dem Ende des Amtes des Pythodoros , also am 
letzten Anthesterion Ol. 87, 1 wurde Plataeae überrumpelt Ich rechne 
ferner, worauf jedoch begreiflicherweise hier niehts ankommt, wie 
oben gesagt in der Regel die zwölf Monate abwechselnd voll und 
hohl und den Scbaltmonat dazwischen voll, ohne dafs dadurch die 
Setzung der nach ihm liegenden vollen und hohlen Monate sich änderte ; 
also ist nach unserer mit der Redlichschen hier noch gleichen atlischen 
Oktaeteris der letzte Anthesterion der Tag vom Abend des 4n April 
V. Chr. 431. Der astronomische Neumond trat den 7n April ein; die 
Nacht vom 4n zum 5u April ist daher schon eine fast ganz dunkle, 
indem erst gegen Morgen schwaches MondUcht erschien und obendrelii 
auch ein starker Regen eingetreten war» Nimmt man dagegen an, 
die Thatsache habe sich viele Tage näher dem Anfang der letzten De- 
kade des Monats eräagnet, also bedeutend vor dem Neumond, so 
wäre der Mond schon bedeutend früher aufgegangen und nur noch die 
Ueberrumpelung selbst, nicht mehr der Kampf in die mondlose Nacht 
gefallen , wie es doch wirklich war. Es ist indes nicht ganz sieber, 
dafs gerade nach attischem Kalender gerechnet ist; es kann also die 
Einnahme von Plataeae auch einen, zwei, drei Tage später gewesen 
sein. Der 80e Tag vom attischen Datum ab ist der 23e Juni jui. odier 
18e Juni gregor. Stils , was kurz vor der Sommerwende und um die 
nahe Reife des Getraides ist (tov d'iifovg %tA tov ülvov axfAc^oinro^)v 
Yömel (quo die bellum Pelop. inceperit) setzt die Einnahme Plataeaes 
den 30/31n März, 2l/22n Elaphebolion ; das ist zu weit vor dem Nsa- 
mond , und die Rechnung ist nach dem metonisclftn Cyclus gemacht, 
der damals nicht galt: im übrigen ist der Unterschied der Yömel- 
sehen und meiner Rechnung gering. Die erste Aufgabe , die Rinck 
durch seinen Cyclus lösen wollte, ist also auch von uns nach unse- 
rem gelöst. 

18. Wie aus dem gesagten leicht ersichtlich ist, sind aber noeh 
drei, die Zeiten des peloponnesischen Krieges betreffende Aufgaben zu 
lösen, was sofort geschehen soll. 

1) Von der Einnahme von Plataeae Ol, 87, 1 bis zu dem Waffen- 
stillstand am 14n Elaphebolion Ol. 89, 1 waren mehr als acht Jahre 
verflossen , indeni der WafTenstillstand dem neunten Kriegsjahre zuge^ 
theill ist; es ist aber, wie bemerkt, von natürlichen, d. h. der Ansicht 
auch des Alterthums gemäfs, obngefähren julianlschen Jahren die 
^''de. Die Einnahme von Plataeae fiel auf den letzten Anthesterion 



A. Boeckh: zur Geschichte der Mondfiyeka der Uetteneqr, 29 

OK 87, 1, 4q April v. Chr. 4ai ; der 14e ElapheboUoA OK 89, 1 ist uBserem 
Cyclus zufolge , wean mit dem vollea Monat angefangen und abwech- 
selnd volle und hohle Monate gesetzt werden^ dazwischen aber, von 
dieser Abwechselung unabhängig, der volle Schaltmonat mit 30 Tagen 
eingesetzt wird, der 2l/22e April v. Chr. 423, oder nach einer unten 
(Cap. 21) anzugebenden Aenderung der ao/21e April dess. J. Es waren 
also dazwischen 8 Jahre und 17 oder 16 Tage verflossen, ganz ge- 
mäfs dem Thukydides. Rinck, der stark im übergehen ist, hebt diese 
Aufgabe nicht deutlich hervor ; ich habe aber seinen Cyclus auch auf 
diesen Punkt geprüft und finde, dafs nach seiner Zeitrechnung von 
Ende des Munychion Ol. 87, 1, und zwar vom 2onMunychion an, auf 
welchen er die Einnahme von Plalaeae frühestens setzt (S, 46)) bis zum 
14n ElapheboUon Ol. 89, 1 2882 Tage verflossen wären, also 40 Tage 
vreniger als 8 juUanische Jahre , welche 2922 Tage betragen ; ein Feh- 
ler der ihn von der Falschheit seines Cyclus leicht hätte überzeugen 
kennen. Dennoch weifs er auch diesen Waffenstillstand zu seüaen 
Gunsten zu benutzen, Thukydides (IV 118), sagt er (S. 46), melde, 
dals am 14n Elaphebolion Ol. 89 , 1 zwischen d^i Athenern und Lake- 
daemoniern ein Waffenstillstand auf ein Jahr abgeschlossen worden 
und derselbe bis zu den pythischen Spielen abgelaufen gewesen sei 
(Thuk. V 1): mit Petavius und Dodwell sagt er, die Pythien seien inv 
zweiten Olympiadenjahre gefeiert worden, und wahrscheinlich weil 
sie dem Anfange des dritten nahe gestanden , hätten spätere Schrift- 
steller, welche $chon das julianische Jahr im Kopfe gehabt, sie unge- 
nau in das dritte gesetzt; die Pythien seien, na^h Dodwell, mit dem 
ersten Neumond nach der Frühlingsgleiche eingetreten. So stimmt» 
wie er zeigt, sein System mit der Angabe des Thukydides: er nennt 
dies ein schönes zusammentreffen, der thukydideischen Angabe mit 
seinem System, imd es ist ihm dies ein Beleg dafür, dafs Ol. 89, ^ 
was allerdings daraus folgen würde,. den Athenern ein Schaltjahr, und 
ein Beweis gegen meine urkundliche Setaning, dafs Ol, 89» 1 ein Schalt* 
jähr gewesen sei. Aber alles dieses ist null und nichtig, weil dte 
Praemlsse von der Zeit der Pythien erwiesen falsch ist. Die Ausle* 
gung der thukydideischen Stelle über die Pythien und die Jahreszeit) 
in welcher diese gefeiert wurden , ist zwar zweifelhaft (C. I. G. 1 S. 
812), nicht aber das olympische Jahr, in welchem sie gefeiert wurden, 
und es ist eine sophistische Ausflucht , die Setzung der Pythien ins 
dritte Olympiadenjahr auf Rechnung späterer Schriftsteller, die sefaou 
das julianische Jahr im Kopfe gehabt, zu sehreiben, während, um aja- 
dere zu übergehen, schon aus Demosthenes und Aeschines diese 
Setzung bewiesen und es überdies für den unbefangenen Forscher un- 
zweifelhaft ist, dafs die Zählung der Pythiaden von der ersten ab im 
dritten Olympiadenjahre auf den Katalogen der Pythioniken beruht, 
nicht zu gedenken dafs zur Zeit des Pausanias , der diese Rechnung 
befolgt , die Pythien noch gefeiert wurden. Die Beweise finden sich 
bei Clinton (Fasti Hell. II S. 209 Kr.) und in meinen Erklärungen zum 
Pindar (Explicc. S. 207). 



'80 A. Boeckh: zur Gesdudite der Mondcyden der Hellenen. 

2) Von der Einnälune Plalaeaes Ol. 87, 1, v. Chr. 431 bis znm 
sechsüetzten Elaphebolion Ol. 89, 3, v. Chr. 421 sind 10 Jahre und 
-wenige Tage verflossen, nach wahrer Zeit, nicht nach bürgerlichen 
Jahren. Plataeae ist eingenommen den letzten Anthesterion Ol. 87, 1, 
am 4n April v. Chr. 431, der sechstletzte Elaphebolion Ol. 89, 3 ist in 
unserem Cyclus sowol nach unserer gewöhnlichen oben (Cap. 6) an- 
gegebenen als nach der unten (Cap. 21) gemachten Rechnung der 
ll/12e April v. Chr. 421 ; es sind also inzwischen 10 Jahre und 7 Tage 
verflossen, ganz dem Thukydides gemäfs. Was andere Cyclen be- 
trifft, so unterscheidet sich der Redlichsche; (Cap. 8) hier von dem 
unsrigen wenig; der metonische kann, als damals nicht bestehend, 
nicht in Betracht kommen : es ist also nur die Lösung nach dem Rinck- 
sehen Cyclus zu betrachten. Der Urheber desselben erklärt sich nicht 
entschieden über den Tag der Einnahme von Plataeae, aber das 
früheste Dalam, welches er setzt (S. 46 f.), ist der 25e Munychion, 
meines erachtens unrichtig , da der letzte Munychion festzuhalten war. 
Jener ist nach seinem System der 8e April v. Chr. 431 , der 25e Ela- 
phebolion des Jahres Ol. 89, 3 aber ist ihm der 6e April; folglich fehlen 
ihm an 10 Jahren 2 Tage ; es waren aber , wie die richtige Erklärung^ 
des ytaqsvBywyüöav zeigt (Cap. 16) , mehrere Tage über 10 Jahre nach 
Thukydides verflossen. Der Rincksche Cyclus löst daher die Auf- 
gabe nicht. 

3) Thukydides (Y 26) gibt eine Berechnung, wieder nach den 
Jahreszeiten oder der wahren Zeit (xorra toifg XQOvovg), nicht nach 
bürgerlicher Zeitrechnung, wie lange der peloponnesische Krieg ge- 
dauert habe. Hierüber hat Vömel in der Abhandlung * quo tempore 
bellum Peloponnesiacum finilum sit' (1851) sehr genau geschrieben. 
Thukydides gibt zuerst rund 27 Jahre, nachher 27 Jahre und nicht 
viele Tage darüber (xal fifiiqctg ov nokXag naf^tviywiv^ag) an : Vömel 
findet so viel , indem er mit Grundlegung des metonischen Cyclus von 
der Einnahme Plataeaes am 2l/22n Elaphebolion Ol. 87, 1, v. Chr. 431 
30/31n März ausgeht, und bis zum In Munychion Ol. 93, 4, v. Chr. 
404 lOn April rechnet, um welche Zeit er den Friedensschlufs setzt. 
Es kann aber gar nicht mehr davon die Rede sein, wenigstens in Be- 
zug auf den Anfang des Krieges, den metonischen Cyclus zu Grunde 
zu legen; meines theuren Freundes Annahme über die Zeit des An- 
fanges des Krieges , den 2l/22n Elaphebolion , ist überdies auch abge- 
sehen von dem Cyclus unzulässig, indem der 2l/22e Tag des Monates 
zu weit vor dem Neumonde liegt (Cap. 17) ; endlich kann ich mich 
nicht überzeugen, dafs er den von Thukydides gemeinten Endpunkt 
richtig bestimmt habe. Thukydides sagt ausdrücklich, er rechne fii- 
%qi ov v/jy te ccgxriv natktav^av xmv ^A^ip/alcw (die Herschaft der 
Athener natürlich, nicht das Archontat) AaTudamovMi nal ot ^f^a- 
%0i Hol vic ftax^a re/^i^ ncA xov Hsiffauc xarikaßov. Vom Friedens- 
schlufs sagt er kein Wort; Vömel aber setzt (S. 5), die Mauern Athens 
seien am 16n Munychion zerstört, der Friede aber etwa 15 Tage vor- 
her, um den In Munychion geschlossen, und dies sei das von Thu- 



A. Boeckh : zur GescWchle dcfr Mondcyclen der Hellenen. §1 

kydides gemeinte Ende des Krieges, bis wohin zu rechnen sei. Diese 
Ansicht beruht auf einem eigenlhümlichen Verständnis einer Stelle 
des Plularch (Lys. 15), welche nach gewöhnlicher Interpunclion so 
lautet: o 6 ovv Avaavdqog dg nagilaßs rag xe vavg andcceg nknif 
ifadsna Kai xa Tstxti tc5v ^Ad'tjvalav j szzy inl SsKaty Movwxi.ävog 
lirivog, iv y xal ri^v iv ZaXafitvt vav^iaxlav ivUoov zov ßdgßaoov^ 
ißovlsviSiv Ev^g xal trjv noUrelav ^ezaar^aai. Es ist sowol an sich 
als nach dem Sprachgebrauch klar, dafs Plutarch die Einnahme der 
Mauern und der FloUe, auch des Piraeeus, auf den 16n Munychion 
setzt; dies war eine höchst bedeutende Sache, deren Datum notiert 
wurde, es war die eigentliche Besiegung der Athener, daher der Be- 
siegung der Meder bei Salamis vergleichbar. Vömel dagegen inier- 
punglerl : o d ovv Avaavdqog cog nagilaßs zag te vavg aitaaag nXiiv 
Sii8e%a tialric zsl%7i zav A%"rival(ov' Sxzy inl dexa Movvvxtto- 
vog fiijvog — ißovXevasv^ sid-vg xal zi^v nohzslav (iszatSz^aai. 
Er setzt also, wenn ich recht verstehe, den Plan des Lysander, die 
Verfassung zu ändern, auf den 16n Munychion, als ob ein Geschicht- 
schreiber je für einen solchen Plan und die zu dessen Verwirklichung 
gemachten Anstalten ein Datum anzugeben veranlafst sei. Er setzt 
femer diesen Tag als Tag der Zerstörung der Mauern, wovon Plutarch 
an dieser Stelle gar nicht redet; davon spricht er erst später. Lysan- 
der, sagt Plutarch nemlich, beschwerte sich (nachdem er schon Mauern 
und Flotte genommen, was vorher erzählt ist) darüber, dafs die Mauern 
dem Friedensvertrag zuwider noch ständen , ungeachtet die für ihre 
Schleifung festgesetzte Frist schon abgelaufen sei; erst nachher und 
nach mehreren voraufgegangenen neuen Verhandlungen wurden die 
IVlauern zerstört und, wie Plutarch sagt, zugleich die Trieren ver- 
brannt; und jener Tag, natürlich der Tag dieser Zerstörung, nicht 
wie Vömel es zu nehmen scheint, der iSe Munychion, der hiermit 
nichts mehr gemein hat, galt den Bundesgenossen als Anfang der 
Freiheit: i(Szeq>av(o^iv(ov xal nat^ovcav dfia zav av(ifid%G}v^ mgixel- 
vriv xriv i^tiQav aq%ovaav zrig ilev&BQlag. Hierauf wurden die drei- 
fsig eingesetzt und was sonst noch folgt. Am 16n Munychion hatte 
sich eräugnet, was Thukydides als den Endpunkt bis zu dem er rechne 
setzt; seine Worte ra (Aaxga xu%ri xal zov TlBiQaiä xaziXaßov, und 
die plutarchischen TtaQsXaße tag vavg ccTtadag nkr^v ötodsTta xai xa 
xUjri xav ^A^TivaLcav sind im wesentlichen gleich. Der 16e Munychion 
Ist es also, bis wohin man den Krieg nach Thukydides rechnen mufs. 
Plataeae ist eingenommen nach uns den letzten Anthesterion Ol. 87, 1, 
V. Chr. 431 den 4n April ; das Ende des Krieges ist der 16e Munychion 
Ol. 93, 4, nach unserem Cyclus der 25/26e April v. Chr. 404. Also 
sind dazwischen verflossen 27 Jahre 21 Tage, was eben nicht viele 
Tage (ßinoXXal ri^igaC) sind. Uebrigens würde unser Cyclus der 
Lösung der Aufgabe auch dann genügen, wenn man mit Vömel das 
Ende des Krieges um den In Munychion setzen wollte. Was den me- 
tonlschen Cyclus anlangt, so trifft es sich gerade, dafs auch meto- 
nisch der 16e Munychion dieses Jahres der 25/26e April ist, und man 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. N. F. Bd. I. 6 



82 A« Boeckh: snr Geschtehle der Mondcyelen der Hellenen/ 

kann ako hier nicht erkennen, ob im Jahr Ol. 93, 4 metonbeh oder 
okla^lerisch dauert wurde : ersteres anzunehmen ist aber keine Ver^ 
aniassung* , da mindestens doeh bis Ol. 92 , 2 einschliefslieh der meto> 
ntsche Cyclus nicht galt und die Oktaeleris für lang-e genügte. Be- 
trachten wir auch das Verhältnis im Redlichschen Cyclus (Cap. 8). 
Diesen habe ich bis Ol. 93, 4 fortgesetzt, gegen des Verfassers Ab- 
sicht , da er ihn nur soweit fortselzen wollte als die Einführung des 
metonischen Cyclus sicher nicht stattgefunden hatte; sicher war ihm 
aber nur, dafs Melons Cyclus bis Ol. 92, 2 nicht eingeführt war. E& 
könnte nun doch immerhin jemand glauben, der Rcdlichsche Cyclus 
habe noch Ol. 93, 4 gegollcn , und es ist eben darum angemessen, auch 
diesen bei dieser Untersuchung in Betracht zu ziehen. Ol. 93, 4 be- 
ginnt nach diesem Cyclus den lln Juli v. Chr. 405; wir müssen aber, 
um eben diesem Cyclus nicht Unrecht zu Ihun, von Ol. 87, 1 ab noch 
etwa 7 nicht in Rechnung gebrachte Zusatzlage zufügen , so dafs Ol. 
93, 4 nach dieser Berichtigung um den 18n Juli beginnt: sein l6rMu- 
nychion wird also etwa der 25/26e Mai sein. Vom letzten Antheste- 
rion Ol. 87, 1, 4n April 431 v. Chr. bis zum 25n Mai v. Chr. 404 sind 27 
Jahre 51 Tage, weit ül)er einen Monat, während die überschiefsenden 
Tage unter einem Monat betragen müssen (Cap. 17) ; selbst wenn das 
Ende des Krieges mit Vömel um den ersten Munychion gesetzt würde,- 
betrügen die überschiersenden Tag'e mehr als einen Monat. Es isl 
also nicht daran zu denken, dafs die alte, nicht durch Auslassung 
eines Schaltmonates rectificierte Oktaeleris in dieser Zeit noch gegol- 
ten hätte; spätestens müste der Schaltmonat in Ol. 93, 4 ausgelassen 
worden sein. Rinck hat seinen Cyclus an der thukydideischen An- 
gabe der Dauer des peloponnesischen Krieges zu prüfen unterlassen. 
Er läfst den Krieg, wie wir gesehen haben, frühestens mit seinem 
25n Munychion Ol. 87, 1, v. Chr. 431 dem 8n April beginnen; das Ende 
desselben ist der 16e Munychion Ol. 93, 4, v. Chr. 404. Das Jahr 
Ol. 93, 4 isl bei Rinck ein Gemeinjahr von 360 Tagen und beginnt den 
12n Juli ; sein 16r Munychion Ol. 93 , 4 ist also der 23/2ie April v. 
Chr. 404. Inzwischen sind 27 Jahre und 15 Tage verflossen: hier 
gibt also auch sein Cyclus ein befriedigendes Ergebnis, ausgenommen 
wenn man mit Vömel das Ende des Krieges um den ersten Muny- 
chion setzt. 

19. Die thebanische Burg wurde von den Lakedaemoniem nach 
Xenophon im Sommer eingenommen , während die Frauen eine Thes- 
mophorienfeier auf der Burg hielten und die Strafsen der Stadt der 
Wärme wegen um Mitlag menschenleer waren (Xen. Hell. V 2,29). 
Die Thesmophorien , lehrt Rinck (S. 39. 318), seien in Athen zur Zeit 
der Wintersaat den 14n — 16n Pyanepsion gefeiert worden , und ohn- 
gefähr gleichzeitig zu Theben im Damatrios (wie zu schliefsen aus 
Plut. Isis u. Osiris 69) , welcher dem atiischen Pyanepsion entsprach : 
der Anfang der Thesmophorien falle im melonischen Cyclus im Jahre 
jener^Begebenheit Ol. 99, 2, v. Chr. 383, um von Dodwell nicht zu 

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A; Boecith: Zur Geschichte 6er Mondcyclen der Wellenen'. S3 

reden , nach Idelcr auf den 26n October (nach Ideler beg^lnnt nemlich 
dieses Jahr mit dem 16h Juli). Dies passe niche. Nach Rincks Gy- 
clus kommt dag^egpen der Anfangs der Thesmophorien in diesem Jahre 
auf den 4n öclober jul. oder 29n September gregor. Stils, in welcher 
Zeil, sagt er (S. 51), es in Theben recht warm und die Strafsen men- 
schenleer sein konnten. Viel scheint nun hierdurch nicht gebessert 
zu sein; 8enn Xenophon scheint doch eher von hohem Sommer als 
solchem Spätsommer zu reden. So wenig das gesagte zu Metong 
Cyclus passl, so wenig passl es an und für sich zu unserer Oktagteris, 
in welcher das genannte Jahr auch erst den 15n Juli anfangt. Zu- 
nächst ist nun zu bemerken , dafs die attischen Thesmophorien viel- 
mehr vom lOn des Pyanepsion ab gefeiert wurden; aber dies hilfl 
freilich dem Hauptbedenken nicht ab; Man könnte der Sch^erig- 
keit entgehen, wenn man mit Verwerfung der Angabe des Xenophon 
dem Arislides (Eleusin. Bd. I S. 258 Jebb) Glauben beimäfse, die Kad- 
meia sei an den Pylhien (Tlvd-Ctov ovrcjv) eingenommen worden, wie 
Clinton Hiut, der daher diese Thatsache in Ol. 99, 3 setzt: ^ies hat 
aber Kruger nicht ohne Grund bedenklich gefunden, und Xenophon« 
ausdrückliche Angabe , die Weiber halten Thesmophorien gefeiert (Sta 
tro tag ywatnag iv vy KaSfieta d'edfioipoqia^iv) ^ kann doch nicht 
so leicht bei Seile gestellt werden. Manso, J. G. Schneider und Sie- 
vers (Gesch. Griechenlands vom Ende des pelop. Krieges bis zur 
Schlacht bei Manlinea S. 159 f.) haben vermutet, es seien hier nicht 
die eigentlichen Thesmophorien des Pyanepsion gemeint, sondern ein 
anderes analoges Fest der Demeter und Köre, und SIevers denkt an 
die Thalysia , welche unstreitig in dem Monat Theilulhios gefeiert wur-- 
den, den ich dem allischen Thargelion verglichen habe (C. I. G. I 
S. 733 b). Ich gestehe eine Entscheidung nicht geben zu können , da 
die Zeilen der Begebenheiten in diesem Theile der hellenischen Ge- 
ffchichle sich nicht mit der Genauigkeit scheinen beslimmen zu lassen, 
welche zur Losung dieser Aufgabe erforderlich wäre. Bleiben wir 
aber dabei , es seien bei Xenophon die Thesmophorien der Thebaner 
im Damatrios gemeint, so können wir nach der Oklaeteris die Aufgabe 
dennoch um ein kleines besser lösen als Rinck nach seinem Cyclus. 
Ich habe nemlich schon früher aufmerksam darauf gemacht, dafs der 
boeotische Sehaltcyclus wahrscheinlich von dem attischen verschieden 
war: normal entsprach der erste boeotische Monat Bakatios dem at- 
tischen Gamelion , aber durch die verschiedene Einschaltung wich er 
auf den attischen Poseideon zurück, so dafs der zweite boeotische 
Monat Hermaeos auf den Gamelion kam (Abb. von den Dionysien 
Cap. 2 in den Sehr. d. Akad. vom J. 1817. C.I. G. I S.732). So fiel denn 
der Damatrios auf den atiischen Boedromion, und wurden die Iheba- 
nischen Thesmophorien auf dieselben Monatstage, vom lOn ab gefeiert, 
so konnten sie Ol. 99, 2 am lOn Boedromion der Athener beginnen, 
welcher nach unserer Oklaeteris der 21/22e September jul. oder 16/17e 
Sept. gregor. Stils ist, also noch 12 Tage früher, als Rinck nach seiner 
Rechnung zu bewerkstelligen weifs. Dies mag wol der Wahrhell 

6* 



84 A. Bocckh: zur Geschichte der Mondcyclen der Hellenen. 

nahe liegen , und man kann gelrost das Bedenken dagegen fallen las- 
sen , als ob Xenopbon vom hohen Sommer rede. Nur isl noch zu 
überlegen, ob nicht bei dieser Lage der Sache Xenopbon und Aristides 
sich vereinigen lassen, was doch sehr zu wünschen wäre. Denn ent- 
schliefst man sich die Einnahme der Kadmeia mit Clinton in Ol. 99, 3 
zu legen und setzt man mit ebendemselben die Pylhien in den Herbst, 
wie die meisten thun , so ist ein AViderspruch zwischen Xenc^hon und 
Aristides nicht mehr vorbanden; und da Ol. 99, 5 nach unserer Okta- 
eteris schon den 4n Juli (nach Meton nur einen Tag später) beginnt, 
so wurde, wenn man die angegebene Verschiebung der Monate in 
Ol. 99, 3 statt in Ol. 99, 2 annähme, der erste Tag der Thesmopho- 
rien, der lOe ßoedromion, schon mit dem lOn jul. oder 5n greg;or. 
September beginnen, womit für die Jahreszeit, in welcher nach Xe- 
nopbon die Kadmeia genommen worden, alles was man nur wünschen 
kann erreicht würde. Dieser Ansicht steht jedoch zweierlei entgegen : 
erstlich ist es nicht wahrscheinlich, dafs die Kadmeia erst Ol. 99, 3 
genommen worden ; zweitens würde , wie eine nähere Untersuchung 
mich gelehrt hat, aus der in Ol. 99, 3 gesetzten Verschiebung der Mo- 
nate folgen, der Damalrios habe öfter dem Boedromion als dem Pya- 
nepsion entsprochen , was sich nicht wol annehmen läfst. Ich bleibe 
daher bei der auf Ol. 99 , 2 berechneten Losung der Aufgabe. Es 
möge noch gestattet sein , hier gegen eine nicht richtig geführte KriUk 
Clintons (Fasti HelL from the CXXIV^^ Olympiad to the death of Au- 
guslus , 1830. S. 618 f.) eine abwehrende Bemerkung zuzufügen. Ich 
habe nemlich auf eben die Art, wie hier der boeoüsche Damalrios auf 
den attischen Boedromion zurückgebracht worden, erklärt, wie der 
makedonische Loos und attische Boedromion bisweilen dem korinthi- 
schen Panamos habe entsprechen können , während normal der korin- 
thische Panamos dem makedonischen Panamos und attischen Metageit- 
nion entsprochen habe (C. I. 6. 1 S. 734 b). Dieses zurückweichen 
oder vorrücken der Monate des einen Mondcyclus gegen die Monate 
eines anderen durch VerHchiedenheit der Einschaltung beruht aber 
nicht, wie angenommen zu sein scheint, darauf, dafs das Mondjahr 
jährlich um 11 Tage zurückweiche und der Schaltmonat es um 18 — ^19 
Tage vorwärts schiebe, sondern entsteht einfach dadurch, dafs in dem 
einen Cyclus früher oder später als in dem andern ein ganzer Monat 
eingeschaltet wird. Um mehr als einen Monat kann also diese Ver- 
schiebung nicht hinausgehen. Wenn Clinton gegen mich beweiset, 
der makedonische Loos habe sich niemals vom Hekatombaeon über 
einen Monat hinaus in den Boedromion der Athener verschieben kön- 
nen, so mufs ich mich dagegen verwahren als ob ich das bestrittene 
behauptet hätte ; vielmehr bin ich von der Ansicht ausgegangen, die 
viele bis auf Ideler und weiter herab angenommen haben, im alten 
makedonischen Mondjahre habe der Loos normal nicht dem Hekatom- 
baeon, sondern dem BoMromion entsprochen, und folglich der ma- 
kedonische Panamos dem attischen Metageitnion (C. I. G. a. a. 0. und 
in dem daselbst angef. Anhang zu^ der Abh. über die Midiana). Hier 



A. Boeckh: zur Geschichte der Mondcyclen dec HoUenen. 85 

gef^en war die Kritik zu richten; da dies nicht geschehen, trifft Cliu- 
(oiis ganze Gegenrede meine Erwägungen mdii, die unter dem ange- 
tiommenen Ausgangspunkte vollkommen richtig sind, und es ist daher 
auch keine Veranlassung gegeben, in eine nähere Analyse der Clin- 
(onschen Beweisführung einzugchen. 

20. Fassen wir «un zunächst einige Kleinigkeiten zusammen, 
die Rinck zur Unterstützung seines Systems nicht verschmäht hat. 
Dafs er die bekannte Steile der artstophanischea Wolken daf&r geltend 
g-emacht habe, ist oben (Cap. 10) schon erwähnt und gezeigt, daPs 
sie gerade gegen dieses System spreche. Ein anderer Punkt ist fol- 
gender (Rinck S. 45). In einer sehr allen Inschrift (C. I. G. Nr. 71), 
welche ich vor Ol. 83, 3 gesetzt habe, wird der Anfang des Mo- 
nates ciQ%oiirji¥la genannt; ^so würde man sich schwerlich aus- 
drucken', sagt der Vf. *wcnn der Monatsanfang und der Neumond 
zusammenfielen.' Warum denn nicht? Kann man nicht auch * Mo- 
natsanfang' stall ^der erste' sagen? Denn vovfitivia ist ein Aus- 
druck, der ebensoviel als unser ^der erste' bedeutet, und wenn es 
beliebt, kann man statt 'vom ersten ab' sagen: 'vom Monatsanfang 
ab'. Der Vf. kann doch nicht geglaubt haben, in der Zeit, in wel- 
cher sein Tricesimalcyclus gegolten haben soll, habe man den ersten 
gar nicht vov(ifiv£a genannt; den Gegenbeweis liefert gleich die vov« 
fiijpia Borfiifo^imvog in einer Inschrift eben dieser Zeit (C. I. G. Nr. 
148 $ 7), die er sehr wol kannte. Oder sollte der erste blofs dann 
vovfirivla genannt worden sein, wenn am ersten des Monats wirklich 
Neumond war , wie im Anfang der vierjährigen Perioden des Tricesi- 
malcyclus? Dies behauptet der Vf. nicht; sonst hätte er nicht die 
letztere Inschrift (C. I. G. Nr. 148) in Ol. 93, 2 setzen können, wie er 
Ihut CS. 54). Von Thukydides behauptet E. H. 0. Müller (de tempore 
quo bellum Pelop. inilium ceperil S. 27), er habe unter vav(ifivia nur 
den astronomischen Neumond verstanden, der regelmäfsig auf die ?vi} 
xal via traf: in der That nennt Thukydides den Neumond nur zwei- 
mal als den Zeitpunkt der Sonnenfinsternisse ; indem er aber einmal 
diesen Zeitpunkt i/ovfti^v/a %axa CBltlvriv nennt, zeigt er doch eben, 
dafs ihm die Benennung des ersten Monatstages durch vovfitivla oder 
die vom astronomischen Neumond verschiedene bürgerliche vovpupfia 
ganz geläufig war: sonst würde er nicht dieses Kctti aeltivtiv zuge- 
setzt haben. In der andern Stelle redet er von einer Sonnenfinsternis 
ovbqI vovfiriviav (IV 52), welche Ol. 88, 4 (v. Chr. 404 den 21n März) 
eintrat. Rinck legt ein Gewicht darauf, dafs hier nicht Mcva asli^vriP 
zugesetzt sei, meint damals müsse der Monatsanfang und der Neu- 
mond ohngefähr zusammengetroffen sein, und findet dann dafs nach 
seinen Tafeln der le Munychion wirklich auf den 20n März fiel. Es 
ist aber unklar, ob Thukydides hier den astronomischen oder bürger- 
lichen Monat meine , und dafs der Monat damals ohngefähr mit dem 
Monde stimmte , kann man aus seinen Worten nicht mehr schliefsen^ 
als es ohnehin aus dem Mondcyclus schon folgt, und zu Gunsten des 



M A* BoeidUis' zur Gesfebiabt« 4eo Moadeydeo der Heüenen« 

Triceiimalcyelas folg! daraus «cht das loindetA«, indem naeh uoaerer 
Okiaeleris den SOn März v. Chr. 4M ebenfalls bürgerlicher Neumond, 
nemlicb der des ElapheboUon ibL 

Scaliger balle für seinen Trioesimaicyelus einen Grund gellend 
gemacht, den schon Ideler (II S. 603) widerlegt hat; Rinck foringl ihn 
dennoch von neuem vor, und ich widerlege ihn daher von neuem, 
um so mehr als Idelers Widerlegung nicht bündig genug ist. Diodor 
(XJII 2) erzählt als Anfang des Handels gegen die Hermokoplden, eine 
Privatperson habe dem athenischen Ralhe angezeigt, er habe zur Zeit 
des Neumondes (ry vavfj^fivla) um Millernacht Leute, unter diesen 
den Alklbiades, in das Haus eines Schulzverwandten gehen sehen. 
Auf die Frage des untersuchenden Halbes, wie er, da es Nacht ge- 
wesen, die Gesichter habe erkennen können , antwortete er, er habe 
sie beim Mondschein gesehen. Diodor fügt hinzu : ovvog (liv ovv ctvxov 
i^ekiyiag iMt%ei^Bv<S^ivog svqiQ'ti^ ^dieser wurde, indem er sich selber 
widerlegte, als Lügner befunden', da er im Neumond die Gesichter 
woUle beim Mondschein erkannt haben. Es ist also eine un verzeih* 
liehe Nachlässigkeit des Scaliger, wenn er aus dieser Stelle schlofs, 
zur Zeit der bürgerlichen Numenie habe der Mond geschienen ; gerade 
daran war ja der falsche Zeuge erkannt worden, dafs er an die Nu- 
menie den Mondschein versetzte. Rinck meint nun, der Zeuge habe 
die Wahrheit genagt und werde nur von einem Diodor, der Mondmo- 
nate im Kopfe gehabt, Lügen gestraft. Immer sollen die Leute nach 
seiner Annahme etwas falsches im Kopfe gehabt haben, was nur auf 
ihn zutrifft. Nicht Diodor, sondern der Rath der fünfhundert hat den 
Zeugen, der sich wie falsche Angeber in allen Zeiten in Widersprüche 
verstrickte, Lügen gestraft in amtlicher Untersuchung. Genauer noch 
erzählt Plutarch (Alkib. 20), einer der Angeber sei befragt worden, 
wie er die Gesichter habe erkennen können; er habe geantwortet 
^ beim Mondschein (»^^ tiJv üBlrivriv) ' : dadurch habe er alles ver- 
felüt; denn es sei gerade evi/ nul via gewesen (d. h. wenn der Ka- 
lender richtig ist, astronomischer Neumond); die verständigen Leute 
seien durch diese Antwort in grofse Aufregung versetzt worden. Das 
ist ein echtes und wahres Den unti ante nstüc kchen , welches damals 
grofses Aufsehen erregen nuiste und die üeberlieferung verdiente, die 
ihm zu Theil geworden. Ich bemerke noch, dafs zur Zeit jener Be- 
gebenheit, Ol. 91, 1 unler Arimneslos, unter welchem derProcess ge- 
gen die Hermokopiden den Anfang nahm (Inhalt zu Aristophanes Vögel 
HI), der allische Kalender nach unserer Tafel so gut wie der meto- 
nisciie mit dem Monde stimmte und also der wahre Neumond kalenda- 
risch mit der.fviy x«ri via kaum im Widerspruch sland; was zur Be- 
stätigung unserer Construction dient. 

21. Rinck (S. 46 ff.) legt ein Gewicht darauf, dais aus seinem 
System sich dus ungelöste Problem löse, wie Ol. 89, 1 die Athener 
den Spartanern in der Tagzählung der Monate um zwei Tage voraus 
sein konnten, indem der 14e Elaphebolion der Athener dem I2n Ge- 



A. Boeiskli : zur ClesdUc^e der Mondeycien der UeUoneii. 9B 

nsiios der Spartaner gleich stand , während zwei Jahre darauf Ol. 
^9, 3 die Spartaner den Athenern um zwei Tage voraus datierten, aber 
einen andern Monat hatten, indem der 27e Arlemisios (rixaqtri 9)^/- 
ißovxog) der Spartaner dem 35n Elaphebolion {InTtj tp^lvowog) ent- 
sprochen habe, alles Jaul Urkunden (Thuk. IV 118 f. V 19), Wir 
bestreiten ihm die Lösung aus seinem System nicht; aber es entsteht 
für uns die Aufgabe, sie auch aus dem Mondcycius zu leisten. Reden 
wir zuerst von den Monaten« Soviel man früher glaubte zu wissen, 
so entsprachen sich die attischen und die spartanischen Monate wie 
folgt; 

Attisch: Lakonisch: 

Hekalombaeon Hekatombeus 

Meiageilnion Karneios. 

Boedromion AM 

Pyanepsion ß M 

Maemakleriou CM 

Poseideon DM 

Gamelion EM 

Anthesleriou F M 

Elaphebolion Artemisicis 

Munychion Geraslios 

Thargelion GM 

Skirophorion . PhlyasioS' 

Die unbekannten habe ich mit A — G und M (Monat) bezeichneL Ich 
folge im ganzen K. F. Hermanns griechischer Monatskunde (S. 124), 
aafser dafs ich, wovon sogleich die Rede sein wird, den Gerastios 
und Artemisios umgestellt habe; dagegen hat Rinck (s« besonders 
S. 141) den Karneios für den ersten Monat erklärt , so dafs er normal 
dem atiischen Hekatombaon , nicht dem Metageitnion entspräche, wo- 
für sich allerdings bedeutendes sagen läfst; für die vorliegende Unter- 
suchung kommt jedoch darauf nichts an , da die Stellung der Monate, 
die hier in Betracht kommen , nicht hiervon abhängt. Der Anfang des 
spartanischen Jahres wird gewöhnlich um die Herbslgleiche gesetzt, 
seiiDodwell bei Thukydides (V 36) eine Andeutung gefunden zu haben 
glaubte, dafs die spartanischen Behörden um diese Zeit ins Amt ge- 
treten wären und gewechselt halten; Rinck (S. 47 f.) bemerkt aber 
mit Recht, dafs die Worte des Thukydides ihre volle Bedeutung be* 
hallen , wenn die Behörden auch schon um den Anfang des olym- 
pischen oder attischen Jahres gewechselt hallen: und für unsere Auf- 
gabe ist es gleichgillig, wann das lakonische Jahr begonnen habe; 
der bequemern Vergleich ung mit dem altischen zu Liebe werde ich 
aber in dieser Untersuchung den Anfang desselben um die Zeit des 
Anfanges des allischen oder olympischeu setzen. Den Schaltmonat 
darf man wie im attischen Jahre in die Mitte stellen (s. oben Gap. 7) : 
doch hat auch seine Stelle keinen Einflufs auf diese Untersuchung* 
Dafs nun dem altischen Elaphebolion in den Urkunden einmal der la-, 
konische Gerastios , das anderemal der lakonische Arteniisios ent- 



88 A. Bocckh : Eur Geschichte der Mondcyden derüellenen. 

spricht, hat natarlich in der Verschiedenheit der Schaltcyclen beider 
Staaten seinen Grund. Die Athener halten, wie aus ihrem gerade 
für diese Zeit sehr gesicherten Cyclus erhellt, Ol. 89, 1 vor dem Eta- 
phebolion eingeschaltet, und in den beiden folgenden Jahren nicht 
eingeschaltet: denn die Behauptung unseres Vf., Ol. 89, 2 sei ihnen 
ein Schaltjahr gewesen, ist thalsächlich falsch: dafs bald der Geras- 
tios bald der Artemisios der Spartaner dem attischen Elaphebolion 
entsprach, jenes Ol. 89» 1, dieses Ol. 89, 3, hat also seinen Grund 
darin, dafs die Spartaner in der Zeit vom Elaphebolion jenes bis zum 
Elaphebolion dieses Jahres einen Monat eingeschaltet hallen. Hieraus 
folgt denn, dafs der Artemisios vor dem Gerastios lag: denn nur 
dann konnte die Verschiebung eintreten, welche urkundlich slattgc- 
funden hat. Ol. 89, 1 hatten nemlich die Alhener vor dem Elaphebo- 
lion eingeschaltet; dieser Monat schob sich daher, da er gewöhnlich 
dem Artemisios entsprochen haben muste, herab auf den nächsten 
Monat Gerastios ; nachdem aber die Spartaner zwischen dem Elaphe- 
bolion Ol. 89, 1 und 89, 3 ebenfalls hinterher eingeschaltet hatten, 
schob sich der Elaphebolion wieder auf den Artemisios hinauf. Diese 
Ordnung der Monate haben schon E. H. 0. Möller (a. a. 0. S. 26) und 
Redlich (S. 64) erkannt. Die spartanische Einschaltung kann, unter 
den angenommenen Voraussetzungen des Jahresanfanges und der Stelle 
des Schaltmonats, in Ol. 89, 2 oder 3 stattgefunden haben, was bei 
unserer Unk)[;nnlnis des spartanischen Schallcyclus nicht entschieden 
werden kann, aber für diese Untersuchung ohne Einflufs ist: ich nehme 
sie durchaus nur beispielsweise in Ol. 89, 2 an. 

Die Verschiedenheit der Tagzählung hat Rinck allerdings mit 
Recht als eine schwierige Aufgabe angesehen, und Ideler (1 S. 363) 
ist zu leicht darüber hinweggegangen. Ol. 89, 1 zählen die Athener 
den Spartanern gegenüber in dem entsprechenden Monat zwei Tage 
mehr, Ol. 89, 3 die Spartaner zwei Tage mehr als die Athener, wie 
Rinck behauptet. Ein Tag der letzlern ist indes leicht beseitigt. Rinck 
setzt die TnccQTfj q>^lvovxog des Artemisios Ol. 89, 3 als den 27n Ar- 
temisios ; war aber der Monat ein hohler, so ist sie der 26e Artemi- 
sios: denn es isl, wenn nicht erwiesen falsch, doch keineswegs 
wahrscheinlich, dafs in den hohlen Monaten die devtsQa <p&ivovtog 
nicht gezähll worden sei. Nichts slehl aber entgegen den Artemisios 
hier als hohlen Monat anzunehmen, selbst wenn, wie ich allerdings 
voraussetze, 01.89, 1 der Arlemisios ein voller Monat war; dieser 
"Wechsel hat in den Mondcyden oft slaltgefunden. Wenn die Spar- 
taner nach der Regel der Oklaeleris volle und hohle Monate durch 
alle Jahre hindurch abwechseln liefsen und Ol. 89, 1 mit dem vollen 
angefangen hallen, so drehle sich in den zwei folgenden Jahren durch 
die Einschaltung des vollen Schallmonates das Verhältnis um, wie 
die unten folgende Tafel zeigt. Für die Erklärung des Unterschiedes 
der drei übrigen Tage isl es zweckmäfsig zuvörderst eine Verglei- 
chung der athenischen Daten mit julianischen anzustellen. Ich rechne 
gewöhnlich zur Bequemlichkeit nach einer festen Regel; ich lasse die 






A. Boeekh: zar GeseMdite der Mondeyden der Bdlenen. 89 

zwdir Monate des attischen Gemeinjahres, vom vollen anfangend, ab- 
wechselnd volle und hohle sein, schiebe den vollen Schaltmonal, wie 
sicher geschah, in der Mille ein, aber ohne dafs dadurch die Tag- 
zahl der anderen Monate verändert würde, und gebe in Jahren von 355 
Tagen den Zusatztag dem Poseideon , der nun aus einem hohlen ein 
voller wird. Da wir Ol. 89, 1 bei den Athenern den 16n Juli beginnen 
lassen, wäre hiernach Ol. 89, 1 der Beginn des 14n Elaphebolion am 
21n April v. Chr. 423, Ol. 89, 3 aber der Beginn des 25n Elaphebolion 
am lln April v. Chr. 421, welehes Jahr v. Chr. ein julianisches Schalt- 
jahr ist. Das Intervall beider betrüge also , von den terminis a quo 
und ad quem nur den einen eingezählt, 721 Tage. Man setze nun, 
in Ol. 89, l seien vor dem In Elaphebolion im athenischen Jahre und 
vor dem In Gerastios im lakonischen gleich viele Tage verflossen, so 
müsle , da der 14e Elaphebolion dem 12n Gerastios gleich ist, das spar- 
tanische Jahr Ol. 89, 1 wie das melonische zwei Tage später als das 
attische, den 18n Juli begonnen haben, und der 12e Gerastios wäre der 
278e Tag des lakonischen Jahres, während der 14e Elaphebolion der 
280e des atiischen ist. Ferner setzen wir nach einer Zinsrechnung, 
dafs den Athenern Ol. 89, 2 355 Tage hatte, und nehmen dasselbe für 
Ol. 89, 3 an, und zwar dergestalt dafs der Zusalztag vor den Elaphe- 
bolion Ol. 89, 3 fiel; setzen wir nun, dafs in dem Intervall vom Ela- 
phebolion Ol. 89, 1 bis Elaphebolion Ol. 89, 3 die Spartaner keinen Zu- 
salztag eingefügt, so war in letzlerer Zeit die Verschiedenheit der 
Tagzählung beider Staaten aufgehoben, welche in Ol. 89, 1 vorgekom- 
men war. Es bliebe nur noch zu erklären, wie nunmehr bis zum Ela- 
phebolion oder Artemisios OL 89, 3 die Spartaner in der Tagzählung 
um einen Tag vorauskommen konnten , indem ihr 26r Artemisios dem 
I5n Elaphebolion entspricht. Um dies zu erklären , könnte man sagen, 
die Lakedaemonier hallen in der Zwischenzeit einen Schaltmonal von 
nur 29 Tagen eingeschaltet, so dafs dieses ihr Schaltjahr nur 383 Tage 
^habl habe, wie Ideler und Biol ein solches im kallippischen , Biol 
und Redlich im metonischen Cyclus annehmen; denn wenn sie nur 
einen hohlen Monat eingeschaltet, würden sie, wie man leicht finden 
wird, in der Tagzählung des Monates Artemisios Ol. 89, 3 um einen 
Tag- haben vorauszählen können. Dies hiefse aber eine grofse Unge- 
schicklichkeit voraussetzen. Denn fieng das spartanische Jahr Ol. 
89, 1 den 18n Juli an , so waren sie mit dem Monde in Uebereinstim- 
mung, und hätten durch die unregelmäfsige Einschaltung eines hohlen 
Monates statt des vollen, die berechtigt ist wenn etwas damit erreicht 
wird, nur ihr Jahr wieder in Verwirrung gebracht. Diese Hypothese, 
80 geeignet sie übrigens zur Lösung der Aufgabe wäre, lasse ich also 
bei Seile und versuche eine andere. Bisher nemlich ist vorausgesetzt 
worden, in Ol. 89, 1 seien vor dem In Elaphebolion im athenischen 
Jahre und vor dem In Gerastios im lakonischen gleich viele Tage ver- 
flossen. Statt dessen nehme man an, das altische Jahr habe mit dem 
hohlen, das lakonische mit dem vollen Monat begonnen, und volle 
und hohle hatten bis zum Elaphebolion und Geraslios nacheinander 



M .A. fioeoUi : zur GesehNiit^ 4er Mondeycleja der HeiieoQA. 

gewechselt: so waren dann Ol. 89, 1 den Athenern vor dem Eiaphe- 
bolioa nur 5 hohle und 4 volle Monate od«r 2^ Tage verflossen, den 
Lakonen aber vor dem Gerastios 5 volle und 4 hohle Monate oder 266 
Tage. Somit kommt der Anfang des 14n Elaphebolion auf den 20n 
April statt auf den 21n, und da der 12e Gerastios dem I4n Elaphebolion 
gleich ist, so kommt der Anfang des spartanischen Jahres auf den 17n 
Juli Abends statt auf den 18n mit geringer Abweichung von dem er- 
scheinenden Neumond, indem der astronomische Neumond den 17n 
Juli früh Morgens eingetreten war. Hierdurch vermehrt sich aber 
die Tagzahl des vorhin angegebenen Intervalls von 721 auf 722, und 
der volle Schallmonat von 30 oder das Schalljahr von 384 Tagen ge- 
winnt nun in demselben Platz, welchen es vorher nicht hatte; und 
fanden wir vorher unter der Annahme , es seien vor dem Elaphebolion 
und Gerastios im attischen und lakonischen Jahre gleich viele Tage 
verflossen, dafs die Athener Ol. 89, 1 den Spartanern um 2 Tage vor- 
auszählten , so ist für die Jahresanfänge jetzt diese Differenz auf eineu 
Tag herabgesetzt, und der 14e Elaphebolion wird jetzt der 279e Tag 
des altischen Jahres, während der 12e Geraslios der 278e Tag des 
lakonischen bleibt. Zählt man nun nach der vom Anfange des Jahres 
Ol. 89, 1 für den lakonischen Kalender angenommenen Regel die vollen 
und hohlen Monale durch alle drei Jahre abwechselnd durch, so 
kommt man vom Anfang des 12n Gerastios Ol. 69, 1 als Abend des 20n 
April V. Chr. 423 ab gerechnet , auf das was erfordert wird , neralich 
dafs der Anfang des 26n Arlemisios Ol. 89, 3 auf den lln April v. 
Chr. 421 trifft , an welchem nach der Voraussetzung der 25e Elaphe- 
bolion Ol. 89, 3 beginnt. Wie sich dabei die vollen und hohlen Monate 
im attischen Jahre stellen, bleibt für 01.89,2 und 3 offen, aufser dafs der 
Rechnung dem obigen zufolge die Voraussetzung zu Grunde liegt, der 
Zusatztag des Jahres Ol. 89, 3 habe vor dem Elaphebolion gelegen; 
was beizubehalten ist. Im übrigen kann man die vollen und hohlen 
Monale nach Wahrscheinlichkeit und Symmetrie so oder so anordnen. 
Auf jeden Fall ist entweder im attischen oder im lakonischen Jahr 
anomales zu setzen: hätte dies nicht stallgehabt, so wäre die zu Iöt 
tuende Aufgabe gar nicht vorhanden : diese Anomalie nehme ich für 
das atlische Jahr an , da dieses damals in einer Umänderung begriffen 
war. Unter dieser Annahme ist die Lösung der Aufgabe vollendet. 
Um dies anschaulicher vor Augen zu legen, gebe ich hier auf S. 91 
«iine Vergleichung des allischen und lakonischen Kalenders für Ol. 
89, 1—3. 

Ich füge nur noch einige Bemeikungen über die Anlage des at- 
tischen Kalenders dieser Jahre bei, der freilich weniger regelmäfsig 
erscheint als der lakonische. In dem attischen Jahre Ol. 89, 1, wel- 
ches Schalljahr ist, habe ich mit dem hohlen Monat anfangend hohle 
und volle bis zum Elaphebolion wechseln lassen müssen ; dann stofsen 
zwei volle zusammen : diese Ansetzung scheint willkürlich gemacht, 
um die Aufgabe zu lösen. Ich hätte den Wechsel der hohlen und vol- 
len, auch bis zum Thargelion laufen lassen köQnen ; dann. wären aber 



A. Boeekfa: zur GeseUcbte der Moadcyelea der Beltenejft. tt 
Attbcfccc «pd MwdgAcr KricMJer fir OL 89, 1 — S. 



Attlscb 


Lakonisch 




Monat 


Anfang: des- 
selben 


Tagr- 
sumrae 


Monat 


Anfang* des- 
selben 


Taff- 

sunuue 


OL S0,1 (V.Chr. 
424) 


1«. JnU 


884 


OL 89.1 (v.Chr. 
424) 


17. JnU 


854 


Hekatombaeon 


10. Juli 424 


29 


Hekatombeus 


17. Juli 


30 


Metageitnion 


14. August 


30 


Karneios 


16. August 


29 


Boedromion 


13. September 


29 


A M 


14. September 


30 


Pyanepsion 


12. October 


30 


B M 


13. October 


29 


Maemakteriou 


11. November 


29 


G M 


12. November 


80 


Poseideoa I 


10. December 


30 


D M 


12. December 


29 


Poseideon II 


9. Januar 423 


29 


E M 


10. Januar 423 


30 


Gamellou 


7. Februar 


30 


FM 


9. Februar 


29 


Anlhesterion 


9. März 


^29 


Artemisios 


10. März 


30 


Elaphebolion 


7. April 


30 


Gerastios 


9. April 


29 


14. Etapheb. 


20. April 423 




12. Gerastios 


20. April 423 




MuDychiou 


7. Mai 


30 


GM 


8. Mai 


30 


Thargelion 


6. Juni 


29 


PhlyasiüS 


7. Juni 


29 


Skiropliorion 


5. Juli 


30 








0L89,2(v.C]ir. 


4. Aagast 


355 


OL.«.^<^v.Ohr. 


0. JaU 


384 








Hekatombeus 


6. Juli 


30 


Hekatombaeon 


4. August 


30 


Karneios 


5. August 


29 


Metageitnion 


3. September 


30 


A M 


3. September 


30 


Boedromion 


3. October 


29 


B M 


3. October 


29 


Pyanepsion 


1. November 


30 


C M 


1. November 


30 


Maemakierion 


1. December 


29 


I) M 


1. December 


29 . 


Poseideou 


30. December 


30 


Schaltmonat 


30. December 


30 


Gamelion 


29. Januar 422 


30 


EM 


29. Januar 422 


29 


Anthesterion 


28. Februar 


29 


FM 


27. Februar 


30 


Elaphebolion 


29. März 


30 


Artemisios 


29. März 


29 


Munychion 


28. April 


29 


Gerastios 


27. April 


30 


Thargelion 


27. Mai 


30 


GM 


27. Mai 


20 


Skiropliorion 


26. Juni 


29 


Phlyasios 


25. Juni 


30 


OL «9. 3 (y. CHT. 






OL 89, 3 (V. Ohr. 
422) 






422) 


25. JnU 


355 


25. JnU . 


354 


Hekatombaeon 


25. Juli 


30 


Hekatombeus 


25. Juli 


20 


MeUigeitniou 


24. August 


30 


Karneios 


23. August 


30 


Boedromion 


23. September 


29 


AM 


22. September 


29 


Pyanepsion 


22. October 


30 


B M 


21. October 


30 


Maemakterion 


21. November 


29 


C M 


20. November 


29 


Poseideon 


20. December 


30 


DM 


19. December 


30 


Gamelion 


10. Jan. 421 b 


30 


•E M 


18. Jan. 421 b 


29 


Anthesterion 


ISJ'ebruar 
18j^ärz 


29 


FM 


16. Februar 


30 


£]aphebolion 


30 


Artemisios 


17. März 


29 


25.Elapheb. 


11. April 421 




26. Artemisios 


11. April 421 




Munychion 


17. April 


29 


Gerastios 


15. April 


30 


Thargelion 


16. Mai 


30 


GM 


15. Mai 


29 


Skiropüorion 


15. Juni 


29 


Phlyasios 


13. Juni 


30 






Ende des Jahres Ol. 89, 3 12/13. 


Juli V. 


Ende des Jahres Ol. 89, 3 13/14 


Juli V. 


Chr. 421. — Aufang: des Jahres 


1. 89, 4 


Chr. 421. 




13/14. Juli V. Chr. 421, oder wenn 


der Vor- 


Anfang- des Jahres Ol. 89, 4 14 
V. Chr. 421. 


/15. Juli 


letzte Monat 30 Tag^e erliiell und das 
Tagre, ersteres 13/14. Juli, dieser 14/ 


jahr 355 




15. Juli, 








wie im attischen 


Jalire. 





tS A. Boeckh: cur Geschiciilc der Mondcyclen der HeHeaen. 

an der Grenze dieses und des folgenden Jahres, nach der von mir 
beabsichtigten Anordnung des letzteren, 4 volle Monate zusammenge- 
kommen , was ich vermeiden wollte. Es hat wol kein Bedenken , den 
angenommenen Wechsel der hohlen und vollen Monate in dem Schalt- 
jahre anzunehmen, wenn auch dadurch der eigentliche Schaltmonat 
Poseideon II ein hohler wird: vielmehr ist dies sogar nach der eigent- 
lichen Regel der alten Oktaeteris, da in ihr die vollen und hohlen 
Monate stets abwechselnd aufeinander folgen sollen. Mctons sech- 
zehntes Jahr ist dem von uns hier angenommenen sehr ähnlich. Es 
ist denkbar, man habe den Wechsel so lange andauern lassen, bis das 
zusammenstofsen zweier vollen Monate unvermeidlich war ; und dies 
trat mit dem Elaphebolion und Munychion ein , vorausgesetzt dafs die 
Jahre Ol. 89 , 2 und 3 so sollten geordnet sein , wie ich sie geordnet 
habe, und dafs man das zusammenstofsen von 4 vollen Monaten an 
der Grenze der Jahre Ol. 89, 1 und 2 vormeiden wollte. Die bei- 
den folgenden Jahre Ol. 89, 2 und 3, beide von 353 Tagen, habe ich 
ganz gleichmäfsig eingetheilt, nicht eben unsymmetrisch. Ich lasse 
sie '<mit zwei vollen Monaten beginnen , wodurch nun allerdings ent- 
steht, dafs an der Grenze von Ol. 89, 1 und 2 drei volle Monate auf- 
einander folgen. Das kann freilich in einem geordneten Cyclus, des- 
sen Monate mit den natürlichen stimmen, nicht vorkommen; aber in 
einem gestörten , in weichem die bürgerlichen Monate nicht mit den 
natürlichen übereinstimmten, hat diese Folge nichts gegen sich, weil 
eine Störung der Ordnung nicht dadurch entsteht, indem die Ordnung 
gar nicht vorhanden war ; vielmehr war die Häufung der vollen Mo- 
nate in diesem Jahre gerade ein Gorrecliv, vermöge dessen man um 
so eher wieder mit den natürlichen Monaten inUebcrein^timmung kam. 
Die Symmetrie in der Anordnung der Monate besteht übrigens darin, 
dafs erst ein voller Monat vorgeschlagen wird, und diesem dann 
zwei Dyaden von 30 + 29 Tagen folgen, und hiernächst wieder ein 
voller Monat vorgeschlagen ist, welchem drei Dyaden von gleicher 
Art folgen. Schliefslich brauche ich kaum zu sagen, dafs ich nur 
eine Probe davon geben wollte, wie die Aufgabe gelöst werden 
könne ; denn für eine geschichtlich sichere Lösung fthlen mehrere 
der erforderlichen Daten, und es lassen sich auch andere Möglich- 
keiten der Lösung denken, obgleich ich eine bessere nicht wüste. 

22. Zur Rechtfertigung seines Systems hat Rinck (S. 51 ff.) 
auch die in den Inschriften vorkommenden Angaben über die Pryta- 
nien in Betracht gezogen. Was die späteren Zeiten betrifft, in wel- 
chen nach dem melonischen Cyclus gerechnet werden kann (vgl. Rinck 
S. 57, auch S. 36), so kommen diese für sein System nicht in Be- 
tracht, und ich übergehe daher, was er darüber gesagt hat, da es 
ohnehin nicht erheblich ist und von andern längst erörtert : ich berück- 
sichtige nur, was er über einige ältere Inschriften gesagt hat. Er ac- 
commodicrt die Angaben , welche darin vorkommen , seinem System ; 
sie betreffen meist Zahlungen , die sich auf Feste beziehen oder dar- 



A. Boeckh: zur Gesohtchte der Mondcyclen der Hellenen. 98 

auf bezogen werden können. Man kann hier fast niemals wissen, ob 
voraus- oder nachbezahlt worden; daher haben diese Angaben, selbst 
wenn sie genau sind, was sie nicht alle sind, geringen Werlh für die 
Zeilrechnung. Doch findet der Vf. besonders in der Schatzurkunde 
von Ol. 92, 3 (C. I. G. Nr. 147. Staalsh. d. Alh. II S. 18 ff.) manches 
für die Feste und. sein chronologisches System beachtungswerthe. Was 
er hier wahres beibringt, ist nicht neu, obgleich es wie neues gege- 
ben ist, und was er neues sagt, ist nicht wahr oder nicht bewiesen. 
Die Zahlung in der zweiten Prylanie für die Hekatombe hatte ich mit 
Barthelemy auf die grofsen Panalhenaeen bezogen; dagegen macht 
Rinck gellend , ich führe selbst an , dafs nach Aristoteles die &^09roiol 
xcrr' iviavTOv nichts mit den Panalhenaeen zu thun gehabt hätten, 
verschweigt aber, wie ich meine Meinung mit der Ueberlieferung 
glaube vereinigen zu können. Meiner Meinung ist auch Meier (Ency- 
ciop. der Wiss. u. Künste III 10 S. 293) beigetreten, und sie hat ihre 
gute Begründung darin, dafs unmittelbar vorher die grofsen Panalhe- 
naeen genannt waren. Aber Rinck behauptet, die Hekatombe der Pan- 
alhenaeen , hier noch gar der grofsen , sei keine drj^ioreJi'qQ gewesen, 
sondern eine örjfiouKi^y wozu jeder Gau 'für die Beschaffung der Rin- 
der sorgte: wie konnte er sieh doch vorstellen, dafs für dies Haupt- 
fest des gesamten attischen Staates die Gaue Sorge getragen, nicht 
der Gesamtstaal? Hier seheint ein Misverständnis Anlafs des Ir- 
thums : die Tochterstädte Athens sandten einen Stier und andere Opfer- 
thiere zu den Panalhenaeen (Schol. zu Aristoph. Wolken 385) , wovon 
der Beschlufs für Brea ein Beispiel gibt; Rinck verwechselt die Colo- 
nten mit den Gauen und deren Opfer mit der Staatshekatombe. Auch 
ist ihm die Ausgabe für eine Hekatombe von Stieren zu klein ; es sollen 
nur Schafe und Ziegen gewesen sein. Ich mufs auch diesen Grund 
bestreiten, wenn ich einen Blick auf meine Berechnung des Werlhes 
dieser Opferthiere werfe (Staatsh. d. Alh. I S. 105). Und ferner, wo- 
her wissen wir denn, dafs die Ausgabe, welche in der Urkunde vor- 
kommt, nicht blofs ein Zuschufs gewesen? Ueberdies zieht der Staat 
das Haulgeld von dem Opfer der Panalhenaeen (Staatsh. d. Alh. II S. 
130): wird er denn die Häute der Opferthiere beansprucht haben, 
welche von den Colonien oder Gauen geliefert waren? So unbedacht 
wirft Rinck das unhaltbarste gegen seine Vorgänger hin, Gründe um 
deren willen es wahrlich nicht lohnte, dafs er Vermutung über Ver- 
mutung ausdachte, wofür wol jene Hekatombe bestimmt gewesen (S. 
62. 117. 318). Demnächst gehl er darauf über, dafs in der 3n, 4n und 
6n Prylanie Diobelie (Theorikon) bezahlt worden; er weist die Feste 
nach, wofür diese bestimmt gewesen, die Eleusinien, die Apalurien, 
die ländlichen Dionysien, die ich alle schon ebenso nachgewiesen 
und an die gewöhnliche Zeitrechnung vollkommen passend angeknüpft 
hatte, so dafs diese Nachweisungen für sein System nicht das min- 
deste austragen. Ferner heifst es (S. 53)5 *in der sechsten Prylanie 
wird die Bestimmung der Ausgaben nicht näher angegeben , aber ein 
Schatzmeister' (Hellenotamias) *Thrason erscheint am neunten Tage 



M A. Bocekh : zur Geschichte der Mondcyelen der Hellenen. 

als Empfänger von mehr als 9 Talenten» (ich finde nur 3* 1083* 2*), 
• und eben derselbe empföngt in der siebenlen Prylanic das Theater- 
geld rar die Chytroi ; so dars wir eine nachträgliehe Aasgabe für die 
ländlichen Dionysien annehmen dürfen/ Verstehe ich recht, so wird 
leise angedeutet, die Zahlung der angeblichen 9 Talente in der 6r\ Pry- 
tanie sei für Diobelie oder Theorikon geleistet, weil derselbe Hellene- 
tamias sie erhebt, der in der 7n Prylanie Zahlung für Diobelie erhält. 
Welch ein Schlufs ! Ein ganz gleicher kehrt jedoch bald nachher (S. 
53 unten) wieder. Uebrigens steht in der Urkunde kein Wort davon, 
dafs die in der 7n Prytanie zur Diobelie erhobene Summe für die Chy- 
Iren bestimmt gewesen : dies hat der Vf. aus eigner Weisheit zuge- 
setzt. Die angeblichen 9 Talente , welche in der 6n Prytanie bezahlt 
worden, die aber gar nicht als bestimmt für die Diobelie bezeichnet 
sind, sollen nur darum, vermute ich, Nachzahlung für die ländlichen 
Dionysien sein , damit sie nicht etwa für die Lenaeen des Gamelion 
bestimmt scheinen möchten ; denn diese übergeht Rinck , weil er aus 
Gründen, deren Beseitigung ich nicht für dringend halte, die Lenaeen 
für den ersten Anthesterienlag (die Pilhoegien) nimmt. Noch merk- 
würdiger ist, was über die 7e Prylanie gesagt wird: *in der sieben- 
ten Prytanie wurde das EintriUsgeld ins Theater am 5n und 7n Tage 
abgegeben. Diese treffen pünktlich mit dem ersten und letzten Tage 
der Anlhesterien * (Tlt^olyicc und Xvxqoi), *dem lln und 13n Anlhes- 
terion zusammen, und die Auszahlung geschah an dem Tage des 
Bedürfnisses, nicht vorher und nicht nachher. Böckh S. 17 meinte 
bei der hergebrachten Einlheilung der Prytanien nach dem Mondjahre,» 
das Datum der Inschrift sei der 8e und lOe Anthesterlon. Der Slreit, 
ob an den Chylren Schauspiele gegeben wurden oder nicht, worüber 
sich Böckh (Unterschied der att. Lenaeen etc. S. 50 f.) verbreilet, 
wird somit geschlichtet. Dafs man auch an dem Pilhoegialage ' (vgl. 
die Verbesserung S. 318) * dramatische Stücke aufführte, wüste man 
bisher nicht, wir lernen es aus der richtig verstandenen Inschrift.' 
Unbegreifliche Behauptungen und Folgerungen! Der Vf. deutet an, 
dafs auch ich die in der 7n Prylanie vorkommende Diobelie auf die^ 
Anlheslerien bezogen habe; alles andere, was er hinzugefügt hat, ist 
null und nichtig. Gerade das, woraus er sein chronologisches System 
beweisen will, dafs die Auszahlung der für die Diobelie bestimmten 
Gelder an die Behörden , welche die Bezahlung der Diobelie zu besor- 
gen haben, nach seinem System auf die Tage Fallt, für welche die 
Diobelie geleistet wird, auf die Pithoegien und Chytren, beweist viel- 
mehr gegen als für sein System; schwerlich werden die Schatzmeister 
der Athenaea, aus deren Kasse das Geld an die mit Bestreitung der 
Diobelie beauftragte Hellenotamienbehörde gezahlt wird, an dem ho- 
hen Anthesterien feste ihre Kasse offen gehabt haben ; und die Geld- 
verlheilung erforderte so viel Vorbereitung , dafs das zu verlheilende 
Geld doch mindestens einen Tag vor dem Feste aus drm Schatz er-' 
hoben sein musle , falls es nicht von den Hellenotamien vorschufsweise 
bezahlt und erst nachträglich erstattet wurde ; ja es läfst sich kaum 



A. Boeckh : zur Gesehichte der Mondcyclen der Aellencii. 99 

anders annehmen als dafs die Vierlheilung selber schon vor den 
Festen geschah, zu deren Feier die Diobelte den Bürgern gegeben 
wurde. Denn dafs es sieh hier blofs von dem Einlriltsgeid für das 
Schauspiel handle , ist wieder nur eine eitle Voraussetzung. Während 
Rinck aus diesen Zahlungen fQr Diobelie den Beweis gefahrt zu haben 
sich einbildet y dafs an diesen Anthesterientagen , den Chytren und 
Pithoegien , Schauspiele gegeben wurden , vernichtet er selber durch 
die beigefügte in der Wahrheil beruhende Anmerkung seinen 'Beweis , 
indem er sagt : * auch wurde das Theorikon nicht blofs zu Schauspie- 
len gegeben, sondern zu Feierlichkeiten überhaupt, um sich gütlich 
zu Ihun.* Selbst also wenn bewiesen wäre, was nicht bewiesen ist, 
dafs jene beiden Zahlungen für Diobelie gerade für die Chylren und 
Pithoegien gemacht worden , wäre dadurch nicht gezeigt , dafs an 
diesen Festen Schauspiele gegeben wurden , und es ist eine unbcson-* 
nene Rede, wenn er sagt, er habe den Streit hierüber, ob dies statt- 
fand oder nicht, geschlichtet, und wir lernten aus der von ihm zuerst 
richtig verstandenen Inschrift, dafs an den Chytren Schauspiele aufge- 
führt wurden. Weit entfernt dafs wir dies lernten, lernen wir aus 
der Inschrift gar nichts , als dafs in der 7n Prytanie zweimal aus dem 
Schatze Geld zur Diobelie erhoben worden, nicht als ob diese Zah- 
lungen zu verschiedenen Diobelien bestimmt wiren, sondern sie kön- 
nen für eine und dieselbe sein, indem die Zahlungen aus den intcHotig 
in zwei Posten geleistet waren, je nachdem Geld disponibel war; und 
wir können aus den Daten der Zahlung vermuten, dafs diese Diobelie 
zu den Anlhesterien gegeben wurde; dafs aber Diobelie oder Theori- 
kon für dieses Fest gezahlt worden, das ist etwas was wir langst 
wüsten , wenigstens in Bezug auf dessen mittleren Tag , die Choen 
(Staatsh. I S. 229. 317). Unser Vf. ist mit Schauspielen sehr freige- 
big. So findet er (S. 238) keinen hinreichenden Grund , Schauspiel- 
aufführungen an den Panathenaeen zu bezweifeln , und er beweist 
diese aus guten Gründen bezweifelte Sache aus einem bekannten 
Volksbeschiufs bei losephus (Antt. lud. XIV 8,5): es lohnt sich aber 
nicht der Mühe zu zeigen, dafs in demselben nicht steht, was Rinck 
darin findet. In der 8n, 9n und lOn Prytanie ist von keiner Zahlung 
angegeben, sie sei für Feslfeier oder Diobelie geleistet; <fer Vf. hat 
sich daher vergebliche Mühe gegeben nachzuweisen, wie die Zah- 
lungen unter Voraussetzung seines Cyclus und seiner Annahmen über 
die Zeit, wann die Feste gefeiert wurden, mit dieser Zeit übereinstim- 
men. Er setzt hierbei die kleinen Panathenaeen dem Proklos folgend 
in den Thargelion und gibt dafür später (S. 231 f.) die Beweise mit 
aller der Zuversicht, welche den Mangel an genauer Sachkenntnis zu 
begleiten pflegt. So setzt er den im Anfange der platonischen Re- 
pablik erwähnten Fackellauf an die kleinen Panathenaeen, ungeachtet 
aus Piaton selbst (Rep. I gegen Ende) feststeht, dafs die Scene des 
Tags zuvor gehaltenen Gespräches , welches Sokrates am folgenden 
Tage seinen Freunden wieder erzählt, an den Bendideien, nicht an 
den kleinen Panathenaeen ist und also an jenen der Fackellauf gehal- 



M A. Boeckh: cur GesdiidKe der liondeycleii derHelkneii. 

Ion war, dessen Sokrales erwähnt. So kann er denn auch dem Seho- 
liasten des Plalon (S. 395 Bekk.) die thörichle Behauptung glauben, 
dafs die kleinen Panathenaeen im Piraeeus gefeiert worden, und dar- 
auf fufsend bemerken, die Zeit des Thargelion, ohngefähr Mai, in 
welcher dieser Seehafen sehr belebt war , habe für die Festfeier am 
geeignetsten erscheinen müssen. Der Scholiast ist zu diesem Irlhum 
dadurch gekommen, dafs er wie Rinck glaubte , die Scene des von 
Sokrates erzählten , einen Tag vorher, gehaltenen Gesprächs sei an 
den kleinen Panathenaeen , wie der Scholiast selber vorher bemerkt 
Uebrigens hat dieser Scholiast das meiste aus dem Proklos (zum Tim. 
S. 36 f.) geschöpft, aber dieser Irlhum ist in seinem Haupt entsprun- 
gen ; denn Proklos setzt nur des Sokrates Wiedererzählung des am 
vorhergehenden Tage gehaltenen Gespräches auf die kleinen Panathe- 
naeen, nicht aber das Tags vorher gehaltene Gespräch, von dem er 
wol weifs , dafs es Tags zuvor an den Bendideien gehallen war , die 
er freilich fälschlich fQr den Tag vor den kleinen Panathenaeen hielt; 
und von den Bendideien sagt er, sie seien im Piraeeus gefeiert wor- 
den. Gleich ungrQndlich und unüberlegt sind die Erwägungen des Vf. 
über ein für die Zeit der kleinen Panathenaeen in Betracht kommendes 
Bruchstück einer Inschrift , in welchem ein Abschnitt aus der General- 
abrechnung des Vorst^ers der öffentlichen Einkünfte enthalten ist (C. 
I. G. Nr. 157. StaaUh. d. Alh. U Nr. VIII der Beilagen). Der hierin 
vorkommende Artikel ist ein Verzeichnis der Einnahmen aus dem 
Hautgeld iSsQfiatinov) unter dem Archon Nikokrates Ol« 111, 4, d. h. 
aus dem Erlös der Felle und des übrigen Abfalls von den Opferthie- 
ren , die der Staat dargebracht hatte (a. a. 0. $ 3 Staatsh. II S. 130). 
Leider ist in der Inschrift nicht mehr erhalten, wer dieses Hautgeld 
von den Panathenaeen eingezahlt; ich habe wie in der Schatzur- 
kunde von Ol. 92,3 die jährigen Opfervorsteher angenommen, und 
dafs die Ergänzung ytaga [kQonoimv xar' || ivi€evro]v über die ge- 
wöhnliche Länge der Zeilen hinausreicht, spricht dagegen nicht, wol 
aber ist die Ergänzung Ttaga [ßoioväijv zu kurz. Rinck will diese 
Boonen als die zahlenden angesehen wissen , und da er diese zugleich 
für Feldherrn hält, könnte jemand glauben, man könne auch na^a 
[axQotriymiv schreiben, was der Form der Inschrift genügen würde. 
Doch hiervon nachher; es fragt sich erst, wann die Einzahlung er- 
folgt sei. Die Einzahlung vom Haulgelde aus den kleinen Panathe- 
naeen ist gleich im dritten Posten des Jahres vermerkt , und die Posten 
folgen sich nach der- Zeitordnung der Feste (a. a. 0. S. 122); daraus 
schliefse ich, die kleinen Panathenaeen seien bald nach dem Anfange 
des Jahres , etwa gegen Ende des Hekatombaeon gefeiert worden. 
Dagegen bemerkt nun der Vf., nach einer Inschrift (Staatsh. d. Ath. II 
S. 35) hätten die Schatzmeister der Athenaea von Ol. 91 , 2 am 30n 
der ersten Prytanie (30n Hekatombaeon) 9 Talente den Hellenotamien 
vorgestreckt, und diese haben das Geld erst am 20n der zweiten Pry- 
tanie (nach Rinck am 26n Metageitnion) an die Athlotheten zu den 
kleinen Panathenaeen abgegeben. * Wenn der Schatz so lange hinter- 



Mi BbMUi 1 ixxw GaMWohiö M MMfcyol^if «der Mlteiien/ 0^: 

dreiii*8«iiie-Z«Bciite9e veräbreiehfe, so koniHe er'wol auch tfautgi^ld^ 
Yon 4m FeldherfD-tm Hekatombaeon ^rst «mpfang^en, wenn gleich di«> 
Opfer schon am 90n Thar^elion dargebracht waren. Das Verzekhni» 
der Eirniakme richtete sich nldit nach dem Datum der EIniieferong des 
Geldes. Die Stadt verpachtete nemlich die Anschaffung der Opfer* 
thiere an sogenannte ßornuai, und erwählte hierza meistens Feld« 
h«rm/ Hiernach also sollen die Schatzmeister der Athenaca in Of. 
91, 2 im Hekatombaeon Geld an die Hellenotamien geliehen haben, 
welches für die Feier der kleinen Panathenaeen im Thargelion, in dem 
voffletsten Monat von Ol. 91, 1 bestimmt war, und diese Heilenota* 
mien, natörlioh die von Ol. 91, 2 sollen dieses Geld im Metageitnion 
Ol. 91» 2 zu derselben Feier vom Thargelion Ol. 91, 1 an die AthlO'- 
theten bezahlt haben. Eine grörsere Verschleppung der Zahlung kann 
man kaum ausdenken. Angeblich im Thargelion Ol. 91 , 1 besorgen 
die Athiothelen die kleinen Panathenaeen ; das Geld dazu hatten die^ 
HeUenoftamien desselben Jahres zu liefern : sie liefern es aber bis zu 
Ende des Jahres nicht. Mit Ende dieses Jahres gieng ihr Amt za^ 
Eade , und sie musten innerhalb der nächsten 30 Tage nach Ablauf 
ihres Amtes Rechenschaft ablegen ; werden sie denn nicht vor Ab-* 
lauf ihres Jahres an die Alhlotheten zu zahlen gesucht haben, um ( 
naehzuweisen, dafs sie, was sich gehorte, das Geld für die Panathe- . 
naeen an die Athiotheten bezahlt hatten? Waren gleich die Alhlothe- 
ten vierjährig , werden sie nicht am Jahresschfufs ihre Rechnung ha* ' 
b^ in Ordnung bringen müssen , und also das Geld von den Heklenö- 
tamien gefordert und die für die Panathenaeenfeier eingereichten Rech*' 
nttBgen der Privaten bezahlt haben? Doch das soll altes nicht ge* • 
sehehen sein, es sollen vom 20a Thargelion Ab bis zu Ende des Jah« 
TtSf also in 40 Tagen, die Athiotheten keine Zahlung verlangt haben; 
se werden dodi die mit Anfang von Ol. 91, 2^ eingetretenen Hel»> 
lenotamien das rückstandige bald an die Athlolheten bezahlt haben.^ 
Keineswegs! Es vergehen wieder volle 30 Tage; erst dann erhaltem. 
sie von den Schatzmeistern der Atibenaea leihweise , was ihre Vor-» 
gteger oder sie selber längst von diesen hätten erhalten können^ deren - 
Kasse doch nicht so schlecht bestellt sein konnte, dafs sie in so langer 
ZeH nicht für die hochhe'digen Panathenaeen 9 Talente hätte anfbrin* 
gen können; und nadidem die Hellenotamien das Geld Erhalten, war- 
ten sie trieder etwa 26 Tage , ehe sie an die Alhlotheten zahlen : diese 
etiudten also etwa 95 Tage von der Feter des Festes ab das' dafüf 
verwandte Geld in einem andern Rechnungsjahre als wohin die* Aus- 
gabe gehörte. Es könnten allerding» ^|inte Nachzahlungen vorkonv 
men, selbst auf einem früheren Jakire beruhende, wie die Zahlung: 
einer bedeutenden Summe an die vorjährigen Hellenotami'en von den 
Schatzmeistern der Athenaea des Jahres Ol. 89, 1 (Schatzurkunde in 
den Sehr. d. Akad. vom Jahr 1846 Z. 26), und man kann die Veran- 
lassungen dazu unmöglich ermessen; aber der Fall» von welchem es- 
sich hier handelt, gehört in den Kreis der gewöhnlichen laufendi^n 
Varwallang, wo solche Verschleppung am auffallendsten isty und wie 

imhrb. f. class. Philol. Sappl. N. F. Bd. I. 7 



98 A*Bo6cUi:Mar6eMttehleittMdnafey^0R derH^alfeife 

viel einfacher ist alles, wenn die kleinen Panathenaeen gegen Ende 
des Hekalombaeon gefeiert wurden. I)a borgten sieh die Hißlieftola-^ 
mien wenige Tage nachher gleich was sie für die berorsteheiiden Li* 
quidationen nöthig hatten : verzögerte «eh die Erhebung des Geldea 
von Seiten der Athlotheten nachher etwa 26 Tage, so hatten die 
Athlotheten eben von den Privaten, an die sie für Leistungen zu den 
kleinen Panathenaeen zu zahlen halten , die Liquidationen nicht eher 
zusammengebracht, und die Zahlung halte nicht gedrängt, weil der 
Jahresabschlufs in weiter Ferne lag. Mit dieser Sache hat das von 
Rinck verglichene nicht die mindeste Aehniichkeit, dafs nemlich das 
Hautgeld von den zur Ablieferung an den Staat verpflichteten erst 
im Hekatombaeoin Ol. 111, 4 bezahlt sein soll, ungeachtet das Opfer, 
au» welchem es entsprungen war, schon den aon Tharg^lion, im vor- 
letzten Moittt des vorhergegangenen Jahres dargebracht war. "Wer 
fflfi den Staat zu zahlen hal, ist von dem Zeitpunkt an, da das Geld 
ßiUig ist, thatsächlich Slaatsschuldner und der Atimie verfallen; man 
lahlt also prompt, wenn man irgend dazu im Stande ist: vollends aber 
wird man nicht eine Zahlung, die schon im vorhergehenden Jahre 
fällig war, erst im folgenden zahlen, da die einnehmende Behörde 
mittlerweile ihre Abrechnung am Jahresschlufs machen mufs und die 
Zahlung in das Jahr gehört, dessen Rechnung zu sehliefsen ist. Wie 
alle Rechnungen, so wurden die Rechnungen über das Hautgeld jähr- 
lieh abgeschlossen, wie die vorhandenen Bruchstfioke zur Genige 
zeigen : wie konnte sich denn der Staat gefallen lassen , dafs die Zah- 
lung desselben in ein anderes Jahr veirsehoben wurde als das , worin 
es fallig war? Ueberdies ist das Hautgeld vom Friedensopfer des 
16n Hekalombaeon Ol. 111, 4 schon als bezahlt vermerkt, ehe das 
Hautgeld von den kleinen Panathenaeen als bezahlt vermerkt' wird 
(a. a. 0. S 3, 1 6. 130); wie soll man glauben, wenn letzteres au» 
dem vorhergehenden Jahre hergerührt hätte , würde es in der Reeh- 
nnng aufgeführt sein , ohne dafs zu Ix Ilava^fivtdmv zugesetzt wäre 
TcSv iyel KtrfiixXiovg &Q%ovrogl Noch ist im Verfolge des obigen z« 
erwägen, wer die sind, welche das Hautgeld von den kleinen Pan- 
athenaeen bezahlt haben. Es sind Unternehmer, sagt unser Vf., die 
sogenannten ßoeavai, wozu man gewöhnlich Feldherrn wählte. Ge- 
setzt es seien Unternehmer, so trifft sie, falls sie an den Staat Zah- 
lungen zu leisten hatten, alles das, was ich von denen gesagt habe, 
die nicht rechtzeitig an den Staat zahlten. Aber die ßoinvm sind nieht 
Unternehmer, sondern hohe Staatsbeamte, die zur rechten Zeit wer- 
den gezahlt haben, um nicht als ixtiuoi betrachtet werden zu kön- 
nen. Dafs die ßomycci nicht Unternehmer, sondern hohe Beamte sind, 
konnte der Vf. schon daran merken, dafs sie, wie er^ richtig sagt, 
gewählt wurden: ja' man legte auf die Wahl zu diesem Amte einen 
besonders, grofsen Werth (Staatsh. d. Ath. I S. 303). Getvisse hohe 
Staatsbeamte wurden gewählt, d.h. durch Cheirotonie ernannt; Unter- 
nehmer wählt man nicht , sondern verdingt in einem dazu anberaum- 
ten Termin die Leistung an denjenigen der sich anhietenden, der die 



A« Aoeetii: mr G«MlMile derllöniejfete der HeUäie^ 9$ 

beste Leistung am billig^sten zu machen übernimmt. Weil die Boo- 
nen Beamte sind, zahlen sie auch den Ueberschufs vom Stierankauf 
(vo TUi^yBvoiüvov ano %^g ßowvlas) an den Staat zurück (a. a. 0. 
S 2 S. 119) : der Unternehmer steckt den Ueberschufs in seine Tasche. 
UadFeidherra seilen diese Unternehmer meist gewesen sein! Hohe 
Staalsbeamte zugleich Unternehmer! Und diese Unternehmer soUea 
Hautgeld aa den Staat zahlen ! Dem Unternehmer kommt die Haut 
ttebst ihrigem Abfall von den Opferthieren entweder zu oder nicht, 
je aaeh dem Coatract. Kommt sie ihm zu, so ist sie sein Eigenr 
ihnm und er hat nichts dafür an den Staat zu zahlen; kommt sie 
ihm nicht zu, so hat er wieder nichts dafür zu zahlen, sondern der 
Staat verkauft die Häute nebst Zubehör durch seine Behörden, und 
diese zahlen den Erlös ein, wie in den zahlreichen Fällen, die uns 
in den erhaltenen Bruchstücken überliefert sind, die Behörden das 
Hautgeld einzahlen, gleichviel ob das Opfer verdungen war odejT 
aicht (wiewol ich ersteres nicht glaube, vielmehr von den Boonea 
klar ist, dafs sie die Opferthiere selbst ankauften). Hieraus erhelU 
denn zugleich, dafs, wenn etwa die Feldherrn das Hautgeld voa 
den kleinen Panathenaeen zu zahlen gehabt halten, sie es nur aU 
Beamte hätlea zahlen können; man wird aber nicht einsehen, wi« 
gerade diese Behörde hätte dazu kommen sollen, dieses Opfer zu 
besorgen. 

Wahrlich eine undankbar^ Arbeit, die wirren Vorstellungea 
eines mit grofsem Selbstgefühl und Anspruch auftretenden Mannes 
auseinander zu klauben und seine mit Kunst und teuschendem Schein 
dargdegten Vorspiegelungen in ihr nichts aufzulösen ! Was der Vf. 
noch über die Vertheilung der Prytanien in dem Jahre Ol. 93, 2 mit 
Bezug auf die Baurechnung vom Poliastempel und auf eine andere 
Inschrift (C. L G. Nr. 148), die er in dasselbe Jahr setzt, beige- 
bracht hat (S. &4 f.) , kann ich füglich übergehen. Was über diese In- 
fiehriAen zu sagen ist, hat oben (Cap. 10 h und t) eine passendere 
Stelle gefunden, und es versteht sich von selbst, dafs die langen 
Jahre des Rinckschen Tricesimalcyclus Raum genug darbieten^ um 
längere Prytanien mit Leichtigkeit unterzubringen, dafs man Naber 
nicht aus den Angaben dieser Inschriften über die Prytanien irgend 
einen Cyclus entwickeln oder entscheidend bestätigen kann. 



Anhang. 



In vorstehender Abhandlang habe ich gesagt (Gap. 6 su Ende), 
i^ gebe meine ganze AusfOhrung preis, wenn die angenommeiia 
iGrondiage unter den FOfsen weggezogen werde, uemlieh die, dafs 
ider melonische Cydus nicht von seinem Anfange ^ Ol. 87 t 1 ab w 
Athen eingeführt worden, wobei zugleich die Richtigkeit der Coo- 
atruction desselben vorausgesetzt wird, welche seit Ideler gilt nad 
die von mehreren in den wesentlichsten Punkten bestätigt ist Ebenso 
habe ich weiterhin (Cap. 13) die Idelersche Ordnung der Schalt- 
jahre der kallippischen Periode zu Grunde gelegt. In der That siad 
kurz nach Vollendung meiner Schrift diese Grundlagen in Abrede 
gestellt worden: August Mommsen hat in einer nichts weniger 
als anerkennenden fieurtheilung der Redlichschen Abhandlung (Jahrb 
für Phil, und Paed. Bd. LXXl S. 369 ff.) eine neue Construction des 
metonischen Cyelus kurz angegeben und daraus auch eine neue Con- 
atruction der kallippischen Periode abgeleitet Wären diese wahr, so 
wüste ich die Segel streichen ; da ich sie nicht wahr finde, so bin ich bei 
aUer Achtung vor Mommsens Versuch und trotz aller Abneigung gegen 
Polemik verbunden , diese meine Ueberzeugung zu meiner Rechlfer«- 
tigung darzulegen. Es wird gesetzt, der metonische Cyelus habe seit 
Ot 87, 1 in Athen gegolten, und bestehe in nichts anderem als in dem 
System der 19 Jahre von Ol. 87, 1 bis einseht iefslich Ol. 91, 3, wie 
sie theils als Gemeinjahre theils als Schaltjahre aus der Redlichschen 
Construction der Oklaeteris folgen (vgl. die Tafel oben. Cap. 8), natftr« 
lieh mit Einfügung der nach Meton erforderlichen Zusatztage : es seiea 
also das le, 4e, 6e, 9e, 12e, 14e, 17e Jahr des melonischen Cyclot 
Schaltjahre. Dadurch wird eine Uebereinstimmung des metonischen 
Cydus mit den von Redlich festgestellten Daten der attischen Zeitrech« 
0U4g für den bezeichneten Zeitraum erreicht. Dieselbe Regel gelte fftr 
die Enneakaedekaeleriden der kallippischen Periode, die von OL 112, 9^ 
ihrem Epoehenjahre an in Athen eingeführt sein dürfte. Es ist zu 
bemerken, dafs in diesem System die Construction der Cyclen mit 
der Einführung derselben von ihrem Epochenjahre ab connex Mf 
und beide zusammen stehen oder fallen. Ich bedaure, dafs eine 
nähere numerische Entwicklung dieser Cyclen fehlt; man ist daher 
darauf angewiesen , bei Prüfung dieses Systems selber und zwar nur 
ohngefähr zu rechnen; auch der Epochenlag des metonischen Cyclos 
ist von dem Urheber des neuen Entwurfes nicht angegeben : ich glaube 
aber den 16n Juli annehmen zu dürfen, obgleich der neue Entwurf 
sich zunächst an die Redlichsche Tafel der Oklaeteris anschliefst (s. 
besonders S. 374), in welcher Ol. 87, 1 mit den 13n Juli beginnt* 
Meine Gegenbemerkungen sind folgende. 

1) So lange nicht stärkere Gründe für die Einfül^rung des me- 
tonischen Cyelus in Ol. 87, 1 ans Licht treten, als dafs> wenn der Ka- 



iuBMIJittar6fiAielle*rliMiiflftei4erfi«IMh«A. MI 



ieadcr dte Httan (sehk Fünq^egiM) io pifakiisditti Gebraueli g^CMi- 
nea» adteo diesem noch eine andere damit nieht aberanstianiieBde 
Jahres- imd MonatseiariehhiDg zu haben hdohtt lästig gewesen s«b 
^rOrde (S. d73), scheint es iren% gerechtfertigt, den metontsehen 
€yclas in Uebereinstiuimung mit den festen Dalen der bOrgeriiehen 
ZtWxmAamag xa eonstroieren* 

S) Aus dem oben in dieser Abhandlung (Cap. 10 d) gesagten 
nnfs man sehliefsen, der metonische Cyclus sei OL 89, l noch nicht 
in Athen mgefOhrt gewesen ; und die von mir (Cap^ 9) behandelte 
Stelle des aristophanischen Friedens dürfte schwer erklärlich seiti, 
wenn sie nicht auf eine Anordnung bezogen wird , die mit dem damib- 
llgen und weiterhin dauernden bestehen des metonischen Cyclus mih 
vereinbar ist. 

5) Bern neuen Entwürfe zufolge begann der metonische Cychis 
mit einem Schaltjahre und endete mit zwei Gemeiniahren. Die Schid^ 
monate dienten in den Cyden dazu, den gegen die Sonne gereefanel 
surflckgegangenen Jahresanfang wieder vorwärts zu schieben, und es 
ist daher gegen das Wesen eines Gychis, dafs er mit dem Sdialljahr 
beginne. Auch in der von den Juden angenommenen Form des neun»- 
zehnjährigen Cydus sind die zwei ersten Jahre Gemeinjafare und das 
letzte ein Schaltjahr. Rechne ich selber (Cap. 13) nach *atttsdi-me*> 
tonischen Enneakaedekaeteriden', die von dem Schaltjahr OL HS, 3 
ab gezählt sind, so bin ich weit entfernt diese technisch als Cyclen an« 
sehen zu wollen. Wenn Mommsen (S. 374) bemerkt, das erste Jahr 
des metonischen Cyclus sei als Schlufs einor vorigen Oktaciteris zu be^ 
trachten , die beiden letzten metonischen Jahre als eine folgende Okta^ 
Vieris beginnend , während in der Mitte zwei volle (Redlichscfae) Okla** 
ßleriden lägen, so wird hierdurch das unpassende, was ich bezeicfaT 
net habe, nicht angehoben. Ich bemerke noch, dafs das angegebene 
Verhältnis des metonischen Cyclus zur Oktaeteris nach dem Mommsen- 
aehen Entwurf nicht constant ist; denn ich finde, dafs gletdi im zwei^ 
ten Cyclus OL 99, 3 Gemeinjahr wird , welches Jahr in der OktaSteris 
Sehaltjahr war, und Ol. 92, 3 umgekehrL Hierdurch verschwinde! 
anoh die panathenaische Penteteris von 1476 Tagen Ol. 91, 3 — 93, 9 
(Abh. €ap. 10 f), weiche Mommsen (S. 373) dennoch als thatsächlieh 
anzuerkennen scheint. In der Vertheilung der vollen und hohlen Mo« 
nale stimmt Mommsen nur unter einem Vorbehalt mit Redlich überein: 
Aber die Verschiedenheit der Bestimmungen der vollen und hohlen Mo« 
ante im metonischen Cyclus ist von untergeordneter Bedeutung, zumai; 
wie ieh schon S. 14 angedeutet habe , für die von mir geführte Unter* 
swAungy und ich bin daher auf dieselbe in der vorstehenden Abhandf 
long nicht naher eingegangen. Setze ich die Richtigkeit der Ideler-» 
•ehen Anordbiung des metonischen Cyclus voraus, so bezieht sich dies 
nicht auf diesen untergeordneten Punkt, sondern ich halte in dieser 
Beziehung den von Biot und Redlich entworfenen Kanon für richtige 
Jeioeh mit der Aosnahme, dafs ich mich nicht übetzengen kann, däS 
6e Jahr des melonischen Cyclus habe nur 383 Tage gehidt)t^ und da- 



liegen das 4e Jahr 355 : es kann sehr wo]^ um das ung^waßwlkhe Jahr 
von 383 Tagen zu vermeiden, der nach der Regel, dem ktslen Vonai 
4ie8 4n Jahres zukommende Zusatztag auf den ersten Moaat dea ön 
Jahres übertragen worden sein. Darum habe ich auch in. der €ap. 9 
stehenden Tafel die von Ideler angegebenen Anlange des ön meto- 
nischen Jahres absichtlich beibehalten , wie S. 26 bemerkt tsL In 
aUen äbrigen' Fällen, wo die Folge der vollen und hohlen Monate 
im metonisfshen und kalltppischen Cyclus in Betracht kam^ habe . idi 
nicht Veranlassung gehabt von der Differenz des Idelerschen und des 
Biot-Redlichschen Kanons zu sprechen, weil in den behandelten Fällen 
sich kein Einflufs derselben ergab. Uebrigens habe ich S. 54 anneh- 
men müssen, die Folge der vollen und hohlen Monate sei Ol. 119, 2 
in Athen nicht ganz die metonische gewesen. Unter, der Voraus- 
setzung, die dexcTT)} vati(fa komme nur in vollen Monaten vor, mufs 
dies auch für Ol. 119, 3 angenommen werden, wenn der Biot-Redr 
iichsche Entwurf des melonischen Kanons richtig ist. Denn in der 
£. &5 angeführten Inschrift aus Ol. 119, 3 kommt die.&e»uxfi vc%i(ftt 
des Skirophorion vor , der nach dem benannten Entwurf nur 29 Tage 
erhäU. J 

4) Der Hauptfehler der Okta^leris bestand darin, dafs sie, wenn 
die Ueberetnstimmung der Monate mit dem Monde bewerkstelligt wurde, 
den Jahresanfang allmählich um einen Monat und mehr über die Somt 
merwende hinausschob, in deren möglichster Nähe das Jahr beginnen 
sollte (Abh. Gap. 11). Diesen Feliler hob der metonische Cyclus nach 
Idelers Construction auf; die Mommsensche Construction befestigt ihn 
für alle Zeiten der Geltung dieses Cyclus. Fieng nach fieser Conr 
struction Ol. 87, 1 den 16n Juli an, so begann gleich OK 87 , 2 den 4a 
August, Ol. 88, 1 um den In August, Ol. 88, 3 um den lOn August 
V. s. f. Schon dies ist entscheidend gegen den neuen EntwurL 

5) Für die thukydideische Berechnung der Zeiten des peloponne- 
«ischen Krieges , an welcher ich (Cap. 17 und 18) die verschiedenen fäJt 
dieses Zeitalter in Betracht kommenden Cyden geprüft habe, gibt es 
zwei Ausgangspunkte, je nachdem man bei Thuk. II 2 die gewöhn- 
liche Lesart ovo (Mjyag oder die Krügersche Verbesserung tiöctf^ 
^ag fi^vag befolgt und also den Krieg zwei oder .vier Monate vor 
Ol. 87, 2 beginnen läfst. Mommsen berührt (S. 374) diesen Gegenstand 
von ferne. Die gegen die erstere Annahme geltend gemachten Schwie* 
rigkeiten (Abh. Cap. 17) heben sich auch aus dem Mommsenschen Enlr 
wurf nicht. Geht man aber von der zweiten Annahme aus, so bleibt 
die Lösung der von uns Cap. 17 behandelten Aufgabe und der ersten 
und zweiten Cap. 18 erwogenen nach dem Mommsenschen Entwuci 
dieselbe wie die unsrige, weil sein Cyclus für die hier in Betracht 
kommenden Zeiten identisch mit der Okta€teris ist. Die dritte Ca^. 16 
bdiandelte Aufgabe ist aus dem Redlichschen, auf erforderliche Weise 
durch Zusatztage recti&cierten Entwürfe , ohne die von mir angegebene 
Ausschaltung, nicht lösbar gefunden worden, und ist ebensowenig aus 
Mommsens Setzungen lösbar, weil diese für den Zeitraom vom Ende de« 



A.Bo«e]lhiittr<3e^elMMMrM«Mey«ton4er^^^ Mi. 

AoUieslerioit Ol. 87^ I bis zum 16n Mnnycbion Ot. 98, 4 ohngeUhr dea- . 
selben Zeilraum wie der eben bezeichnete RedlLehsche Entwurf ^ben, 
welcher letztere übri^ns lauch g^r nieht zu dem. Zweck dienen sollte^ 
diese Aa%abe zu losen. Aus dieser Unzulänglichkeit des neuen Eni* 
Wurfes. erweiset sich die Unnchtigkeit setner Setzungen. 

6) Die hipparchischen Daten der Mondfinsternisse in Ol. 99 nach 
atlisehen Archonten und Monaten (Abh. Cap. 12) kdnneA meines er- 
aehtens nur auf attischer oder melonischer Zeitrechnung beruhen; da 
Mommsen beide Zeitrechnungen idenli&cierl, sind die Baten also doch 
woi metonisch. Die im Jahre des Archon Etiandros Ol. 99, 3 beobach- 
tete iMondfinsternis fiel in den ersten Poseideon ((ifivhg.no6Hdim^: 
tov* fCQovi^ov, Ptolem. Alm. IV S. 278)9 ^^^o in ein S^halljahr, dasr. 
Ide iahr des melonischen Cyclus, welches J.3e ebendeshalb von Ideiec 
s^ metonisehes Schaltjahr genommen ist, und damit folgerecht auch 
das 5e. Nach Mommsen sind diese Jahre Gemeinjahre. Die Mond- 
finsternis erättgnete sich in der Nacht vom l^lSn December« welcher 
nach Mommseos System in den Maemäkterton fiele. Man könnte zwar, 
um Hipparchs' Daten zu Gunsten des Mommsensehen Systems zu beseir 
tigen, eine Hypothese bilden, die sich mir bei unparleiischer Erwä* 
gung der versehiedenen Möglichkeiten darbot * aber da ich selber si» 
unzureichend finde, spreche ich sie nicht aus: es wird Zeit.sein sie zu- 
widerlegen, wenn sie ein anderer aufgestellt haben sollte. 

7) Die Schlacht bei Arbela Ol. 112, 2 (v. Chr. 3dl) fiel auf den 
fanfHeta^n Boedromlon attisch oder metonisch, und auf den In Octo-s: 
ber julianisch (Abh. Gap. 12). Nach Mommsen würde Ol. 112, 2 um 
den im August beginnen, der le October also in die let2;te Dekade des 
Metageitnion fallen. Setzt man den Schlachttag mit Arrian in den 
Pyanepsion,.so wird das Ergebnis lur Mommsen noch ungünstiger» 
Freilich gibt es für viele solcher Aufgaben verschiedene Lösungen, und 
ich will nicht verbeten , dafs es für die vorliegende eine solche gibt, 
die wieder mitMommsens System stimmen würde. Rechnet man näm- 
lich die kailippische Periode in Ol. 112, 2 zurück, sowie äie von Momm«' 
aen consirutert ist, so wird es möglich, den fünfUetzlen BoSdromion um 
den In October zu setzen, und man könnte sagen, jener sei durch viel* 
leicht ohngefahre Reduction des makedonischen Datums auf den kaU 
lippischen Kalender gefunden« Aber ich zweifle, dafs sich dies wahr- 
scheinlich machen lasse; nichts ist unnatürlicher, als dafs man den 
kaltippisehen Kalender auf die Zeit vor dem Anfange der kallippischen 
Periode angewandt habe, für welche, wenn man nicht nach irgend 
einer bürgerlichen Zeitrechnung rechnen woUle , die Beefanung nach 
dem raetonisehen Gyclus die angemessene war. Gesetzt aber auch^ 
man wollte. für das Datum der Schlacht bei Arl>ela diesen Ausweg zu 
(kmsten der Mommsetnschen Ansicht nehmen, so bleiben doch die 
übrigen ihr entgegenstehenden Schwierigkeiten ungelöst 

8) OL 112, 3 sollen die Athener aus dem mtelonischen Gyclus in die .. 
kaiKppische Periode übergegangen sein. Ol. 112, 2; das 7e Jahr des 
meloniaehen Cyelus und ein Gemei^jahr auch nach Mommsen , schlols 



nach diesem, wie dte Rtfofanoiif 1^1, Um Ende Jblt, die hMpfjkMKt 
Periode begann ajwr Ok HS, 3 den 98fi Juni, also Aber einen Monat 
vor dem Sehlurs des metonischen Jahres OL 113, 2. Der Zeitpunkt ist 
also nach Memmsen's System faodiet mpassend flkr den Uebergang; 
denn das Jahr 01.113, 3 wate dadurch auf 11 Monate reduciert worden« 

9) Dem Geminos gemäCi hat Monunsen die Anordnmig der Schalt- 
jahre seines Entwurfes des melonischen Cyclus auf die Enneahaede- 
fcaeleriden der kallippischen Periode flbertragen, welche mit Ol. 113^3^ 
Ihrem Epochenjahre, in Alhen angenommen sein mSge. 01.114,3 
ist das l7e Jahr dieser Periode, welches nach Mommsens Entwarf eto 
Sehaiyahr ist, und Ol. 116, 3 war allerdings, wie längst belcannt, em 
attisches Schafljahr. Ich sage noch mehr: alle Jahre von Ol. 113, 3 
ab, die oben (Gap. 12 und 13) aus Inschriften von mir als SchaltjalM 
oder Gemeinjahre bestimmt worden , fQgen sich in den Mommeenselie« 
Entwarf der kallippischen Periode, ebenso das Gemeinjahr des Archen 
Dtonysodoros OL 308, 1 (Cap. 13 zu Ende). Hieraus folgt aber die Rich- 
tigkeit de? Mommsenschen Ansicht noch nicht: denn alle diese Jahre 
fftgen sich eben anch in den idelerschen Entwarf des metenisohen Cy« 
dus; beide Entwürfe stlnmiea in ROcksteht dieser Jahre ftbereto. 
Vielmehr, da der Mommsensche Entwurf des metonischen Cydus sieh 
nicht als wahr anerkennen läfst, fällt auch dessen Anwendung anf die 
kallippische P^iode weg. Wer die: Einlührunf^ der kallippischen Pe^ 
riode zu Athen mit Ol. 113^ 3 behaij^n will, dem wird auch aufzuer- 
legen seki , die doppellen kalendarischen Daten der swei allisehen bi- 
sehriften it erklären. 

10) Zur Probe der Richtigkeit der Entwürfe der kaJUppieohen 
I^riode dienen die Nachrichten über die von Timocharis zu Aleseandria 
beobachteten Fixsternbedeckungen (Ptolem. Alm. VII 3 S. 36. 33. 31. 
31. Ideler l S. 349. Blot Resum^ de chronol. astron. S. 4i9). XHc 
Daten derselben sind sehr bestimmt überliefert; sie sind, soviel aus 
Ptolemaeos zu schHefsen, von Timocharis selber angegeben, zugleich 
nach kalllppischer und nach aegyptischer Zeitrechnung; die aegyp- 
tischen werden von Ptolemaeos wiederholt und können somit nach : 
dem Gange der plolemaeischen Betrachtangen nicht geändert wer« 
den. Folgendes sind die Daten: 

d6s Jahr der In kallipp. Per. 3ö. Poseid. 31. Dec. 395 v. €hr« 
36s „ „ „ „ „ 15. Elapheb. 9. März 394 v« Chr. 
4Ts „ „ „ „ „ a Anthest. 39 Januar 333 V. Chr. 
4Ä3 „ „ „ „ „ 6. Pyaneps. vom Ende, 9. Nev% 333 v. Chr. 
D«tH vierte Datum bietet eine grofse Schwierigkeit dar. Nach den ae- ' 
gyptischen Daten beträgt das Intervall der dritten und vierten Beob- 
achtung 383 Tage ; ohne gegen alle Ueberlieferung am Ende des 47ii 
Jahres eüien SchaUmonat einzulegen , ist aber der Zeitraum vom 8a 
Anthesteriort des 47n Jahves bis zum sechsttetEten Pyanepsion des 46a 
Jahres um einen Monat kürzer, da der Pyanepsion der 4e Monat des 
Jahres ist Man hat daher, was audb Biot noch thut, angenommen, • 
diNT Pyanepsion sei bier als ftbafter Monat angesehen; diese Annahme 



A. Sett^:*2vr Clesehicble aer Mondcyden der HeUeneir. UÜ 

mi jeUt niobt "mehr haHbar. Ueler setzt, der Pyaaepsion sei falschlieii 
stau des Maemakterion genannt; da den Schr-eibern dies schwerlicb 
2ttr Last gelegt werden kann, muste Timocharia oder Plolemaeos sich 
versciurieben oder ersterer sieh verreehnel haben. Oder, um diesem zti 
entgehen, raüste man mit Scaliger setzen, Kallippos habe den Schalt- 
monat, welcher im altischen Jahre ein zweiter Poseideon ist, an das 
Ende des Jahres verlegt, und das 47e Jahr der Periode sei ein Schalt- 
jahr gewesen. Dies trifll weder nach Idelers noch nach Biots Ent- 
würfe zu, allerdings aber nach dem Mommsen sehen ; dieser stiniart 
also, unter der so eben angegebenen Voraussetzung, der Schaltmonot 
habe bei Kaiiippos am Ende des Jahres gelegen, mit den überlieferten 
Paten der dritten und vierten Beobachtung vortrefflich übereia Was 
die erste und zweite Beobachtung, aus dem dGn Jahre betrifft, so ist 
aoch dieses Jahr, bei Biot und Ideler ein Gemeiujahr, nach Mommsen 
vielmehr ein Schaltjahr : wird der Schallmonat ans Ende des Jahres 
verlegrt, so treffen auch hier die Daten nach Mommsen, wie eine ohfl* 
gefähre Rechnung zeigt, hinlänglich richtig zu. Anders stellt sich die 
Sache, wenn der Schaltmonat in der Mitte des Jahres in Rechnung 
gebracht wird: dann sind fast alle Daten im Widerspruch mit dem 
Mommsenschen Entwurf. Das 36e Jahr ist nemlich nach Mommsen 
ein Schaltjahr; in dem Datum der ersten Beobachtung ist aber nur der 
Poseideon schlechthin genannt, während im Schaltjahr der erste Posei- 
deon anzugeben war: also könnte ein Schaltjahr nicht gemeint sein; 
und wäre eins gemeint, so fiele der 9e März bei der zweiten Beobach* 
tung nicht mehr in den Elaphebolion, sondern ohngefähr auf defnselben 
Tag des Anthesterion. Was ferner die Daten aus dem 47n und 48ti 
Jahre betrifft, so wird das zweite derselben mit dem Mommseoschea 
Entwurf, nach welchem der Pyanepsion pafst, wol stimmen, das erste 
aber nicht: so dafs für die Lösung der Schwierigkeit, welche im 
den kallippischen Daten liegt, auch gar nichts gewonnen wäre. Um 
also nach den Daten dieser Beobachtungen den Mommseiasohen Ent^ 
Wurf zu beurlheilen, wäre zu wissen nöthig, ob Kallippos den Schalt* 
monat in die Mitte oder ans Ende des Jahres setzte : im letzteren Falle» 
den Ideler und Biot nicht angenommen haben, würde der Momm- 
sen sehe Entwurf siegen. Ideler und Buttman^i , («• bei jenem Bd. I 
S. 277 f.) haben sich unbedingt dagegen erklärt, dafs Kallippos den 
Schallmonat habe verlegen können, und ihre Gründe scheinen mir 
Irifüg. Hierzu kommt aber noch ein anderer Umstand. In Moimnsens 
Ansicht ist die neue Anordnung der kallippisch^i Periode mit derEinr 
fOhrung derselben in Athen von ihrem Epochenjabre ab connez ; hätte 
also Kallippos den Schaltmonat an das Ende des Jahres verlegt ^ so 
mfiste er von Ol. 113, 3 an auch bei den Athenern der letzte Monat 
gewesen sein. Dies ist aber sicherlich nicht der Fall. Um nur bei den 
Cap. 13 und 13 von mir erwähnten Beschlüssen stehen zu bleiben, so 
erweisen die aus den Schalljahren OL 113, 8. 114, 3. 119, 3 überein* 
Bümmend , dafs der Schaltmonat in der Mitte des Jahres lag, und eben- 
dass^e steUl sich aus C. I. G. Nr. 105 für das Schaltjahr Ol. 116, 3, 

7** 



100 A. Boeckb: zur GeschicMe der Mondeyden der Hettenen. 

und för die vermutungsweise von mir In Ol. 121, 2 ^selzle Inschrift 
heraus. Ja noch in den Kaiserzeiten erscheint in Alhen der erste und 
aweile Poseideon (C. I. G. Nr. 270). Die Annahme, im kalüppischen 
System sei der Schallmonat am Ende des Jahres angefügt gewesen, 
steht also im Widerspruch mit der andern connexen, dafs diese Pe- 
riode von Ol. 112, 3 an in Athen Geltung gefunden habe; und bedenkt 
man, dafs die neue Construction der kalüppischen Periode auf der 
Construction des melonischen Cyclus beruht , die wir unhaltbar befun- 
den haben, so verschwindet vollends alle Wahrscheinlichkeit, dafs 
die erstere richtig sei, was sie nur dann sein könnte, wenn dem Kal- 
lippos gegen den durch alle Zeiten fortgesetzten Gebrauch der Athener 
der Sohaltmonal der letzte Monat des Jahres gewesen wäre. Man 
mufs sich vielmehr mit Ideler entschliefsen anzunehmen , bei der vier- 
ten Beobachtung sei der Pyanepsion statt des Maemaklerion genannt. 
Obgleich nemlich die kallippischen Daten bei Ptolemaeos voranstehen, 
sind sie nicht die mafsgebenden : auch unter den Plolemaeern rech- 
nete man in Aegypten aufser der seltnem Anwendung der makedo- 
nischen Zeitrechnung (C. I. G. Nr. 4697. 4717) amtlich und im gemeinen 
Leben nach aegyplischem Kalender, und das Datum der Beobachtung 
wird also erst aus der Bestimmung nach der aegyptischen Rechnung 
auf die kallippische Periode reduciert worden sein , weil sich die 
Astronomen gelehrterweise auch der kallippischen Zeitrechnung be- 
dienten. Hierbei konnte nun ein Versehen unterlaufen. Niemand Ist 
vor einem solchen sicher: hat doch selbst ein Athener, und höchst 
wahrscheinlich der in Geschäften gewis sehr geüble Secretar zweier 
Prytanien, in einem öffentlichen Actenstück aus dem Thargelion statt 
aus dem Skirophorion datiert und sich damit gerade um einen gan- 
zen Monat versehen (Abb. Cap. 12), und ich kann auch ein Bei- 
spiel von Ideler anführen , der doch nicht nur überhaupt sehr genau 
war, sondern auch einen grofsen Theil seines Lebens der Zeitrech- 
nung gewidmet hatte, und dennoch bei der Redaction der preufsi- 
schen Kalender einen Fehler der Zeilbestimmung stehen liefs, der 
nur mit vieler Mühe und vielem Aufwand getilgt werden konnte. 

Auch V. Gum^ach (heidelb. Jahrb. d. Litt. 1854 S. 958 f.) 
stellt die Sicherheit der Gründe in Abrede, welche Redlich für die 
Behauptung beigebracht hat, der metonische Cyclus sei nicht von sei- 
nem Anfang ab in Athen eingeführt gewesen, so wie die Sicherheit 
der Redlichschen Anknüpfung der attischen Oktaeteris an die julia- 
nische Zeitrechnung. Ich* bin durch den Widerspruch des geübten 
Chronologen gegen Redlich um so weniger an der Forschung des letz- 
teren irre geworden , als gerade das , was v. Gumpach als ein Kenn- 
zeichen der Unrichtigkeit des Redlichschen Cyclus ansieht, nemlich 
das darin vorkommende häufige vorauseilen des Jahresanfanges um 
mehr als einen Monat über die Sommerwende hinaus, mich zu der 
Gap. 9 anfangenden Untersuchung geführt hat. Was die Beweiskraft 
der nicht unberührt gebliebenen Zinsrechnungen betrifft , so genügt es 



A. Boeddi: zur Gesehidite der Mondcyden der Hette&ea. 107 

mir (fir jetzt auf meine früheren Abhandlung-en und Gap. 3 — 5 der vor- 
liegenden zu verweisen ; nur veranlafst mich v. Gumpachs Darstellung 
nochmals zu erinnern, dafs das unbedeutende Versehen, das einzige 
bis jetzt , und zwar von Redlich nachgewiesene , auch nicht den min- 
desten Einflufs auf die Untersuchung gehabt hat. Uebrigens kommt es 
auf den Grad der Sicherheil eines und des anderen Grundes für die 
in Rede stehenden Behauptungen nicht an, da der Gründe viele sind; 
und da ich selber ehemals der Ideler sehen Meinung zugethan gewe- 
sen bin, der metonische Cyclus sei schon Ol. 87, 1 in Athen eingeführt 
worden , so wird man wenigslens zugeben , dafs ich mich nur in un- 
befangener Erwägung der Gr&nde für das Gegenlheil entschieden habe. 

^®^^"'- August Boeckh. 



Zur 



Dialektik des Piaton. 



Vom Theaefet Iris ran Pameiides.; 



Von 



Eduaxd Alberti. 



Jahrb. f. cYass. Philol. Sappl. N. F. Bd. I HfU 9. 



1 

Zur Dialektik des Platon« 
Vom Theaetet bis sum Parmeiiides. 



Vorwort* 

Nach wiederholter Lectiire der vier platonischen Gespräche: Theae- 
tet, Sophist, Politikos undParmenides, regte sich in mir die Lust eine Zu- 
sammen stellang derselben zu versuchen. Ich las zu dem Ende neben E. 
Z^llers Aufsatz * über die Composition usw. des Parmenides ' in seinen 

* platonischen Studien' die Ansichten K* F. Hermanns in dem ersten 
Theil seines Werks ^Geschichte und System der platonischen Philo- 
sophie'. Bald schien mir, als ob eine Zusammenstellung der Trilogie 

* Theaetet, Sophist, Parmenides' nach dem Standpunkt, auf den diese 
neueren rerdienten Bearbeiter uns gefuhrt haben , der sehr naturliche 
Versuch stiller Beschäftigung mit demjenigen Schriftsteller sei, der, 
wen er einmal faszte, nicht sogleich und leicht entlaszt. 

Zunächst forderten die behandelten Gespräche , die in einer Le- 
benszeit und Lebenslage entstanden sind, worin Piaton selbst zu schauen 
und zn bauen das tiefe Bedürfnis hatte, auch mich auf, selbst mit 
eignen Augen und zwar mehr auf Piaton zu blicken als auf seine Aus- 
leger. Dennoch dürfte, mit Rücksicht auf den Standpunkt der An- 
sichten nnter den -genannten beiden Auslegern der platonischen Philo- 
sophie , der Nutzen der Veröffentlichung meiner Schrift in dem Bemahn 
liegen, das sie zeigt, jene zu einem Abschlusz zubringen; wenn gleich 
das Bedürfnis geistig beschäftigt zu sein mehr als die Aussicht das Er- 
zeugnis meines Studiums yor das öffentliche Urtheil zu bringen bei der 
Arbeit mich begleitete. 



8* 



Erstes Capitel. 
Der Faden «er Philosepkle Im Theaeief. 

§ 1. Ausgrang deü Gesprächs von der Definition: 
Wissen gleich Wahrnehmung. Die Schilderung der Kunst 
geistiger Geburlshilfe (Theael. 149 C — 151 D) er§ffnet sehr gut eine 
Reihe philosophischer Erörterungen , in denen es sich um die Princi- 
pien des Wissens handelt. Die Hebammenkunst versieht ihren Dienst 
zunächst da, wo die Seele um den Begriff ringt und unvermögend 
ist, auszer sich klar, gheichsam als «ine Geburt hinzustellen, was 
sie als Embryo in sich trägt. In dieser Arbeit ist der erste und nächste 
Begriff, um dessen Geburt gerungen wird, der Begriff selbst, und 
weil dieser ,dem Wissen allein zugänglich ist, das Wissen; was Wis- 
sen sei» ist die erste Frage, eines Menschen , dem die Kunst eines 
geistigen Geburtshelfers zu Hilfe kommt Der Theaetet darf in diesem 
Sinn als Einleitung zu den in ihm nicht allseitig zu Ende geführten 
Erörterungen betrachtet werden. Für den Theaetet gilt auch so recht 
der Hebammendienst , welcher aus dem Schwangern — der Trieb 
nach Wissen ist der Vater der Schwangerschaft — einen in nuee lie- 
genden Begriff ziehen soll. Was Wissenschaft sei ist die Frage, die 
Antwort darauf die aus der Schwangerschaft allein zu hoffende Geburt, 
aber die nothwendige Veranlassung zu der zweiten , ob auch das Nicht- 
sein ein wirklicher und nothwendiger Begriff sei. Dieser Frage, was 
das Wissen sei , aus der wie aus Windeln nicht allein die Kritik der 
geltenden Philosopheme sich loslöst, sondern auch die platonische Mei- 
nung, diesen gegenüber, allmählich und kunstvoll, als wäre sie gar 
nicht das gesuchte Resultat (Soph. 242 A B), sich zur Klarheit heraus- 
entwickelt, hilft die Hebammenkunst im Verfolg von drei Gesprächen 
zu einer Geburt. 

Der Anhub des Gesprächs wiederholt sich mit der an Theaetet 
gerichteten Frage, was Wissenschaft sei, schon 145 D und 146 A, wo 
statt einer Realdefinition das erstemal eine Metallage , das zweitemal 
eine Umschreibung gegeben wird, welches beides den realen Inhalt 
^dessen, was Wissenschaft sei, nicht erklärt, aber an dem Beispiel 
einer matheniatischen Erklärung der vollkommenen und unvollkomme- 
nen Quadratzahl als erstes Erfordernis einer Realdefinition das (SvXXa- 
ßuv dg !v vieler ähnlicher Merkmale wünschenswerlh macht (148 D). 
Wenn die verschiedenartige^ Aeuszerungen eines und desselben Ver- 
mögens, des Wissens, wie Theaetets letzte Erklärung meint, jetzt 
nach dem Excurs über die dort am rechten Ort geschilderte Hebammen- 
kanst auf einen sie umfassenden Begriff (sldog) zurückgeführt werden 
sollen , so ist die Antwort des Theaetet auf die wiederholte Aufforde- 
rung des Sokratesy zu sagen was Wissenschaft sei; sie sei Wahr- 



S. Alberli: zurDiateklik des Plalom US 

nehmung (151 E), um so mehr von Bedeutung^, als sie unmittelbar auf 
den Boden einer philosophischen Kritik verseUl. Denn die Definition 
wird als zusammenrallend mit dem prolagoreisehen Satze , aller Dinge 
Masz sei der Mensch, hingenommen und in diesem Sinn erläutert. 
So ist auch im Theaetet wie im Sophisten die Kritik vorangegangener 
Philosopheme der Weg, auf welchem die platonische Philosophie der 
Entwicklung zuschreitet. Es ist wol zu bemerken, wie dies im Theae- 
tet von der Frage, was Wissen sei, vom Subjcct heraus ausgeht und der 
Kritik die Philosopheme in dem Sinn unterzogen werden, in welchem 
sie die Möglichkeit des Wissens von dem subjectiven Standpunkt aus 
innerhalb der Wahrnehmung und des Sinnengebiets festhalten, wie 
im Sophisten die Kiitik von der Frage nach dem Gebiet des fti; ov 
vom Object aus sich entspinnt und der Kritik hauptsachlich die Philo« 
sopheme in der Absicht unterliegen, weil sie das Object dergestalt 
ungenügend vermitteln, dasz es als Gebiet für Wissen nichts galt. 

§ 2. Piatons Kritik, wi eweil sie Herakli t betrifft, 
wieweit Protagoras. Neben der protago reischen Philosophie 
stehen im Theaetet, gleichsam als deren Hinlergrund, die Philosophie 
des Heraklit und nach der Anführung 152 E des Empedokles , sowie 
die Ansichten der Dichter Epicharm und Homer. Dasz für die pla- 
tonische Kritik die Verbindung in dieser Weise gilt, dasz sie die 
Genesis des protagoreischen Satzes in dem philosophischen System 
des Heraklit besonders ruhen fand , kann weniger zur Frage stehen 
als das, ob an sich und nach der Geschichte der Philosophie die Ver- 
wandtschaft zwischen jenem Satz und diesem System mehr als die*> 
jenige zwischen Protagoras und Demokrit begründet ist oder nicht. 
Den spätem Salz. des Protagoras, der ganz andere philosophische Prae- 
misscn voraussetzte als das noch an die Naturphilosophie der lonier 
anlehnende Philosophem des Heraklit , charakterisieren Piatons Worte 
(15%): die Dinge, soweit sie sind, sind wie der Mensch ist, und die 
Dinge, soweit sie nicht sind, sind nicht wie der Mensch nicht ist, 
d. h. die Dinge sind oder sind nicht, je nachdem der Mensch sie faszt 
oder nicht faszt, ihnen in seinen Wahrnehmungen homogen oder nicht 
homogen ist, d. h., wie Sokrales erklärt, mir sind die Dinge, wie sie 
von mir wahrgenommen werden , und dir sind die Dinge , wie sie von 
dir wahrgenommen werden. Wo wie in diesem Satz alles Qewicht 
auf der subjectiven Wahrnehmung beruht , ist die Gewisheit über das 
Object an sich keine , und wenn das Object an sich, das totSTOv, das 
%v avto HM^* avTO, nach dieser Auffassung geleugnet ist, so kann er 
damit diejenige absolute Allgemeinheit, in welcher die subjective 
Wahrnehmung gelte, meinen, welche er in folgender Weise kritisiert: 
Ht kein Ding je ein tovtov. und gibt es zwischen Thätigkeit und Lei- 
den nur den Flusz eines Dritten , welches Thätigkeit und Leiden nicht 
anders als mit an sich erlittener Veränderung im Vorüberrauschen 
producieren: so ist eine Grenze des Ineinander zu bestimmen völlig 
uamöglich, alle Gegensätze sind folglich aufgehoben und es ist z. 6. 
zuzugeben, dasz etwas groszec werde durch Verkleinerung, d. h. 



U4 G* Albertif zur Dialektik de» Platoo» 

laiders als durch VermekruDg (154 C). Sin solches Ineioandef anzu- 
nehmea, darauf fahrt also de Möglichkeil , dasas das Ding den Men- 
schen unendlich anders erscheinen kann, deren Grund entweder im 
Object oder im Subjeet, im Ding oder im ginn, oder in beiden liegen 
konnte. Heraklit halte die absolute, auf die Natur des Stoffs gegrün- 
dete Bewegung des Objects statuiert und der Wissenschaft als Sinnen- 
erkennlnis nichts weniger als das Recht zugewiesen über das Object 
zu entscheiden , vielmehr die Mangelhaftigkeit derselben nothwendig 
dort eingeräumt, wo die Wahrnehmung eine durchaus relative, den 
Stoff' und Naturgang nicht durchdringende war. Auf der andern 
Seite ebenfalls, wenn nach dem Flusz des wahrnehmenden Sinns 
jedem das Ding anders erscheinen karm, dieses aber in Wirklichkeit 
nicht ein anderes wird, ist der Satz des Protagoras aligemein ungUtig 
und würde erst gillig, wenn im absoluten Ineinander Ding und Wahr- 
nehmung auf unendliche Weise mit Aufhebung jeglicher Grenze an 
Zeit, Oertlichkeit usw. immer correspondierend wandeln und wech- 
seln, wobei denn das, dasz ein Ding, wie es 152 D heiszt, nie ein 
gewisses, ein irgendwie bestimmtes sein kann , selbst das Moment, wo, 
wenn der prolagoreische Salz einen Sinn haben soll, das Ding mit der 
Wahrnehmung correspondieren musz, wiederum aufheben würde. 
Ob auf den Begriff eines solchen Ineinander der sinnlichen und gegen- 
ständlichen Wirkung aufeinander schon Heraklit habe kommen kön- 
nen bei einem Erklärungsversuch der unendlich werdenden Erschei- 
nungswelt in einem die Natur dieser Erscheinungswell theilenden 
einheitlichen Sloff, ist nicht allein bei der Andeutung, welche er von 
der Mangelhaftigkeit der Sinnenerkenntnis macht, und der darüber 
hinausliegenden übersinnlichen Wissenschaft des %oiv6g Xoyog zweifel- 
haft, sondern auch deshalb schwerlich annehmbar, weil es gar nicht 
im Geist seines Systems lag, der Wahrnehmung als solcher ein so ge- 
waltiges Gewicht beizulegen. Denn Heraklit , auf Grund seiner Vor- 
gänger , suchte nach einem die Welt der Erscheinung in sich erklären- 
den Princip , weichender Einheit näher käme als die Principien seiner 
vorausgegangenen Landsleule, ohne dieses Princip von der Wahrneh- 
mung abhängig zu machen, sondern vielmehr einer übersinnlichen 
Wahrheil die wissenschaftliche Durchdringung desselben überlassend. 
Der prolagoreische Satz dagegen war das nach den vergeblich ange- 
stellten Versuchen , die Welt objecli v zu erklären , auf das Recht der 
Subjectivilät zurückgehende Sophisma, welches ab interiore ad exteriora 
mit Heraklit zu derselben Ansicht von der Bewegung der Erscheinungs- 
welt zu kommen schien. Diese scheinbare AehnUchkeit bezeichnet 
nun Piaion 153 E, aber seine Kritik, zunächst 153 D — 154 D^ gilt doch 
nur dem protagoreischen Satz , gegen dessen Allgemeingilttgkeil in dem 
Sinn, dasz entgegenstehende Bestimmungen an dem Ding au gleicher 
Zeit der einen und der andern Wahrnehmung erscheinen können , die 
drei Wahrzeichen oder Phasmata auf Grund der von räumlichen und 
zeitlichen Bedingungen abhängigen Bewegung positiv streiten, 1) dasZ 
an Masse und Zahl nichts gröszer od^r kleiner geworden sein kann, 



E. AJberüt lur IHiflekUk des PMom t|$ 

80 laiigre 69 steh gleteh bleibt , 2) tasz dkeueB Grösser- oder Kleiaer- 
werden Yermehrang^ und Verminderung vorausseUt oder gar nioitC 
stalthat, 3) dasz ein Werden ebne ein Gewordensein in der Zeit un- 
denkbar ist. Die sinnliehe Wahrnehmung darf diese drei Gr undbe* 
Stimmungen, denen die Bewegung unterliegt, meht verwirren und 
umstoszen, und wie der protagoreische Säle in seinen Consequenzen, 
weil er der Wahrnehmung Macht über das Object gibt, Gefahr lauft 
dies zu thun, so war Heraklit, dessen Bewegungstheorie dem Sloflb 
folgt, eben dadurch davor sicher. Dagegen unterliegt der herakll- 
tisehe Satz einer andern Schwierigkeit, welche Piaton 166 £ ange^ 
deutet hat und 181 C weiter kritisiert in folgender Weise. Zunächst 
kommt es ihm darauf an, die Behauptung, dasz Wahrnehmung in 
Bezug auf gegenwärtige Dinge wissenschaftliche oder masigebende 
Bestimmlheit habe , im Anschlusz an die Kritik der vorangegangenen 
Behauptung, dasz von der Wahrnehmung in Bezug auf zukQnflige 
Dinge dieses nicht gelte, zu widerlegen. Zwei Arten der Bewegung, 
die aXlol&^iQ und die %Bqupoi(iy am Wirksamen und Erwirkten im 
steten Flusz zusammenwirkend gedacht, heben den Eindruck auf, ehe 
sie ihn setzen, und während die Jts^t^qa das Wirksame verändert 
hat, ehe es zur Wirkung gekommen ist, hätte die «Uo/cotft^ die 
noch nicht entstandene Wirkung, wenn es möglich wäre, vor dem 
Entstehen verwandelt. Ein ruhelos Wandelndes kann keinen Eindruck 
hervorbringen und ein ruhelos wandelnder Eindruck ist kein Eindruck, 
insofern es sich von selbst versteht, dasz von einer Wahrnehmung an 
sich und einem Wirksamen an sich bei solchem Flusz gar keine Rede 
sein kann. Streng genommen ist die heraklitische Ansicht vollkom- 
men eine Aufhebung aller Wahrnehmung wie alles Wissens, d. b. 
Sehen und Nichtsehen, Hören und Nichthören und demgemäsz Wissea 
und Nichtwissen ist nach ihr ein und dasselbe. 

Dasz diese Kritik den Heraklit betreffe , heweist auszer 179 E noch 
181 C a. A. Die Lehre von der Bewegung in der Stelle scheint hera- 
klitisch. Die Kritik erweist die Indifferenz der sinnlichen Wahrneh- 
mung, die nie stattfindet oder vor dem Setzen schon aufgehoben wird. 
Wir wissen auch, dasz Heraklit der sinnlichen Wahrnehmung keine 
wissenschaflliche Bestimmtheit einräumte, die Wissenschaft vielmehr 
auf das Verständnis der wechselnden Erscbeinungswelt aus der Natur des 
Stoffs zurückgeführt und das Verständnis nicht auf sinnliche Wahrneh- 
mung beschränkt hat. Zeigte Piaton, wie nach seiner Lehre sinnliche 
Wahrnehmung unmöglich werde, so trifft die Folgerung daraus, dasi 
dann auch Wissen unmöglich sei, nicht den Heraklit, sondern den 
protagoras, wenn er die subjective Wahrnehmung als Norm der ob- 
jecliven Wahrheil aufgestellt hatte. Weil aber Piaton die Lehre de« 
Protagoras besonders im Auge hatte, scheint auch in der Auseinander- 
setzung der Kritik der 156 A genannten Mysterien der scharfsinnigeren 
Philosophen, unter denen er den Heraklit und seine Anhänger ver- 
standen haben soll, in der That manches gegen den Protagoras auf 
Rechnung dieses Augenmerks gerichtet worden zu sein. Ueberhaupt 



IIA E. Alberti : zur Dialektik des Platoa. 

igtet Mkwierig, darnach wie Piaton 156 A — IGOE die Theorie von 
der doppelten Bewe^n^ im leoutv nnd na6%Hv darstellt, zwischen 
dem was gegen Heraklit, and dem was gegen Protagoras gerichtet 
sei, SU unterscheiden, zumal da Piaton selbst 160 D nicht allein diese 
beiden, sondern mit ihnen den Homer im ganz gleichen Sinn zusam- 
menfaszt, was er nicht hätte thun können, wenn er nicht die Conse- 
quenzen, welche Protagoras zog, implicite schon in dem heraklitischen 
Satz xtvBÜg&at xa navta und in dem homerischen, welcher nach seiner 
Interpretation alles aus der Flut und Bewegung erzeugt sein läszt, völ- 
lig ruhen sah. ^ine soweit thunliche Beleuchtung des heraklitischen 
Systems würde demselben vielleicht eine ganz andere Stellung zum 
prota^oreischen anweisen, als worin sie bei Piaton erscheint. 

§3. Fortschritt in der Kritik des protagoreischen 
Satzes. Würdigung des do^a^siv. Sehen wir aber davon 
ab, so ist die Kritik der 166 genannten Mysterien weitere AusfOhrung 
des Satzes, vermöge dessen die gegenseitige Gemeinschafllichkeit des 
Eindrucks und des Wirksamen den Flusz der Erscheinungen bildet. 
Nach demselben ist das Wirksame ungleich in dem Masze als es in 
seiner Wirkung ungleich, oder gleich in dem Masze als es im Werden 
jgleich ist Die Consequenz ist, dasz nach dem Eindruck das Wirksame 
sein soll, ohne dasz dieses z. B. im wachen oder traumhaften Zustand 
der Fall ist , oder bei der Umkehrung dagegen die , dasz der verschie- 
denen Wirkung ein verschiedenes Wirksame entspricht oder dasz, 
weil die Veränderung in dem Wahrnehmenden stattgefunden haben 
kann , sie auch an dem Wirksamen stattgefunden haben musz , dasz 
der Wein z. B. dem Gesunden oder dem Kranken ein verschiedenes 
Wirksame sei (159). An diesen Punkt schlieszt sich nun die äuszerste 
Consequenz , dasz ich und das Wirksame nicht wären ohne die gegen- 
seitige Gemeinschart, und dasz das Wirksame nur ist, insofern ich bin, 
ich, insofern jenes ^ kurz der Satz : der Mensch ist das Masz aller Dinge. 
Ifier wendet das Gespräch um, die Entgegnung folgt und Piaton ist 
mit der äuszersten Gewandtheit und dem liebenswürdigsten Humor vor- 
bereitet, dem aus dem Heiligthum des protagoreischen Systems doch 
nicht spielend hervorklingenden Satze eine Seile abzugewinnen, von 
wo er ihn widerlegt Gleich einem kunstverständigen Plänkler stellte 
Piaton 161 C — 168 C einige strittige Gedanken hin , die scheinbar nichts 
bedeuten und dennoch den in der Erislik der Disputation so hervor- 
ragenden Gegner zwingen, seinen Satz gegen sie zu vertheidigen. 
Diese Stelle ist schwerlich gegen einen andern als den Protagoras, der 
sich angeredet und eingeführt findet, gerichtet und nützt, um uns zu 
zeigen,' wie auf den sinnlichen Eindruck psychologische Acte, wie 
das Erkenntnisvermögen , das Gedächtnis zurückgeführt werden. Denn 
Verständnis der Buchstaben ist wie das Gedächtnis nur ein anderer 
Sinneseindruck als das Gesicht Dieser dem Protagoras in den Mund 
gelegte Gedanke des Plalon (169 E) ist der Art, dasz er die Stufen- 
folge in den sinnlichen Wahrnehmungen alle Functionen seelischer Art 
■mfasj^en iäszt; dann aber würde die Voraussetzung gewonnen , dasz 



£. Alberti: zur Dialektik des Plalon. 117 

eine Gradbestimmung zwischen besserer und schlechterer Wahrneh- 
mung^ und Erkenntnis anzuerkennen sei , und 170 C flieszt hieraus die 
Frage, ob nicht mit Recht durchgängig gemeint würde, das2 das 
akrfifj do^a^Siv dem tf;«vd^ öo^a^siv entgegenstehe. Unter Meinung 
ist der mit der sinnlichen Wahrnehmung verbundene Affecl von der 
Wahrheil des Gegenstandes verslanden (vgl. schon 161 D). Der Affect 
ist in der Seele, und die Meinung ruht in der sinnlichen Wahrnehmung 
als solcher eigentlich nicht, sondern, wie dies später (187 A) gesagt 
wird, *in jenem, was immer die Seele hat, wenn sie an und für sich 
mit den Dingen beschäftigt ist ; denn dies wird do^cc^etv genannt.' An 
diese Erklärung wird 170 C nicht gedacht, obwol noch vorausgesetzt 
ist , dasz Protagoras die Möglichkeit einer mit dem sinnlich Wahrge- 
nommenen verbundenen Meinung angenommen hat, während erst 
181 C f. erwiesen wird , wie bei absoluter Bewegung zwischen Wir- 
kung und Wirksamem die Wahrnehmung, also auch die Meinung un- 
möglich sei. Die Möglichkeit jedoch zugegeben, findet die subjeclive 
Meinung als ein bis ins unendliche verschwimmender Maszstab der Er- 
kenntnis eben durch den Widerspruch sich beschränkt und widerlegt, 
in welchem Protagoras seine Meinung wenigstens selbst für wahr ge- 
halten haben musz , ohne sie mitten in dem von allen Seiten gegen sie 
erhobenen Widerspruch nach der aus ihr selbej sich ergebenden Cen- 
sequenz als solche vertheidigen zu können (170D f<). Woraus folgt, 
dasz eigentlich gar keine Wahrnehmung maszgebend und zwischen 
Wissen und Nichtwissen ein Unterschied undenkbar sei. Räumt Pro- 
tagoras jeder Wahrnehmung die Wahrheit für das Subject ein , so kann 
er zwischen weiser und unweiser, besserer oder schlechterer Wahr- 
nehmung bei dem Mangel einer festen , über das Subject hinausliegen- 
den Norm nicht unterscheiden, und eineVergleichung, warum dem einen 
eine Sache so , dem andern so erscheine , gibt über die Sache selbst 
keinen Aufschlusz. Dieser bis zum Unmasz gesteigerten Verlegenheit 
der Subjeclivität stellt Plalon die schöne Schilderung des Philosophen 
mit gehobenem Bewustsein gegenüber. Die Nothwendigkeit aber, 
eine festere Norm als die Wahrnehmung anzunehmen,' macht er ^egen 
Protagoras dort besonders geltend, wo, weil es schwer einzusehen 
sei, mwieweit nach dem sinnlichen Eindruck ein Wissen über ein in 
der Zukunft stattfindendes ermöglicht wird, inwieweit mancher Begriff, 
wie z. B. der des Nützlichen derselben Relativität des Subjects unter- 
worfen ist, so auch eingeräumt werden müsse, dasz die Beurtheilung 
des Nützlichen wie des Zukünftigen einen Maszstab von Wissen und 
Nichtwissen voraussetze , der auszer der Wahrnehmung liege. 

Das Nützliche hat Plalon mit besonderer Rücksicht auf das Staats- 
wesen gesagt (172 A. 177 D) und in demselben Sinn heiszt im Politikos 
296 E das Nützliche, welches erzielt werden soll, das wahrhafte Krite- 
rium des richtigen Staatswesens. Vermöge der Wahrnehmung über das 
Nützliche zu entscheiden ist unmöglich; es gehört dazu eine über sie 
hinausliegende eigenthümliche Operalion der Seele, die jedoch weiter 
nicht erklärt und auch hier nicht oq^i] So^ct genannt wird, die aber 



118 E. Alberli: zar Dialeklik des Plalon. 

die Eig^enthämllehkett des wahren Staatsmanns sein musz, woraas 
hervorgeht, dasz in einer Beschreibung des Staatsmanns auch aber 
dieses Vermögen der Seele über das Nützliche zu entscheiden, d, h. 
nicht über die Wahrnehmung die Rede sein musz. Schon im Theae- 
tet 201 B wird den gerichtlichen und anderen öffentlichen Rednern die 
alff^fjg do^a zugewiesen, im Staatsmann bildet aber die Redekunst 
einen Zweig der staatsmännischen Kunst. Im Staatsmann bedingt das 
Vermögen jederzeit das dem Staate Heilsame zu fördern den vollen- 
deten Organismus des Staats und hängt als solches mit dem lebendigen 
Wissen über dasselbe zusammen. Aber bei dem Mangel eines voll- 
kommenen, gleichsam ewigen Staatsmanns ist ein Praeservativ des 
Nützlichen im Gesetz gegründet , welches , weil es jenen Mangel unzu- 
reichend ersetzt und das seiner Natur nach ' in der Zukunft wirkende 
Nützliche eben wegen dieser Natur für die Zukunft nicht erzielt 
oder wenigstens für alle Zukunft nicht erzielt , von der Wissenschaft 
sich unterscheidet und einen untergeordneten , der o^^ do^a zuge- 
wiesenen Grad einnimmt (s. Hermanns Gesch. u. Syst. der pl. Ph. I 499>. 
Wie sich aber in der angezogenen Slfille des Theaetet ein Hin- 
blick auf das Gebiet der Staatswissenschaft findet, in welchem nicht 
die Wahrnehmung, sondern eine höhere Operation der Seele gilt, 
welche, um ihr eine Stelle zu dem Wissen einzuräumen, eine Aus- 
einandersetzung erheischt: so kann darin eine Hindeutung auf den 
Politikos gefunden werden, welche deutlicher 201 B wiederholt wird, 
eine Hindeulung die freilich nicht so entschieden ist, wie im folgenden 
die Hinweisung auf den Sophisten darin enthalten ist, dasz der Salz des 
Parmenides von dem Ein als AU dem Satz des Hcraklit entgegenge- 
stellt und eine Prüfung beider Sätze versprochen wird (181 A). Dasz 
der des Heraklit gleich nachher (181 C f.) folgt , haben wir bereits oben 
gesehen ; der des Parmenides, über den anders als mit schuldiger 
Umsicht zu reden Piaton unter dem Vopwand frommer Pietät 183 E. 
184 ablehnt, findet, wie wir weiter unten sehen werden, im Sophis- 
ten jene vorzügliche Beachtung, welche er neben dem des Herakitt 
hier am Ort im Grunde nicht finden konnte , insofern der Satz , dasz 
das All die Einheit sei, aus einer Auffassung entsprang, welche über 
die Wahrnehmung hinaus eine Abstraction von ihr und der Welt der 
Erscheinung voraussetzte, welche die Wahrnehmung völlig ignorierte. 
.Zwischen einer solchen Abstraction, welche im Gegensatz gegen die 
Wahrnehmung statt der Vielheit die Einheit als Ali setzte , und der 
Wahrnehmung liegt aber in dem Subject manches , was eine Ausein- 
andersetzung erforderte , wenn die ursprüngliche Frage , was Wissen 
sei, auch die positiven Consequenzen beleuchten wollte, zu denen 
. der heraklitische Satz Veranlassung gab. Auch eines positiven Ge- 
winns bedurfte Piaton aus der Kritik des Heraklit, um die Wahrneh- 
mung und mit ihr die erscheinende Vielheit auf der einen Seite für das 
Resultat zu benutzen, weiches er anbahnte, und dem auf der andern 
Seite die Wahrheit, die im parmenideischen Satz lag, dienen sollte. 
^Ein solches Verfahren spricht 181 B deutlich aus. 



i 



£• Alberti: cor BialektHc des PUton. 11$ 

§ 4* Positive Consequen2 undFolgerung auf Ideen. 
Die positive Gonsequenz, welche vor dem bodenlosen Abgrand des 
Nichtwissens zu sichern vermag^, zu dem der protagoreische Satz 
führt (162 E), ist mit dem Ttsifl na^riftatov öyk^Loyi^BCd-ai (186 D) aus- 
gedruckt, wodurch die Wahrnehmung^ keineswegs geleugnet , son- 
dern vielmehr behauptet wird, dasz» wenn es nun dentioch eine Wahr- 
nehmung gebe , so auch an dem wahrnehmenden Subject ein Punkt 
wäre, wo sie festgehalten und in der VermilÜung zur Ruhe von einer 
andern Kraft ergriffen wird, welche die Wahrnehmung gleichsam 
wieder wahrnehme und abspiegle. Diese Kraft bewirkt, dasz ein 
ungeordnetes Conglomerat ajler möglichen Sinnes Wahrnehmungen in 
Verhältnis gestellt, verglichen, unterschieden wird. So steigt aus 
dem Chaos der Begriff hervor, an den sich die Wahrnehmungen, 
w«iehe ohne ihn verloren sind , anklammern. Wie nun die Kraft in 
der Seele «s ist, vermöge der die Wahrnehmungen zum Bewustsein 
kommen, so wird^Ke Seele im Verhältnis zur Wahrnehmung für das 
positive Vermögen gehalten; ebenso gelten die Begriffe, welche die 
Seele an sich betrachtet, deren 185 C das Sein, das Nichtsein, die 
Aehnltchkeit und Unähnlichkeit, die Identität und die Verschiedenheit, 
• die Einheit und die Vielheit der Zahl genannt werden, im Verhältnis 
zu dem Wahrgenommenen für positiv, dieses für negativ; den Be- 
griffen wird das Sein zugetheilt, den Wahrnehmungen nipht: d. h. 
Piaton nahm unbedingt an, dasz die Begriffe, auf welche die Wahr- 
nehmungen durch den Syllogismus zurückgetragen werden, an sich, 
nicht aus den Wahrnehmungen abstrahierte Erzeugnisse dersel- 
ben, vielmehr diese durch Zurücktragung auf jene verwirklichte 
Eindrücke seien. Die Operation der Begriffe ist demnach ebensosehr 
eine in Wahrheit begründete , wie die von ihr abgezogene Wahrneh- 
mung unmöglich ist , und die Begriffe sind in demselben Grade , in 
welchem ohne sie die Wahrnehmungen nicht sind. Dasz den Begriffen 
das Sein zukomme, den Wahrnehmungen nicht, und ihr gegenseitiges 
Verhältnis ist aber um so mehr festzuhalten, als damit einestheils ein 
so sicherer Beweis gefunden worden ist, dasz Wahrnehmung und 
Wissen ein Verschiedenes sei (186 E); denn mit dem Sein ist die Wahr- 
heit identificiert und mit diesem das Wissen ; und als anderseits die 
folgende Auseinandersetzung über die falsche Meinung mit jenem Re- 
sultat in der engsten Verbindung steht. Denn aus diesem positiven 
Satz, dasz der Begriff der Wahrnehmung ihre Geltung verleihe und 
bei der Bedingung, dasz mit dem Begriff in der Seele nur Wissen, 
ohne ihn das Nichtwissen sei, wird 183 A, wo gesagt wird dasz über 
alles nur Wissen und Nichtwissen möglieh sei, verständlich, insofern 
nemlich entweder mit dem Begriff das Sein verbunden, oder ohne ihn 
die Wahrnehmung keine Wahrnehmung von einem Seienden ist. 

§ 5. Ueber die Möglichkeit der falschen Meinung. 
Weil aber einestheils in der Wechselbeziehung zwischen Begriff und 
Wahrnehmung, anderntheils in der Verwechslung der mit der Seele 
an steh erfaszten Begriffe selbst vermöge Unklarheit ein Nichtwissen 



lHb £. Alberli: zur Dialektik des Piaton. 

mög^üch ist, so gibt sich in der Operation des seelischen Vermögens eine 
Unsicherheit zu erkennen, welche einen eignen Namen, falsche Mei- 
nung, führt, der die richtige Meinung gegenüber steht, die nun auch 
der Sicherheit und Bestimmtheit des Wissens insofern ermangelt^ als 
sie keine bewusle, den positiven Sinn des Begriffs durchdringende 
Seelenerkenntnis* ist. Die im ferneren Verfolg des Theaetet der Be- 
sprechung unterliegende falsche Meinung bildet eine Interpretation des 
möglichen Nichtwissen», und die Besprechung geht nacheinander nach 
zwei Seiten aus , der einen , wo über die Talsche Meinung in der Wech- 
selbeziehung zwischen Begriff und Wahrnehmung (191 B f.) , der an- 
dern, wo über dieselbe in der aus* Unklarheit möglichen Verwechs- 
lung zwischen dem reinen Gedachten ( 195 D — ^200 D ) die Rede ist. 
Ueber die Möglichkeit solcher Meinung gab es, wie es scheint, 
aus dem Sinn der protagoreischen Wahrnehmungstheorie heraus 
Leugner. Denn wenn auch diese behaupteten, es sei über alles nur 
Wissen . oder Nichtwissen möglich, so leugneten sie die Möglichkeit 
falscher Meinung in den vier Fällen , wo sie einer Verwechslung des 
was man weisz mit einem andern was man weisz, oder des was 
man nicht weisz mit einem andern was man nicht weisz , oder des 
was man weisz mit einem andern was man nicht weisz, oder des* 
was man nicht weisz mit einem andern was man weisz (188 B C) 
statthaben sollte. Es zeigt uns aber die 191 B folgende nähere Be- 
leuchtung des dritten Falls, welche genauer nach der möglichen Wech- 
selbeziehung zwischen Begriff und Wahrnehmung der allerdings mög- 
lichen falschen Meinung ihre Rubriken anweist, dasz die Leugner der 
Möglichkeit in dem, was gewust wird, weder das Verständnis des 
Begriffs noch auch das Verhältnis der WahTnehmung zu demselben 
inne hatten. Das aber leuchtet um so mehr ein, weil, wenn statt des 
Wissens das Sein und statt des Nichtwissens das Nichtsein gesetzt 
wird , dieselben Leugner den Salz , falsche Meinung sei eine Meinung 
vom Nichtseienden , aus dem Grunde bestritten , weil eine Meinung vom 
Nichlseienden an sich sowol als an den Dingen unmöglich ist, da^ wo 
man eins meine, auch ein Seiendes gemeint werde, und wo man nicht 
eins meine, überall nichts gemeint werde, eine Behauptung die doch nur 
in der positiven Wahrheit, welche der Wahrnehmung zugetheilt wurde, 
also in der mangelhaften Auffassung des Verhältnisses zwischen Wis- 
sen und Wahrnehnuing und in der Vernachlässigung ihr^n Grund ha(, 
bei der Vermittlung zwischen beiden die Function jedes einzelnen Ver- 
mögens bis zur Entscheidung über die Congruenz oder Nichtcongruenz 
des Wahrgenommenen mit dem Gewusten zu verfolgen. Denn auf 
dem Wege, den die Thätigkeit beider Vermögen geht, liegt die falsche 
Meinung, die als solche allein vom Wissen überführt wird. Es kommt 
deshalb auf den genauen Begriff «des Wissens an, um über eine falsche 
Meinung zu entscheiden, und musz auch dort, wo die äeele mit sich 
selbst spricht, wol Acht gegeben werden, inwieweit eine Meinung 
' zum Wissen sublimiert ist oder nicht. Faszt man aber das Meinen als 
ein Sprechen der Seele mit sich selbst (190 A), so ist es unmöglich, 



E. Alberli : zur Dialektik des Piaton. 12i 

etwas Gemeintes mit Bezug auf sich selbst für ein anderes zu halten oder 
mil einem andern ebenfalls Gemeinten zu verlauschen, gleichsam zu sich 
ßelber zu sagen, dasz das Schöne häszlich oder das Häszliche schön sei, 
und in dem Sinn ist die falsche Meinung ebenfalls so gut eine Unmög- 
ligkeit wie die ällodo^Ca, von der 189 C f. vielleicht als von einer 
bestimmlen philosophischen Zeitansicht die Rede ist, und es dient, 
um zu beweisen dasz die Möglichkeit einer 'ilfsvöifg do^cc auch hier 
besteht, zur Erläuterung sowol was später über die ?^ig und at^öig 
des Wissens (197 ß f.) gesagt wird, obwol das dort Gesagte zu keinem 
Resultate führt, als besonders auch Soph. 263Ef. 

In eben dem Masze, wie die Meinung das itsgov unterscheidet 
und der Verwechslung mil demselben vorbeugt, nähert sie sich dem 
Wissen ; in eben dem Grade aber , wie das itSQOv ein durch die Thä- 
ligkeit der Seele erzeugter Begriff ist und nicht ein mil den Wahr- 
nehmungen als solchen gegebenes , drängt sich die Natur des Svsqov 
auch in die Beschäftigungen der diavoia und bewirkt an ihnen Un- 
sicherheit und Möglichkeit der falschen Combination der unklar ge- 
wüsten Begriffe. Bei klarem Wissen aber halte ich ebensowenig was 
ich weisz für ein anderes was ich weisz, oder was ich weisz für ein 
anderes was ich nicht weisz , wie ich bei Nichtwissen was ich nicht 
weisz für ein anderes halte was ich nicht weisz , oder was ich nicht 
weisz für ein anderes was ich weisz. Und kommt das Verhältnis 
der Wahrnehmung in Betracht, so halte ich ebensowenig was ich weisz 
und wahrnehme für ein anderes was ich weisz und wahrnehme, oder 
was ich weisz und wahrnehme für ein anderes was ich weisz , oder 
was ich weisz und wahrnehme für ein anderes was ich wahrnehme, 
wie ich , was ich nicht weisz und nicht wahrnehme , für ein anderes 
halten kann was ich nicht weisz und nicht wahrnehme, oder was 
ich nicht weisz und nicht wahrnehme für ein anderes was ich nicht 
weisz , oder was ich nicht weisz und nicht wahrnehme für ein anderes 
was ich wahrnehme. Aber auch die unmittelbare gleichzeitige Wahr- 
nehmung ist von einer Entschiedenheit in der Unterscheidung des fw^v, 
dasz ich ebensowenig was ich wahrnehme für ein anderes halte was 
ich wahrnehme, oder was ich wahrnehme für ein anderes was ich 
nicht wahrnehme, als ich was ich nicht wahrnehme für ein anderes 
hallen kann was ich nicht wahrnehme, oder was ich nicht wahr- 
nehme für ein anderes was ich wahrnehme. Wo aber die Entschie- 
denheit über das hsQOv, wie bei der Wahrnehmung in der Unmittel- 
barkeit und Gleichzeitigkeit des Eindrucks, nicht vorhanden ist, da 
tritt bei der Operation der Seele in dem Erinnern und Zurücktragen 
des Wahrgenommenen auf einen nicht im klaren Bewustsein liegenden 
Typos die Verwechslung und Möglichkeit der falschen Meinung ein. 
So kann also , wo das Bewustsein des Begriffs durch Erinnerung beiin 
Wahrgenommenen nicht unmittelbar erwacht, das eine was gewust 
wird für ein anderes gehalten werden was gewust und wahrgenom- 
men wird, oder was nur wahrgenommen wird für ein anderes was 
gewust und wahrgenommen wird , oder was sowol gewust als wahr- 



122 E. Albertt : zur Dialektik des Piaton. 

genommen wird für ein anderes was auch gewust und wahrg^enom- 
men wird. In allen diesen Fällen ist das ftSQOv das Gebiet der fal- 
schen Meinung^, welches für eins gehallen wird was es nicht ist 
Aber wenn in der reinen Seelenthäligkeil, vor welcher der BegrifiTin 
abstracter Abgezogenheit Gegenstand des Wissens geworden ist, wo 
z. B. der Mensch als Begriff iiv^Qomog ov öucvoav^^ä), das Pferd 
als Begriff und ebenso die Zahl 12 als Begriff und die Zahl 11 als Be- 
griff (195 D E) in der Seelen- Wachsseheibe befindlich' sind, eine fal- 
sche Meinung möglich wäre: so wäre der Salz, dasz dasjenige, was 
gewust wird , nicht für ein anderes gehalten werden kann , was eben- 
falls gewust wird, ungiltig. Spricht nun scheinbar jede Art von Rech- 
nen für die Möglichkeit einer Verwechslung der Zahlen, deren Werth 
im Bewustsein vorhanden ist : so trifft doch in Wahrheit dl^ Sehutd 
die unklare Auffassung der Begriffe. Um die Sache zu erklären , wird 
ein Unterschied gemacht zwischen der nv^ig und der S^ig des We- 
sens , zwischen einer Jagd auf Erlangung desselben , dem Erlernen, 
und einer Jagd nach Anwendung des Erlernten (188 B) , und es wird 
gesagt, dasz dem, welcher etwas gelernt hat, ein Wissen darüber 
besitzt, beim Gebrauch dieses Wissen abhanden kommen könne (197 B 
ftal nikiv ag>i{vai), wie es z.B. beim Rechnen der Fall zu sein scheint, 
wenn man beim Gebrauch, trotzdem dasz man die Zahlen kennt, die 
Zahlengröazen verwechselt. Die i^ig des Wissens als Anwendung 
kann aber klar und unklar sein , je nachdem die Fähigkeit vorhanden 
ist oder nicht , den Begriff in der uiTendlichen Combination mit andern 
Begriffen als unterschiedlichen festzuhalten , den Functionen mit den 
Begriffen , z. B. den Zahlbegriffen zu folgen , und das hsQOv imaiei 
von dem ravtov des Begriffs zu unterscheiden. Die Erkenntnis des 
Unterschiedes, der Zusatz, welcher die wahre Meinung zum Wissen 
erhebt, womit am Ende des Theaetet die Definition schlleszt, musz 
den Begriff in allen Fällen der Anwendung begleiten , wenn die fal- 
sche Meinung bei der Anwendung unmöglich sein soll. So lange nicht 
der Begriff in seiner bestimmten Unterschiedlichkeit durch jede Com- 
bination hindurch der Seele innewohnt, ist Verwechslung möglich. 
Jedoch ist diese Verwechslung nicht eine Verwechslung der Erkennt- 
nisse, weil Erkenntnis ohne die Erkenntnis der Unterschiedlichkeit, 
und wenn diese da ist, Verwechslung der Begriffe nicht stattfindet 
(199 C D). Zugleich bemerken wir , dasz die %xrfiig des Wissens, wo 
die ilig oder Anwendung desselben nicht vollkommen ist, ebenso- 
wenig befriedigt , dasz vielmehr in dem Fall, wo bei der ?|*g oder 
Anwendung eine Verwechslung der Begriffe vorkommt, in der iix^6tq 
oder dem Besitz das Gewusle mit dem Verkannten zusammenfällt, 
insofern das Verkannte für das Subject als wahr gilt und bei dem 
Mangel objectiver Unterschiedlichkeit für wahr gehalten werden musz 
(200 A). Die Unterscheidung zwischen i^ig und %xri<Sig, ohne ein posi- 
tives Resultat zu geben, dient mehr dazu, eine genaue Erklärung des 
Wissens anzubahnen, als dasz sie selbst eine Erklärung Ist, wie ja 
durch sie soviel klar geworden ist, dasz Wissen um den Begriff den- 



E. Alberli: zur Dialektik des Piaton. 139 

selben auch anwenden heisit, ein Resultat welches hinüberleitet zu der 
folg^enden Annahme , Wissen sei eine (uvi loyav wahre Meinung , d.h. 
eine vom Wort als der nat&riichsten Art der Anwendung begUitote 
wahre Meinung. Denn dasz ohne einen das Kriterium ausdrückenden 
Zusatz wahre Meinung für Wissen erklärt werde, ist kaum mdgüch, 
nachdem 1) gesagt worden war, es sei über alles nur Wissen und 
Nichtwissen möglich, so dasz, wenn Meinen und Wissen zusammen- 
IXIIt , Nichtmeinen und Nichtwissen ebenfalls zusammenfallen , und 
nachdem 2) die Möglichkeit der falschen Meinung erwiesen worden 
war, welche im Verhältnis zum Nichtwissen eine bestimmte Deutung er- 
halten hat, so dasz ebenfalls Wissen und wahre Meinung ohne einen be- 
stimmten Zusatz zu der letzlern nicht für dasselbe erklärt werden kön- 
nen. Mit der Andeutung, dasz die wahre Meinung die der goricht- 
Uohen und öffentlichen Redner sei, verläszt Piaton eine Erklärung, die 
vielleicht nicht weniger als die folgende eine bestimmte Zeitansicht ver- 
trat (vgl. Hermann a. a. 0. S. 498 mit Anm. 494) , die aber Cur den 
Zweck der Untersuchung ihm hier um so weniger galt, als er sie im 
Polttikos nach ihrem Werthe genauer würdigen muste. Dennoch hat 
auch die wahre Meinung, vergleicht man, was über die falsche 
Meinung im Verhältnis zum Nichtwissen gesagt worden ist, mit dem 
VerhäUni», ht welchem sich falsche und wahre Meinung gegenüber- 
stehen, eine gesicherte Stellung zum Wissen erhalten, der nichts fehlt 
als eine Definition. 

§ 6. Die Definition des Wissens als der vom Wort 
begleiteten wahren Meinung. Würdigung derselben 
und des Ao^^o^. Hinüberleitung in den Sophisten. Der 
letzte Abschnitt des Theaetet (301 E f.) handelt über die vom Wissen 
von einigen (201 E) gegebene Definition , sie sei eine vom Wort be- 
gleitete wahre Meinung, gegeben als Traum für Traum und angeschlos- 
sen an die ungenügende Erklärung, welche Wissen und wahre Mei- 
nung schlechthin identificierte. In dem Traum jedoch , welchen Pia- 
ton schlieszllch mit der traumartigen Reflexion an die über den Xoyog 
hersehenden Ansichten verbindet, erkennen wir seine Ansicht, nach 
welcher Wissen eine mit der Erkenntnis des Unterschiedes verbundene 
richtige Meinung sei, wobei eingesehen wird, dasz eben der Zusatz 
das Bewustsein über das Object als eigenthömlichen Begriff, von wel- 
chem nur Wissen möglich ist , also die Hauptsache ausdrückt und die 
Worte ^richtige Meinung' die Nebensache , die Seelenoperation an dem 
Object, bevor es als unterschiedenes ins Bewustsein getreten ist, be- 
zeichnen (Hermann a. a. 0. S. 659 Anm. 492). Weil aber diese Erklä- 
raiig nicht allein ihrem Inhalt nach, 3^e wir später sehen werden, 
dem Inhalt der folgenden Gespräche, welche die platonische Ansicht 
vollständig entwickeln, organisch vorangeht, sondern auch als for- 
males Princip für Definition des Sophisten sowol als des Staatsmanns 
angewandt ist: so nehmen wir an, dasz Ptaton dieselbe vor den an- 
deren, ebenfalls im Theaetet besprochenen Erklärungen als die am 
meielen genügende und für wissenschaftliche Methode am meisten 



124 E. Alberli : zur Dialektik des Plalon. 

frachtbare vorg^ezogen habe, so dasz neben anderen Resultaten auch 
dieses unmittelbar mit der bis ans Ende verfolgten Frage , was Wissen- 
schaft sei, zu^ammenhieng, dasz nemlich eine Methode des Philosophie- 
rens gewonnen wurde. Es schlieszt sich aber jene Erklärung der 
Wissenschaft unmiUelbar an die vorangegangene, dasz Wissenschaft 
eine (Uta loyov wahre Meinung sei, dergestalt an, dasz sie für die 
eigentliche Interpretation dessen, was Xoyog bedeute, gilt, indem der 
Sinn des loyog die Erkenntnis des Unterschiedes ist (210 A. 209 A). 
Das Wort als solches drückt ein Ding aus, welches von unendlich 
vielen andern Dingen verschieden ist. Wie die Verschiedenheit nach 
Gattung, Art, Theil stattfinde, hat die dialektische Methode soweit 
festzustellen, bis der bestimmte Sinn des kayog, aus allen Einschach- 
telungen gleichsam als die möglichst passende Schachtel herausgeho- 
ben, keine Ueber-, Bei-, Unterordnung, keine Verwechslung mehr 
zuläszt. Die Uebung an der Erklärung des Sophisten, des Staats- 
manns sind Beispiele der dialektischen Methode , vermöge deren der 
letzte Sinn eines Wortes gewonnen wird. Es ist daher keineswegs 
richtig , den layog lieber etymologisch als eine den Sinn ausdrückende 
Zusammensetzung aus an sich keinen Sinn ausdrückenden Urbestand- 
theilen zu nennen, als dialektisch einen Sinn in ihm zu finden, wel- 
cher ihn von einer unendlichen Vielheit anderer, von ihm verschie- 
denen Sinn ausdrückender Worte unterscheidet. Ebenfalls , mit Wor« 
ten ausdrücken, was richtig gemeint ist, das unterscheidet von der 
Meinung die Erkenntnis nicht (206 E) ; das Wort darf nicht den Sinn, 
sondern die Erkenntnis musz das Wort bedingen; das thut sie, wenni 
das Wort einen Begriff in seinem wesentlichsten Unterschied von allen 
andern bezeichnet. Ohne den wesentlichsten Unterschied zu bezeich- 
nen, können tausend Worte einen Gegenstand ausdrücken, ohne dasz 
er damit ein Gegenstand des Wissens geworden ist (207 A). Insofern 
ist das Wort die i^fir^velcc tfjg diaq>o(^xrj[tag. Das Wort an sich wird 
dann begriffen, wenn, was es ausdrückt, im Refiex aller von ihm 
verschiedenen Begriffe steht, als Vehikel des Begriffs. Kein einziger 
Begriff wird anders als in der Neben-, Ueber-, Gegen- und Unter- 
stellung zu andern klar. Betrachtet man das Wort etymologisch nach 
seiner Entstehung aus Buchstaben, so ist diejenige Erklärung, wonach 
die Buchstaben keinen Sinn haben sollen, sondern der Sinn erst dem 
Wort anderswoher als aus den Buchstaben sich unterbreitet , falsch. 
Denn wie wollte .ich das Wort als ein Gesamtes (%av) aus sinnlosen 
Urbestandlheilen verstehen ? Wie aber als ein Ganzes (oilov) , ohne an 
die Urbestandtheile zu denken, anders auffassen, als wiederum Ur- 
bestandlheil, d. h. wiederum o^ne Sinn , weil ein oiov ohne Urbestand- 
theile von diesen nicht zu unterscheiden ist , also ihnen gleicht und 
als Urbestandtheil ebenfalls keinen Sinn hat. Wenn der Begriff, der 
im Wort ausgedrückt wird , auf die Buchstaben nicht sich erstreckte, 
wenn nicht die Buchstaben dem Sinne dienten , so wäre ein Lautsystem 
unmöglich, in welchem der Gedanke tönte. Buchstabenlaute sindy 
wo Begriffe sind; thierische Laute sind keine tönenden Buchstaben« 



£• Alberii : aur IMdklik d«» Plttton. ISS 

Der Begriff, welcher in der S^raehe Ausdmek findM, bat sieh auf die 
Laote eratreekt, welche vom Buchstaben aasgedraekt werden. So 
verschiedenartige Laute in den versehiedenartigen Sprachen derselbe 
Begriff, uoi sich auszudrücken, auswählt: der Laut wird nur verstättd- 
lieh, wenn er den Begriff des Wortes dem Wissenden offenbart, bleibt 
ohne diesen Begriff unverständlich. Der Buchstabenlaut hat also an 
Begriff Theii und wird durch ihn nur verständlich und zu dem was 
er ist Wie kann man, ohne die Buchstaben zu kennen, verständlich 
lesen, ohne die Töne zi^ kennen, harmonisch die Cither schlagen 
(206 B)? Eine grundliche Kenntnis der Buchslaben und des Laut- 
Systems ist zur vollkommenen Deutlichkeit des Begriffs um so dien- 
licher als die der Silben , um so mehr die Buchstaben die Grundlage 
desselben bilden als die Silben. Denn im VerhälUiis zur Silbe kann 
einer und derselben Silbe ein verschiedener Buchstab dienen und (wie 
in dem angeführten Beispiel an den Wörtern Theaetetos imd Theo- 
doros freliich ohne Berücksichtigung der Etymologie d und t) verwech- 
selt werden. Steht aber einer solchen Verwechslung mit Rücksicht auf 
den Silbenlaut nichts im Wege, so ist es nicht, hinreichend ein Wort 
nach den Buchstaben, tiiv dtii aTOi%elov dt^odov, zu kennen , um dar- 
nach die wahre Meinung von der Wissenschaft zu unterscheiden , d. h. 
das etymologische Verständnis eines Worts ist nicht das vollständige 
Verständnis des Begriffs. Den Begriff des Wortes finden heiyt die 
wesentlichste Unterschiedlichkeit des ihn ausdrückenden Worts im 
Verhältnis zu allen andern bestimmen. Ist die wahre Meinung von 
dem Wort in diesem Smn begleitet, so ist sie von der Kenntnis des 
Begriffs , welchen das Wort nach seiner bestimmtesten Unterscheidung 
von allen andern bezeichnet, begleitet und schon hört sie auf nur Mei- 
nung zu sein und geht auf in den Begriff, dessen Ausdruck das Wort 
ist, oder in die Wissenschaft, die isttütiqfMfi (vgl. Soph. 262 E). So ist 
also das Wissen, von der Meinung getrennt, an den Begriff gebunden, 
von dem nun das 188 A gesagte gilt; der Begriff nemlich ist und zwar 
ist er, weil er im Reflex alles dessen steht, wovon ersieh unter- 
scheidet, eine Bestimmung die über das Wesen des Begriffs keinen 
Zweifel zuläszt und vermöge dieser absolut geltenden Sicherheit 
nicht als ein TtQOCdo^iiSat zur richtigen Meinung (209 D) , sondern 
eben nur als Wissen zu bezeichnen ist. Wissen aber als Wissen 
von der Unterschiedlichkeit des Begriffs erklären ist keineswegs 
eine Tautologie; vielmehr ist die Unterschiedlichkeit objectiv das be- 
griffliche Sein, subjectiv das Wissen. Hierauf zu merken, dasz, wie 
mit deiin Wissen die Wahrheit und das Sein identisch sind (Theaet. 
186 C), zwischen subjecliver und objectiver Realität des Begriffs keine 
Unterscheidung gemacht wird, dasz also die gewuste Unterschiedlich- 
keit auch die vorhandene des Begriffs ist, daraufkommt es an, um 
den Sophisten mit seinem Inhalt an den Theaetet anzuknüpfen , wäh- 
rend wir bereits angedeutet haben, dasz für die formale Seite des 
Sophisten die letzte Definition des Theaetet als philosophische Methode 
zur Anwendung gekommen sei. Soweit aber die Erklärung im Theae- 

Jahrb. f. dut. Philol. Suppl. N. F. Bd. 1 Hft. 2. 9 



IM E. Alberü : tat IMaMilik dos PkHoiu 

iel raebty sehtfesst sieh an dieselbe die Bestimmaiig des Untersehiedee 
als des ^m^v, von welchem begrifflich jeder Gegenstand der Er- 
lienninis loszulösen isi, im Sophisten genau an und die Ecörlerung 
hält sich unmittelbar innerhalb der Anschauungsweise, dasz, was sub- 
jecliv ein Wissen des Unterschiedes ist, objectiv als begrifflich vor- 
handene Unterschiedlichkeit existiert, weshalb die Untersuchung des 
Sophisten ebensosehr weiter dazu dient, festzustellen was Wissen sei, 
und deshalb eine logische genannt werden kann (vgl. Zeller plat. Stu- 
dien S. 186 oben), wie sie hinüberleitet zu ^er Frage wie die Be^iffe 
sind, und deshalb als eine metaphysische Einleitung zum Pannenides 
zu bezeichnen ist. Denn weil durch Theilnahme des Begriffs am 
^oteQOv der Gedaoke falsch wird, findet er durch die Abtrennung von 
demselben seine zur Sicherheit der Erkenntnis nolhwendige Bestimmt- 
heit. Wäre aber dieses ^ixBqov, und in der Unendlichkeit desselben 
das fi^ ov nicht objectiv : so fände falsche Meinung subjectiv nicht statt, 
es wäre umgekehrt, wenn objectiv nur ein mit sich identisches Sein 
wäre, gleichsam subjecUv nur eine wahre Meinung möglich, wahrend, 
wo objectiv kein Unterschied ist, die innsti^fi x^ Sutipoi^ffxog snh- 
jectiv wegfällt. Nachdem aber im sogenannten zweiten Theil des 
Theaetet das. Bedürfnis über das f*f} ov ein Resultat im allgemeinen fest- 
zustellen sich geltend gemacht hatte, wuchs dieses Bedür/ni» im So- 
phisten, wo es die Enthüllung eines Scheinweisen galt, dessen Ele- 
ment die ^evdiig öo^a war. Den Zusammenhang deuten mehrere aufs 
Wort gleiche Stellen an: Soph. 240D. 260 C. TheaeU187E. 188 E. 189 B« 
Wie dem Sophisten daran lag die Wirklichkeit des fiif ov zu leugnen, 
um seiner Meinung den Schein der Wahrheit zu retten, so kommt es 
dem Platoo, um ihn des Scheins zu entkleiden, darauf an das fi^ov 
als realen- Begriff zu behaupten. Wie aber eine Meinung von einem 
absoluten fi^ ov, ein^m nicht als ^axs^v im Verhältnis zum Sein ge- 
faszten Nichtsein überall nichts ist (TheaeL 189 A), so ist auch ein ab-. 
solutes Nichtsein undenkbar, unsagbar, ausdrucks- und bezeichnungs? 
los, kurz ein Unding (Soph. 237D); eine Behauptung begegnet und 
widerlegt sich in der andern. Uebrig bleibt, in der grosten Allge- 
meinheit die Begriffe Sein und Nichtsein einander gegenüberstehend 
aufzufassen, die sich einer den andern vermittelst des Gegensatzes 
setzen y und ebenfalls jeden andern Begriff aus- dem Gegensatz zu allem 
andern zu bestimmen und dieses als das '&«t£^ov zu begreifen, ohne 
welches das xuvxov nicht ist, um so die falsche Meinung als diesem 
Nichtsein anhaftend wid wirklich stattfindend sowol in der Wechsel- 
beziehung zur Wahrnehmung (Theaet. 195 C D) als zum Gedachten 
(196 A B) zu erkennen. Konnte also ein solches ^axsQov gegen&ber 
denjenigen Philosophen erwiesen werden, welche immer nur vom 
Sein, wenn auch von einem zwiefach oder dreifach getheilten spra- 
chen, so war für die Möglichkeit der falschen Meinung das ihr ent- 
sprechende Terrain gewonnen. Hier tritt also die Kritik der ver- 
scltiedenen, seither geltenden phiiophischen Ansichten ein (Soph. 
243 D). . 



E. Albert! : zw Wal^tilc dei Platon. 127 

Zweites Capifel. 
Der Vaaen «er PIOlMopUe Im fikif M^iea* 

§ 1. Gesichtspunkt, wie Platon sowol Ahdere als' 
im besondern den Parmenides kritisiert. Die Kritik dieser 
Ansichten, d.h. ein wesentlicher Theil des Inhalts inx Sophisten fordert 
ein Eingehen auf den Gesichtspunkt, den Platon auf die Möglichkeit- 
falscher Meinung gerichtet hält , um einzusehen , dasz ein solches StQck 
Geschichte der Philosophie der Entwicklung der eignen Ansicht Pia-' 
Ions hauptsächlich dienen und auf die Ideenlehre nothwend ig hinleiten 
sollte. Sie sieht in den philosophischen Ansichten, die ihr von den 
ersten Naturphilosophen herab vorangtengen , unzureichende Versuche* 
die Vielhett^ das All, mit der Einheit, welche es erklären könnte, to 
vermitteln, Versuche welche einem fortgeschrittenem wissenschaft- 
lichen Standpunkt besonders deshalb ungenögend sind ^ weil sie nur 
mit den allgemelneh Principien von Sein und Vielheit mehr oder we-* 
niger in einem Kampf, das Verhältnis derselben an sieh zu bestimmen 
beschäftigt waren , ohne dasz in der Allgemeinheit derselben die Mög- 
lichkeit eines befriedigenden Resultates gegeben war. Denn bei dieser 
allgemeinen Fassung stellte sich entweder der Begriff des Sein absolut 
so heraus , dasz das Nichtsein ihm gegenüber völlig bestimMungsloS 
war (wie beim Parmenides), oder die Identität des Einen und des 
Vielen im Werden (beim Heraklit) hob jedes Sein in der Allgemeinheit 
ebensowol auf als das Nichtsein , so jedoch dasz hier Sein und Nic]^-> 
sein in den ^inenBegrifrdesW.erden8 verschmolzen, wähi^end die ersten 
Versuche der lonier, welche das Sein ein Zwiefaches, wie "Wärrtie* 
und Kälte, oder ein Dreifaches nannten, den Begriff des Sein an sich 
auszen vor lieszen und völlig, was es sei, verdunkelten« Mit dieser 
letztem Bemerkung inacht sich Platon von der Kritik der im Sophisten 
(343 D — ^244 B) beröhrten Ansicht der sog. Naturphilosophen (vgl. Her-: 
mann a. 0. S. 146 mit Anm. 26 u. 26) 'los. Den Fortschritt, weichet' 
gegenüber dieser Art rein materieller Betrachtung die Ansicht des Pai^- 
menides zu einer höbern Abstraction des reinen Eins charakterisiert, 
beachtet Platon von dem von ihm eingenommenen Standpunkt aus nicht,' 
auf dem es ihm nur darauf ankam ^ das bereits anders gefaszte Eins 
mit der Vielheit in einer Vermittlung zu denken , ' durch welche da» 
begrififUche Eins' in der Manigfaltigkeit vermöge dialektischer Me- 
thode, wenn richtig gesucht, auf der einen Seite das Wissen b^edingte, 
während auf der andern Seite die falsche Combination zwischen Be- 
griff und Manigfaltigkeit oder zwischen dem ManigfaUigen allein 
vermöge Unklarheit die Möglichkeit der falschen Meinung voraussetzte. 
Er beseitigt jenes Philosophem der Materialisten , krrflpit aber die Kritik 
der patmen ideischen Ansicht ohne weiteres daran , wie er sie (346 £) 
mit jenem, als dem Wesen nach demselben, unter dieselben Worte 
subsumiert. Der Widerspruch nemlich , welcher darin liegt , Von dem 
Ein als Sein zu sprechen, ist in der Duplicitäi' des Ausdrucks, wel- 
cher, am Eins zu bezeichnen, nldil zwiefach sein kaum cflüd als Zwie- 

9* 



128 £. A11;»era: zur BialekUk des Piaton. 

foches, das Eins sein soll, den einen oder andern Ausdruck zum re- 
lativen Attribut herabdrückt, zum Namen eines Namens, wornach das 
Ein nicht als Sein, sondern als seiendes Ein bezeichnet wird, als ein 
des Seins an sich entbehrendes Ein an sich (24^ C D). Bas Ein als 
All zu bezeichnen ist ebenfalls Widerspruch. Insofern das Sein nem- 
lieh seiner Natur nach auch dem Ein innewohnen kann, ist es doch 
mit dem Ein nicht zu identificieren (245 B). Insofern aber das AU 
nicht ohne Theile zu denken, in der Identität der Theile freilich das 
Ein sein kann, ist es doch insofern das Ein nicht, als der Natur des 
Ein der Theil widerspricht. Sind nun das Sein und das All nicht 
identisch, so wird steh nicht blosz zeigen, dasz der Inbegriff aller 
seienden Theile mehr sein könne als dies Ein, sondern das Ganze, 
auszer dasz es ein Nichtsein begreift, auch nicht werden kann zanfi 
Sein, vielmehr jedes, wie es eben wird, so grosz oder so klein, das. 
Ganze ist, insofern es ein Sein ist. Plalon geht aber über die Ansicht 
des Parmenides mit dieser Auffassung eines aus Thellen bestehenden 
Ganzen hinaus, aus welchem Begriff heraus Sein und Ein auseinander- 
fallen. Ihm lag der G^edanke nahe, um die Einheit dennoch festzu- 
halten, den aligemein abstracten, mit dem Sein als realen Stoff zu- 
sammengehenden Begriff desselben nun im besondern als Form zo 
fassen, welcher die ManigfalUgkeit reflectiere und ihr in der Weise 
Bestimmtheit gebe, dasz alles an ihr, was nicht Einheil sei, als Nicht- 
sein erscheint, ein Nichtsein, von welchem bei der parmenideisehen 
Ansicht, die ein Manigfaltijges entweder gar nicht oder doch in Ver- 
mittlung mit dem Ein nicht anerkennt , gar nicht die Rede sein kann. 
Daraus erhellt sogleich der wesentliche Unterschied, dasz für Parme- 
nides alles Wissen in keiner Weise die Erkenntnis des Ein im Manig- 
faltigen ist, für Piaton aber das Wissen der Einheit das Wissen der 
ManigfalUgkeit in der Einheit voraussetzt, während sogleich die Mög- 
Uehkeit gegeben ist, dasz die falsche Meinung zur Erf^issung der Ein- 
heit im Manigfaltigen nicht vorschreile, sondern im MaDigfaltigen, 
ohne die Einheit zu gewinnen, hangen bleibt, in welchem Fall das 
Manigfaltige das Nichtsein ist , was Piaton zu erweisen strebt. Bt'iekt 
diese Ansicht aus. der Kritik des parmenideisehen Ein, als Ganzes. ge- 
faszt, durch, so wird sie mehr und mehr in der Kritik der folgenden 
Philosopheme bestätigt. 

§ 2. Wie die Atomisten and Megariker. Von dem 
Standpunkt aus , auf welchem Piaton vermittelst seiner Ideenlehre die 
Wissenschaft in dem: Sinn für möglich hielt, als auch die Vielheit 
nicht ohne Vermittlung mit derselben blieb, sondern soweit sie Idee 
sei, der wissenschaftlichen ErkeiiTitnis zugänglich war, während auf 
dem Gebiet der ideenlosen Manigfalligkeil in falscher Combination die 
üBtlsche Meinung sich bewegte : von diesem Standpunkt aus sah Pia- 
ton in dem System der Atomisten ebensowol als in dem bei weitem 
jüngeren, von. Platon durch persönlichen Verkehr (248 B) kennen ge- 
lernten *Philosophem der Megariker eine mit seiner Ansicht unver- 
trägliche Einseitigkeit, vermöge der er die beiden der Zeit nach ein- 



£. A&ecU: rar DkldOik des Pklon. ISO 

aftder enCfemi liegenden philoso^ischen SpeeiilaüooeB zusammen- 
siellte, ohne der historisehen fintwieklung- seine Aufmerksamkeit vet 
ter zu schenken (346 — ^249 !>). Was das System der Atomistai be- 
triff!, so konnte in ihm, weil es bei allem Scharfsinn, die Vielheit 
auf Ucbestandtheile zurückzurüÄren und aus ihnen zu erklären, aus 
dem Wesen der Vielheit und des Stofflichen nicht heraus zu einer 
höhern Einheit kam , von einem über dem Gebiet der Wahrnehmung 
in den Begriffen ruhenden Wissen schwerlich die Rede sein, und musle 
es far .Piaton genügen sie des Widerspruchs zu überführen, das Be* 
griffUche in gewisser Hinsicht annehmen zu müssen. Denn ob sie 
gleich der Seele keine Immaterialität zugestanden , so musten sie doch 
das Vermögen an sich , nach welchem ein Körper überall etwas ande« 
res machen oder leiden kann, als ein Abstraetcs annehmen, zumal in 
ihrem System Ausdrücke wie nu^aylyvea&at und autoyfyvsff^ai vor- 
kamen, die auf ein solches Vermögen hinwiesen. Wie bei einer Theo- 
rie, in der das Werden der Vielheit aus Atomen die Hauptgedanken 
bildet, ein Vermögen, wodurch sie wird, mag dieses in Zufall beste- 
hen oder im Naturgesetz begründet sein , als Begriff abstrahiert wird, 
dessen reelle Wirkung zwar in den Atomen wirksam ist, ohne welchen 
an sich aber dieselben auch nicht wirksam gedacht werden können, 
erkennt Piaton mit Recht in diesem Vermögen einen ursprüngUeh 
auszen stehenden Begriff, welcher der Reflexion über die Möglichkeit 
atomischer Bildung, d. h. der Vielheit überhaupt nothwendig ist. 
Nimmt dagegen eine andere, bereits über die materielle Einseitigkeii 
gehobene Theorie, welche das Sein gewisser und zwar begrifflicher Ein* 
heilen auszer der Vielheit für Wahrheit anerkennt , diese Möglichkeit 
etwas zu thun oder zu leiden nicht an, wie dies die Ansicht der Me- 
gariker war , so ist hier von einem Wissen der Einheilen nicht zu reden 
möglich, wenn anders jene Einheiten auch sind, insofern sie dem 
Bewuslbsetn zugänglich sind. Denn ein absolutes Sein und ein Sein, 
das ins Bewostsein fällt , oder cin^ unvermitteltes Sein und ein vermil« 
teltes ist nicht dasselbe , wenigstens dieses , insoweit es erkannt wird, 
affi^clert, jenes aber für uns überall ein bestimmungsloses Unding ohne 
jegliches Attribut. Faszien die Atomisten die Bewegung identisch mit 
ihrer stets werdenden Vielheit, ohne feste Begriffe anzunehmen: so 
identiUcierten die Megariker die Ruhe mit ihren Begriffen , ohne eine 
Combination anzunehmen , die ihr Wissen ermöglichte. Die absolute 
Fassung der beiden Begriffe entweder der Bewegung oder der Ruhe 
gestallet aber in beiden Fällen kein Wissen entweder von der Vielheit 
oder von der Einheit. Aus dieser Verlegenheit kann eine Combination 
des Begriffs mit der Manigfaltigkeit in der Weise retten, dasz man beide 
dem Sein subsumiere, sogleieh aber das Nichtsein entgegenstelle, in- 
dem man annehme, dasz insofern die Ruhe das Sein sei, das Sein 
nicht die Bewegung sei. Diese Combination, diese lieber- und Unter- 
ordnung der Begriffe untereinander ist im speciellen Fall die bestimmte 
Interpretation des Wissens, die sichere, mit begrifflicher Strenge und 
Unierseheidung alles Unterschiedlichen durchgeführte Methode der 



tSD E. Alberti: sor MüeltfiL 4m Pfetan. 

DialektflL. Bm OnttrscUeittiehe ist 4«s «irri^, degscn Plalon i 
960 S ak deijenigeA gedenkt, was doreh GegeMteUoiig klarer würde; 
es ist der Reflex des bestimmten Begriffs an vielem, was nieht bestimmter 
Begriff ist, ist z. B. am Begriffe des guten Mensehen der Menseh, der 
in vieler Hinsieht auch nieht ist« DielComliinalion der Begriffe ist also 
raöglicb, wenn sie sich vom allgemeineren zum besondern unterord- 
nen und wenn der Begriff vielfach bestimmtes ist, an unendlich vielem, 
was er nicht ist, refleetiert wird. Der Reflex an der Vielheit gehört 
nothwendig dazu, den Begriff zu bestimmen, insofern aber der Reflex 
des Vielen, was der Begriff nieht ist, das Nichtsein ist, dessen Mög- 
lichkeit von vorn herein erwiesen werden sollte, so zeigt sich, dasz 
bei stattfindender Combination der Begriffe dieses Nichtsein in der 
Vielheit dergestalt ist , dasz der allgemeinere Begriff gegen den ihm 
untergeordneten in dem Verhältnis steht, wie ein allgemeinerer Reflex 
des Nichtsein zu einem besondern, obgleich zwar die Begriffe an sieh, 
in der Abgezogenheit voneinander gedacht, dieselbe allgemeine We- 
senheit unter sich theilen, doch eine solche, die f&r das Wissen keine 
ist. Dasz die Megariker die Begriffe blosz in der Allgemeinheit auf- 
stellten , ohne die Vielheit derselben unter sich refleclieren zu lassen 
und der Vielheit neben jenen auch ein Sein , wenn auch in der Form 
des Nichtsein neben den Ideen zuzutheiien , das war der Mangel ihres 
Systems, wie es das 251 B C erwähnte Beispiel deutlich darthut 

§ 3. Die dialektische Methode und Combination 
der Begriffe, ^^xsqov. Wie die Combination der Begriffe , wie 
ihre Ueber- und Unterordnung sei, um dem Wissen zu dienen, diesen 
Gedanken verfolgt Piaton im folgenden Theil des Sophisten mehr und 
mehr. Nach den Worten 253 C besteht die dialektische Methode darin, 
einen Begriff nach seiner Combination mit vielen (Sta noXXmv navtf^ 
duftitccfiivtiv), deren jeder verschieden ist, und viele nach ihrer Com« 
bination mit einem («al fcellag imo fiuig jte^uxofiivag) , sowie einen Be- 
griff in seinem einheitlichen Zusammenhang durch viele (fäcsv di oXwy 
jsolXcSv iv M cwi^fifUiffiv) und die vielen in ihrer absoluten Ver« 
schiedenheit (fgoJiXag x<»^i$ nivtri dito^^ivaq) hinlänglich wahrneh- 
men zu können, und dieses ist dasselbe, heiszt es an derselben Stelle, 
als nach Art zu entscheiden wissen , wie (j;) jeder Begriff sich ver- 
einen könne und wo (iny) nicht. Dasz aber dieses letztere auf die 
Vielheit geht , welche im Reflex der an ihnen in gewisser Combination 
arscheinenden Begriffe steht, ist klar, sowie auch dasz die Vielheit, 
insofern an ihr die Begriffe erkannt sind, unter das Wissen fällt und 
nur ist, insoweit sie Begriff ist (vgl. Zeller a. 0. S. 187). Diese be- 
griffliche Construction, vermöge deren sowol die Begriff» an sieh 
im Verhältnis stehen, wie die Vielheit durch das Verhältnis jener dem 
Wissen zugänglich wird, vermiszte Pli^n an allen Philosophemen, 
deren er resümierend 262 A — E wieder gedenkt und die er aus diesem 
Gesichtspunkt behandelt. Von dreien Versuchen ist jener für die Wissen- 
schaft subjectiv oder objectiv — denn beides fällt ziisammen, das 
Wissen mit den Sein — der allein mögliche. Die Atomisten wie die 



E. AUKiä : mr DMokÜk <lt»nttlo&. fSl 

die Anhänger des HeraUit wie die Megariker, tUe hailen 
naoh Piaton keine Vermittlung zwischen ov und jk^ Sv erreieht« Weil 
das ov an sich in unliegrenzter Ausdehnung seiner durch Combinatton 
untereinander nicht begrenzten Wesenheit verblieb, so drängte es 
sieh ailenlhalben hervor, um Widerspräche zu erzeugen. Blieb aber 
dieser Versuch ungenügend, so genügte ein anderer ebensowenig, 
welcher die fiegriife selbst durch absolute Unbedingtheit der Vermitt- 
lung wieder aufhob. Piaton entgieng beiden Irlhümern durch die 
Annahme: die Vermittlung ist bedingt, und zwar bleibt es der dialek- 
tischen Methode vorbehalten an der Corabinalionsiahigkeit der Begriffe 
nach der 153 D £ auseinandergesetzten Weise richtig zur Erkenntnis 
vorzttschreiten. Wird dieser Erklärung die fernere Unterscheidung 
zwischen einem Philosophen und Sophisten unmittelbar angefügt (254 A) 
und ¥rird unter dem bezeichneten, womit sich jener beschäftigt, die 
richtige Gombination der Begriffe verslanden, wovon ein Beispiel folgt 
(354 D — 259B), so kann jetzt auch das firi ov, als worin das Wesen des 
Sc^histen wurzelt, bestimmter gefaszt und die 'tl^evö^g öo^^e auf dem Ge- 
biete desselben näher erklärt werden,insofern schon klar ist,dasz dasViele, 
was Begriff nicht ist und ihm gegenüber das ^ats^ov bildete, für begriff- 
liche Wahrheit oder Wissen nur von der tfiev^i^ io^a ausgegeben wird« 
Nachdem sich dem ov oder dem Begriff das ^axiqov entgegen- 
gestdlthat, ist er nach dem allgemeinen Ausdruck, dasz das Sein 
nieht ohne das Nichtsein gewust wird, bestimmbar geworden. Die 
Kritik im Theaetet führte zum Begriff (185 C) , die Kritik im Sophisten 
zu dem was nicht Begriff ist (258 D) , so dasz eine die andere ergänzt. 
Um die Begriffe untereinander zu bestimmen , dient als Beispiel der ' 
Versuch an den fünf allgemeinsten (254 D (AiyiOTa) Begriffen: Sein, 
Anderes, Dasselbe, Ruhe, Bewegung. Wir bemerken: an sich ist 
jeder Begriff «ocvrov, bei der Gegenstellung zum andern ist das ^ors* 
^ov (355 D), zwischen 0rcciStg und vivrfi$g ist das ^arc^ov als Gegensatz, 
zwischen dem ov und jedem der beiden andern als Unterordnung. Be- 
griffe im Gegensatz können an einem dritten, aber nicht unter sich in 
Verbindung treten (256 B a. £.). Die Begriffe tavsov und ^ate^ 
sind solche, welche das Verhältnis der andern bezeichnen, und immer 
mit den andern gegeben (avftfitywiiivm i%slvo$g i^ ivciy%tis ««/). 
Jeder Begriff hat in den vier andern ebensoviele Bestimmungen des 
Nichtsein, z. B, die Bewegung ist nicht tavxov^ nicht ^at€(fov^ nicht 
(nu0$gj nicht ov, und wenn tuvzov und ov nicht verschieden wären, 
so wären die ittuif^g und die Hlvffitg.^ welche beide:n untergeordnet 
werden, beide an einem dritten ein vavvovj was unmöglich ist (255 B 
g* £•), und ov und &ateQOv sind, verschieden , denn oxiotq und «^ 
vnfit^ sind nieht ebenso, wie sie ein anderes sind; am Sein sind beide 
nebengeordnet, am Andern scblieszen sie sich aus^ Ist jeder Begriff, 
so setzt er mit dem Sein ein unendliches Nichtsein : das Nichtsein der 
Bewegung ist das Sein der Ruhe , des Oars^ov, des ov, des tawtov 
und so ins unendliche, so dasz das. Nichtsein jedes Begriffs Sa$v4fifV 
ist, und dem Sein, an dem alle Begriffe Theil haben, ist das Sein 



ISS E. Albefti: zur Bcri^ktik des Piatoni 

der Begriffe das Ntehteein. * Hier ist klar, dasz ehien Begriff er- 
kennen ihn im Reflex des Nichtsein bis zur untersehiedKdien Be- 
stimmtheit verfolgen heiszt, was ohne den Reflex unmöglich ist, wie 
dieses in der Formel vom Ein und Nicht-Ein ausgedröckt so viel be- 
deutet , als dasz das Ein nicht ohne das Nicht-Ein sein kann und um- 
gekehrt, oder an einem Beispiel: ein guter Mensch ist ohne die Be- 
griffe gut, Mensch und all das unendliche was er nicht ist, Thier, 
schlecht usw. nicht zu denken. Nichtsein ist immer, zwar nicht an den 
Begriffen an sich, aber diese sind auch fQr das Wissen keine, sondern 
in dem Verhältnis der Begriffe unter sich, und die Begriffe werden 
dadurch Verstandesbegriffe , dasz sie im Verhältnis zu den Begriffen, 
welche sie nicht sind , aufgefaszt werden. Denn über alle Begriffe ist 
das Nichtsein vertheilt nicht als ein Gegentheil (ivavrlov) des Sein; 
sondern auch als ein , allerdings dem bestimmten Sein des einzelnen 
Begriffs entgegenstehendes Sein (ftf^ov 257 B), ganz in demselben Ver- 
hältnis wie grosz und nichlgrosz sich entgegenstehen und beide sind. 
Es leuchtet ein, dasz die logische Definition mit dem Begriffais Verstandes- 
begriff zusammenfällt und denVerstandesbegriff bis zur bestimmten Unter- 
schiedlichkeit von jeglichem '^crre^ov loslösen eben ihn definieren heiszt, 
was dasselbe mit der 253 C beschriebenen dialektischen Methode ist. 

§ 4. Das Verhältnis des Xoyog, der diavoict, über- 
haupt der Auffassung zum Nichtsein. Wie die Erörterung 
im Sophisten dient, um nach der logischen Seite die Definition vom 
Wissen im Theaetet zu vervollkommnen , welchem Zweck auch das 
femer über das Wort und die falsche Meinung gesagte und sehr an 
' den Theaetet erinnernde sich anschlieszt, so handelt sie auf der andern 
Seite über den Begriff gerade so, dasz er, wie er logisch bestimmt 
ist, ontologisch da ist, in einer Weise welche zwischen der logischen 
und ontologischen Seite nicht unterscheidet. So lange die Definition 
den Begriff nicht vom ^itsQOv getrennt hat, fehlt ihr Beslimmtheitj 
sie setzt statt Wissen vielmehr falsche Meinung voraus (260 C), wie 
dieselbe nach Theaet 189 B ein Meinen des Nichtseienden ist. Wurde 
der Begriff überall als ein Gegenstand der Definition behandelt, so 
konnte sich die Frage aufwerfen (260 E ra^a d' av ipalrj)^. hat das 
Wort, welches die Definition ausdrückt, am Nichtsein Theil und ist 
deshalb falsche Definition möglich? eine Frage die auch vor und 
während Plalons Lebenszeit aufgeworfen worden ist und welche auf 
die öiavota ausgedehnt wurde, indem man fragte, ob diese am Nicht- 
sein Theil habe. Das Wort wird hier ( 260 D f.) ergänzend zum 
Theaetet (209 A und 210 A und der ganzen vorhergehenden etymolo- 
gisöhen Auffassung und dem Verständnis des Worts nach der ^o6og 
tßv axoiyjBltQv) als Vehikel des Begriffs nach den zwei Wortarten, die 
zur Verbindung nothwendig sind , dem ^^fttf und dem ovofft« unter- 
schieden und ihre Verbindung ist der X6yog\ denn nach der Verbin- 
dung oder NichtVerbindung wird Xiyuv und hvo^ii^Hv (262 D) als 
Ausdruck des Seins vom Sein und NichtäMn (262 C) von der inhalt- 
lösen Aussprache des Wortlauts unterschieden, wie denn auch beim 



E. Alb«rU : zm Uatefetlk d^ Plalon« IM 

Wort 4Mit^e wie beim &eg>riff gilt, dass erst die Verbindung 
das Verständnis des Worts wie dort des Begriifs eröffnet. Diese 
nemHefa drückt immer etwas aus; was s^e aber ausdrückt, das 
kann nur zweierlei sein, 8ein oder Nichtsein; ist es jenes, so 
ist das Wort wahr, ist es dieses (das Nichtsein, wie wir es kennen 
geleml hab^) , so ist das Wort falsch , und weil das Nichtsein von 
jedem Sein ein unendliches ist, so kann das Wort unendlich vielfach 
ein falsches sein, z. B. der Mensch ist Thier, Baum usw., und weil 
das Sein g^e^nüber dem Nichtsein eine Reihe Bestimmung^en hat, viel- 
fach wahr, z« 6* der Mensch ist ein vernünftiges Wesen, ist sterblich 
usw. Mit Rückblick auf Theaet. 169 D E, wo* die dtavouc als ein 
Sprechen der Seele mit sich selbst erklärt wurde, heiszt jetzt der 
Hyog der Ausdruck der dtavouc, und zwar wird in dieser die fpavtatsUt 
von der ^o|a unterschieden , welche ein Meinen über die durch die 
Sinne vermittelten Eindrücke ist, so dasz hiernach dem im Theaet. 161 D 
erwähnten do^aiBiv dC nl^^rfiemg^ gegenüber dem do^ainv der Seele 
amil na^ av%<qv^ ein Name zugetheilt wird. Die iiivoia aber findet 
als ein innerer dtiloyog in tpictg und i7t6q>€iCiq die Beendigung 
{oTUntUvtffitq) des Sprechens in der do|tf. Dasz nun auch diesen 
dreien Vermögen der Seele die falsche Meinung innewohne , wird aus 
ihrer Verwandtschaft mit dem koyog kurz erwiesen ; doch dient der 
Erweis, um die Definition der sophistischen Kunst zu erhärten als 
derjenigen , welche , wie sie nun im allgemeinen das fi^ ov teuschend 
mit dem ov des Worts, der Meinung und Phantasie zu bemänteln, an 
jenem dieses nachzuahmen sucht, im besondern nach der Art und 
Weise, wie sie in dieser teuschenden Nachahmung verfahrt, erklärt, 
zugleich aber einer ebenso speciell nach Art und Weise gezeichneten 
sfaatsmännischen Nachahmungskunst entgegengestellt wird. Wort und 
Meinung selbst werden hier als Nachahmungen dessen gefaszt, was 
an den Begriffen prototypisch ist oder nicht ist, falsches Wort im beson- 
dern als Nachahmung dessen, was an den Begriffen das Nichtsein 
ist, so jedoch dasz vor einer solchen Nachahmung das Sein und das 
Nichtsein selbst sich verwischen und verdunkeln. Deshalb do^ofeifcf^ 
«i»^. In der correspondierend in je 2 Theile zerlegten göttlichen und 
menschlicheif Kunst wird in jeder vom Prototyp ein Bild unterschieden, 
jenes x6 uv%6 und die Kunst es zu schaffen uvtfMovqcMr^^ dieses 
Of&ofofia und die Kunst es zu schaffen tidiahMoui^ genannt, und man 
darf annehmen, dasz das Prototyp den wahren Abdruck des Begriffs 
als Erscheinung , in welcher er erkannt werde , und das eiSoilov als 
eine zweite Copie des Begriffs nach Verhältnissen in Wort, Farbe usw. 
die Erscheinung ausdrückt , so dasz der üiolwto^iauq Wahrheit inne- 
wohnt, insofern die Verhältnisse den Begriff des auszudrückenden 
nicht verdunkeln, im entgegengesetzten Fall, wenn die Verhliltnisse 
nur scheinbar sind, in ihr nur dann Wahrheit ist, wenn die Verhält- 
nisse das Wissen des prototypischen Begriffs niicht ausschlieszen. Die 
Maehahmung nach wahren Verhältnissen heiszt d%a<s%t,%ri^ die Nach- 
ahmimg naob scheinbaren Verhältnissen ist die ^vtuctwq^ und diese. 



IM £. Alberfi: w Diatakttt d«t PlaAon. 

von ktinem Wissen um dns Prototyp begl^kt^ die iol^ßiufufßf^ii^. In 
sUer Kunst, mag sie im Bild oder ohne Bild sich darstellen, gilt aber 
Wahrheit nur, insofern die Kunst Wissen ist, wie von ihren Darstel- 
lungen , insofern sie auf den Begriff zurückweisen. Die natHrliche 
Welt selbst wie die Bilder derselben in Schatten, Wasser usw. sind 
ebenso wol nur wahr, insofern sie im Reflex des Begriffes erscheinen, 
als des Menschen Schöpfungen in That und Wort und die Nachbilder 
seiner Schöpfungen nur im Reflex des Begriffs wahr sind und sind, 
und dasz der Begriff die Einheit wie die Wahrheit der Welt wie der 
Gedanken bilde, geht aU Faden durch den ganzen Excurs über die 
Kunst und die Nachahmung , wie es anderseits nach den in Folge des 
durchgegangenen Beispiels (255 D f.) gefallenen Aeuszerungen über 
die Begriffe , sowie mehreren andern Orten anders nicht folgen konnte, 
obwol freilich die Begriffe selbst als Einheiten, an denen da^ Sein 
und das Nichtsein nothwendig seien , in der nothwendigen Gegenüber- 
stellung zur Vielheit der Erscheinung einer vervollständigenden dia- 
lektischen Erörterung noch bedurften, zumal da sich das Gebiet der 
Erscheinung, wie es von jeder Art der genannten göttlichen und 
menschlichen Kunst dargestellt und von der Meinung und dem Worte 
aufgefaszt wurde , jetzt noch deutlicher gezeigt haU 

§5. Hinüberleitung in den Parmenides. Da kommt 
es nun darauf an, dieses im Sophisten hervorblickende Verhältnis des 
Begriffs zur Vielheit gegen die dagegen sich erhebenden Bedenken 
und in entschiedenem Erweis die nolhwendige Zusammengehörigkeit 
beider festzustellen, eine Aufgabe die des Gespräches unmittelbare 
Vollendung zu sein und auf welche nun der Schlusz des Sophisten 
von neuem hinzuweisen scheint , wenn gleich dieselbe tiefer noch 
mit dem angenommenen philosophischen Standpunkt des Piaton zu« 
sammenhieng , als dasz sie , allein aus jener Schluszbetrachtung des 
Sophisten hervorgegangen, endlich im Parmenides ihren entschiede- 
nen Ausdruck gefunden hat; vielmehr ist sie nun auch und zwar als 
letzte Consequenz aus der im Theaetet aufgeworfenen Frage, was 
Wissenschaft sei , an welche schon der Sophist sich geknüpft halte, 
anzusehen , eine Consequenz welche den kritisch durchgegangenen 
Phflosophemen die platonische Philosophie entgegenstellte. Denn ge* 
genüber der heraklitisch-sophistischen Ansicht nahm der Theaetet einer- 
seits Begriffe an und anderseits eine Unterschiedlichkeit derselben, 
ohne deren nähere Bestimmung falsche Meinung möglich sei , d. h* er 
setzte zunächst Formen, in welchen die Flut der Erscheinungen zu 
denkbaren Einheiten beharrte; anschlieszend daran und zwischen 
Denk* und ontologischen Begriffen nicht unterscheidend erwies, der 
Sophist zu der Gombinationsfahigkeit in Begriffen die Nothwendigkeit 
des (n^ ov, indem er die Erscheinungen auszer Augen Hess, in der 
•Stellimg der Begriffe untereinander. In diesem gewonnenen Begriffe 
aber stellen sich den Begriffen die Erscheinungen auch schon wieder 
zur Seite. Denn die Begriffe, welche den einzelnen Begriff im Ver- 
hältnis zu sich selbst bestimmen und in diesem Sinn das f^ av bUd^sa, 



E. Albertii: aur BMektlk dtts FUtoa. 185 

stehn do<^ nach der uaendHeheii ReUie , worin die Begriffe theils in 
Ijieils ohne Verbindung sieh gegenüberstehen, auch mdgiidierweise 
vielfoeh in Neben-, lieber- und Unterordnung, und so ist jeder Begriff 
in ebenso vielen Erscheinungen gefaszt, als Verbindungen existieren, 
z. B. der gute Mensch, der schlechte Mensch usw., weshalb schon im 
Sophisten gesagt ist, einige Begriffe verbinden sich mit einigen , mit 
andern nicht. Diese Reihe von Verbindungen , in der jeder Begriff 
ist, dient nun wiederum, um ihn seiner einheitlichen Bestimmtheit 
nach mit dem Inhalt zu ergänzen, und so sehr der Begriff die einheü» 
liehe Realität ist, so wenig ist doch dieselbe ohne jene Verbindun- 
gen, und wie dieses gilt, so gilt auch die Umkehr des Salzes, dasz 
nemlich ^ie Reihe von Verbindungen nicht ist ohne die einheitliche 
Realität. Die Vielheit , in die sich auf diesem Wege der Verbindung 
Jeder Begriff gleichsam zerspaltet, bildet einen unendlichen Inhalt 
desselben, dessen Form er in der Einheit ausdrückt, und dem es, so- 
fern der Begriff in ihm ist, nicht an Realität fehlt. Haben wir aber 
nun diese Ansicht des Piaion bis jetzt aus den Folgerungen schlieszen 
können, welche der Sophist an die Hand gibt, so ergibt sich, um den 
Parmenides aufzufassen, ein anderer Gesichtspunkt, als der ist, von 
welchem aus man den Piaton damit beschäftigt sieht, die Ideen in 
ihrem Verhältnis zueinander zu erweisen, was er doch schon im 
Sophisten gelhan hat (Hegel), oder als der ist, von welchem aus er 
der Methode der Dialektik und dem Trieb eignen Forschens gedient 
haben soll (Schleiermacher, Ast); es ergibt sich vielmehr der Ge- 
sichtspunkt, aus welchem Zeller a. 0. S. 186 f. kurz und treffend den 
Parmenides an den Sophisten angeschlossen hat. 

Drittes Capitel. 
Ueber den Parmenides. 

§ 1. Der Eingang des Gesprächs nach dem Zusam- 
menhang mit dem Sophisten. Die Ideen. Darnach fragt sieh 
Jedoch, ob der Parmenides diese Ansieht, mit welcher er betrachtet wird, 
Teehtferligt und ob er wirklich den Beweis enthält, dasz die Erscheinungs- 
weit gegenüber den Begriffen nicht anders aufzufassen sei als das Ver- 
hältnis, in welchem die Ideen untereinander sich nicht ausschlieszen, son- 
dern verbinden. Die eben genannten Ansichten, die dieses zur Frage ge- 
stellt haben , widerlegen sich am besten durch den Gang des Gesprächs 
eelbsL Der Ausgang von Zenons Satz ftijf nokXa slvai und der Gegen- 
satz des Sokrates 'Begriffe sind' leitet zunächst die Schwierigkeiten 
eich das Verhältnis der Vieftieit zu den Begriffen zu denken ein. Der 
versteckte Sinn des zenonischen Satzes geht mit dem parmenideisdien, 
dessen Stütze er sein soll , parallel. Bemerkt man dasz die Wendung 
auf die Ideen geschieht, um der Schwierigkeit, von dem Vielen so- 
gleich dies und das Gegenlheil aussagen zu kennen, vorzubeugen: 
so liegt die Absicht vor, keineswegs die Untersuchung auf das Wesen 
der Begriffe an sich allein hinüberzuleiten, sondern die ErscheinoAg 



IM E. AlberU: zur OmMOUl des Plotoa. 

durch Be§^ffe dergestalt zu eridßü^n, da» mA an ihr» ohne dasz 
aie das unmdglicfae erleidet, entgegengesetzte Bestimmungeo vereini- 
gen. Hat nun der Sophist unter den Begriffen an sich das ^«m^ov 
als fi^ ov erklärt, so ergibt sich , dasz an der Erscheinung, an welcher 
mehrere Begriffe sich vereinigen, der Begriff mit dem ^avc^v er- 
scheint. Das Sein und Nichtsein vermischen sich in dem Sinn, da^ 
das Nichtsein jedes bestimmten Begriffs die andern sind , welche an 
ihm sich zusammenstellen. Die Auseinandersetzung einer solchen 
Natur, welcher der Parmenides gewidmet ist, ist ohne die im Sophi- 
sten vorangegangene Untersuchung über die Begriffe nicht wol mög- 
lich anzunehmen, weil sie nicht allein schon diese, sondern auch die 
Möglichkeil ihrer Gombination untereinander als erwiesen voraussetzt 
Der Sophist hat diese Gombination der Begriffe, wie schon oben be- 
merkt, nach lieber-, Neben- und Unterstellung (2d4B) charakterisiert und 
zwischen Begriffjen, die keine Gombination gestatten (vit dh fii})> die 
tccvrov sind, und weiteren und engeren Begriffen der Beiordnung (xa 
fiiv in oXlyoVy xa. d' ijA nolXa), also Praedicatsbegriffen unter- 
schieden. Ferner war im Sophisten das Sein der Begriffe an sich 
von dem Sein, an dem sie mit andern Theil haben, durch die Lehre 
von ihrer Ueber- und Unterordnung; das Sein des Begriffs wie das 
seines Gegenlheils 257 B in der Lehre vom Srs(^v des Nichtsein ge- 
trennt. Auch in der von Zeller richtig gedeuteten Stelle 25S G geht 
das ojty auf die concreten Erscheinungen, in denen mehrere und ent- 
gegensiehende Begriffe sich vereinen können. Der ganze Abschnitt 
steht als Thcil einer Abhandlung über die Begriffe an sich da, ohne 
dasz sie an den Erscheinungen gesucht und in sie hineingeführt wor- 
den sind. Damit war einem Theil der Forderung, welche Zenon 
ausspricht (Parm. 129 E), die Begriffe zuvörderst an und für sich zu 
trennen und dann zu beweisen, wie sie sich untereinander vermischen 
und voneinander unterscheiden , im Sophisten Genüge geschehn. Doch 
war der von Sokrates gleich darauf geäuszerten Ansicht: ich wurde 
es um so lieber sehn, je mehr man diese Schwierigkeit im allgemei- 
nen bei den Begriffen , wie bei denen die man an den sichtbaren Dingen 
wahrnimmt (o^oo/xivoi^) , so bei den mit der Vernunft erfaszlen auf- 
zeigt, noch keineswegs vollständig nachgekommen. Es war, trotz 
aller zerstreuten Bemerkungen, in dem Zusammenhang der ganzen 
Betrachtung im Sophisten eine Vermischung der logischen und onto- 
logischen Seite der Begriffe sichtbar, welche dieser um so weniger 
zu ihrem Rechte verhUft, je mehr jene dem Zweck des Sophisten zu- 
nächst noch dient Ferner: der letzte Abschnitt über die avvii und 
stdmXa der Erscheinungswelt läszl nach dem Zusammenhang, in wel- 
chem er mit dem unmittelbar vorhergehenden (264 B) steht, das Ge- 
biet der falschen Meinung anders als in ihnen nicht suchen« Nach 
dem Grade, wie in ihnen Sein und Nichtsein sich verbindet, ist die 
Gelegenheit am Nichtsein haften zu bleiben gegeben, indem dann 
das Nichtsein der concreten Erscheinung nicht , wie in den logischen 
Begriffen untereinander, zur Bestimmung dient, sondern das wahre 



E. AMM : zur i^iaiekttk des Platon; 1S7 

Sein, d. h, den Be^ff ignorieren läszl. Hierbei aber erörtert der 
Sopfiäst die Stellung der Erscheinung^ zu den Begriffen nicht allein 
nicht, sondern, wie sie von einem werismeisternden Gott gebildet ist, 
entbehrt das Wie dieser Bildung jeder Andeutung auf den Begriff. 
Dieser Mangel setzt zwischen dem Standpunkt, die Welt von den Be- 
griffen unvermittelt durch einen selbstschöprerischen Act der göttlichen 
Kunst entstehen, und dem andern, sie in die Weltseele hineinbauen 
zu lassen, d. h. zwischen dem Sophisten und Timaeos eine Lücke der 
Speculation voraus. Diärin hätte das Verhältnis der Idee zur Erschei- 
nung metaphysisch erklärt werden müssen. Wir weichen deshalb 
von Zeller (S. 189) in der Hauptsache nicht ab, wenn sich zeigt, dasz 
der Parmenides die Lücke wirklich ausfüllt. 

§2. Die sieben Aporien. Betrachten wir ihn näher. Dasz 
Ttt nolXä des zenonischen Satzes die Vielheit der Erscheinungen der 
Weitsten, kann kein Zweifel sein, da die Begriffe erst aufgestellt 
werden und zwar so , als würde die Annahme derselben zum ersten- 
mal postuliert. Dieser tefuschende Umstand zeigt doch, dasz die 
Begriffe-, als wären sie noch gar nicht vorgekommen, durchaus metar 
physisch, unter einem neuen Gesichtspunkt aufgefaszt dienen sollen, 
die eirschelnende, unter sie gleichsam rabricierte Vielheit zu erklären. 
Sogleich wichtig ist, dasz durch die Begriffe die Vermittlung des 
Wissens geht. Die Vielheit nemlich ist das Gebiet der falschen Mei- 
nung, Insofern sie nicht die Folie und den Inhält des Begriffs,' son- 
dern einen selbständigen, ideenlosen Schein bildet. Ihr Verhälbiis 
in den Ideen nimmt ihr die Selbständigkeil zwar als Schein , aber gibt 
ihr Wesenheit als Begriffsinhalt Damit hört auch die falsche Meinung 
auf; statt derselben ist das Wissen. Indem dieses mit' dem Sein zu- 
sammenfallt, wird das Sein in seiner Bestimmtheit, in der Unter- 
scheidung vom Nichtsein begriffen. Dieses ist die nolhweiidige Be^ 
difigung^ wie für das Wissen so für das Sein, Also setzte sich uran- 
fang-Iich das Wissen in der Eeätität und in der gegenüber dem Nichtsein 
reflectierten Bestimmth»t des Sein. Die vielen Objecte sind nur, in- 
sofern sie in ihrer Bestimmtheit, wie am Ein, reflectiert werden. Die 
Begriffe sind die nothwendigen Regulative, welche die unbestimmte 
Vielheit zqjn Bewustsein bringen ; sie sind Bedingung des Sein und 
des Wissens. Versteht man das eigentliche Connexum, so ist Tren- 
nim^ nicht möglich (133 C. 134 A). Stellt man Begriff und Vielheii. 
^gegeneinander, statt in der Identität zusammen : so ergeben sich nicht 
zu losende Schwierigkeiten. 

Zeller zählt sie unter drei Nummern auf (S. 180). Eigentlich 
stehen die Aporien gegen die Art, sich die Ideen mit den Dingen ver- 
niflftelt und doch beide als selbständig zu denken (p. 131 — 133 B), den 
Aporien gegen die Art , sich die Ideen ohne Vermittlung zu denken 
(133 B — 134 E) entgegen. Doch sind die ersten Aporien solcher Art; 
dasz 'sie mehrere verschiedene Ansichten treffen: 1) die i^^elche die 
Begriffe ganz in mehreren Dingen sein läszt und zwar in verschiede- 
nen (131 A) und in gleichartigen, nur der Zeit nach getrennten, wie 



18fr E. Alberti : zar BtoMktIk des Pbilon. 

indeti Tagen (131 B); S) die ^elohe die Begriffe Xttin Th^il ia der 
Vielheit sieht (131 G— E); 3) die welche das Gemdnsame vieler Dinge 
als Idee erklärt (132 A B) ; 4) die welche die Begriffe für Denkformen 
und diese mit der Vielheit vermittelt annimmt (132 C); 5) die welche 
die Ideen für Urbilder der Vielheit und diese für Nachbilder hält (132 D. 
133 A). Dahingegen sind die Aporien der zweiten Art nur der dop- 
pelten Ansicht im Wege , weiche entweder 6) die logischen (132 C) 
oder 7) die ontologischen Begriffe mit der Vielheit gar nicht vermittelt 
(133 C — 134 E). 

Ad 1. Ist der Begriff an sich , so ist er in den Dingen ausser 
sich, wenn er ganz in den Dingen ist Das ist aber eine Aufhebung 
der Idee als einer, d. h. in sich. Wenn aber Sokrates bemerkt , dast 
das ildog des Tages ganz im Tage als Erscheinung, der Tag die ewige 
Aufeinanderfolge derselben Dinge ist, deren jedem der Begriff des 
Tages als Allgemeines zu Grunde liegt : so trifft hier zu , da der Tsig* 
einifUHOv in der Zeit ist, wie dieses 132 D definiert wird, dasz das 
ofAOtov der Erscheinung v5Uig das sUog ist und dieses d^ ebenso- 
wenig einem andern als der Erscheinung gleich ist , wie die Erschein 
nung einem andern als dem tldog. Sollen sie nun dennoch nicht das- 
selbe sein, so müssen sie mit einem dritten gleich sein, bä weichet 
Annahme nicht abzusehen ist , wo die Reihe aufhört und was das An* 
sich des Begriffes anders als die imendüche Vielheit ist. 

Ad 2. Ist der Tag als Idee dagegen nichts anderes als etwas, 
woran der Tag als Erscheinung in der Reihe der Tage einen Theil hat, 
so widerlegt Parmenides auch diese Art die Begriffe theilbar tVL den- 
ken aus den Widersprüchen , in welche sie dadurch mit sich selbst 
gerathen. Unmöglich ist es bei solchem Verhältnis Zu einem Wis- 
sen zu gelangen. Denn in dem, worin er getheilt ist, kann der Begriff 
niefat gedacht werden, wenn er nur als Einheit zum Bewustsein 
kommt. So wird z. B. der Begriff Grosze in dem kleinem Theil , als 
Grösze, ebensowenig als der Begriff Gleichheit in einem Theil, der 
von der Gleichheit abweicht , erfaszt (131 C D). 

Ad 3. Ein an den Erscheinungen als das gemeinsame aufge- 
faszteir Begriff ist so lange nur, bis ein ihn und die Erscheinungen um- 
fassender weiterer Begriff nicht vorhanden ist. Wo diesem aber bei 
einer unendlichen Reihe der Fall ist, geht jener Begriff in den dritten 
und immer ferneren auf. Wie dieses an dem Begnff der Gröaze gilt» 
so an jedem andern insoweit , als der Begriff nicht eher bestimmt wird, 
als bis die Reihe der Erscheinungen vollkommen abgeschlossen ist. 
Indem bei einer unendlichen dieses nie der Fall ist, itird aueh der 
Begriff nicht erklärt, wenn die Erscheinungen ihn besCimmen und 
nicht umgekehrt dieser implicite eine unendliche Vielheit in sieh trägt« 

Ad 4. Die Art die Begriffe als etwas aufzufassen, was allein im. 
Gedanken sei, wird 132 B C angeführt, utn der VerlegeiAeit, Welche 
die erste Auffassung von der Realität der Begriffe an sich bereifet bat, 
zu entgehen. Aus ihr aber entspringt eine andere ebenso grosze Aporie. 
Der Gedanke hat ein Substrat, ohne welches er nicht Gedanke ist. 



E. Alberti : aor Dtäiektik des PlAloa IM 

DieMs SabfCrat ial die Form, des Gedanke&s, das ddog^ sogleich auch 
gedachtes. Zwei Fälle sind mßgliefa: nach dem einen sieht die Form 
des Gedankens im Vefhällnis zur Vielheit. Dann ist der Begriff wie 
die \ielheit reiner Gedanke (navfavoif), und die Schwierigkeit, wie 
dadurch unmöglich die sinnlichen Erscheinungen erklärt werden , trer"* 
bietet auf der einen Seite , dasz die Form von vom herein aus dem 
Verh£Utnis zu diesem als rein gedachtes an sich losgelöst werde , als 
auf der andern Seite die ünmöglichlieit dem Versuche, in ihr als ma- 
terieller Einheit an sich die Vielheit zu begreifen, entg;egenstehl« 

Ad 5. Die Ansicht von Begriffen als Urbildern, denen die Er«* 
acheinungen als Nachbilder gleichen , insofern der begrifflichen Realitäi 
eine ebenso reale Gopie entgegensteht, stöszt auf die Unmdgltchkeit, 
zwischen beiden, als verschiedenartigem, scheiden zu können. Denn 
indem man scheidet, kann von Gleichheit nicht die Rede sein, sondern 
viehnehr mit dem Setzen eines Begriff» wird auch schon ein anderer 
Begriff gesetzt, zwischen welchem und der Erscheinung die Gleichheil 
möglicherweise vorhanden ist Weil es doch nicht der Fall ist, mnsz, 
um die nicht zu erreichende Congruenz zu erreichen , immer wieder 
ein anderer Begriff gesetzt werden. Vergleicht man die Stelle im So-» 
phislen (265 C — ^E) und bemerkt man an der Wendung des Gesprächs, 
welches von Theaetet die Anerkennung der ausgesprochenen Ansicht 
als confessio benevolentiae erwartet hat, dasz die Ansicht eine eigen- 
thOmliehe Stellung gegenüber dem tov TtoXkmf öoyfiati einnimmt : so 
darf etnestheils die Stelle nicht erklärt werden, dasz der Werkmeister 
die Erscheinungen als OjMuifuxta den Begriffen nachgebildet habe, 
^eil dieses gar nicht Piatons eigenthümliche Meinung ist, sowie an- 
demtheils die Eigenthümlichkeit derselben in den Worten liegt, dasz 
Gott fu%a I070V X8 Kctl iniifvi^firig d. h. ebenso die Welt gemacht habe, 
dasz dies beides an der Welt sichtbar ist. Daraus ergibt sich denn, 
mreil wir wissen dasz Xoyog und ktiaxfi(ifi vom Begriff gelten, als Con- 
seqnenz, dasz die Welt nur an dem Begriff oder in ihm gebildet sei 
und da sei. 

Ad 6. Die andere Seite« die Begriffe als Gedankehform ohne 
Vermittlung mit der Vielheit zu setzen, bewirkt, dasz sie auch un- 
denkbar sind , insofern eine Gedankenform ohne ein Substrat ein Un- 
ding ist. Ueberhaupt 

(Ad 7) das wichtigste, was gegen die Art Begriffe ohne Ver- 
mitUung mit der Vielheit zu denken spricht, ist die nothwendig wer* 
dende Aufhebung alles Wissens (133 B). Ohne nolhwendige begriff- 
liche Existenz ein objectiv Reales zu erkennen ist für uns unmöglich. 
£in Wissen von dem Begriff für sich kann nur im Verhältnis der Be- 
grifTe untereinander , ebenso ein Wissen der Vielheit unter sich nur 
im Verhältnis derselben unter sich verstanden werden. Was aber ist 
das Wissen z. B. eines Schönen ohne den Begriff der Schönheit? Oder 
wa» ist der Begriff der Schönheit ohne den Reflex eines Erscheinenden? 
Gewis, man musz darüber, was der Begriff sei, in diesem FaU mit 
Parmenides (136 A) in Verlegenheit sein , und ob sie auch noch so sehr 



140 E. Alb^li: sor DMiekHk des PURoil 

sei, die Well der Begriffe ist und UeiM eine terra ineegnit»^ SogieieU 
aber wird alle Dialektik aufgehoben (IdS C). Dagegen hat, um der 
uranfinglidi erhobenen Frage willen, was Wissen sei, der Unter'- 
Buehung nach dem Wesen des Begriffs die nach dem Wissen , und die 
nach jenem der nach diesem gedient« Gewissermaszen ist die Nolh< 
wendigkeit, dasz die Begriffe gewusl werden, eineslheils, andern- 
theiis aber auch die nach den unendlichen Verbindungen ihn zum voll- 
ständigen Bewustsein bringenden Erscheinungen ihr. Sein. 

§ S* Def Zusammenhang des sogenannten zweiten 
Theiis mit dem ersten. Diese Schwierigkeilen, welche sich 
der Annahme vermittelsl selbständiger Ideen die selbständige Vielheik 
zu eriüären entgegenstellen, zu heben, sieht das Gespräch keines- 
wegs ab. Zu dem Ende fordert sie neben der einen Seile, dasz Be- 
griffe sind, nun auch die andere Seite, die Annahme, wenn Begriffe 
nicht sind, in ihren die Vielheit betreffenden Consequenzen zu ent- 
wickeln auf (136 A). Die Entwicklung dieser Annahme ist eine Aus- 
ffthrung des logischen Grundsatzes von der Identität des Ein und Vielen 
und dient der Dialektik (135 C). Aber nur wenn der dialektbehe 
Grundsatz auch der ontologische ist, findet die Erscheinung ihre Er- 
klärung. Diese Nothwendigkeit verbietet den zweiten Theil des Pai- 
menides als eine Entwicklung des logischen Grundsatzes allein zu neh- 
men. Nun ist dies der Gesichtspunkt einiger Erklärer, besonders 
Hegels. Wie aber dabei den eingeworfenen Schwierigkeiten begeg- 
net werde, so dasz sie nicht unabhängig und überhaupt der erste Theil 
des Parmenides ohne Zusammenhang mit dem zweiten dastehe, ist 
nicht möglich einzusehen. Das hat Zeller dargethan. Im besondern, 
und was den Theil der Erörterung betrifft welcher das Nichtsein des 
Begriffs umfaszt, verkennt man, dasz alle Consequenzen das Nicht- 
Ein treffen , um es in der Existenz dem Ein so zu verbinden , dasz es 
mit ihm an der concreten Erscheinung zusammengeht und dieses nun 
in der Form des Ein wie des Nicht- Ein repraesentiert Die DarstelliiBg 
über das Nicht -Ein erweist ebenso direct wie die des Ein die Noth- 
wendigkeit der Erscheinung. Diese ist auch als Nicht «-Ein ein in die 
Wahrnehmung und Meinung fallendes. Seine Abhängigkeit vom Ein 
zu ergreifen ist Dialektik. Das Nicht -Ein an sich, ohne das Ein, zu 
meinen ist falsche Meinung, vom Schein, aber möglich. Das Nicht- 
Ein ohne das Ein, absolut an sich, ist nichts. Ganz in derselben 
Absicht und nach den ausdrücklichen Worten kann, wie an das Ein 
und das Andere, dieselbe Forderung an jeden andern Begriff gestellt 
werden (136 B). Welchen Begriff man nun aber auch nehmen mag, 
einer ist es , der sich mit seinem Inhalt setzt und erscheint Eben weil 
es immer einer ist, so ist nicht zufällig, sondern in bestimmter Absicht 
das Ein als Ausdruck des Begriffs im allgemeinen gewählt. Es dient, 
um die Giltigkeit des Grundsatzes im allgemeinen darzuthun, am ein- 
fachsten. Es ist aber nicht das parmenideische Eins. Denn was. die- 
ses betrifft, so ist nach dem oben (S. 127) über.Soph.2M B*--.94S D 
erwähnten zu erinnern, dasz eine Form des Begriffs unbedingt als 



E. Aiberti t zsr Dialektik de» Platon# Ul 

seiende» Eins , sie mag der Fordening^ der Vernunft nach einem absolut 
Unbedingten formal entsprechen, nur insoweit wahr ist. Hinfällig 
wird sie , sobald man über sie selbst hinaus einen realen Inhalt deri- 
vieren oder ihr subsumieren will. Es entbehrt also, da man mit dem 
Sein nicMs anzufangen weisz, ohne über das unbedingte Eins hinweg-^ 
zuscMüpfen, im Grunde alles Inhalts, ist bloszer Name. Wie da« 
Sein auch nicht zu einem Praedicat , weder positivem noch negativem, 
des Ein zu erweitern ist: so ist und wird das Eins nicht das Ganze (Soph« 
346 C D) , wie es ebensowenig eines der entgegengesetzten Praedicate 
annimmt, welche der erste der Theile (Farm. 157 C — 142 A) wie zu 
speciellerer Ausführung der Stelle im Sophisten nennt und negiert« 
Das ^ns in diesem Sinn ist am Ende weder das parmenideische %v ti 
n&v noch da» Ein als Vieles (Parm. 155 E). Denn dieses und jene«^ 
ist dasselbe Abstractum, welches nicht gestattet, dasz es sogteiehEin 
und das Gegensätzliche, Ein und Nicht- Ein sei. Jedoch ist da» 
Eins, dessen Gegensatz xit itolXa sind, als Unbedingtes zu einer Reihe 
specieller Gegensätze behandelt. Zunächst freilich nennt hier der erste 
Tkeil diese specieüen Gegensätze als der Natur des Ein widerstreitend, 
und so kommt das Resultat mit dem im Sophisten überein , dasz ein 
solehes Ein praedicatlos und undenkbar sei. Aber schon der zweite 
Theil führt sie am Ein wie am Vielen nach allen Gegensätzen als bei- 
den zukommend nach der Voraussetzung aus. Direct zwar scheidet 
dieser Theil das Ein von dem Nicht>Ein , das reine Sein von dem ini 
Gebiet der Gegensätze nicht, insofern er die Art, wie jenes zu den^ 
ken sei, unbestimmt läszt; dagegen gibt das 155 E — 157 B gesagte 
kiefür befriedigende Fingerzeige , durch welche die Gegensätze berich- 
tigt und ein sehr speciell bezeichnetes Mantgfaltige zu dem reinen Ein 
in das passende Verhältnis gestellt wird. Da aber so detailliert an 
das Gebiet des Seins in den Gegensätzen der Sophistes (S. 132) nicht 
kommt, so hat er auch die Schwierigkeiten, wie das reine Sein mit 
diesem in Verhältnis zu stellen sei, nicht berührt, und da die Untere 
suchong über das Sein des Nichtsein vor, nicht nach derjenigen über 
die Weise, wie dieses im Verhältnis zum Sein zu denken sei, liegt: 
so gilt, dasz auch die detaillierten Theile des Parmenides, da sie 
liierin ein Resultat anbahnen, einer späteren Studienzeit über das- 
selbe schwierige Thema angehören, als die Untersuchung im So- 
phisten, welche es nicht berührt, besonders dann ferner, dasz es 
g^ar nicht mehr, das parmenideische Eins ist, gegen welches die Po-» 
lemik sich richtet. Betrachtet man aus diesem Gesichtspunkt die ein- 
zelnen Theile, so zeigt sich ausserdem noch manches, was diese 
Ansicht bestätigt, 

§4. Die verschiedene Auffassung des Sein am EinI 
^WahfenA die zweite Behandlung das Sein als einen Praedicatsbegrift 
faszt und ein Vieles gewinnt, schlieszt das Ein ohne einen solchen das 
Viele aus. Denn eine Beziehung des Ein zum Vielen , das &e^ov, fehlt. 
£s Icann in dieses auch nicht abgeleitet werden, in der Art wie aus 
dem Unterschied (Src^i;) zwischen Ein und Sein der Inhalt unendlicher 

/alirb. f. cU88. Philol. Suppl. N. F. Bd. I Hft. 2. JiQ 



143 £• AlbprU: TM Dialekük^des Platon. 

ll^Ue mit der NftUir iles Ein und 4le9 Sein in der folg^enden Aatihomie 
(143 B f.) abgpeleitet wird. Deshalb hat das Ein keine Theile, ist keine 
ToUlität und hat aU solche weder Anfang noch Mitte no^eh Ende. Man 
^usz und soU hier an i^äumliche Erscheinung des Vielen denken, aber 
unter der allgemeinen reinen Fassung»? wischen logischem und subaian- 
tiellem Ein nicht unterscheiden. Unmittelbar wie das reine Ein in Be« 
Ziehung tritt, fällt es unter die Formen des Daseins, der Räumlichkeit, 
der Zeitlichkeit, JNaa zeigt die erste Antinomie , dasz die BeiZiehung 
sein mu$z, weil ein Eins ohne sie auch nicht Eins ist; die zweite 
AfiUnomie zeigt abqr, dasz die Beziehung ohne Widersprüche, ein als 
HMszerliches Dasein gefasztes Eins unmöglich sei, und die dritte zum 
AufsChlusz dienende Stelle (155 E--* 157 A) zeigt, das2 dasausz^r 
aller Zeit praedleaUos aufgefas;ste Eins in dem Moment der Beziehung 
das Andere sei , so dasz in der Reihenfolge dieser drei Untersuchun- 
gen ein Fortschritt .?ur eigentlichen Lösung deutlich ist. Denn sch^n 
hiernach darf das Ein zwar nicht ohne das Praedicat des Seins sein» 
doch auch dieses dem reinen Ein auf sinnliche Art nicht zukommen« 
Die sinnliche Erscheinung des Ein ist vielmehr schon das Nichl-Eias^ 
da? Sein auf sinnliche Art nicht die einzige Art des Seins ^ vielmehr 
ein Nichtsein zum reinen S^in. Hat nun das Eins weder Anfang noeh 
Mitte noch Ende, so fehlt ihm Gestalt und es ist weder in sich, weil 
es unterschiedslos isjl, iioch im Andern, weil es ohne Gestalt ist, .4 h« 
weil ihm mit dem Andern auch die Form fehlt , worin dieses ist , und 
eben deshalb bewegt es sich auch nicht durch die itBqtfpoqci (vgl. 
Theaet. 181 D). Aber durch die aXXoianSiq verändert es sich niclil, 
weil es nur Eins ist. Ebensowenig kommt ihm Ruhe zu , weil es in 
$ich selbst als Unterschiedslosem nicht ist, also nicht im tctvtov isty 
-v^orin das was ruht sein musz. Wie in dem folgenden Theil. das 
]Bins, wlflerspreehend mvt aicb, und dem Andern identisch und nicht 
identischrje nach der Fassung der beiden Begriffe : so zeigt sich in dem 
eisten das Ein weder als identisch noch als yei:ßchiedenes von sjcb 
^d dem Andern , so dasz , was dort Widerspruch , hier Negation ist. 
Die Identität mit dem Andern würde ebensowol wie die Verschiedenheit 
vpn sich selbst das Eins an sich als Unterschiedsloses aufheben. Wenn 
dagegea das Eins in dem, worin es. das Eins Ist an sich, nicht das 
Eins sein kann, so wäre es nicht an sich, wohingegen also das Eins 
^n sich, als welches es niemals das Andere sein kann, von keinem 
das Andere sein wird. Ebensowenig ist das Eins Identität mit sich 
sftlbsi, ^eil dem das Ansich des Einen und der Identität widerstreitet« 
I Denn wie das Eins und das Dasselbe nicht unbedingt zusammenfallen» 

so ist auch das Viele, mit sich identisch, das Viele, nicht das Ein, wäh- 
I rend, w^nn die Begriffe Eins und Identität zusammengehen , auch das 

j Viele, mit sich identisch, Eins sein würde. Mit der Negation des 

i Wenüschen vind Verschiedenen des Eins hängt die der Aehnlichkeit 

! u«^d Un^nli(?hkeit zusammen ; denn wie das Eins weder sich noch 

Ande):6m id^nt^sch ist^ so ist es i^uch sich und Anderem nicht ähnlich; 
yf\<^ e^ j^\^]^ von $icb und Andei:e#i nicht veischledeiTist, so ist es auch 



B; Albeni : z^r Dialeklik des Pialon.' 14^ 

sich und Andepem «iöht un^nßch. Während in der «weiten Ahll- 
noRiie an der analogen Stelle die Antinomie der räumlichen Berüh- 
rang oder Nichlberührung des Eins mit sieh und Ah^erfem hier als 
Uebergang: zu der artdern, dadz das Ein weder sieh noeh Anderem 
gleich oder ungleich sei, von Wichtigkeit kt, insoffem auch Gleich- 
heil und Un^elchheit dort gleich' darauf, wie zuerst das' Eins und das 
Andere ganz räumlich gefaszt sind: so werden di« Begriffe höv urtd 
£vftfov hier als auf das Masz bezüglich nicht blosif vom Raum, soh* 
dern , wie gleich nachher , auch von der Zeit genommen. Das f^w 
geht auf eine idenlische Maszeinheit, ■ das &vi&&v amf ein Masz li^ei 
entweder proportionierten oder nicht proportionierte« &r6szen. Dasz 
das Eins sich selbst oder Anderem ni^ht fiSöv sei , wird dadurch be- 
wiesen , weil das ftfoi/ ein tuvrov ist,- Weiches dem Eins ge^ehdber 
unanwendbar ist. Dasz es ferner sich selbst 6der Anderem nicht 
avtfSov ist, musz nach zweien Seiten, dasz es nemlich sich selbst od«r 
Anderem nicht proportioniert und ebenfalls sich selbst oder Anderem 
öicht unproportioniert ist, gezeigt werden. Beides aber wird zusam- 
men bewiesen. Denn mag von Proportion oder Nichtproportion di« 
Rede sein, immer ist das Masz eine Theilbeziehu^g des Eins, ond 
weil eine solche mcht in ihm liegt , gilt beides von ihm nicht , weit 
€s nur das Eins ist, sowol im allgemeinen als auch von ^r Zeit im 
besondern, mit Bezug aufweiche das Eins sich selbst und Anderem 
nicht ungleich d.h. nicht älter oderjUnger ist, währendes, der Gleich- 
heit entbehrend, in Bezug auf die Zeit auch weder sich selbst noch 
Anderem gleich ist. Ueberhaopt, ein unterschiedsloses Eins in der 
Zeit nur zu denken ist unmöglich, weil in den Zeitfnomenten der Ver- 
g-angenheit, Gegenwart, Zukunft Gewordensein , 8^in, Seinwerden des 
Eins nicht anders als Werden (Ik'k'ka ylyvea&cet *Hal &XXtog av% elvMl) 
d. h. weder als Sein noch als Nichtsein , als behaftet mit debi Unter- 
schied in sich erscheinen. Wenn liun zwar zunächst hieraus^ weil 
das Eins auszer aller Zeit sei, die Gonseqaenz, dasz es dann auch 
nicht Eins sei , gezogen wird , so gilt im allgemeinen , dasz ; wie von 
dem unterschiedslosen Ein , eben weil es auch ni«ht Eins ist, Wissen- 
schaft, Meinung, Wahrnehmung, Name, Bedeutung unmöglich ist, 
eine Beziehung des Eins zum Andern die Möglichkeit hiefür voraus 
«elzt. Das unterschiedslose Ein aber ist, wie die Behandlung IdS B 
vorgezeichnet wird , zuerst auf einem Wege widerlegt, der mit Bezog 
auf das parmenidelsche Eins, wie der Sophist dartihut, viel küräser 
hätte sein können. Doch dient die specielle Musterung als Uabergang 
zur zweiten Behauptung, in der man zu dem Resultat ^dais Ein» i«t 
das Viele und auch nicht' (165 E) durch die Fülle der widersprechen^ 
-den Praedicate hindurch gelangt, in denen, wie sie auch sein mag, 
eine Beziehung des Ein zum Andern gemacht ist, welche Wissew- 
«chaft, Meinung, Wahrnehmung über dasselbe nichl aossdliiiieBil« 
Denn nun hat Piaton das Sein in der Behauptung *dais Eine i$t^ so 
behandelt, dasz sich das unbedingt ^efatzle Eins In Widerspr41che mit 
-dem aus dem Sein geleiteten Inhalt unendlicher üheile, deren 1V4alUftt 

10* 



144 E. Alberti; znr Dia\ekUk des Plalpn« 

das Eins sein soll, verwiekelL Er zeigt, dasz von dem Eins in der 
Totalilat der Theile die umgekehrten Bestimmungen gellen als von 
dem Eins an sich, und weil diese Bestimmungen wesentlich aus einem 
dem Ein inhaerierendea Sein abgeleitet sind » verwickeln sie das Eins 
aus seinem eigenen Sein heraus mit einem unendlichen Inhalt entge- 
gengesetzter Praedicale des Sein. Von diesem Inhalt des Ein aber 
gilt, wie das logische und ontologische Sein von vorn herein nicht 
auseinandergehalten wird, dasz er onk>logisch ist und nicht ist, dasz 
«Iso der Begriff. mit allen möglich entgegenstehenden als Praedicaten 
versehen existiere und nicht existiere. Wie dieser Widerspruch zu 
lösen sei, zeigt ^ie Betrachtung selbst. 

Bas Eins ist i^v dvai, nieht 1v ev) wird erstens deriviert in Sein 
und Ein als Theile des %v ov : so ergibt sich der TheilbegrifT mit sei- 
nem Inhalt» und da alle Folgerungen aus ihm die Materialität, des 
Begriffs treffen, so ist er nicht allein logisch. Sodann, auszer in 
Sein und Ein, in den Unterschied zwischen beiden, also in ein Drei- 
faches und in die Unterschiede von diesem, das Gerade und Ungerade: 
80 ergibt sich ein Zahlbegriff mit seinem Inhalt. Der Theilungsbegriff 
gibt jedem Theil ins unendliche das Sein und das Eins gleichmäszig : 
60 entsteht der Begriff des unendlichen Seins und der Begriff der 
Einheit in unendlichen Theilen. In der Totalität der Theile ist 
der Begriff der Grenze, in der Forderung absoluter Theiibarkeit 
der Begriff der Unendlichkeit. Mit der Totalitat , dem oiLov , ergeben 
.sich die Begriffe von Anfang, Mitte, Ende, der Begriff von der 
Räumlichkeit, der Form ((^x^jiia), ein Schlusz der unter der allgemei- 
nen Fassung des Seins zwischen reinem und sinnlichem Sein nicht 
punterscbeidet (S. 141), und gerade so, wie in der Annahme 'das 
Eins ist' das Sein ip dem blosz formalen Verhältnis zum Ein steht, 
steht es, hier im sinnlichen Verhältnis und bringt alle Widerspruche in 
das ^ins hinein, die nun aus einem ursprünglichen , aus der DupH- 
cität des seienden Eins heraus , das Eins mit Bezug auf sich und das 
Andere dergestalt treffen , dasz jeder neue Begriff für ihn und das An- 
dere passt und ni^ht passL Während das Sein ihm Wahrheil und 
Wirklichkeit gibt, musz ihm das Eins folgen und seine Bestimmung^ 
nach allen Gegensätzen erdulden. Mit dem oilov als Totalität der 
Theile identisch ist das Eins in sich als Ganzemoder als allen Theilen ; 
init dem Zhiv an sich identisch (d. h. in keinem Theil als Ganzem 
möglichen und doch seiend vorhandenen, also nur in einem Andern 
-vorhandenen , weil nicht in irgend einem Theile noch in allen) ist das 
Eins in einem Andern als sich selbst. Dabei ist zu bemerken, dasz 
das Eins, als in sich selbst vorhanden, so viel heiszt als in der 
Tetalitat der Theile. Wenn es also auszer dieser, in einem Andern 
als sich selbst ist, so versteht man zunächst dies in der Art, dasz das 
Andere dem Gebiet der Theile entrückt, unsinnlich sei, so dasz das 
Eins gleichsam zweimal wäre, in den Theilen, als in sich selbst, 
sinnlich, in dem Andern, als auszer sich selbst , unsinnlich. Diese 
Scheidung zwischen sinnlichem und unsinnlichem Ein wird aber nicht 



t. Alberü : zur Bkleklik des Plalon/ 149 

gemacht, vieloiefar unter dem ursprQiigHeli aUgrem^iii genowniene« 
Sein das Eins an sich und das Eias im Andern gleich malerieU einaii.-« 
der gegenübersteheüd betrachtet, ein -Widerspruch der auf speeieile 
Begriffe aasgedehnt wird, wo immer das zweierlei Ein von den im 
beiderlei Fassung beigelegten Praedicaten als Gegensätzen betrofliui 
TNitd, Der Raumbegriff ergab schon das als oAov gedachte Einst -e^ 
kann deshalb nicht auffallen , wenn dem Eins , das in sich selbst und 
in Anderem ist, räumlich Ruhe und Bewegung zugeschrieben wird^ 
Ruhe, insofern es in sich selbst, Bewegung, insefern es im Andern 
ist. Die Bewegung wohnt dem nicht in der Totalität <ler Theile, steü 
im Andern vorhandenen Ein, die Ruhe dem in jener als in desi 
tuvtov vorhandenen inne, während das Eins nach dem eigentlieben 
Sinn, den Piaton damit verband, in der Totalität der Theile d. h. der 
möglichen Verbindung nach Begriffen oder in der Erscheinung und im 
ManigfaUigen das Ruhende ist, die Verbindung an ihm nolhwendiges 
Reflex. Wiederum macht das abstracte Einssein das Eins> weldies 
nicht Ganzes, nicht Theile ist, zum tuitov und doch nicht zum fcev-r 
vov, weil nach der Expansion des seienden Eins in Theile das Eine 
in der Totalität der Theile ist, an sich aber in dem Andern, also kaan 
ein Eins in einem Andern kein vavrov sein, sondern nur ein ^«tf^oy^ 
Wiederum ist das Eins als tavTOv und als ^uxtqov gerade so absolut 
wie xttvxov und ^ate^ov selbst verschieden, und es ergibt sich aus 
der eben bemerkten Duplicität des Eins, dasz das unbedingte Eins als 
tairiv von dem Ein in den Theilen das ^wvsgav und wiederum das 
unbedingte Ein als %tittqov von dem Ein in den Theilen das tawcop 
sein wird. Das erstere ergibt sich kurz 146 D : Alles , was nicht Eins 
ist, ist das Verschiedene vom Ein und das Eins vom Nicbt-Eiü. Das 
letztere aber, das Eins als xavrovtMi dem Andern zu erweisen, wird, 
voltständig aus der Natur des Identischen und Verschiedenen ent- 
wickelt. Nemlich der Verhällnisbegriff (vgl. S. 151) des Verschiede* 
nen ist an sich. weder im Ein noch im Nicht-Ein, beide also sind, weil 
durch den Verhällnisbegriff des Versehiedenen nicht verschieden, sich 
selbst absolut nicht verschieden , und weil wiederunpf durch den Zahl- 
begriff und den Theilbegriff das Nicht Eins am Ein Theil haben würde^ 
was doch nicht ist, so kann das Nicht-Eins weder Zahl noch Theil 
noch Ganzes sein. So bildet, befreit von dieser Abhängigkeit zum 
Ein, das Andere weder Ganzes noch Theil, dagegen wie das auf 
anderem Wege «deducierte Eins, ein Identisches, und so wird das 
Andere eben dadurch, dasz es nicht das Eins ist, wiederum als eio 
Identisches mit dem Eins als Identischem dasselbe , d. h. ein unbe- 
dingtes Eins ist auch nicht Eins und ein unbedingtes Nicht-Eins eben- 
sowol auch nicht Nicht-Eins. Auf diesem Wege wird das Nicht-Eins, 
analog der Weise , wie es aus dem setenden Ein abgeleitet wurde, 
zuTückgeleitet zum Eip, indem es aller Praedicate, die sich in der 
Ableitung ergaben , in der Zuröckleilung entkleidet wird. Man darf 
dabei hier ebensowenig verwunderlich finden , wenn das Andere als 
selbständiger Verhältnisbegriff behandelt wird (146 D. 147 A), wie man 



14# R. A»örti ! zur Mfetekttk^eB Pttfen.' 

^ ^ovher in- der Ableituiicr (1»9) thaf <vg1. ZeUer Sk ]74)i Beui 
neben den im Anfang ans dem eeienden Eän als Duplieität der Theile 
von Sein und Em abgpeleileCen selbständigen Begriffen, nebe» dem Sein 
als Theil (I^aaeib), und neben dem Ein als Ein an sich bat der Yer- 
Mlnisbegriir de» Sve^v dieselbe Selbständigkeit und mit gleichem 
Recht jeder neue Begriff, da atteBejgriffe, analog den ersten, aas^der- 
selben Fassung des seienden Ein entspringen. So zunächst die 
Begriffb der AefanKchkeit und ünahnlichkeit, w«4ehe gewonnen wer« 
den, mdem das Eins und das Andere entweder mit Bezug auf das 
9anQ09 sich ähnlich oder mit Bezug auf die Identität sich unähnlich 
sind. Unter Aehnlidikeit wird zuerst die ähnliche Stellung zum Yer* 
sehiedenen verstanden. Das Andere ist ebenso das Verschiedene vom 
Ein, wie* dieses Vom Andern, gleichsam als hiesze es: weil das Eine 
dem Verschiedenen ebenso ähnlich ist wie das Andere , so sind beide 
unter si^ ähnlich. Insofern das Andere nicht das Eins, ist es ihm 
ähnlich; denn insofern es nicht das Eins, i^ es Theile und hat 
etwas, in dessen Totalität auch das Eins ist; insofern das Andere, 
wie das Eins, das Identische, ist es ihm unähnlich; denn insofern 
IM e^ nicht Theile und die Einheit nicht in der Totalität derg^Iben, 
hat also nichts der eigentlichen Natur des Andern in irgend einer 
Weise Analoges. Ebenso ist das Eins mit Bezug auf das sxsqov sieh 
ähnlich und mit Bezug auf das tairov sich unähnlich , wie die Stelle 
146 D scheint verstanden zu werden , wenn man xttr' iii^tSQcc auch 
jedem von den zweierlei gefaszten Ein (xorl inareQov) das ofto^oy auf 
das itegov und da9 äv^outv auf das ravrc^des Ein nach der Wort- 
stellung Im Salze bezieht. Wie das Andere dem Ein als der Einheit 
m der Totalität ähnlich, so ist das Ein sich selbst ähnlich, insofern es 
nicht als Totalität der Theile , sondern als Eins (im Andern) aufgefaszt 
wird, unähnlich aber, insofern es die Totalität der Theile ist, und so 
flieszl auch diese Amplnbolie aus der doppelten Fassung des Eins in 
und auszer den Theilen, wie des Andern in oder auszer dem Ein^ 
Mit Bezug auf die oben ad I und ad 2 gegen die Ansicht, dasz das 
Eins ganz öder theilweise in den an sich selbständigen Dingen sei, 
erhobenen Bedenken ergibt die folgende Amphibolie der räamtifehen Be- 
rührung und Nichüberuhrung des Eins mit dem Andern und des Eins 
wiH sich selbst gewissermaszen , weil die Räumlichkeit des Begriffe es 
Ist-, welche die Widerspräche erzeugt, ein positives Resultat, wei- 
ches durch die Ternere Deduction über das Ttfov und. avidf^v vervoll- 
st<ändigt wird. Insofern nemlich das Eins in sich als der Totalität 
(8Aotr 149 D), berührt es sich (insofern The He sich berühren), ebenso 
das Andere (insofern die Theile in ihm sind). Wird aber dem Ein 
die Bedingung jeder Berührung genommen (ein Zweites)-, so i^st keine 
Berührung möglich , weder mit dem Ati^rn , wenn das Andere auf- 
hört in Bezug auf das Eins ein Zweites (wegea des mangelnde» Zahl- 
begriffs 149 D) zu sein, noch mit sich selbst, wenn e^ (wegen des 
mangelnden Raumbegriffs 149 A) alles Zweite von sich ausschlieszt. 
''o verwickelt die gedaichte Räumlichkeit das Eins jn Widersprüche, von 



E. Ji^e^lk: zur DialtkUk des Pialctn^ ÜT 

di9|Ma es eitte uftsionli^e lavsun^ ^ woM^e das UobediDgla «ma ^t 
4iagpien immer, bat» befreiea • wurde. Denn d^pa wäre von einer Be^ 
riüining und NichLberüW^ng; der Begriffe nieht die Rede, u^d ist 
gleich die Erscheionng im Räamlichen, so ist doch der Begriff^ durch 
d»R sie isty nicht im Ba,»m, und dasz er es. nicht sern könne, ist das 
positive Resultat dieser Amphibolie und dient zas Beseitigung der oben 
ad 1 und ad 2 erhobenen Bedenken« Die Rä^umlichkeil des Begriffs 
erzeugt eine zweite Antinomie : das Eins ist sich selbst wie dem An- 
dera f^leich und ungleich. Bei abstracler Fassung; sind Grösze und 
Kleinheit keine Begriffe ,. die ihre Praedicate werden kennen« Grösse 
und Kleinheit sind Reiativbegriffe , das Eins ist nichl einfach Kleinheit, 
da die Kleinheil, wenn sie das Eins wäre, einfach Gleichheit 
wäie, oder Grösze^ wenn das Ein kleiner: überhaupt ist die Klein* 
heil in keinem Ding. Ebenso die Grosze. Weil also das Eins^ eben- 
so das Andere, weder Grösze noch Kleinheit i^t, weder das Eins 
noch das Andere das übertreffende noch üb^rlroffene ist, sind sie 
darin, dasz sie untereinander weder gröszer noch kleiner» gleich- 
mäszig {i^ taovy gleieh , d. h. die Natur des Gleichheltsbegriffs zeigjt 
flieh an ihnen, jedoch dergestalt f dasz das Eins nicht die Gleichr 
heit ist, ebenso das Andere nicht. Denn ^ das Eins ist die Gleichheit' 
oder ^ das Andere ist die Gleichheit ' heiszt nichts anderes als * das 
Eins ist Eins' und ' das Andere ist das Andere '. Ja derselben Weis^ 
ist das Eins sich selbst gleich, weil es nicht Gröszi^ und nichl Klein- 
heit ist. Doch wiederum können Grösze und Kleinheit Praedicalsbe^ 
griffe des Ein werden; wenn es TrmsQuafnivov ist, begrenzt, so ist es 
umgrenzend gröszer, begrenzt kleiner als es selbst, im Andern aber 
ist es kleiner als das Andere, das Andere in ihm gröszer. Dergestalt 
treffen bei räumlicher Fassung die Widersprüche das Ein selbst, die 
als en^egengesetzte Praedicate von ihm gelten und ia den Erschei- 
aoogen an ihm reüectiert werden, sollen. Jenes aber konnte ntchi 
anders sein, wenn von vornherein, wie schon bemerkt, das Eins zu 
dem aus der Natur des Sein geleiteten Andern, stall im formalen Ver- 
hältnis , wo das vom Andern ausgesagte Praedicat ist , im realen Ver- 
hailnis , als Ding zum Dinge aufgefaszt ist. Dann ergänzt nicht das 
Andere sich zum Ein, ohne seine Natur zu verändern, nach allen 
Verbindungen, den Gedanken des Ein wie eines vollständig geglieder- 
iem Inhalts der Begriffswelt zu einem gegUederten machend und so 
die Begriff»welt als Unbedingtes in den Erscheinungen als Bedingtem 
reflectierend. Ist das Ein als ein in sich Unterschiedsloses und als 
solches unter dem Begriff der Zeit aufgefaszt , so sind die Bestimmun- 
gea , dasz es älter und jünger und gleich alt sei , mit Bezug auf sich 
selbst und das Andere Widersprüche im Ein. Läszt dagegen ein in 
ihm selbst vorhandener Unterschied das Ein mit dem Andern, das 
Eiu und Nieht Ein in der Zeit erscheinen, so ist es nicht der reine 
Be^priff*, sondern sein Inhalt des Andern , der , insofern er dem Ein 
unter den verschiedenartigsten Praedicalen zukommt, z. B. des Wer- 
dens und Vergelieus ,. der Aejinlichkeit und Unähnlichkeit , der Ruhe 



146 E. AlberU : zur Dlal^kfik d^s I^lMon. 

und Bewegung, das Eins, das auszer alter Zeit ist, vermöge des-l^* 
griff« des Plötzlichen (17 i^attpvrig npifttg 156 D) in dem Uebergang Ton 
keiner Zeit zur Zeil oder vom reinen Ein zum Nicht -Ein als dieses 
letztere erscheinen mächt« Gegenüber diesem positiven Postulat , wel* 
ches 155 E — 157 B befestigt, ist die Entwickiung der Antinomie ein 
mittelbarer Schritt zu der wahren Meinung. Das Ein ist, heiszt, es hat 
an der gegenwärtigen Zeit Theii, und dieses, es ist älter als das Eins, 
das war , und jünger als das Eins , das sein wird , und da es doch 
immer dasselbe ist , heiszt es , das Eins bt jünger oder älter als es 
iselbst. Insofern aber so gut wie das Sein , das Werden von der Zeit 
gilt, so wird auch das Eins älter oder jünger als es selbst. Wie in 
der abstracten Fassung die innere Nöthigung liegt-, es als seiend auf- 
zufassen in der Zeit, so geht der Verlauf der Zeit an ihm hin und das 
Eins wird ununterbrochen immer nur Eins , worin auch schon wieder 
liegt, dasz es weder älter noch jünger wird noch ist, sondern immer 
sich gleicht, so dasz, was das Sein setzt, das Eins aufhebt. Es be- 
darf also nur der ursprünglichen Fassung des Sein als des Andern, 
um dieselbe Antinomie zwischen dem Ein und dem Andern zu finden 
und zu beweisen , dasz das Eine auch älter und jünger und gleich alt 
ist als das Andere. Ersteres zeigt sich , wenn das Andere als das 
später vorhandene Viele zum früher vorhandenen Ein, das zweite, 
wenn das erst mit dem Ende der Totalität des Andern eintretende Eins, 
das dritte, wenn das jeden Theil begleitende Eins verstanden wird. 
Dasz dieses, was vom Sein , auch vom Werden in der Zeit gelte , er- 
zeugt den abermaligen Gegensatz, dasz das Jüngere älter als das 
Aeltere und dieses jünger als jenes werde, erwiesen aus der Natur 
des ZahlenbegrifFs in Addition und Division. Denn gleiche Zeit zu 
Aelterem und Jüngerem gelegt bewirkt zwar , dasz der Unterschied, 
nicht aber der Quotient in demselben Verhälinis wächst : 2 + 4 = 16, 
2 + 6 = 8; der Unterschied zwischen 4 und 6 bleibt zwischen 6 und 
8, der Quotient dagegen ist zuerst ll^, dann 1%, dann 1% usw. So 
ist das Aelter- und Jüngerwerden nach diner Seite möglich, naett der 
andern nicht. 

§5. Ueber die Stelle 155E — 457B. Bemerken wir nun, 
dasz schon von vorn herein das Sein ein Inhalt des Ein ist, so kann es 
nicht auffallen, wenn nach der Deduction *das Ein ist an sich, sowie 
im Verhältnis zum Andern in der Zeil' Wissenschaft, Meinung , Wahr- 
nehmung im allgemeinen über das Eins vorhanden ist. Wie der In- 
halt zu denken sei, ist die Frage; wie er es nicht sei, lehren die 
Antinomien. Piaton hat es aber auch nicht an directen Andeutungen 
darüber fehlen lassen. Allerdings ist die als eine dritte selbständige 
Ansicht (ßxi Sri tb rgirov liymfiBv) angekündigte und keineswegs des- 
halb mit Zeller (S. 174) als bloszer Anhang zu der ersten Antinomie 
zu fassende Stelle I55E — 157B von Wichtigkeit, um die Art, wie 
das Verhältnis zu denken sei , zu bestimmen. Dies spricht Hermann 
S, 509 in Anerkennung eines dem Parmenides zuzuschreibenden posi- 
tiven Sinnes aus. Hier wird zuerst das Resultat aus dem vorherigen. 



E. AlbMf : 2ar «dtektac des Plalon; 141 

dAsliinssei das Vi^le und nicht 4ta Viefe, gezo^ri. Schon darin 
liegt ein Fingerzeig, wie ein Positiv«« za verstehen sei. Es erfordern 
nemiieh gegensätzliche Zustände an einer Realität Uebergänge, das 
Gleiehe zum Ungleichen bedarf der Ausgleichung , das Sein zum Nicht* 
sein des Vergehens, das Nichtsein zum Sein des Werdens. So b^ 
darf auch das Eins, weiches das Viele ist, des Uebergangs, da es 
nicht das Viele und das Eins zu gleicher Zeit ist. Der Indifferenz- 
pankl des UeBergangs (^ i^altpvrig gwifig) ist aber anszer aller Zeit 
(jv Xifovm oidevl), so dafiz der Begriff des Eins, der in das ruhend«, 
bewegende, gleiche, ungleiche, überhaupt mit irgend einem Pra^di* 
cat behaftete Eins umschlägt , diesen Umschlag auszer aller Zeit er* 
fährt Insofern nun der Inbegriff der Praedicate das Viele , das Eins 
aber das Viele ist und nicht ist, so ist in dem Um- und ZurQckschlag 
aus dem Ein in das Andere nolh wendig ein Praedicatloses , welches 
das Viele nicht ist und nicht das Eins. Dieses durchaus negative, 
aber bei der Fassung vom Ein und Nicht-Ein, wo Verbindung und 
Trennung zwischen beiden gleichmäszig möglich ist, doch nothwendrge 
Resultat ndthigt durch den Widerspruch in sich selbst, das Viele in 
das Ein ohne den Zwischenbegriff des Werdens als Unterschied in ihm 
selbst zu setzen, welches nun dadurch, dasz es das Viele unmitlelbaT 
in sieh trägt, nach der negativen oder nach der positiven Seite keiner 
Entäuszerung seiner selbst fähig ist und , weil es nicht abstract an sieh, 
auch das Andere nicht aus sich herausläszt. Statt dasz nun in der 
zweiten Behauptung das Sein , in diesem Sinne genommen , das Eins 
als ein abstractes zu fassen nicht erlaubt hätte , wurde durch das Fest* 
hallen an diesem alles, was als Praedtcat gelten kann, an ihm za 
Widerspruch mit sich selbst. Aber auch das ans dem Sein geleitete 
Andere wird von den Widersprüchen betroffen , wenn die Theile ohne 
Beziehung zum Ein und ihre Totalität, wie wir schon oben andeuteten, 
gleichsam ein zweites Eins, ohne die Nator des eigentlichen Ein sind. 
Denn nun gilt von dem Andern , dasz es, insofern es am Ein Theil hat, 
ist und nicht ist; insofern es nicht Th^il hat und weil dieser Wider- 
sinn zum Theil schon in dem vorherigen Abschnitt berührt ist, erfor- 
dert er nun eine kürzer gefaszte Beleuchtung, die, in umgekehrter 
Ordnung zunächst dem letztern Theil der vorhergehenden Untersudinn^ 
folgend, das Andere als das vom Ein Verschiedene (157B — 1Ö9B) 
betrifft 

Der Unterschied des Andern vom Ein besteht darin, dasz es 
Theile hat. Nur insofern die Totalität der Theile eine Einheit bildet, 
in Bezug zu der totalen Einheit, aber nicht an und für sich ohne eine 
Totalitat unter einheilslosen Vielen ist von Theil die Rede. Dem Theil 
kommt insofern auch Einheit zu , als er unter der Einheit des Tota- 
litStsbegriffs Ist. Wenn der Totalitätsbegriff dem abstracten Ein un- 
vereinbar ist, trifft Salz und Widersalz das Viele; das Viele hat am 
Ein Theil (weil die Tolalilät die Einheil isl) und nicht Theil (weil der 
Theil unvereinbar mit dem abstracten Ein ist). Weil es nicht Theil 
hat, isl und bleibt es, noch so sehr zerlegt, Unbestimmtes, und Weil 



ei Thett hat, isl •« BMh Thi^n «Bcl ficnzem bMiiiina. lamoSrnm min 
d«8 UnNftilmmte mü sich äh^ch.iat, ist es «k B^limmAes ehenCflOlf 
mit sich ähoUeh, aber insofefn es als diesem, nicbi jeqes ui^ iM« janes 
niebt dieses. isl, auch unähnlich»' Was von der Aehnlichkeil und Un- 
ähnliehkeit, gilt anch von der Idanlitat und Verschiedenheit, ven der 
Bewegung und der Ruhe usw. 

Hieran schUeazI sich, analog dem erstem Theil der da» unter^ 
sobiedk>9e £in in seinem Verhältnis zu sieh betrachtenden'Untersucäung, 
die Erörterung üher die das Andere daraus Ireifende Consequeoz. Sie 
ist im allgeiBeinen diese, dasx, wie das anterschiedsiose Ein nicht das 
Bin, das Andere auch nicht das Andere ist. Ein Unterschiedsloses 
sehüeszl jede mögUdie Beziehung aus. Theil, Totalität, Vielheit und 
auch die Unbestimmtheit, die noch der Mangel der einheiliiehen Be- 
lüaAinlheit ist, fehlen dem Vielen, der absoluten Negation des Be- 
stimmten wie des Unbestimmten , der Aehnliehkeit und Unähntichkeü 
mit sieb uad mit dem Ein, wie überhaupt jedes Praedicats, daa ihm 
Aur im Verhältnis zum Andern bei- oder abgesprochen werden kann. 

§ d. Ueber das Nichtsein des Ein. Rückblick auf 
den Sophisten. Der Behauptung *das Ein ist' folgt in Gemiszheü 
der ISft A gethanen Aufforderung die andere *das Ein ist nicht^. Ein 
Nkhlsein ist aber schon im Sophisten als vorhanden erwiesen, und 
meht blosz zu^hg wird gleich 160 C auf Soph. 267 B durch "Wieder- 
holung des ähnlichen Beispiels und ausserdem put fast denselben Wor- 
ten hiage wiesen. Ist es nun natürlich anzunehmen, dasz die Betrach- 
tungen über dasNichtsekn imParmenides und Sophisten in Verbindung 
stehen: s€> ist die im Parmenides, wie schon gesagt, als die spätere 
anzunehmen, weil es nicht erst erwiesen, sondern nach Praedicaten 
in viel specielleret Weise, als es Soph. 255 geschieht, ebaraklerisiert, 
jiuiiächst aber glei^ gesagt wird , dasz von dem Nichtsein des Ein 
ein Wissen möglich sein noüisse. Noch mehr leuchtet dies aus folgen- 
dem' hervor. Im Sophisten wurde die falsche Meinung aus dem Vor- 
handensein dea Nichtsein für mdgkch erkannt. Nach der Eracheinuag 
gibt >es eine ri^m] Soio(M(ifjunfj ^ gleichsam eine Kunst der falschen 
'Metaung. Eine solche kann nicht anders als in einem Schein beruhen,. 
Weil nun im Sophisten über das Verhältnis der Ersoheinungea zum 
Begriff überhaupt nichts positives festgesetzt worden war, da, wie S.137 
gesagt, die Art, wie im Excurs über die tixvrj die Welt von denBe^ 
griffen. uQvermillelt durch einen selbstschopferischen Act der göttlichen 
Kaast entsteht, nicht für eine Erklärung derselJi)en gdten kann: so war 
aueb üher die Art, wie das Andere gegenüber einem nach allen Prae^ 
dicaten bestimmbaren Nichtsein des Ein \m Reflex zu dem NidO&eJafi 
ebenfalls nach Praedleaten zwac bestimmbar aber nicht ist, sondern, 
weil diese Praedicate am Nichtsein des Ein unter der Vorausaetaang 
eines fehlenden positiven Sein des Ein des Seins ermangelo, nur 
scheint, nichts bestimmtes gewonnen. Ein splcher Sehein des Vie- 
len wird aber im Parm, }fi4k nicht zufällig gefunden, sondern in Z«- 
sammenhang de« Uaftersuchung begründet. Wie denselben auch Her- 



E;^ Aib^rtii zur Bltif^kttli der Hidon^ Hl 

miAii S; 5^'f. and -AiRiiJ38d> l&r/di« fiMtimnung dmiMmU^n dbr^ 
haltd des Fittrmenfdes richtige gcmüTdigt hsttr.so fehlte ohne dk.'Be'- 
grQndung desselben- der ßeschceibu^g ^et viiv^ do|oftifei7n»^ im S^ 
phislen das ^efa^rlge Lidit. Beachten wir diesen Schein in dem naieh 
Massen gelreiinlen Andern und wie er aufh&ren musSs Sekein zusein^ 
venn die Praedicate am Nichtsein auf das S«dn des Ein bezo^a Wer- 
den, und wie die Massen dann Mamgfailigkeit imEin^^ünd: so sehen 
wir dasz, wie logisch keine Negation ohne Alfirmafion ist und- eine 
Gliederung im Deinen ohne Einheitlichkeil, wie umgekehrt diese ohne 
jene unmaglich ist, so auch, analog der logischen, eine ontoiogiachA 
Nothwendi^keit der Einheit im Manigfalligen unbe^gt i&l ,. dasz , T^ie 
Hermann sagt, eine den Denkgesetzen entsprechende ReatHIät, Einheit 
erfordernd, unmittelbar die ManigPaltigkeit in sich trage« Nun aber 
isi die rixvri do^Ofitfirinmj de^s Sophisten nach der obigen Stelle au«- 
nächst im Schein beschärtigt, also in dem, was sich im vorletzten 
Theii des Parm. 164 ß — 165 E parattei der Stelle 160 B — 1^3 B für das 
Andere herausstellt, wenn sich für das Nichtsein des Seins entbehrende 
Praedicate ergeben , und heisZt dies in Bezug auf das Verhältnis der 
logischen und ontologischen Seite , dasz Praedic^ate ohne eine logische 
Einheit entologisch ein Schein ohne einhei^iche Realität sind« Die 
streng gedachte Identität des Logischen und Ontok>gisehen beachtofy 
ist ein gegliedertes Denken ein manigfalliges Sein und umgekehrt, und 
das Wesen der Dialektik (Soph. 253 C) ist das Wesen der Ersoheiauog. 
Wie aber dies Resultat aus dem Parmentdes elgenthümlich gewonnen 
wird , ist in dem ganzen letzten Abschnitt 160 B— 166 C aus der Dar- 
stellung desselben klar. 

§ 7. Die verschiedene Auffassung des Nichtsein 
am Ein. Der Schein des Andern ist dais Gebiet der im 
Sophisten beschriebenen ti%viq öo^ofAL(iriti»iq. 'Zuetst 
wird das bereits im Sophisten gewonnene Nichtsein, gegenüber dem 
durch die Differenz vom Ein unterschiedenen Nlohl- Eint eben daduvch 
ein bestfmmtes, dasz es vom Ein aosgesaigt wird, und indem sich zeigt, 
dasz dem vom NIcht-Ein unterschiedenen Ein diePraedicatel der Ui»- 
ähnliehkeit, Ungleichheit zum Andern, der Aehnlichkeit undi^leieh- 
beitmit sich selbst als seiende zukommen, findet steh eine Duplieität 
in dem Ausdruck *das Ein ist nicht% vermöge deren das Ein, wel- 
ches nicht ist, doch auch ist, ein Sein und Nichtsein, gewisser- 
maszen entsprechend dem Ein an sich und dem Ein im Andern, wie 
es steh nach der Behauptung Mas Ein is ^ ergab. Die Widersprüche, 
die dort für das Ein aus jener doppelten Fassung flfossen, finden -sich 
hier wieder , wie Bewegung und Ruhe , weil einestheils das Nichtsein 
nieht als Negation des Ein , sondern des Seins aiatf^efas^t , das Ein von 
dem Seienden ausschlleszt und es , analog dem Ein im xavtov dort 
(vgl. 1§!3D wee to w ovrt to f*^ ov% hier im Nichtsein ruhen läszt, 
andemtheiis aber das Sein des Efa zum Nichtsein ohne eine MetAbote, 
eine Be^wegung, nieht übergehen kann. Von der Ruhe- des ntcht- 
seienden Ein Ist also die Rede, sewol weil es vom Seieaden ahjfpe^- 



US £. Albferti: mr Dialektik des Plalon. 

g«h, tis aoch weil es «n sich ist, von der BewegöD|[^, weil Sein und 
Nichtsein Gegensätze sind. Ueberhaupt, da ein Nichtsein nicht ab- 
solut, sondern das Nichtsein im Verhältnis zum Sein ist, so zeigt das 
fM^ nach Soph. 267 C etwas von dem andern an , als die Sache ist , die 
dorch das der Verneinung folgende Wort bezeichnet wird; also ist 
Nichtsein das Einsein des Andern , unmittelbar aber auch , wie das 
Andere ist , ist es die Bestimmung des Ein , die Praedicate sind das 
Andere, und Sein und Nichtsein, wie jede Bestimmung, kann nicht 
zwar von dem unterschiedslosen , sondern von dem in sich unterschie- 
denen Ein ohne Widerspruch gelten. Denn überhaupt musz nach 
161 E das Nichtsein an dem Sein und auch das Sein an dem Nichtsein, 
um vollständig zu sein oder nicht zu sein , nothwendige Bestimmtheit 
finden. Insofern aber das Nichtsein des Ein nicht als das Andere 
bezeichnet wird , fällt es als Widerspruch auf das Eins selbst , dem 
ein Sein nothwendig ist Wie Sein und Nichtsein , sind Widersprüche 
auch die Praedicate der Ruhe und Bewegung, der Veränderung und 
NichtVeränderung, des Werdens und Vergehens. 

Vergleicht man mit dieser Stelle 160 B — 163 B die andere 164 B—« 
16&E zunächst, so ist in jener die Unmöglichkeit bewiesen, das Eins 
als nichtseiend, ohne es auch seiend zu fassen, in dieser unter der 
Voraussetzung eines nichtseienden Ein die Unmöglichkeit das Andere 
als seiend zu denken gezeigt, so jedoch, dasz von einem Schein des 
Andern die Rede ist, welcher entsteht, insofern zwar das Sein am Ein 
fehlt, ohne dasz aber das Ein und das Andere an sich, vermittelst des 
^e(fov auszer Beziehung gedacht werden. Doch wie dort das Nicht- 
sein des Ein ein bestimmtes Nichtsein nach Praedicalen ist, aber so- 
gleich ein Widerspruch im Ein selbst: so ist hier das Andere nicht 
als Nichtsein des Ein zum Sein des in sich unterschiedenen Ein auf- 
gefaszt , sondern es steht einem nichtseienden Ein gegenüber , und so 
ergibt sich der Schein des Andern aus seiner Beziehung zu einem Ein, 
welches es, um zusein, seiend erfordert, welches aber nach der Vor- 
aussetzung nicht ist. Insofern nun in dem vorhergehenden Abschnitt 
aus wirklichen Praedicaten, die einem nichtseienden Ein beigelegt 
werden , das Sein des Ein gefolgert wird : wird in diesem Abschnitt 
aus der Beziehung des Andern zum Ein und aus den Praedicaten, die 
dem Andern zugelegt werden, nicht gleicherweise auf das Sein des 
Ein geschlossen. Vielmehr wird die Beziehung und die Praedicate 
•auf das der Einheit entbehrende Andere selbst angewandt. Dieses hat 
die Natur des Unbestimmten mit dem abstracten Andern gemein 
(158 B). Insofern aber an die Stelle des dort abstract gefaszten Ein 
hier ein nichtsCiendes Ein getreten ist, kann die Unbestimmtheit durch 
die mögliche Beziehung zum Ein, das nicht ist, hier nicht zur wirk- 
lichen, sondern nur scheinbaren Bestimmtheit werden. Von einer 
scheinbaren Bestimmtheit aber im Verhältnis zum Ein aufgefaszter Prae- 
dicate kann nur bei ontologischem Verhältnis die Rede sein. Bei rein 
logischer Fassung kann das Nichtsein des Ein wie das Sein fDr das 
Andere mir die Consequenzen , dasz das Nichtsein des Ein dieses eben- 



E. ASbetüi aur Dialektik des Flaton; IM 

-sowol isl als nicht ist, nach sich ziehen« Htm ist es auch reeht nvol 
ind^lich, dasz der Verstand 4as Ein leugne; hat er aber troiadem an 
dem Andern den Sehein , den seine sinnliche Wahrnehmung nicht su 
leugnen vermag, sa sollte er, statt diesen an sieh zu nehmen, das 
Andere im nothwendrgen Verhältnis dem Sein des Bin gegenüberstelief^ 
wozu die dialektische IMelhode dient. Bemerken wir, dasz nachl^^D 
nachgewiesen werden soll, dasz die Begriffe sind und dasz die Er- 
scheinungen das Theilhaben dei verschiedenen. Begriffe untereinander 
sind : so war l)dasz ein Begriff die Vielen sei und nicht. sei, als logisches 
Postulat zu erweisen , wie es im erstem Abschnitt geschehn ist (155 E)» 
und dieser Beweis gilt direct für das logische Verhältnis zwischen Ein 
und Nicht-Ein. Es war aber 2) zu zeigen , wie die Erscheinung sei, 
and insofern dies auch in jenem lag, zeigte direct der zweite Ab- 
schnitt (das Ein ist nicht) in der Beziehung zum nichtseienden Ein eben 
die Praedicale des Verschiedenen, des Ein, des Vielen, der Zalri^ 
der Grosze, Kleinheit, Gleichheit, der Begrenztheit usw. als ein des 
logischen Factors Entbehrendes, noch Scheinendes, und zwar, weil 
das Andere als ein in sich Unterschiedenes eine Beziehung fordert« 
aber zum Ein, das nicht ist, wesentlich nidit hat. Zunächst ist der 
Schein des Andern eine Beziehung zu sich selbst, ist nicht die <&«-* 
riffQO) qwaig (Soph. 257 C), die ein ontologisches Nichtsein des Ein ist, 
läszt also, insofern er für die Auffassung selbständig ist und der Di^ 
lektik sich entwindet, ein sophistisches Spiel der tixvti 6o^o(Ai(ifit$niq 
zu, insofern diese ja in dem Schein, wie er hier genannt wird, oder 
in dem begrifflosen g>avTa<S(iay mit dem sich die öo^ofMiifirini^ be- 
schäfligC (267 A) , ohne zum Sein oder Nichtsein des Begriffs vermöge 
dialektischer Kunst sich zu erheben, beharren bleibt. Ueber den 
Schein hinaus werden die Praedicate unmittelbar als Anderes zum Ein 
erfaszl und sind in ihrer gleichartigen Anwendung auf dies die 6«r- 
vi^ov tpvCig^ welche nur der Dialektik zuganglich, gewissermaszeii 
im ontologlschen Sinn ebenso über dem Scheine ruht, wie die Dialektik 
über der von dem logischen Postulat unabhängig operierenden Seelen«- 
ihätigkeit, mag dieselbe Siavoiaj dogcr oder g>avretöla heiszen (vgl. 
364 A B). Dringt die Dialektik nach logischem Denkgesetz zum Be* 
griff über den Schein hinaus vor, so ist unmittelbar in ihr die Com« 
binalion in Sein und Nichtsein, in welcher die Begriffe miteinander 
verbunden sind, so ist das Ein und die Beziehung aller Praedicate zu 
ihm mit Bezug auf die Erscheinung gegeben. Heiszt es nun einen 
Schritt weiter gehen, wenn man die Praedicate, die hier «^ctri^ov 
^pwfig zum Ein, aus ihrem Praedicatsverhältnis losgelöst; an sich als 
reine Ideen auffaszt, die mit dem Ein identisch sind, so ist dieser 
Schritt im Parmenides nicht geschehen (Zeller S. 166 und Hermann 
Anm.528). Aber es ist die Identität des Ein und des Andern, ver- 
möge welcher, sei das Ein, sei es nicht, das Ein und das Ander« 
Alles schlechterdings sei und nicht sei, scheine und nicht scheine, als 
Beding^ung erwiesen, unter welcher die Erscheinung, wie zur onto<> 
logischen Wesenheit , so zum dialektischen Erkanntwerden gelangt 



164 K. Albertt: 2tir Dialektik dw PUlo^ 

Zo ketiiem andern Zvt^eeR als demv trote der aufgeworrenen Schwierig 
keilen zu zeigen, dasz enl([^eg«n8lehendp Praedieale den Erschetnungea 
bei^ele^t werden, ist auch die Untersuchung nach 1SS9 I> ang^angcai 
mifd 186 A von neuem yorgenomoien. Biese Aa%abe erheischte eine 
Sxposiüon des dialeklisclien Grundsatzes , aber die Erechelming tis 
tä 'JillM ist Ofcht : an sich ein dialektisches tu: aXXa (die andern Be- 
griffe), eondem, ainnlieh wie sie ist, zwingt sie nicht unmitielfoar dia- 
lektisch aufgefaszt zu werden , und insorern es nicht gesciiieht^ in ihrer 
auszer dem Ein liegenden Beziehung zu sich selbst ist sie Schein., der 
aioh dem schärfer in ihn dringenden Gedanken als Unbestimmtes in»- 
mertort entwindet. Wie aber das Andere, ohne dialektisch geHaszl 
za sein, nur als ein Bezogenes auch fiir die auszer der DiaJeklik lie* 
genden Organe der AuITassung, die Aesthetik, die Meinung, über- 
haupt Etwas , wenn auch nur Schein, sein kann , für die Dialektik selbst 
SmiQOv gwöig ist : so fällt ein -unbezogenes , unterschiedsloses Andere 
auch nicht als Schein unter eine Form der Anschauung und ist über- 
all, wie das unterschiedslose Eins, weder einer wissenschaftlichen noch 
sinnlichen Auffassung fähig , insofern unter sinnlicher Auffassung die 
Unterscheidung nach Massen, das scheinbare Innewerden von glei- 
ehen oder ungleichen, ähnlichen oder unähnlichen, bewegten oder 
ruhenden, werdenden oder vergehenden Dingen , mit einem Wort der 
Schei«! verslanden wird. So kommt also in Vergleich mit 163 C — 
J64B der letzte Abschnitt 165 E — 166 B wie jener zu einem reinen 
Ifiohts, zu einem Widerspruch milider sinnlichen Wahrnehmung selbst, 
die (loch auch dem sophistischsten aller Sophisten vorhanden war^ 
Stellt sich aber nach alle dem klar heraus , dasz im Parmenides statt 
der reinen Ideenlehre, insofern darunter der Beweis für die Identität 
des logischen Ein und Nicht-Ein verstanden, vielmehr zunächst eine 
Anwendung der Begriffe auf die Erscheinungen im Sinn des nach 
139 D und 136 A zu lösenden Problems enthalten sei , so kommt woi 
auch den auf das Ein gleichmäszig angewandten Praedicaten des Sein 
und Nichtsein, der Verschiedenheit und Identität usw. die- begriff- 
liche Wesenheit vor wie nach ihrer Verbindung insoweit zu, als ihr 
Praedicatsverhältnis die im Ein ruhende Nolhwendigkeit des logischen 
w!ie ontologischen Inhalts , des unter die Dialektik fallenden, im Manig- 
faltigen gegliederten Ein ist. Das ist aber der Beweis für das S. 147 
angedeutete nalhwendige Connexum zwischen Begriff, Vielheit, Sein^ 
Wissen j vermöge dessen die aufgezählten Schwierigkeiten der Idceni- 
tehre sich gar nicht ergeben. 

§ 8; Die Aporien gegen die Ideen zeigen sich al» 
gelöst* Denn was die ad 1 und ad 2 angeführten betrifft, so kommt 
zu dem, was wir S. 138 und 146 bereits gesagt haben, in welche 
Amphibolie durch räumliche Fassung der Begriff geräth, jetzt, dass 
in Bezug zum Begriff das Ding an sich keine Selbständigkeit hat, son«- 
dern der dialektischen Auffassung die ^axi^ov qwaig des Begriffs ist, 
deren Wirklichkeit der nach seinem vollständigen Inhalt in ihr nothr^ 
wendig erscheinende Begriff selber ist, welcher, wie er ist,, aus der-^ 



R. Aibi6rü4 itur IMalekllk des PUton. i5S 

«elben 'Vollst§iidi^6il des InkaMs als fiinheil in das dial^kliseiM Bt^ 
wufltseia aufgeht. ^^ Da« 132 A B bemerkte verglichen mit 164 D ^ 
165 A B iat aus der bis zur diatektisehen Aurfassung der Erscheinung 
nicht durchgedrungenen sinnlichen- Wahrnehmung an der Erscheihuog 
entsprungen, vrelehe das Gemeinsame an vielen Dingen immer ia 
dem Moment als inHQa vonlijd'og (132 B. 164 D) zum Unbestimmten 
verschwinden siebt, -wo sich ihr eine andere Erscheinung, jenes Ge^ 
metnsame. umfassend, darbietet« Insofern aus diesem Schein' vor dem 
Anfang immer ein neu erscheinender Anfang oder naoh dem £nd^ 
immer ein neu erscheinendes Ende (165 A g. B.) entspringt, w^d aus 
derUnbestinimlheil der sinnliehen AufTassung die Nolhwendigkeit eine« 
vernünftigen Postulats des Unbedingten indirect bewiesen. Während 
es keinen Begriff in jenem Sinn gibt, zeigt sich, daez nicht die £r<> 
scheinungen den Begriff, sondern umgekehrt der Begriff als onta^ 
logisches Unbedingte implicile eine unendliche Vielheit in sich trage; 
weiche als Inhait den Begriff zum dialektischen Bewustsein bringt^ **** 
Insofern aber ohne den Zwischenbegriff des Werdens der Begriff sich 
als Erscheinung oder als das mit dem Praedieat versehene Andere 
setzt, so sind, weil in ihnen mehrere Begriffe aufgefaszt werden, di# 
in Ihrer Verschiedenheit untereinander einem Urbild nicht eongrucnt 
sein können, die Erscheinungen kieine biioim^at«, sondern Formen^ 
in denen mit seiner positiven auch die negative Bestimmtheit des Bo«^ 
griffs nach der Fülle aller Verbindungen unmittelbar so als Object der 
Dialektik erscheint , wie diese immer nach innerem Gesetz die im Vielen 
ruhende Einheit erfordert (vgl. S. 139 ad 5). ^^ Ferner aber verlangt 
die Form des dialektischen Begriffs als Einheit die Rcalillt der nega^ 
tiven Form als Anderssein , so dasz die Erscheinung unter dieser Form 
den realen Inhalt des Begriffs bildet , in Bezug auf welchen Wahrnehr 
mung und Meinung solche Operationen der Auffassung, sind , welche 
zwar die Erscheinungen überhaupt unterscheiden können, die jedoch, 
i^ell sie untergeordneter Art sind^ ohne zum begriffiicheti Wesen zu 
kommen , im Schein derselben unter sieh hangen bleiben«' Aber wia 
in der Erscheinungswelt der erfüllte Inhalt des Begriffs, ruht, wie 
schon oben gesagt, über ihr der Begriff lebenso, wie über Wahrneh* 
mung und Mednung die Dialektik, und demnach musz auch das oben 
(6.138 ad 4) bemerkte in dem Sinn verstanden werden, dasz däs^ge^ 
gliederte Denken das gegliederte Sein voraussetzt. Demnach gibt- a^ 
ohne ein gegliedertes Sein keine Dialektik (vgl. S. 139 ad 6). E'ndÜOT 
alMr ist das Wesen der Begriffe dergestalt die Einheit der Erscheinung^ 
als ihre Verbindung untereinander Inhalt ist , und wie ein abstractes 
Fürsichsein der Idee nach 137 C f., so ist ein abstraetes Fürsichsein 
des Inhalts nach 159 B f. ebenfalls, also auch eine von der Idee ahg^ 
2ogene Welt der Erscheinung unmöglich (vgl. S. 139 ad 7). Dieselbe 
auf die Idee bezogen, aufzufassen ist die Dialektik das einzige, sehMi 
Soph. 253G erklärte Organ. Je mehr es darauf ankommt, die Be« 
Ziehung der Ideen richtig zu erkennen, um die Welt der Wahrneil-» 
iDung des Seheins zu entkleiden, desto mehr fällt mit der riehiigeii 



156 E. Alberü : tut DialekOk des Ptatoiu 

Bestimmung der Begriffe sa den Erscheinungen die Aufgabe der Dia- 
lektik zusammen, deren Förderung also ebensowol directer Zweck, 
als der andere der ist, die Erscheinung durch Begriffe zu erklären 
(S. 140)« Die Unlerstellung der Erscheinung als Form des Nicht- 
seins unler die Begriffe ist die Voraussetzung, wie die Praedicate 
gleichmäszig auf das Ein angewandt werden. Rückschiieszend geht 
von dem Nichtsein die Dialektik , reale Einheit fordernd , auf das Sein. 
Dazu muste gezeigt werden , und der Parmenides zeigt es , dasz das 
Nichtsein ein solches wäre, weiches diesen Ruckschi usz erforderte, 
d. h. welches nothwendig nur in Beziehung zum Ein vorgestellt und 
gewust werden könne. Zugleich ist dieses Nichtsein, im Parmenides 
als %a SHa bezeichnet, nicht mehr blosz logisch, sondern ontologisch, 
d. h. es wird fireilich von der Dialektik im Verhältnis zum Sein noth- 
wendig erkannt, weil aber, was an sich ist, für die Vorstellung auch 
anders sein kann , so auch das Nichtsein für die Vorstellung und Mei- 
nung; es ist Schein für jede Art nicht dialektischer Auflassung. 

§ 9. Das Verhältnis des Parmenides zu dem Theae- 
iet und Sophisten. Bemerken wir aber hiernach, dasz die der 
Ideenlehre entgegengetretenen Schwierigkeiten vor dem eigenlhüm- 
lichen Wesen dialektischer Begriffe nicht bestehen : so ist nicht allein 
das Wesen des ov von dem Organ dasselbe in der Beziehung zum fiij ov 
aufzufassen, sondern auch die Möglichkeit es in dieser Beziehung nicht 
aufzufassen, von dem Schein, welcher das (itj ov an sich trägt, ge- 
schieden. Den Gebieten vom Schein zum begrifflichen Sein als Ob- 
jecten entsprechen als Auffassungen die Wahrnehmung bis zum Wis- 
sen. Der Parmenides hat den Grund klar gelegt, auf welchem die 
Organe der Auffassung vollständig mit derjenigen Sicherheit geordnet 
und gewürdigt werden können, weiche die objective Giltigkeit des 
gewonnenen Resultats der Definition der Dialektik und jedes ihr unter- 
geordneten Organs verleiht. Enthalten nun , statt einer solchen voll- 
ständigen Organisation der von der Sinnlichkeit zur Dialekdk hinauf 
möglichen Organe der Auffassung, nach ihrer Stellung zueinander 
und der gröszern oder geringern Deutlichkeit zum Objeet der Auffas- 
sang geschieden, einzelne Stellen im Theaelet unsichere Erklärungen 
der Wahrnehmung (184 B f. 186 D), Meinung (schon 161 D vgl. mit 
S* 117, bes. 187 Aund 190 A), des Wissens (198 D f.) : so war auch, be- 
^Mr nicht das Kriterium aller Auffassung, die Noth wendigkeit, dasz die 
Tom Wissen geforderte Einheit real und die von der Wahrnehmung 
angesehene Vielheit ihr Inhalt sei, gelegt worden war, selbst die Be- 
hauptung, dasz alles Wissen vom Seienden sei (TheaeU 186 C), un- 
sicher , insofern dieses einestheiis mehr ein gegenüber dem Flusz der 
Wahrnehmungen gefordertes Sein ist, anderntheils aber der Inhalt, 
den die Erscheinungen bilden (Theaet.l88D — 189 B), ohne Bezie- 
hvDg zum Sein, statt d^r Dialektik für Nichtsein, denWahrnehmusgea 
noch für Sein gilt. Wenn ferner das eben genannte Kriterium, wel- 
ches der Parmenides herausstellt, schon genau ins Auge gefaszt wäre,, 
so hätte die positive Antwort auf die Frage, was Wissen sei, unmiL- 



Ei Alberti! zor Dialektik des Piatont- 157 

tribar erfoljgfen kdnnen, und die an sich so gpründliche Unlersachang* im 
Theaetet über die Möglichkeit der falschen Meinung hätte gewis kaum^ 
den ihr eigenthümlichen Charakter der Zweirelhafligkcit und üngewis-' 
heit an sicji getragen, insofern alsdann auf dem Wege von der Wahr- 
Tiehmung bis zum Wissen die Function jedes einzelnen Vermögens der* 
Auffassung mit Rücksicht auf das Organ das Sein zu erkennen, die 
Dialektik, gebührend charakterisiert, auch leicht entschieden worden 
wäre, wie falsche Meinung dann auf dem Wege zur Dialektik mög*- 
Hch sei, wenn die Natur des Nichtsein noch nicht durchschaut, nicht 
nach dem d'dte^ov vom Sein vollkommen losgelöst wird. Statt dessen 
ist zwar mit Bestimmtheit zwischen Wissen und Nichtwissen geschie- 
den (188 A), die Natur der Einheit aber, weiche das Wissen be- 
dingt, ist erst am Schlusz des Gesprächs in der Definition, Wissen 
sei wahre Meinung mit Erkenntnis des Unterschiedes, dialektisch an" 
gredeulet. Diese wesentliche Andeutung wäre aber nicht zuletzt und 
in der Form als ovag avrl avel^atog angefügt worden , wenn das Ge- 
biet der Wahrnehmung im Theaetet schon die &cetiQov fpvaig der rea- 
len Einheit wäre und diese Hauptsache, welche der Parmenides zu 
erklären so ernstlich bemüht gewesen war , in ihn übergegangen wäre: 
Hinwiederum ist diese dialektische Auffassung nach der Ordnung int 
Theaetet , wo Wissen zuerst als Wahrnehmung (151 E) erklärt wor- 
den ist, nicht wahrscheinlich, sondern ergibt sich aus der Kritik selbst 
in der Andeutung erst am Schlusz, wo die Erkenntnis des Unterschieds, 
welche die wahre Meinung begleitet , eine Erkenntnis von der Natui" 
des ^crte^ov ist, welches, bevor es im Parmenides aufs engste zum 
?v in das nolhwendige Verhältnis gesetzt und gründlich beleuchtet 
wird , im Sophisten an sich gegliedert wird. So ist der Theaetet eben 
nur ein Gespräch, das den Weg zur Wissenschaft durch Ausscheidung 
fremdartiger Gebiete säubert, welches die Aufgabe hauptsächlich da- 
durch , dasz es die Art und die Möglichkeit der falschen Meinung be- 
stimmt, zu vollziehen sucht, und obwol es Theaet. 200D heiszt, dasz 
die Frage nach der falschen Meinung der andern nach deni Wissen 
nicht vorangehen dürfe, so dient indirect jene doch der Beantwortung 
dieser, insofern z.B. sowol die Stelle 195 D die Forderung in sich 
trägt, dasz der .Typus, auf den die Wahrnehmung zurückgetragen 
wird, ein unterschiedlich fest und bestimmt erkannter sei, als aaeh 
die Stelle 200 A — C verlangt, dasz eine genaue Unterschiedlichkeit 
des Objects verhindern müsse, dasz die ivmtdtrifiboavvri mit der 
ixufnqftfl zusammenfalle, Forderungen die gerade auf die Dialektik 
und die dialektische Natur des aus dem Unterschiedenen zu erkennen- 
den Ein hinweisen. Während aber der Theaetet die Untersuchiing 
auf dem Gebiet der psychologischen Hergänge festhält, auch nach 
jener Stelle 185 C bemtüit ist, aus der Natur der Wahrnehmung und 
Meinung selbst heraus die Unsicherheit ihrer Operationen abzuleiten: 
so trägt er auch jene Begriffe nicht zurück als wesenhafte Einheiten 
in die Erscheinungen , um , was in der Auffassung das Wesen bildet, 
in der Erscheinung wieder zu finden , um dann ferner die Erscheinung 

Jahrb. f. elass. Philol. Stippl. N. F. Bd. 1 Hfl. 2. ]l 



tlid E. iUberU: zur Diai^kUk d^9 PiiOon. 

zug^leich als dasjenige zu setzen» was als die Einheil oiohi rein wabr- 
genommen wird, sondern vermischt mit Vielem, was die Einheit auoh 
verkennen läszt und in. dieser Verkennung die falsche Meinung be* 
wirkt. Vielmehr ist, dctsz Wahrnehmung nur möglich sei, weil sie 
durch den Syllogismus gleichsam zur Festigkeit zusammengeschlossen 
wird, das, was zunächst die Annahme von Begriffen herbeifiihrt, und 
diese bilden das Sein, ohne dasz ein Nichtsein an ihnen schon real 
unterschieden wird. Den ersten Schritt zu diesem macht, indem die 
Frage nach der falschen Meinung weiter verfolgt wird, der Sophist, 
welcher die Begriffe als Realitäten behandelt,, die, indem sie in gegen- 
seitiger Unterscheidung nebeneinander stehen, wenn sie sich verbin- 
den, Einheit und Unterschiedenes, Sein und Nichtsein zugleich sind. 
In der Definition der Dialektik 253 C E ist die Erscheinung schon nach 
der Möglichkeit, wie und wo (y nal Zity) die Begriffe eich verbinden 
können, in das Wesen derselben unter die dialektische Auffassung 
eingeschlossen. Zunächst dann wird fortgefahren die Begriffe näher 
zu bezeichnen, identische und Praedicatsbegriffe und einige der wich- 
tigsten zu unterscheiden, mit Einern Wort das Gebiet dialektischer 
Thätigkeit in dem realen Sein und Nichtsein darzulegen. Wie dann 
die Frage beantwortet wird, ob Verstand, Meinung, Wort am Nicht- 
sein Theil haben, wird das Nichtsein ganz deutlich eine ReaUtat, 
welche nun auch anders als dialektisch aufgefaszt werden, also aus 
dem rein dialektischen Verhältnis heraus als Object unter Wahrneh- 
mung, Phantasie, Meinung treten kann. Das reine Nichtsein , Gegen- 
stand der Dialektik, ist inhaltlich die Realität aller Begriffe gegenüber 
dem Einen und gehl mit dem Sein der Begriffe zusammen; das Nicht- 
sein als Gegenstand der Wahrnehmung, Meinung, Nachahmung ist 
die Verbindung der Begriffe, also Sein und Nichtsein. In dieser 
Mischform soll die Dialektik nothwendig richtig verbinden, nicht so 
die untergeordnete Art der Auffassung, und in einer solchen musz 
das Gebiet der falschen Meinung sein, welche der richtigen Verbin- 
dung der Begriffe untereinander sich nicht bewust, als eine Nach- 
ahmung derselben nach unrichtigen Verhältnissen geschildert (S. 133), 
in einem Schein beharren bleibt, der für sie das Wesen isL Die Mög- 
lichkeit dieses Scheins war bei der Möglichkeit der Verbindung der 
Begriffe unleugbar, und es war die Auseinandersetzung über das Ge- 
biet und die Kunst der menschlichen Nachahmung im Sophisten an 
ihrer Stelle. Aber dasz es auch nothwendig sei, dasz Begriffe sich 
verbinden, wie es möglich ist, weil wir wahrnehmen und meinen, dazu 
muste bewiesen werden, dasz Begriffe abstracl an sich für die Dia- 
lektik eigentlich nichts, sowie Wahrnehmung, wahre und falsche 
Meinung, überhaupt jede Art der Auffassung unmöglich sind. In diese 
Ausdehnung des Sein und Nichtsein der Begriffe, als Gebiet aller 
Auffassung, welches ihre Verbindung umfaszt, ist die Erscheinung 
eingeschlossen oder ist sie selbst, ist der Inhalt des sich mit dem An- 
dern setzenden Begriffes, und sie findet ihre Erklärung , wenn die Noth- 
wendigkeil jener Verbindung bewiesen wird. Der Parmenides nun, 



E. Alberti: zur Dialektik des Piaton. 159 

wie er 129 A — E und 136 A die Gemeinschaft mehrerer Be^iffe an 
der Erscheinung^ annimmt, fuhrt in eine solche Auffassung unmitfeibar 
ein« Um jedoch nach allen Seiten den Beweis zu fQhren, wie diese 
Verbinjiung einestheils nothwendig, anderntheils nicht ein Substrat 
reiner Gedanken, sondern einSubslrat jeder Art Auffassung, also auch 
der Meinung sein müsse, werden die oben aufgezählten Schwierig- 
keiten zuerst hervorgehoben und dann im zweiten Theile durch das 
eigenthämliche Wesen dialektischer Begriffe widerlegt. Zunächst nem- 
lich scheinen Räumlichkeit und concretes Dasein , wo der mit andern 
verbundene Begriff aufgefaszt wird , die Realität dieses in Schwierig- 
keiten zu verwickeln , wie viel des einzelnen Begriffs an ihnen er- 
scheine und wie viel Dinge an der Idee Theil nehmen , oder in welcher 
Weise« Wiederum scheint die Realität des bloszen Verslandesbegriffs 
derartig an sich, dasz sie nicht verhindert, dasz die Dinge selbständig 
wahrgenommen oder gemeint werden , ohne dasz Wahrnehmung und 
Meinung die Mittel der Auffassung aus der Dialektik zu entlehnen 
brauchen. Nach dem S. 153, speciell S. 154 gesagten sind diese Schwie- 
rigkeiten gelöst und dargethan, dasz, wie das Gebiet der Begriffe 
Eins und Alles ist, nur die Form ihrer Verbindung mit Sein und Nicht- 
sein au«h der untergeordneten Auffassung einestheils überall Zugang- ' 
lieh ist, anderntheils erlaubt, dasz sie in dem Schein der Unabhängig- 
keit dieser Form irthümlich verfahre. Denn Schein ist die unabhän- 
gige, an sich unterschiedene Mischform (164 B f.), insofern sie die 
Idee, unter der es möglich ist sie aufzufassen, nur als Nichtsein in sich 
hat, also, wo man dieses selbst als Sein auffassen will, aber nicht 
kann, ins Unbestimmte verschwindet. So klar es nun ist, dasz der 
Inhalt des Parmenides dem des Sophisten nachgestellt werden musz, 
so wenig ist doch, wenn nach der Andeutung Soph. 217 A der So- 
phist als erstes Glied der verheiszenen Trilogie mit vorläufigem Üeber- 
g'ehn des Staatsmanns , der in seiner Stellung als zweites Glied nach 
dem jetzigen Inhalt sehr problematischer Natur ist, einen Schlusz auf 
den Inhalt des letzten Gliedes erlaubt, der Parmenides mit dem Phi- 
losophen schlechtweg zu identificieren. 

§ 10. Der Parmenides nicht der Philosoph. Zeller, 
welcher dies thut, stützt seine Meinung vorzuglich auf die Aehnlich- 
keit, welche zwischen dem Wesen der im Parmenides und dem der 
im Sophisten und Staatsmann verfolgten Methode vorhanden ist. Er 
sagt, dasz, wie die den letzteren beiden Gesprächen eigen Ihümliche 
Methode im wesentlichen darin besteht, dasz in Beantwortung der 
Frage nach dem Begriff einer bestimmten Kunst zugleich das dieser 
Kunst angehörige Gebiet der objectiven Welt durchforscht und unter 
dem Vorgeben, dasz es sich nur um Aufsuchung jener Definition handle, 
eine Masse speculativer Bestimmungen gegeben wird , so auch der Par- 
menides sich die Miene gibt, dasz es ihm nur darum zuthun sei, den 
Begriff der Dialektik, d. h. den des Philosophen an einem Beispiel an- 
schaulich zu machen, in dieser Ausführung selbst aber das Gebiet, 
mit welchem es der Philosoph zu thun hat, das der Ideenwelt ^ nach 

11* 



160 E. Alberti: zur Dialektik des Piaton. 

•einem Wesen und seinem Unterschied von der Erscheinungswelt dar- 
gestellt wird. Die Stelle Parm. 135 C — 136 C drückt aber vielmehr 
die Absicht aus die Dialektik zu schützen als ein Beispiel derselben zu 
geben, und sie erreicht jenes, indem auf dem Wege indirecten Bewei- 
ses eine Realität der Begriffe erwiesen wird, welche die im vorher- 
gehenden erwähnten Schwierigkeiten nicht treffen. Dieses wahre 
Wesen der Begriffe , welches zugleich der Unterschied der Erscheinung 
ist, als der eigentliche Kern des Gesprächs gibt, so sehr er auch die 
Voraussetzung des Philosophen bildet, doch über den Philosophen kei- 
nen detaillierten Aufschlusz. Denn ein solches Wesen des Begriffs 
objectiviert die Forderung des Denkgesetzes nach Einheit im Manig- 
faltigen, bestätigt mithin das Recht der Vernunft und Dialektik. Der 
Philosoph würde nun bemüht sein, das begriffliche Wesen in allem 
Manigfaltigen zu finden und die Forderung nach Einheit an jeden In- 
halt aller Art Auffassung zu legen. In diesem Sinn fällt der Philosoph 
mit dem Parmenides nicht zusammen , sondern wie die Gewisheit über 
das Gebiet des Begriffs, welches dieser gibt, vielmehr die dialek- 
tische 'Thätigkeit jenes einleitet, so würde im Philosophen, was ob- 
jectiv die Wahrheit des Sein ist, als subjective Bedingung des Wis- 
sens erklärt und also im Verhältnis zu dem Wissen die Wahrnehmung, 
Meinung ebenso , wie im Verhältnis zum Sein des Begriffs die Erschei- 
nung gewürdigt ist, richtig dargestellt worden sein. Aehnlich schlieszt 
sich im Sophisten an die Darstellung des Nichtsein die Würdigung der 
falschen Meinung, insofern jenes objective Nichtsein, wie es sich aus 
der Behandlung der Begriffe ergab , als Bedingung der falschen Mei- 
nung wie Schein betrachtet isL Analog mit dem Wege , auf welchem 
die Aufklärung über die falsche Meinung gewonnen wird , erwarten 
wir am Ziel eines Gesprächs , welches den Titel des Philosophen zu 
führen bestimmt war, mehr als eine Ausführung des Gebiets, auf 
welchem derselbe thätig ist, der Ideenwelt, nach seinem Sein und 
seinem Nichtsein in der Erscheinungswelt. Nemlich wie sich im So- 
phisten an die Erörterung über das Nichtsein die Frage knüpft, ob die 
verschiedene Art der Auffassung und der Nachahmung an demselben 
Theil haben könne und im Verfolg derselben zuletzt mit einer auf Grund 
der Unterscheidung der Kunst gewonnenen speciellen Erklärung der 
sophistischen Kunst geschlossen wird , so sollte ohne Zweifel im Phi- 
losophen an die Bestimmung des Gebiets die der Auffassung dessel- 
ben , der Dialektik , sich anschlieszen und die Dialektik als höchstes 
Vermögen und Kriterium aller Auffassung gegenüber der Wahrneh- 
mung, Meinung positiv als Organ des Wissens gewürdigt werden. 
Weit entfernt dasz eine solche Würdigung ein Beiwerk sei , vielmehr, 
wie im Sophisten die Erklärung der falschen Meinung die Vollständig- 
keit des Ganzen zu erläutern dient, insofern sie zeigt, dasz das Nicht- 
sein ein solches ist, das auch anders als dialektisch gefaszt werden 
kann : müste auch jene , um das Gebiet des Begriffs vollständig als 
das zu bezeichnen, was nur dialektisch ist, das Gebiet des Scheins 
ausscheidend, dazu dienen zu beweisen, dasz in Bezug auf sie Wahr- 
nehmung und Meinung in ihrer richtigen Unterordnung das dialektische 



E. AU)erti: zur Dialektik des Piaton. 161 

Nichtsein dem Wissen zu vermitteln nothwendig sind. Finden wir 
aber in der Wendung auf die Kunst der Nachahmung im Sophisten 
ein Zurückgehen von dem Object auf das Subjecl, von der objectiven 
Realität des Nichtsein auf die Auffassung desselben, das BemOhn die 
inneren Hergange nach ihrer Bedeutung und Stellung zueinander zu 
definieren: so wäre, nachdem das Object der Dialektik bestimmt wor- 
den ist, in einem Gespräch, das den Titel des Philosophen führte, 
ebenfalls ein Zurückgehn auf das Subject nicht unterlassen, um so 
weniger, weil die schon vom Theaetet her begehrte Definition des 
Wissens an der Gegenüberstellung zu allem , was nicht Wissen ist, 
darin beleuchtet und die Stufenfolge der psychologischen Auffassungen 
geordnet werden konnte. In einer Trilogie, deren jedes Glied analog 
mit der im ersten Gliede angewandten Methode vollendet wäre , wie 
es ursprünglich die Absicht gewesen zu sein scheint, hätte dem letzten, 
dem Philosophen, abschlieszende Klarheit weder über das Object noch 
über die Bedeutung der Philosophie als Organs der Ideen gefehlt. 
Dieses aber um so weniger, als die philosophische Betrachtung auf den 
Gompiex der Wahrnehmung unmittelbar das begriffliche Wissen nicht 
ebenso ausdehnen kann , wie imallgemeinen die Erscheinungswelt 
auf die Begriffe zurückgeführt werden musz; denn für die Auffassung 
existierte der Schein, der an sich nicht ist So wurde also, als ein 
keineswegs unwesentliches, die vollständige Durchwaltung des dialek- 
tischen Vermögens im Organismus der Auffassungen am Subject und 
damit das Wesen des Philosophen als desjenigen gezeigt worden sein, 
der zwar nicht in der klarsten Wissenschaft die Begriff'e wie ein Gott an- 
schaut (Parm.l34C), aber in dem Bemühn nach derselben der göttlichen 
Vernunn in sich zu folgen und in die Identität des Wissens alle Auf- 
fassang zusammenzuführen bestrebt ist. Wir können auch Zeller nicht 
zageben , dasz es in der Darstellung des Philosophen nicht schicklich 
war eine Definition zu geben, sondern ihn selbst vorzuführen, wie er 
den Begriffseiner Kunst thatsächiich darlegt, weil, wie er sagt, die 
Kunst des Philosophen auch nicht scheinbar unter die übrigen Künste, 
die in der Erscheinungswelt ihren Gegenstand haben , subsumiert wer* 
den kann. Denn wenn die Definition, um vollständig zu sein, auch 
das Resultat der dialektischen Thätigkeit für das Subject, d.h. eine 
Erklärung des Wissens , enthalten müste , sowie der Persönlichkeit, 
welcher dasselbe eigenlhümlich ist: so ist die Darlegung, weil sie 
die Qbjective Bedingung des Wissens, die Begriffe, beweist, noch 
keine Definition. Gleichwol war auch diese Darlegung nothwendig, 
um der Definition des Philosophen als desjenigen, dessen Wissen von 
dem Wesenhaften auf der Forderung des Vernunflgesetzes beruhe, 
diejenige Entschiedenheit zu geben, welche ihr gebührt. So wäre 
gesagt, dasz der Philosoph , von der objectiven Existenz und dem We- 
sen der Ideen als der Einheit im Manigfaltigen ausgehend, auf die 
Identität des Denkgesetzes im Subject alles Wissen und alle Wahrheil 
zurückzutragen berechtigt sei und dasz er mit einer Sicherheit, welche 
im Theaetet nicht vorhanden ist, von der Erkenntnis des Unterschiedes 
als von der im Wesen des Denkgeselzes selbst wie auszer ihr im Be* 



162 £. Alberti : zur Dialektik des Piaton. 

^tffc liegenden Forderung alles Wissen über den Complex der Auf- 
fassung abhängig mache. Sehr mögiich aber, dasz in den Umfang 
eines solchen Gesprächs der Inhalt des Parmenides gehören sollte, und 
weil jenes vielleicht nie ausgearbeitet wurde , so wurde dieser zu einer 
gewissen Vollendung gebracht, während die compacte Weise seiner 
Form sowol als seines Inhalts zu der Vermutung führt, däsz Piaton 
in ihm die während Abfassung der beiden vorangegangenen specula- 
tiven Gespräche angeregten Gedanken über Wahrheit und Wesen der 
Begriffe ursprünglich möglichst positiv einzurahmen versucht hatte. 
Denn auch der Parmenides bildet in dem seit dem Theaelet mit ent- 
schiedener Evidenz hervortretenden Bemühn, die ei genthüm lieh pla- 
tonische Ideenlere auf metaphysischem und logischem Gebiet in ihrem 
lebendigen Organismus zu begründen, ein wichtiges Glied, welches 
um so weniger aus der Umgebung des Theaelet und Sophisten gerissen 
werden darf, je mehr die innerhalb der engen und schwierigen Grenzen 
festgehaltene Speculation in ihm ihren eingehendsten, tiefsten Ausdruck 
findet. Die Periode dieser Philosophie beginnt mit Theaetet, und wäh- 
rend die in diesem angeregte Speeulation in den Sophisten übergeht, 
ist kein Zweifel, dasz sie nach dem ursprünglichen Plan auch in den 
Staatsmann und Philosophen überzugehen bestimmt war und zwar, 
weil in der Reihenfolge die Definitionen des Sophisten, des Staats- 
manns, des Philosophen geeignet schienen, ihrem allml^liehen Fort- 
schritt zum Ziel eine passende Folie darzubieten. Denn wie der So- 
phist zeigt, in welcher Weise dies der Fall ist, und wie dieser der lie- 
fern Philosophie durch das ihm eigenlhümliche allgemeinste Merkmal 
eines Scheinwesens der Nachahmung Gelegenheit zur gründlichsten 
Untersuchung über die Möglichkeit und Natur der falschen, in der 
Wahrnehmung hängen bleibenden Meinung darbietet: so wird von 
vorn herein, als die Trilogie bezeichnet wurde, auch angenommen 
worden sein , dasz der Staatsmann durch ein ihn besonders charak- 
terisierendes Merkmal Gelegenheit böte, den Gang der eigentlichen 
Speculation um ein weiteres Stück zu fördern, der Philosoph aber, um 
den Gang zu vollenden. Hier also scheint der passende Ort, um zum 
Schlusz unsere Ansicht über den Staatsmann auszudrücken. 

Viertes Capitel. 
Heber den Staatsmann. 

§ 1. Kurze Angabe dessen was als Inhalt des Ge- 
sprächs erscheint und Folgerung daraus für die Zeit 
der Abfassung. Dasz der Staatsmann, insofern er in der eigeur 
Ihömlichen Sphaere des Nützlichen sich bewegt (vgl. Theaet. 172 A 
und 177 D und oben S. 117) , nach der ursprünglichen Conception Ver- 
anlassung zur Auseinandersetzung der wahren Meinung genommen 
hätte, ist Hermanns Meinung, und zu diesem Zweck scheint Soph. 368 B 
den Staatsmann von dem Demologikos als den auf dem Gebiet des 
Oeffenllichen nicht im Schein , sondern in Wahrheit sich bewegenden 
ter scheiden zu wollen. Wie diese Piaton sich vorstellte und bis 2u 



£« Albertt: mt Dialektik des Piaton. IM 

welehem Grade er das NütsUehe, identtaeh mit dein Guten^ hier als 
•Folie benutzt hätte , um das Wesen der vom Wissen unterschiedenen 
wahren Meinung herauszustellen, läszt sich aus einer Vergleichung mit 
dem Gorgias und Menon vermuten« Nur erlaubt die Darstellung im 
Staatsmann, den wir besitzen, noeh weniger, als es vielleicht das ur* 
sprüngUehe Gespräeh getfaan hätte, das ethische Gebiet in der Weise, 
von dem Gebiet des Wissens getrennt, zu betrachten, als ob die Tren- 
nung Piatons eigentliche Meinung gewesen sei, da vielmehr für diese 
Tugend imd Wissen ebenso wie der vollendete Staatsmann und Philo- 
soph eins ist, eine Meinung die zwar entschieden erst in der Politie 
herscht, die aber im Staatsmann ebenfalls, z.B. aus dem Zusammen«^ 
hang, in welchem der Abschnitt 302 B f. mit der Idee des Ganzen so- 
wie dem Mythos steht, deutlich hervortritt. Betrachten wir die Idee 
des Gesprächs näher. 

Eine Frage nemlich im Politikos (302 Bf.) ist die, in welcher der 
sechs Staaisformen, welche mehr oder minder gute Nachahmungen 
(S79 C) der einen vollkommenen Staatsform bilden, aber auch wol als 
ittuas$g derselben (303 C) bezeichnet werden , das Leben das beste, 
in welcher das schlechteste sei. Dasz in der absolut besten Staats'^ 
form das Leben ein vollkommen gutes oder glfickliches sei, ist selbst^ 
verständlich. Die Frage nach der besten Staatsform hieng aber mit 
der Frage 9 welches Leben das beste und glücklichste sei, eng zusam- 
men und gewissermaszen ist die Untersuchung über den besten Staat 
die Untersuchung des ethischen Princips des besten Lebens, wie dies 
in der mehr gegliederten Untersuchung in der Politie sichtlicher wird, 
Die Tugend aber ist das höchste Gesetz, vermöge dessen der Staats^ 
mann die Organtsation des Staats wahrhaft lebendig macht und die 
nach der Anlage zur Besonnenheit oder zur Tapferkeit zwie- 
fach getiieüte Natur der im Staatswesen überall zu zählenden Indivi- 
duen zur Harmonie vereinigt (309 C — E). 2u dieser Organisation ver- 
schtttilzt nur das Gule.mil dem Guten; es hebt den Begriff der Staats- 
kunst als Wissenschaft auf, anders als durch die Tugend den wahren 
Slaatsorganismus zu gründen, weil keine Wissenschaft besteht, wekhe 
die Tugend zum verbindenden Kitt zwischen dem Schlechten und 
dem Guten oder gar dem Schlechten und dem Schlechten benutzen 
kann (309 E. 310 A). Das Geflecht (tfi^fwtAoÄtj) des Staatsorganismus, 
insofern es die Staatakunst als Wissenschaft.— und von der wissen- 
schafUidien Slaatskunst ist als der besten die Rede — wie ein 
Kldderwollenweber das Kleid zusammenflicht, besteht absolut aus 
dem Tüchtigen, dem Tugendhaften (Pol. 308 D). Das Tugendhafte 
der menschlichen Natur ist das Mittel , durch das die Slaatskunst einen 
Staat nach dem Begrifi der Wissenschaft errichtet. Ist die Wissen- 
schaa das Princip, die Tugend der Organismus im Staat, durch den 
hindurch die Wissenschaft wallet und sich verwirklicht: so ist schon 
im Politikos die Skizze des in der Polilie vollständiger ausgeführten 
Plans gegeben. Demgemäsz fehlt auch die auf natürliche Anlage 
(9Vtf<S) begründete Zweilheilung der Tugend in Besonnenheit und 
Tapferkeit nicht Natürliche Anlage bezeichnen die Ausdrücke o^vvq^ 



jWt £• AlberU : tut Dtaltkük des Pläiou: 

und fi&vxfa als dad zar oyd^efa und tfo^^vf^, dem jedesmiUilg^eii 
^mifogj mit Hilfe der Wissenschaft zu entwick^de Temperaniiefit (ä06 
D und 307 A B). Die wissenschaftlkche Staatskunsi ergreift die beiden 
jGrundrichtungen der menschlichen Natur, die sich einander entgegen- 
stehen, und benutzt sie, insoweit sie fähig sind durch di« göltUehe 
Fessel (der Tugend, 309 G) miteinander versöhnt zu werden, für den 
Organismus des Staats. In der Versöhnung durch die göttiiefae Fes^ 
sei, welche das Rechte, Schöne, Gute heiszt, wird das Temperament 
zur Tugend sublimiert. Und wenn dieis geschehen , wenn die wahre 
Meinung über das Schöne und Gute mit Festigkeit den zwiefachen 
natürlichen Anlagen eingepflanzt worden ist (Pol. 310 E: wucQ^apxog 
tavniQlra «aXa %ul iyad'ic ösöfiov): dann gesellen sich in Beson- 
nenheit und Mut das sanrte und lebhafte Temperament leicht auch, 
weil von der sittlichen Einsicht über die Nothwendigkeit . der Versöh- 
Bung beider Anlagen getragen, in der Weise zueinander, dasz in dem 
physischen Leben des Staats die gehörige Mischung nimmer verloren 
geht. Ueber dieses vermöge der Tugend wolthätige ethische Institut 
des Staats, welches auf Grund der physischen Anlage der menseh- 
liehen Natur eingerichtet ist , besitzt der wahre Staatsmann die orga- 
nisierende Wissenschaft. Diese Wissenschaft ist in Uebereinslimraung 
mit der göttlichen Weltordnung, welche Kronos im goldnen Zeitalter 
führte, die in der neuen Weltordnung für das seiner eignen Sorge 
und Führung überlassene Geschlecht der Menschen heilsiaine und noth-» 
wendige. In diesem Sinn gewinnt der Name vofuvg, dessen in Ana^ 
logie mit dem göttlichen Hirten Kronos der . Staatsmann für würdig 
erkannt wird (Pol. 276 B), seine Erklärung dahin, dasz allerdings, wie 
6in Hirte, der Staatsmann für das physische Gedeihen eines dardhein 
ethisches Princip verbundenen Staatsorganismus sorgt Zugleich führt 
die Beschreibung des Gewebes der wahren Staatskunst am Schiusz 
des Politikos den Zweck des früher erzählten Mythos über die Welt- 
ordnung im Zeitaller des Kronos und die im Zeitalter des Zeus 03^9 C 
-^^374 D) klar aus. Wie es nemlich an jener Stelle des Dialogs 
(368 Bg. E.) der dialektischen Erörterung darauf ankam, den Staats- 
mann in seiner reinen Bestimmtheit von allen, die mit ihm die Sorge 
für eine Herde theilen , abzusondern und das Beispiel des Kronos als 
Hirten der unter ihm durch ethische Würdigkeit (272 € D) und phy- 
sische Glückseligkeit (272 A) ausgezeichneten Menschheit, wenn auch 
nicht unbedingt der Stellung nach — da er ein Gott die Menschen 
lenkte , während der Staatsmann mit den Beherschten die Menschheh- 
keit theill(275 C) — , so doch der Wirkung gemäsz allein auf den Staats- 
mann und nicht auf die andern Versorger der Herde , . auf Aerzte, 
Gymnastiklehrer usw. passte : so wird am Schiusz des Politikos die 
an jener Stelle angedeutete Analogie des Staatsmanns mit dem Kronos 
darin bestätigt, dasz der Staatsmann beschrieben wird als derjenige, 
welcher in seinem Gewebe des Staatsorganismus die menschlidie Herde 
einer möglichst vollkommenen Tugend und einer möglichst ununler* 
brochenen Glückseligkeit durch das den physischen Organismus der 
'menschlichen Natur durchdringend^ ethische Princip fähig macht luid 



£. AXbeHi : 9ur SMektik dei^ Pkton. IM 

9o d6ii Bach^cleal Zeili^ter des Kroaos unterbrocbenen Faden fpJMUioher 
Weltordnung gleichsam lortsptnnt. Dasz aber dieser Organismus, so 
lebendig er ist, ein ewiger sei, macht das Unvermögen alles Körper- 
lichen, im wandellosen, sich selbst gleichen Sein zu beharren (269 D), 
das Unvermögen der menschlichen Natur unmöglich. Die Schwäche 
liegt also in den physischen Elementen , nicht in dem diese durch- 
drisgenden ethischen Princip, welches in seinem gelrennten Dasein 
ein höheres ist als das physische. Das Princip ist das iyct^ov oder, 
^e es genannt wird, ti «ya^ic tud MtXi (310 £). Der Begriff des 
Staatsmanns nun schlieszt natürlich die Wissenschaft des ethischen 
Princips ein , insofern er auf das Institut des Staats Anwendung er- 
leidet, eine Wissenschaft welche in dem Staat das uyu^ov beziehungs- 
wose reaUsieren kann , mit Hinblick auf welches , wie in der PoUtie 
ausgeführt wird, einestheils im allgemeinen alle Wissenschaft zur 
wahren Wissenschaft wird (Polileia 508 D u. a.), anderntheils im besonr 
dern die Organisation und Verwaltung des Staats übernommen wird 
(Polileia 519 C D u. a.). Das Verhältnis ist dieses, dasz 4äs Gute der 
unveränderliche Zweck ist, welchen der Staat erreichen soll, die 
Wissenschaft aber die lebendige, organisierende Kraft, welche der«- 
gestalt über dem zu irgend einer Zeit, für irgend weiche Zustände 
als passend errichteten Gesetz steht, dasz sie dasselbe aufheben oder 
verändern oder bestätigen kann , je nachdem die menschliche Ungleich* 
heit und die nie zur Buhe kommende Beweglichkeit solches fordert 
(394 B) , gesetzt dasz der eigentliche Zweck der Vervollkommnung 
zum immer Besseren erreicht wird (393 E a. A.). Denn wenn das 
a/adov wesentlich sich gleich bleibt, so ist der Staat aus Elementen 
zusammengeseUt, denen ein göttliches Sichgleichbleiben wesentlich 
von Urbegian fremd ist (269 D), für die das Gute nur in Analogie mit 
dem jedesmatigen Zustand eben durch die Wissenschaft erzielt wird. 
Der Staat, weichen die vollkommene Staatswissenschaft organisiert, 
«ob er gleich ein Ideal heiszen kann, insofern eine solche Wissen- 
schaft wol niemals in ununterbrochenem Gang in ihm wirksam ist (Si95B. 
aolE) nimmt doclt Rücksicht auf menschliche Natur sowol als auch 
auf die Möglichkeit einer solchen menschlichen Wissenschaft, da das 
wirkliche Ideal vielmehr in^der Weltordnung zu finden ist, welche 
als die unter Kronos stattgehabte beschrieben wurde. Freilich aber 
ist der Staat, dessen lebendigen Organismus die Wissenschaft erhalt, 
geg«ndber den Staatsformea, welche statt der lebendigen Wissenschaft 
das Gesetz oder den Unverstand walten lassen, den Menschen immer 
noch neben den gedoppelten Formen der Monarchie, der Oligarchie und 
Demokratie wie ein Ideal (303 B). Der Wissenschaft gegenüber oimmt 
das Gesetz nur die zweite Stelle ein (297 E). Das Gesetz ist wesent- 
licih ein Praeservativ gegen Uebergriffe, welche Unwissenschaftlichr 
keil nnd Egoismus gegen das Heil des Staats sich erlauben (298 A fO- 
Ab eine auf empirischem Wege errichtete Norm aber ist das Gesetz 
den unendlichen Wandlungen der Empirie ohne eignen Wandel nicht 
gewachsen; es kann unter veränderten Verhältnissen das höchste 
Recht zom höchsten Unrecht werden, während unter dem Einflusz 



M6 E. Allerti : zur Dialekük des Phtton. 

des (odten Gesetzes das Absterben des lebendigen Or^msams Tür alle 
Zokanfl unvermeidlich ist (299 E). Ist nun offenbar in der wis«^- 
schaftiichen Staateforkn das Gesetz eine Unmdgliclikeit und so ian^e 
ausgeschlossen, als die Form des Staats besteht: so ist das Gesetz in 
einer secundären Staatsform und musz weichen, sobald die wahre 
Wissenschaft reformierend in derselben auftritt und mit ilun die Form, 
sei es gewaltsam (296 D), sei es durch UeberZeugung zur besten und 
zum Heile, welches ihr Kriterium ist (297 A),. verändert. 

Dasz dieser den Kern des Staatsmanns bildende Faden des Ge- 
sprächs in den Hauptzügen mit den im Staat vorhandenen überein- 
sthnme , hat Hermann S. 662 Anm. 505 bereits bemerkt. Fast hat es 
den Anschein, als ob nur fehle, dasz gesagt werde, der wahrhafte 
Staatsmann habe seine feste Meinung über das Schöne und Gtrte 
(309 G) aus dialektisdier Betrachtung des in der Politie entwickelten 
ayadiv gewonnen und sei nun der Philosoph , der das Bild des tief 
und philosophisch betrachteten Begriffs des Guten an die Conslituiernng 
des wahrhaften Staats als Staatsmann anlegt. Fehlt dies gleichwol, 
wird vielmehr statt des Wissens, wie bei einer engen Verknüpfung 
des Staatsmanns mit dem Staat der Fall gewesen wäre, die wahre 
Meinung vom Guten als das Kriterium bezeichnet: so sind doch die 
Spuren, die an das fehlende erinnern, dergestalt, dasz sicher zu ver- 
mutenist, dasz sie zu einer Zf^it hineingekommen seien, welche der- 
jenigen, worin der Staat geschrieben worden ist, eben so nahe, als 
der Zeit, in welche die ursprüngliche Conception des Staatsmanns 
fällt, fern gelegen hat. In diese Zeit fällt, wie nach den vorläufigen 
Stellen im Theaetet und Sophisten zu vermuten ist, z. B« was über 
das wahrhaft Nützliche (294 E) oder was über das Masz gesagt ist 
(S84 A) ; aber fremdartig ist derselben die Idealisierung der nach der 
Analogie mit der göttlichen Weltordnung einzuführenden menschlichen 
Staatsordnung und was damit zusammenhängt, z. B. der Mythos. 
Wiederum reiht die Analogie der philosophischen Methode den Staats- 
mann dicht an den Sophisten an. 

§2. Kurze Angabe der Methode uffd entgegenge- 
setzte Folgerung daraus für die Zeil der Abfassung. 
Die Methode ist wesentlich Definition, d^h. die Bestimmung eines Be- 
griffs xor' ädfi (286 D g. E.), deren Eigenthümlichkeit in dem richti- 
gen Masze, in der Leichtigkeit und Vollständigkeit besteht 
(266 C D) und dem allgemeinen Zwecke , an dialektischer Schärfe zu 
gewinnen, neben dem besondern, einen Begriff zu finden, gleich- 
mäszig dienen musz (285 D). Einen Begriff nach seinen wesenüichen- 
Bestimmungen maszvoll , leicht und vollständig zerlegen heiszt di- 
nieren. Wesentliche Bestimmung ist zuerst das allgemeinste Merkmal, 
an dem man sich hält, indem man zu den besonderen Merkmalen fort- 
schreitet, wie z. B. das Merkmal der iTtunrnnfi an dem Politikos, 
welches deshalb von vorn herein festgestellt und als Richtschnur der 
ferneren, dem bestimmten sldog mehr und mehr sieh nähernden Ein- 
theilung benutzt wird (258 B vgl. 292 C). Hier giU|es die httöviqfnvi 
so lange, vom Allgemeinen zum Besondern fortschreitend, einzutheiien, 



£. Alberti: zar Dmlektik des Piaton. Wt 

bis sie taii der ^altren Staatswissenschaft zusammenfällt» Um den 
vermittelst soloher Eintheilung^ (967 B) gewannenen Namen eines Men-» 
schenhaters mit einem begrifflichen Inhalt zu versehen, worin die 
Wisseiischafl des Staatsmanns als diejenige erscheint, welche kraft- 
der Tugend auf Realisierung der seit dem Zurackweichen Gottes unter- 
brochenen Weltordnung bedacht ist, dient der Mythos von derHer- 
sehafl des Kronos , von dessen Bedeutung oben die Rede war. In ihr * 
ist der eigentliche Zweck der Staatswissenschaft erklärt , der hd^chste 
den sie Areichen kann: die Glückseligkeit göttlicher Weltordnung in 
einer menschliehen wieder herzustellen (275 B). Diese mehr noch 
nach dem Umrisz gezeichnete als ausgeführte Erklärung des Staats- 
manns (277 C) aus Vergleichong mit andern Begriffen , welche mit ihm ' 
ein allgemeines Merkmal theilen, aber gleich Buchs laben in andern * 
Zusammenstellungen erscheinen , bestimmter zu geben , wird ein länge- 
res Beispiel in der Definition eines Kleider wollen webers herangezogen* 
Beispiele liebt die Methode, da es die Art des Beispiels ist, das 
Gleiche an einem andern richtig erkennen und zusammenstellen und 
so beides wahr machen zu lassen (278 C). Die durch die Analogie 
mit Kronos Herschaft als httiiil^tu iv^^rnnlvrig (SvfinatSTig vtoivmvlag • 
in ihrer positiven Bestimmtheit schon gefundene Staats Wissenschaft 
(276 B g. E.) ist hoch in ihrer unterschiedlichen Bestimmtheit ge^en 
ähnliche Begriffe, welche an der httiUlBia Theil nehmen, zu verglei- 
chen. Dazu soll das Beispiel der Wollenwebekunst dienen (279 B), 
die zwischen 279 € — 280 A enthaltene Bestimmung , was die htt-* 
tfti|^t} ycohuxvi sei. Der Begriff von beidenist von vielen verwandten 
Begriffen getrennt. Es gilt den Begriff von beiden jetzt von nähe-' 
ren, mit ihm das besondere Merkmal theilenden (twviyyvg ^vvs^mv) 
zu trennen. Dabei wird zwischen mittelbaren und unmittelbaren (o^ 
tloig und itvvatxloig) unterschieden (281 D E vgl. 287 B). Alle mit- 
telbaren Künste, welche der Kleiderwollenwebekunst dienen, werden 
unter dem Namen des Walkerhandwerks zusammengefaszt , während 
die mittelbaren Künste, welche dem Staate dienen, ohne mit der Staats- 
kunst zusammenzufallen , unter sieben Nummern (287 C — 289 B) ge- 
nannt werden , Künste und Ge werke des bürgerlichen Lebens enthal- 
tend. Als unmittelbare Künste (övvatziaO werden das Krämpeln und 
Aufziehen iatns^l to vffinv xb %aX ^cUveiv) bezeichnet; die Wollen- 
webekunst (Vttltc0tov^£a) ist also 282 der besondere Begriff, an dem 
neben der Kleiderwollenwebekunst andere Theil haben. Dort hat die 
raluifuw^la nach zweien Seiten an der r. itan^ixiwq und avyx^ivtwi 
Theil, und bis zur Kleiderwollenwebekunst gelangt die Erklärung, ior 
dem die r. dvyxQtUK'^ in eine ctQsmiKiq und eine andere tfvfwrAexwsw^ 
jene aber wieder in eine atrifiovovritiiifi und JtQOKovtfe^wli eingetheilt 
wird. Die Künste, welche die unmittelbaren neben der Kleiderwollen- 
webekunst genannt werden, sind Künste, welche mehr oder weniger 
an dem eigentlichsten Merkmal derselben Theil haben. Darin gleichen 
gewissermaszen die als awatrCca zu nehmenden Formen der Staats- 
verwaltung, Monarchie, Tyrannis, Aristokratie, Oligarchie und zwei 
Formen der Demokratie den Arten der Wollen webekunst, dasz nem- 



108 E. AlberU : zor Dialektik des Piaton. 

lieh aueh sie an dem eig^enthümlichdten Merkmal der Slaatswissen- 
sdbaft, der Vorsorg^e für die menschliehe Herde, Theil nehmen. So- 
weit dient das Beispiel der Kleiderwolienwebekunst ganz gat, um 
Veranlassung zu geben, die Formen der Staatskunst, wie sie bestehen, 
von der wahren Staatskunst zu trennen. Weil aber die Wissenschaft 
wiederum das ursprüngliche Merkmal der wahren Staatskunst war, 
di^es aber den genannten Formen mehr oder minder fehlt , so dasz 
sie nur als Nachahmungen oder Abarten derselben erscheinen : so ist 
das Verhältnis doch ein anderes als bei den obigen Webekünsten. 
Weiter aber, als es gedient hat, sollte das Beispiel nicht dienen. Von 
jetzt an wird der Begriff der Wissenschaft, welcher die wahre Staats- 
kunst von ihren Afterarten -unterscheidet, in den Vordergrund gestellt 
und darnach die Staats Wissenschaft mit ihrem Inhalt lebendig, nicht 
aHein den falschen Staatsformen , sondern auch dem als Praeservativ 
gegen wülkürlich waltende Unwissenschafllichkeit aufgestellten Gesetz 
gegenüber. Die lebendige Wissenschaft von der Obhut über eine 
menschliche Herde , deren Glückseligkeit sie auf vollkommene Ausbil- 
dung der physischen Anlagen zur Tugend gründet und gleichsam zu 
einem organischen Gewächs macht, diese Wissenschaft, welche über 
dien andern Wissenschaften, namentlich der Rhetorik (304 D), der 
Strategie (305 A), der Rechtswissenschaft (ebd. G) steht , sie ist die 
wahre und einzige Staatswissenschaft. Die Abtrennung derselben von 
den zuletzt genannten dreien ist wie der letzte Act einer chemischen 
Theilung, vermittelst deren das Gold von verwandten edlen Metallen 
geschieden wird. Dasz sie* edel sind, theilen sie mit dem Golde, aber 
wie der Werth dieses höher ist, so ist auch der Werlh der Staats wis< 
senschafl höher als der Werth der andern Wissenschaften. Rhetorik 
kann dazu dienen, der organisierenden Thätigkeit der königlichen Wis- 
senschaft durch Ueberzeugung Eingang zu verschaffen, Rechtswissen- 
schaft kann das ewige Recht derselben an ihren Gesetzen schirmen; 
aber sie selbst, den höchsten Zweck der Staatswolfahrt im Auge be- 
haltend, bestimmt, ob Gewalt oder Ueberzeugung angewandt, das 
Gesetz erhalten oder verändert werden soll. 

Wie die Analogie dieser Methode den Staatsmann neben den 
Sophisten stellt, wesentliche Merkmale im Inhalt aber dieses Verhältnis 
wiederum verrücken : so ist es auf der einen Seite zwar nicht unmöglich, 
für das ursprungliche Gespräch das richtige aus dem erhaltenen aus- 
zulesen, insofern vieles, nicht allein die Beibehaltung der aus dem 
Sophisten in dasselbe übergegangenen Personen dafür spricht. Auf 
der andern Seite aber ist es schwer das Verhältnis der Ethik im Staats- 
mann zu dem Standpunkt der Dialektik, auf welchem Piaton mit seiner 
Ideenlehre im Sophisten und Parmenides stand, genau zu bezeichnen 
und zu bestimmen, wohin das Gespräch der chronologische Zwiespalt 
zwischen Form und Inhalt eigentlich stelle. 

Grünholz im Herzoglhum Schleswig. Eduard Alberti, 



G e r g o V i a. 

Zur Erläuterung 

von 

Caesar de bello Gallico VII 35—51. 

Von 

Maximilian Achilles Fischer. 



3. 

Gergovia. 
Zur Brläuterang' von Caesar B. 6. VII 35 — 61. 



Wir beginnen mil einer Uebersicht der militärischen Operationen 
des J. d. Sl. 702 (v. Chr. 52) , in welchen die Bekigerong' to& 6ergo* 
via ihren Platz findet : wie lieCera sodann eine Beschreibung des heute 
noch so genannten Berges Gergovia und seiner Umgebungen, und 
reihan daran die historischen, antiquarischen und topographischen 
Zeu^isse, die in ihm den Schauplatz jener Kriegsepisode erkennen 
lassen : wir bezeichnen hierauf die einzelnen in Caesars Texte erwähn- 
ten strategischen Punkte, um die sich die Handlung bewegt, und er- 
läutern mit dem Grundplane die vorgefallene Schlacht , wobei etliche 
Irthämer unsrer Vorgänger zu berichtigen und kleine Ungenauigkeiten 
der neusten und besten französischen Bearbeitung auszumerzen sind : 
eine praktische Folgerung wird das ganze beschlieszen. Wie Caesar 
der alleinige Föhrer zur Erkenntnis der örtlichen Einzelheiten sein 
muste (denn alle andern die der Begebenheit gedenken haben aus 
ihm geschöpft), so darf ich mir schmeicheln dasz die Betrachtung des 
Ortes hinwiederum einen günstigen Einflusz auf die Aufhellung einiger 
Textesstelien geäuszert hat. Unter den Stimmen der neueren, die sehr 
zahlreich sind, musten mir insbesondere die der Leute vom Fach, 
d. h. der Militäre wichtig sein. Glücklicherweise hatten sich bedeu- 
tende Männer, wie Suchet d'Albufera, Marey- Monge, mit der Sache 
abgegeben, und ich konnte gleich bei meinem ersten Ausflug die 
jüngste vom Hauptmann .Vial, Adjutanten des Generals Marey, abge*- 
faszte Denkschrift, die mich im ganzen und groszen richtig leitete, be- 
nutzen. Die übrigen werde ich geeigneten Orts anführen. 

Caesar war zu Anfang des J. d. St. 702 (52 v. Chr.) länger als 
gewöhnlich in seiner cisalpinischen Provinz zurückgehalten durch die 
Unruhen in Rom , die sich an Clödius Ermordung (am 20n Januar d. J.) 
knüpften und ihm eine vermehrte Truppenaushebung zur Pflicht mach- 
ten. Der Gegenschlag dieser Unruhen ward bald im jenseitigen Gal- 



1) Auszug des 7n Buchs de hello Gallico, wobei das auf Gergovia be- 
zügliche besonders hervorgehoben ist. Da Caesarn Schritt für Schritt ge- 
folgt wird, so schien es unnöthig die einzelnen Capltel zu eitleren. 



172 M. A. Fischer: Gergovia. Za Caesar B. G. VII 35—51. 

lien gefohlt. Knirschend über die fremde Bedrüekang, duroTdie an 
Aeco kurz zuvor verüble Härte erbittert , sahen die Edlen dir verschie- 
denen Landestheile in des Oberfeldherrn Entfernung^ eine g^ünstige Ge- 
legenheit zur Befreiung, hielten geheime Verabredungen in den Wäl- 
dern und forderten wechselseitig zur Schilderhebung auf. Der Auf- 
stand kam bei den Garnuten in Genabum (Orleans) durch die Ermordung 
der dort in Finanzgeschäften sich aufhaltenden römischen Bürger zum 
Ausbruch, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und fand in Vercingeto- 
rix , des Celtillus Sohn aus Arvernien , einen kühnen und begabten 
Führer. Dieser thatkräflige junge Mann hatte gleich mit Feuer die 
Nationalsache ergriffen , war aber bei den bedächtigeren Häuptern sei- 
nes Stammes auf Widerstand gestoszen und aus der Hauptstadt Ger- 
govia vertrieben worden. Das Landvolk dagegen fiel ihm zu; mit 
dessen Hilfe stürzte er die Oligarchen , trat als König an die Spitze 
der Regierung und führte seine Arverner in den gemeinsamen galli- 
schen Bund, den er durch seinen Eifer befestigte und erweiterte. 
Schnell gewinnt er sämtliche Völker zwischen Seine und Garonne bis 
ans Meer und erhält die Oberleitung des Aufstands. Beredsamkeit 
und Terrorismus wirken zusammen. Bereits ist die alte römische 
Provinz durch einen Einbruch nach Toulouse und Narbonne bedroht^ 
die Hauptmacht bewegt sich den römischen Winterlagern zu. Diese 
befinden sich zwischen der obern Seine und Mosel; zwei Legionen 
liegen bei den Lingonen, zwei bei den Treverern, die übrigen sechs 
zu Agedicum (Sens)'), also weit von aller Verbindung mit Italien, und 
Caesar ist in der grösten Verlegenheit, wiß er sie erreichen will und 
wie er einen Zusammenstosz derselben mit dem Feinde vor seiner An- 
kunft verhüte. Aber sein ausgezeichnetes Genie hilft sieh immer mit 
dem unglaublichsten, ja mit dem scheinbar unmöglichen. Nachdem 
er die Grenzstädte der Provinz durch Besatzungen gesichert, fällt er 
unversehens mit seiner neugeworbenen Mannschaft über die noch sechs 
Fusz tiefen Schnee tragenden Cevennen in das eigne Land der Arver- 
ner. Durch diese kecke Diversion macht er die Feinde stutzig, un- 
schlüssig, entzweit; und als endlich Vercingetorix, den Bitten seiner 
Arverner das Gesamtinteresse unterordnend^ heranrückt, entschlüpft 
er schnell Über Vienne und das Haeduerland, während die mitgebrach- 
ten Truppen noch den Augen des Feindes eine Zeitlang ausgesetzt 
bleiben, und hat bald seine sämtlichen Legionen zu Agedicum ver- 
einigt. Noch war der Winter nicht zu Ende. Aber Caesar konnte an- 



2) Doe in den Mem. des antiquaires de France 11 397 hat sich bemüht. In 
Agedicum, Agendicum oder Agedlncum das heutige Provins erkennen zu las- 
sen, und Achaintre und Lemaire in ihrer Ausgabe Caesars (Paris 1819) sind 
ihm gefolgt. Der Beweis ist hauptsächlich Ton der Topographie der Unter- 
nehmung des Labienus gegen Paris (B. G. VII57 — 62) hergenommen; doch 
haben wieder die Gründe für Sens überwogen , besonders seit Bekanntwer- 
dung der 1839 daselbst aufgefundenen Inschrift; s. Quicherat: lieu de la 
bataille entre Labienus et les Parisiens, in Mdm. des antiq. de France XXf 
394. 



g«8lcht»d0r ungeheure RQbrigkeit eeiti'ef Igelnde ilichf'finthäUg'bleN 
ben. Vereingetorix berannle die Landfesle (Gerg^ovia) der Bojer, um 
aucü diesen kleinen Staat dem Naiionalbund eihzurerleiben. Caesai* 
liesz seinen Schatzbefohlenen Hilfe zusagen, setzte sich in Marsch Und 
nahm auf dem Wege die j^enonische Stadt Vellaanodunlim , die car* 
nulische Genabum (Orleans), we sich der Krieg entzündet halte, end- 
lieh das biturigische Neviodunum, ohne dasz der zum Entsatz herbei^ 
geeiite galiische Feldherr es hindern konnte. Von der Bojerstadl 
hört man weiter nichts; das Volk ward jedenfalls in der Folge in des 
Abfall der Haeduer verwickelt. Diesmal war sie gerettet, und Caesa^ 
verfuhr schon angreifend gegen die abtrünnigen. Da griff VercingeJ 
torix zu dem heroischen Mittel, dessen halbcivilisierte Völker noch 
fähig sind: er verwandelte das Land umher in eine Wüste; an einent 
Tage.gieugen zwanzig Städte der Bituriger (Berry) in Rauch auf und 
die eindringenden Eroberer waren in dieser frühen Jahreszeit bei der 
Vernichtung aller Magazine dem Hunger preisgegeben. Die Hauptstadt 
der Bituriger Avaricum (Boutges) blieb auf die fuszfäliigen Bitten der 
Einwohner gegen den Willen des Oberfeldherrn verschont und ward 
mit Besatzung versehen-, während die Hauptmacht in der Nähe lagertet 
Auch dieses Bollwerk fiel trotz der tapfersten GegenfWehr durch die 
Ausdauer und Belagerungskunst der Römer, und Vercingetorix zo^ 
sich nach.Arvernien zurück, ungebeugt und ünermüdtich die erlitte-« 
nen Verluste durch Unterhandlungen nach allen Seiten hin zu ersetzen. 
jCaesar blieb mehrere Tage in Avaricum und erquickte seine erschöpf* 
ten und ausgehungerten Soldaten durch die do'rt gefundener! reich«- 
liehen Vorräte. Ehe er sich von neuem an die Verfolgung des Fein* 
4es machte j gab er den dringenden Einladungen der Haeduer nach^ 
einen Streit um die Fürsten würde zwischen Conviotolitavis und Cotu* 
hei ihnen zu schlichten. Er that dies in ihrer Stadt Decetia (Deeize 
an der Loire), schärfte ihnen zugleich pünktlichere Erfüllung ihrer 
Bundespflichten ein, und verlangte ' dasz ihre Reiterei nebst 10000 
Mann zu Fusz ihm schleunigst zugesandt würde. Hierauf the»Ue e^ 
«eine Streitkräfte; vier Legionen wurden mit Labienus gegen die Pa» 
riser beordert, die übrigen sechs führte er selbst gegen Vercingetorix; 
Am untern Eiaver (AUier) sahen sich die beiden feindlichen Heere 
wieder. ') Die Römer zogen am . rechten Ufer aufwärts und suchten 
eine Stelle zum TJebergang; die Gallier auf dem linken folgten alit^i^ 
ihren Bewegungen. Man mochte etwa im Anfang Mai stehen. ^). Def 



3) Vial (Memoire sur Giergovia S. 203) macht- eioe gute Bemßrkttng 
über die Marschrichtung Caesars : ^ il pari de Decize dans le pays des Eduens* 
Deax routes s'offreut ä lai pour marcher vers les Arvernes. II peut fReLO^shir 
i'AJlier vers Nevers, et se diriger sur Gergovia par la rive gauche. Mai^ 
il a alors devant lui farm^e de Vercingötorü qu'il doit pousser de frofit; 
de pins il se trouve dans nn pays ruin^, et cette voie est longue et diffioile. 
H pr^fere la seconde ronte^ qui remonte TAlüer par la rive droite. Ver* 
cingetorlz accourt pour s'opposer au passage» etc. 4) ChronologisQhe 
Anhaltspunkte sind: die Ermordung des Clodius, ve^he Qaesar in Oberi- 
Jahrb. f. clagg. Philol. Suppl. N. F. Bd. I Hft. 2. ^2 



174 M. A. FUeher: Gergpovia. Za Caesar B« 6. VU 36^01. 

AUier, von dem Schnee der Hochgebirg^e geschwQlleti, war vor dem 
Spälsommer nicht bequem zu überschreiten. Dennoch war es für 
Caesar äuszerst wichtig hier keine Zeit zu verlieren. Er fand bald 
eine passende Steile, wir glauben oberhalb des ziemlich beträchtlichen 
Zuflusses der Sioule in der Gegend des heutigen Badeorts Vichy» 
teuschte den Feind durch eine Kriegslist und voUfQhrte glücklich den 
Uebergang mittelst Herstellung der von den Galliern abgebrochenen 
Brücke. Vercingetorix wagte nicht ihn in offenem Felde zu empran- 
gen, sondern eilte die befestigte Hauptstadt Gergovia zu besetzen. 
Caesar folgte langsam ; die Wege musten wol für seine Geschütze erst 
gebahnt werden ; so brauchte er Hinf Tage zu einem Wege., den er 
nachher in drei Tagen zurückmachte. Gleich bei seiner Ankunft vor 
Gergovia ward er schon in der Ebene von den feindliehen Keltern 
angegriffen : es gelang ihm aber einen Lagerplatz zu gewinnen , von 
dem er seine Lage genau übersehen konnte. Die Stadt lag auf einem 
sehr hohen Berge von schwierigem Zugang. Auf den Abhangen und 
den anstoszenden Hügeln lagerte die aufständische Armee, nach Na- 
tionen abgetheilt, in dichten Haufen. Es war ein furchtbarer Anblick. 
Caesar gewahrte übrigens hart am Fusze des Berges gerade der Sladt 
gegenüber einen scharf abgegrenzten, zu Kriegsoperationen wie ge- 
schaffenen Hügel , den die Feinde nur schwach besetzt hielten. Durch 
nächtlichen Ueberfall bemächtigte er sich dieses Hügels^), errichtete 
dort ein zweites , kleineres Lager für zwei Legionen und verband daf 
selbe mit dem ursprünglichen Lager durch einen doppelten Grabei 
Diese Position war den Feinden äuszerst nachtheilig ; sie schnitt dv 
selben auf der Hauptseite vom Wasser- und Futterholen ab. Mittle 
weile rückten die von den Haeduern ausgerüsteten Hilfstruppen hen 
Diese wurden aber auf dem Marsche von ihren Führern aufgeford« 
von Caesar abzufallen und sich mit den Brüdern auf Gergovia zu v€ 
einigen. Caesar liesz nur zwei Legionen in den ausgedehnten Vc 
Bchanzongswerken und eilte mit den übrigen vier den zweideutig 
Bundesgenossen entgegen , um sie zu ihrer Pflicht zurückzuführen. 1 
glfickte ihm noch diesmal, und eine gleichzeitig im Staate derHae^u 
vorbereitete Erhebung ward ebenso vereitelt. Es war aber die höchs 



Italien vernahm und deren nächste Folgen ihn noch einige Zelt dort zurncl 
hielten (B. G. VII 1). Sie fiel auf den 20n Januar 52; dies Datum ent- 
spricht aber den) In Deeember des vorhergehenden Jahres, nach dem recti- 
flcierlen, unsre Jahreszeiten wiedergebenden Kalender. Femer: der Ueber- 
gang über die schneebedeckten Cevennen mitten im Winter (Januar) (c 8) ; 
das ausrücken ans Agedicum vor der guten Jahreszeit (c. 10); der Anfent- 
Affcä'* ^^^ ^°** ^^ Avaricum (c. 16 — 32); das geschwollensein des Allier, der 
gg° jh heutiges Tags vor Ende Juni keine Furten bietet (c. 35); endlich der 
ll^^mstand dasz Caesar von dem Zusammenstosz mit den Haeduern nach drei 
ngjjjtnnden Nachtruhe in forciertem Marsche noch vor Sonnenaufgang in sei- 
hab^™ Lager bei Gergovia wieder anlangte (c. 51). Die Länge des Weges 
dung*"^8^ 25000 romische Doppelschritte. 5) B. G. VII 36. Polyaen 

bataiHe^^* YlII 10 malt diese Unternehmung im Detail aus; ob nach seiner 
394^.<satasie oder nach anderweitigen Traditionen^ bleibt dahingestellt. 



M. A. Fischer : Gergovia. Zu Caesar B. 6, VII &-— 51* 175 

Zeit zu den 'seiiiigen zurftekzukehren , die in seiner Abwesenheit hart 
von den Fanden bedrängt worden waten. Die Lage des römischen 
Feidherrn war übrigens mislich genug. Ein Sturm auf die Stadt war 
basierst schwierig und bot wenig HofiFhuhg eines glücklichen Erfolgs, 
und zu einer förmlichen Belagerung hatte er nicht Mannschaft genug; 
audi k(»iDte er bei der Lässigkeit und den immer deutlicheren Abfalls- 
gelSsten der Haeduer nicht auf regelmäszige Verprovianlierung rech- 
nen. Er hatte also, wie er selbst berichtet, die Nothwendigkeil von 
Gergovia wieder abzuziehen erkannt: nur sann er auf ein Mittel dies 
mit einem gewissen Glänze zu thun. Eine gut ausgeführte Demon- 
stration sollte den Galliern zu verstehen geben, dasz er sie nicht 
fürchte und dasz sein Rückzog nicht als Flucht auszulegen sei. Er 
erblickte eines Tages von seinem kleinen Lager aus einen zweiten 
HC^el in der Nähe der Stadt, der zuvor ganz von Feinden bedeckt^ 
n«n ganz eniblöszt war, so dasz erst jetzt dessen Formen hervortraten. 
Aus dem Munde von Ueberläufem erfuhr er, was ihm auch ausRe- 
eognoscfierungen bekannt war, dasz der tiefer liegende Bergrücken einen 
ebenen aber engen Zugang zu dem andern Theile der Stadt biete, dasz 
die Gallier sehr in Besorgnis um diesen Punkt seien, weil sie nach 
Besetzung dieses weitem Hügels von allem Wasser abgeschnitten und 
wie blokiert wären, und dasz sie deswegen zahlreich dort hinten sich 
verschanzten. - Hierauf gründete Caesar seinen Plan. Er richtete vom 
/oazen Lager aus einen Scheinangrifi auf diese Verschanzüngen, die 
' zu seiner linken hatte. Da dies unter groszer Ostentation , wie wol 
;ir mit einer Legion, aber mit sämtlichen durch verkappte Trosz- 
nechte noch verstärkten Reitern geschah, so wuchs die Fufcht der 
fauler, die alles von der Höhe der Stadt sehen konnten, und sie eil- 
in in Masse nach jener Seite , wodurch die den Römern zunächst ent- 
sgengesetzten Lager fast leer wurden. Ein zweiler Scheinangriff 
rard den Haeduern nach rechts hin aufgetragen. Der Hauptschtag 
>lHe im Centrum stattfinden. Zu diesem Zweck liesz Caesar seine 
oldaten still und verdeckt in das kleine Lager hinüberrücken ; 6\ne 
sgion blieb daselbst zur Bewachung; die vier andern liefen Sturm 
igeik die Stadt, deren Zinnen in gerader Richtung 1200 röm. Schritte 
>a dem Fusze des Berges entfernt waren. Die römischen Soldaten 
(ten schnell die auf die Hälfte des Abhangs hinunter sich erstrecken- 
ueh gaiiisehen Lager eingenommen und berannten nun die Stadtmauern 
selbst. Caesar glaubte aber seine Absicht erreicht zu haben und liesz 
an der Spitze der lOn Legion, mit der er sich gerade unterhielt, das 
Zeichen zum Rückzog blasen. Dies Zeichen ward entweder wegen 
de» Zwischenraums einer ansehnlichen Bergklinge nicht verstanden, 
oder die Soldaten risz ihre Kampfeshitze gegen den Willen des Ober- 
feldherrn und der vorher genau belehrten Tribunen weiter. Sie er- 
kletterten die Mauern, schlugen dieThore ein, in der Stadt erhob sich 
Jammer und Wehklagen, viele suchten ihr Heil in der Flucht, die 
Weiber stürzten den Siegern zu Füszen und flehten in Erinnerung der 
Greuel von Avaricum um Schonung. Das Geschrei un4 Gelöse war 

12* 



179 )(« A.«f i^ker: €SergovLau Zu Caesar & G. VH B5-^&i; 

aber zu den auf der andern 8^te besch&fligten Galliern i^edrangefn^wel* 
ehe nun unter Voratissondung der Reiterei 2am Schutze der Sla^t her- 
beieUlen und mit verzweifelter Tapferkeit die Römer von den Mauern 
zurückschlugen. Diese, von der langen Anstrengung ermüdet, erlagen 
bald der frischen und todesmutigen Ueberzahi. Ein sonderbarer Zufall 
l>rachte einen panischen Schrecken und vollendete die Flocht. Die Hae- 
duer , die lange umhergezogen waren ohne etwas zu thun , lenkten 
endlich auf die römische SchlachUinie zurück und wurden plötzlich 
fMt der rechten Flanke derselben erschaut. Man hielt sie wegen ihrer 
galliscbeu Rüstung für Feinde , die von der rechten Stadiseite einen 
Ausfall gemacht hallen und nun den Römern in den Rücken kommen 
wollten. Die Römer rollten in Unordnung über die steilen und felsi- 
gen Bergabsätze hinab and wurden von den immer sich mehrenden 
Feinden hart bedrängt. Indessen bemühte sich Caesar seinen zer- 
ßprengien Leuten den Rückzug zu erleichtern. Er fährte selbst seine 
in Reserve ziehende lOe Legion etwas vorwärts , liesz mehrere €o- 
Jiorlen der im Kleinen Lager gebliebenen 13n Legion ausrücken und 
.warX sie dem rechten feindlichen Flügel , also zu seiner eignen linken, 
entgegen^ So stand er aur einem ebnern Terrain in ruhiger lester 
jUallung, die Cohorteu der 13n Legion etwas höher als er selbst, und 
hinderte den Zudrang der Feinde, bis die übrigen Legionen die Eben4» 
(Wieder gewonnen, hatten. Hier erwartete er Vercingetorix in völliger 
Schlachtordnung« Dieser aber zog sich in seine Verschanzongen zu- 
rück. Der Verlust der Römer an diesem Tage betrug 46 Genlurionen 
jtnd fast 700 Gemeine. Nach einer halb strafenden halb tröstenden 
Anrede an seine Soldaten. bot Caesar noch an den zwei folgenden Ta- 
gen dem Feinde die Schlacht an, welche, aber nicht angenommen 
wurde. . Er zog hierauf desselben Weges zurück und setzte an der 
•vorigen Stelle wieder über den Elaver. Die nächste Folge aber der 
verunglückten Unlernehmung auf Gergovia war der entschiedene Ab- 
fall der längst zweideutigen Haeduer und der Verlust sämtlicher Vor^ 
jäle und Geiseln,, diß in dem:haedaischen Noviodunom venanuneU 
,waren. Auclj des Labienuis Streich auf Paris sehlug der Hauptsache 
.nach fehl; (iec Aufstand verbreitete sich über die Belgier, und Cae- 
isarß Unterbefehlshaber war froh sich durch einij^e glückliche Manöver 
wieder zur Hßuptarmee durchgeachlagen zu haben. Caesar vereinigte 
(Seine gesamte Maehl in dem Gebiete der Lingonen (Langres), die nebst 
den Remern ihm allein treu verblieben waren , und gedachte schon 
,dureh das Land der Sequaner sich in die alte Provinz zurückzuziehen. 
,Hjer ward er auf dem Marsche von der ganzen gallischen Reiterei an- 
gegriiTea. Er siegte durch: die Germanen, die ihm schon 'mehrmals 
.nützlich gewesen waren , zwang auch das. in der Nähe unter Verein- 
getorix gelagerte Fuszyolk zum Rückzug, verfolgte lebhaft, und als 
.Vercingetorix sich in die Mandubierfeste Alesia flüchtete, begann er 
.dip berühmte Circumvallation von Alesia, das Meisterstück der Kuhn- 
,l^eit, der Ausdauer und der- benechnenden Zuversicht, das ihm noch 
./jach, den unsäglichsten Gefahren und sbhwierigslen Kämpfen dfen hei- 



dfiomütig^ .V^rfechler der Natiooajj^aabhäagiigkeit In dk Htede lle^ 
Uiviß ^i^l damit diesen furchlh^rsien und ialeres«aniesi9r) aeii)^ gaMin 
scii^ Feldzüjg^e im we$eailichen beeudigle. 

i 

IL 

Was zu Alesia gelang, halte Caesar vor Gergovia vergebens 
versucht. Bemühen wir uns durch Betrachtung der OerlUchkeit eine 
klare Anschauung der dortigen Vorgänge zu gewinnen. Eine Stunde 
südlich von Clermont-Ferrand, der alten Hauptstadt der Auvergne 
und jetzigen Häuptstadt des Puy- de -Dome -Departements, befindet 
sich eine scheibenbergartige Erhöhung, die heutzutage im Munde des 
Volks und in der Wissenschaft den Namen Gergovia fuhrt. Ein 
Meierhof an deren östlichem Abhänge ist seit langer Zeit unter dem- 
selben Namen bekannt. Wir wollen zunächst diese ' Gegertd ohne 
Rücksicht auf antiquarische Schlüsse beschreiben.*) 

Von der Hochebene, auf welcher sich die Piks der niederri 
Auvergne in der Richlung des Meridians erheben (der Puy de Dome 
bis zu einer Höhe von 1476 Metern über dem Meere), laufen Bergzüge 
nach Osten , Seitenbassins zu dem weilen Alllerthal bildend. Die En- 
den dieser Züge sind häufig durch besondere, längliche, scharf ab- 
gegrenzte Plateaux bezeichnet, welche so in ihrer parallelen von 
West nach Ost sich erstreckenden t^ge die Zinken eines Hufeisens 
'darstellen, das die geräumigen Thalgründe einfaszt. So Chanturgues 
und Gergovia nördlich und südlich von Clermont. Die Niederung ist 
von wellenförmigen Aufwürfen durchfurcht. Hiezu gehört der Bühel, 
um den die heutige Stadt Clermont , das alte Augustonemetum , unter 
45y/ nördl. Breite, •// östl. Länge von Paris erbaut ist. Das her- 
vorragendste jener Plateaux ist der Gergovia, aus weiter Ferne sicht- 
bar, wie die meisten jener Gebilde ein Basallflusz Über Kalkschichten 
ergossen.') Versetzen wir uns gleich auf den Gipfel: das pracht- 
volle Panorama der Limagne , das sich stufenweise dem Freunde der 
schönen Natur/entrollt und das ich der Gegend um Freiburg im Breis- 
gau vergleiche, versüszt die Beschwerden des Marsches. Der Gipfel 
liegt 761 Meter über der Meeresfläche und ist fast horizontal. Er bil- 
det ein ziemlich regelmäsziges Rechteck, dessen gröszere Seilen iri 
der Richtung von West nach Ost 1500 Meter , und dessen kleinere 
von Nord nach Süd 600 betragen. Der Berg fällt sehr steil von der 



6) Vgl. die Beschreibungen bei Legraud d'Aussy : ▼oyage en Auvergne 
en 1787 et 1788 (3 voll. Paris Van 111) I 59 ff. Prosper Meriinee: notes d'un 
vayage eii Auvergne (Paris 1838) S. 317 ff. Aigueperse: une visite a Ger- 
govia en 1840 (Lyon 1847). Vial : memoire sur Gergovia, in den Annales 
de Tacad^mie de Clermont (1851) S. 198—231; endlich die Briefe über 
die Auvergne im Morgenblalt 1844 Nr. 290— 93. 7) Vgl. über die Puy- 

formaiionen und die Basallflüsse Blums Giundzüge der Mineralogie und 
Geognosie S. 101 ff. 



178 M« A. rueher: Gergovii^. Zvl Caesar B. G. VII aS--&i. 

Sf^xit ab, doeh mit mahrereii gf6»tem und kl^nern Absätsen« Har 
unter der Kante ist Eiuiächst eine fast ebene Stafe gebildet, die ^e 
ein Band von wechselnder Brette fast um den ganzen Berg herum- 
läuft. Dieses Band ist auf der s&dlichen Seite am gleiclifönnigsteQ, 
durchgängig 12 — 15 Schritte breit, und oft nur auf zwei Mannsiängen 
unter der Spitze. Auf der Nordseite ist dasselbe häufiger von Fels- 
hängen durchbrochen, tiefer herabsinkend; auf der Ostseite ist es 
wenig bemerkbar und verschwindet ganz an der nordwestlichen Ecke. 
Hier bildet das Gestein zirkeifdrmige Terrassen, ein geologisches 
Phaenomen das durch die langsame Abkühlung fl&ssiger Basaltmassen 
erklärt wird. Unter dem geschilderten Bande gewinnen die Abhänge 
an Steile und fallen theils plötzlich theils mehr stufenweise auf groszere 
Ablagerungen, die zu ausgedehnten Plateaux von 120 bis 160 Metern 
Breite anwachsen und ungefähr die Mitte der ganzen Abdachung ein- 
nehmen. Von da sinkt die Nordwest- und Nordseite rasch ^e^en 
die Dörfer Romagnat und Klein -perignat ab und ist mit einigen 
flachen VorhQgeln wie Besance und Pradt umsäumt Die Ostseile 
bietet schroffe Felsvorsprünge gegen die Höfe Bonnevai und Gergovia 
und sendet drei tiefe Schluchten senkrecht auf die Strasze von Issoire. 
Jenseits dieser Strasze erstreckte sich ehedem der See oder Morast 
von Sarlieve, der aber seit 1610*) durch Abzugsgräben völlig ausge- 
trocknet ist. Von diesen Seiten her ist der Berg sehr schwer zu er- 
steigen, und als militärischer Punkt betrachtet, muste ein strategi- 
sches Auge sogleich auf den ersten Bück erkennen dasz von dort aus 
kein Angriff, keine Berennung möglich sei. Nach Süden verlieren sich, 
mit Ausnahme der Felsklüfle bei dem Dorfe Merdogne, die Abhänge 
sanAer in das Thal und die ösllich anstoszende Ebene , welche sich 
durch einige Erdwälle unterbrochen bis zu dem eine starke Stunde 
entfernten Allier ausdehnt und gerade In der Richtung des Fleckens 
Gournon einen ganz freien Zugang von diesem Flusse her gestattet. 
Es sind aber noch einige andere Stücke in Augenschein zu nehmen* 

An der Südwestecke des Gergovia senkt sich das zuerst be- 
sprochene Band allmählich auf einen schmalen und ebenen Rücken, 
der die Wasserscheide zwischen zwei Schluchten bildet, von denen 
die eine nördlich gegen Romagnat sich entlädt, die andre südlich 
dem Auzon-Bach einen Zuflusz sendet. Dieser Rücken geht in ein 
breites Plateau von ziemlich unregelmäsziger Form und mehrern Ein- 
schnitten über, das Plateau von Jussac oder Juillac genannt. Es ist 
mit einzelnen Hügelspitzen besät, rundum steil abgeschnitten; nur 
auf der Westseite gibt es sanfte Steigungen und ebnere Ablage- 
rungen. Dort hängt es auch durch das Defile von Opme mit dem 



8) Oder 1620, wie ich aus einer Notiz in Dalaures handschriftlichen 
AuBsügen (Tome II) aus den Audigierschen Manuscripten , der 12bändigen 
in der pariser kais. Bibliothek aufbewahrten Compilation anvergnischer Ge- 
schichten , entnehme. Es war das Haus Strada , Besitzer von Gournon, wel- 
ches diese Austrocknung vollführen liesz. 



M. A. Fiseher : Gergovi». ia Qmiur B. G. VU 9b^6i. I7# 

Puy Giffwiz sviamoieii, Ton wo sieh die Ber§^ette durch Montro^non, 
Monlodou, GraT«noire fortseist und an die Hochebene des Puy de 
DoAe anseiiHeszt. Ein zweiter Wasserwege auf der Sadseile des Ger- 
govia geht von den obersten Abhängen selbst aus , bildet hier zwar 
keine so tiefe Schlucht als der erste, aber doch eine noch merkliche 
Klinge, wendet sich dann gegen Osten und verliert sich in die Ebene. 
Zwischen diesen beiden Thaleinschnitten erhebt sich nun, hart aoi 
Fttsze des südlichen Gergovia- Abhangs und nur durch ein kleines 
Defile getrennt, ein scharf individualisierter Högel von mäszigeni' Um- 
fang, die sogenannte Roche blanche, ein weiszer Kalkfelsen, auf der 
Sttdseite durch Bergsturze blosz gelegt, mit in den Stein gehauenen 
Wohnungen und Höhlen, über das am Fusze hingelagerte Dörfehen 
hineinragend. Auf der Spitze befindet sich ein zerfallener Thurm 
aus dem Mitlelalter.') Im Süden wird dieses ganze Gebirgssystem 
von dem Auzon, einem Nebenfifiszchen des Allier, der Länge nach 
besfNlUt Jenseits desselben erstreckt sich in gleicher Richtung von 
Westen nach Osten der hohe und lange Bergrücken La Serre , gleich- 
falls ein Basaltflusz ,^er sich zuletzt in ein etwas niedrigeres Plateau, 
den Crest, endigt. Noch östlich davon erhebt sich frei in die Ebene 
der Puy de Monton. 

Wasser wird vom Gergovia selbst nach mehrern Richtungen ent- 
sendet. Am nordöstlichen Abhänge beim Pradt entspringen gute kalte 
Quellen, die sich in den Sarlieve oder dessen jetzigen Abzugsgraben 
ergieszen. Andre Rinnsale eilen dem Artieres- Bache zu. Dieser 
entfernt sich in nordöstlicher Richtung vom Gergovia, bespült die 
Dörfer Romagnat und Aubiere , und wirft sich wie alle Gewässer die- 
ser Gegend in den Allier. Seine Wassermasse ist sehr schwach. 
Beträchtlicher und dem Gergovia näher ist der Auzon, der vom La 
Serre-Gebirge kommend* längs diesem Bergrücken hinflieszt, zwischen 
ihm und den Gergovia -Hügeln ein tiefes Thal bildet, von beiden 
Seiten Zuflüsse aufnimmt und dann in mehrern Windungen die Ebene 
durchschneidet. Seine Breite beträgt ^Yt Meter, seine Tiefe 15 bis 
90 Centimeler im Sommer. Seine Wassermenge könnte den Bedürf- 
nissen einer Armee genügen. Thal und Ebene liegen für Evolutionen 
der Reiterei sehr günstig. 

Was die Spuren menschlicher Thätigkeit auf diesem Boden an- 
g^eht, so ist die Oberfläche des Gergovia mit dem Pflug angebaut, die 
Abhänge vorhersehend mit Reben besetzt, die Thalgründe sind Wie- 
sen, einiges ist bewaldet. Besondere Aufmerksamkeit erregen aber 
die zahlreichen ungeheuren Steinhaufen, die sich stellenweise auf 
dem Gipfel oft bis zu 7 Fusz Höhe aufgeschichtet finden, fast die 
glänze Kante des Plateaus umgeben und sich tief herab auf die Hälfte 
des AUiangs erstrecken. Die Landleute räumen dieselben im Inter- 



9) Ein Signalthurm, wie auf allen umliegendeo Höhen, mit den festen Plätzen 
correspoDdierend (Legrand HI 2^51). Vgl. denselben über den Bergfall an der 
Roche Blanche II 975 ff. 



ift M.:A. FisliMei-: Qec^avta. Zu CaesAf B. G. VillS^Öit 

.e»8e des Feldbaus auf; Viei66 isl zu Umsaimongs*« und Fuitermaaeni 
hennizU Das Plateau Ut von Norden naok Süden von geraden , brei^ 
ten, geplatteten oder g^epflftslerten Strasaen durchschnitten, die noch 
jetBt als Ausfuhrwege dienen« Senkrecht zu diesen mögcen auch Länr 
g^nstrafizen bestanden haben , doch haben sie weniger deutliche Spu* 
/en zurückgelassen. . In . Bezug den oben beschriebenen Gürtelbaaden 
kann man sieh des Gedankens nicht ecwehren, dasz auch diesem 
gröstentheils absichtiich geschaffen sei und einen Wali oder Ronden*- 
•weg einer Festung vorgestellt habe. An zwei Stellen der Südseite 
tind auf der Mitte der Ostseile sind alte Borgwege, Aufgänge zu Tho<> 
cen unverkennbar. Alles berechtigt zu dem Schlusz, dasz dies^ 
üöhe einst bewohnt, Mittelpunkt einer gröszern Menschenansanüitf- 
Jung gewesen sei.*®) 

^ Ist nun diea die Stelle der allberühmten Hauptstadt dfer Arvemer 
/6ergovia, :der Schauplatz der denkwürdigen Vorgänge , die Caesar 
m 7n Buche seiner gallischen Kriege berichtet? Stand hier 'jene Stadt^ 
der Sitz des alten arvernischen Königreiches , die später nach der rd- 
.mischen Eroberung mehr und mehr verlassen <j|||m in der Ebene aufr 
blühenden Augustonemelum (Clerroont) gewichen ist**)» deren Anden- 
ken aber auszer Caesar noch mehrere Schriftsteller des Alterthuffls 
aufbehalten haben ? *^) Eis war dies eine allgemein verbreitete , auf 



10) Bouillel theilt in seinen Tablettes histoi^ques de TAuvergne IV 30 
eine Stelle aus einer alten Beschreibung vom J. 1575 mit, wonach ehemals 
auch Spuren unterirdischer Gänge am Gergovla zu sehen gewesen wären; 
also wie man es auch von unsern deutschen Sclüössern ohne sichere Ver- 
bürgung erzählt. Die Stelle steht in Belleforets Cosmographie I 225 und lau- 
let fölgendermaszen : «"On voit des voütes souterraines par lesquelles on pou- 
vait aller plus d'une Heue par sons-terre, mais avec clarle, lä oü ä pr6- 
ß&ai ou ne saurait traverser, ä cause que l'ean f ddgoatte da haut du roe, 
et c*est lä que Ton tient que Cösar eiait camp^ et lequel avait fait faire 
celte Ouvertüre souterraine ä chaux et ä sable, seit pour envoyer de nuit 
et secretement quelques fantassins faire quelques algarades aux Gaulois, ou 
pöur Bonner des avertissements les uns Romains aux autres. On a creusö 
en ee Heu atnsi fait ^ et on y a trouv^ des medailles avec diverses effigieS 
4e, b^s qo^ fait penser que ce Heu ötait d^jä ainsi- creuse avant que Geaar 
y carapat.' 11) Strabo IV p. 191 Gas. nennt beide Orte nebeneinander^ 

NemossOB als damalige Hauptstadt (nur mit dem Irlhum dasz er ihr die 
Xbire beigibt) und Gergoviä, die Bergfeste wo Caesar die Schlappe erlitten 
hat. %as im Text steht f ist längst verbreitete Ansicht der Archaeologen. 
S. Savaron: origines de la ville de Clairmont mit Anm. von Durand (Paris 
1662) S, 134—137 der Anm. Daselbst eine rhetorische Uebung von 1582: 
Arverni muuicipii descriptio, wo die edle Stadt Ciermont in langer Rede, 
wie Rapps Thiere, ihre Schicksale selbst erzähl.t uud so anhebt: 'Ex Ger- 
goviae ruinis fui, Arvernorum fui, Successique illi et comraodiorem mihi 
sitnm delegi.' Vgl. auch Dulaurer description de l*Anvergne (Paris 178^) 
S. 1§3. 12) Periocha I,iv. lib. CVII. Suet.. Caesar 25. Florus III 10, 

der auf Gergoviä bezieht was bei Alesia geschah. Strabo a. a. 0. Cassius 
Dio XL 35 ff. Polyaeu Strat. VIII 10. Sidonius Apoll. Panegyrici Avlto 
4ieti V. 152. — Plutarch Caes. 26 übergeht die Vorfälle am Gergoviä und 
springt gleich von dem ersten Einbruch in Arvernien zu dem Abfall der 
Haeduer ab. Orosius hist. VI 11 spricht von der Sache, ohoe Gergoviä 



Tim ttodk Gkmben an^eÄooiiibette Meültin^^), M« der AbbeLallceM 
im J. 119i ifi einer der Akademie der Insi^riftea vorgelesenen; Ab- 
handlMig etnige Zweifel geg^n die :Sacfae erhoben hat.^^) Wie e^ 
aber hatiilg g«ht , den Zweifeln haben wir die Wahrheit 2a verdanke». 
Sie riefen eine ^^ründiichere, umsiohüge Prüfung hervor, die die fni- 
her Ittsiificünasaig geltenden Ansichten bestätigt und .zur festen lieber- 
zeugiing'«riioben hat. 

. Lancelöt kämpft gegen drei Stutzen der damals schon herschen>- 
den Meinung:- die Ortsbeschaffenheit, die Denkmäler und die Ueber- 
Itefeniiig. Was die erstere angeht, so stellt er nicht in Abrede daaz 
das Terrain ziemlieh mit Caesars Besehreibung übereinstimme. Doch 
will er den Hügel nicht erkennen., auf welchem. Caesar sein kleineres 
Lager erriehiete und den freilich auch die früheren Archaeologen noch 
nicht recht zu deuten wüsten. Man hatte nemllch vom Crest und 
Montrognon gesprochen , und hierin hat Lancelot freilich Recht, dasz 
es diese nicht sein können. Wäre er jedoch unbefangen gewesen , so 
hätte er in der Lage der Roche Blanche, die doch nicht ■ unsichtbar 
war, die riehtigsteii Befuge auf Caesars Text wiederfinden müssen. Aber 
er verfuhr eben wie ein Advocat, der sich nur an die Ausführungen 
des Gegners hält und um objeclive Wahrheit sich nicht bekümmert. 
Den Zweifel wegen der 1200 Schritte hätte er sich völlig sparen koa- 
nen. Diese sind ja zu zählen , wie es auch geschehen und richtig ge- 
stellt ist. Den Hauplangriff seiner zersetzenden und zerstörenden 
Kritik richtet er übrigens ^egen den zweiten und drillen Punkt Die 
Monumente sind nach Lancelot entweder falsch oder nicht beweisend. 
Zu den letzteren gehören die Steinhaufen, die zu unförmlich seien, 
keinen künstlich behauenen Quader, keine Tempeireste u. dgl, aufzei- 
gen, um auf das Dasein einer groszen Stadt schlieszen zu lassen (die 
Spuren von Souterrains , die ebenso gut natürliche Grotten sein kön- 
nen) , die Medaillen , Urnen , Anticagüen , die nur in der Umgegend, 
nicht auf dem Plateau selbst gefunden werden und von denen die 
Münzen nicht über Hadrians Zeil hinaufreichen. Unter den erstere^i 
begreift er eine Urkunde vom J. 1149, die. Stiftung und Ausstattung 
der Abtei von St. Andre betreffend.^*) Unter den dort aufgezählten, 
dem Kloster übergcbenen Gütern kommt nemlich der Name Gergovia 
zweimal vor, einmal schlechtweg, das andremal mit den Worten 
veterem mazuram anliquae G-ergobiae, Diese Urkunde sei aber, wie 
mehrere Gelehrte (Justel, Baluzo) bereits gesehen, offenbar unecht. 



za nennen. 13) S. z. B. Savaroo zu Sidonius Apoll. 1. c. Die Deutuag 
Gei^ovias auf Clermont selbst ward bald verlassen und kommt nur noeh 
aus Versahen in dem Pr^cis des guerr^s de Cesar par Napoleon S. 72 (stuitg. 
Ausg. 1836) vor. 14) Mem. de l'acad. des inscr. vol. VI S. 635--669» 
Die Argumentation beginnt S. 649. 15) Diese Urkunde findet sich ab- 

gedruckt bei Baluze: bist, de la maison d'Auvergne II 62 und Gallia Ghris- 
tiana (ed. 1720) II 123. Die zweite Stelle lautet vollständig: el in Ger- 
gobia et circtdtii ipsius et in monte sive podio qui est supra usque et com- 
prehmdendo veterem mazuram antiquae Gergobiae, 



am Ik A. Fischer: GergavU. Zu Catspr B. ß. Vna6--61. 



y^riaglieh wegen des TUeb Delphin, den der Slilleri 
(Ohre and der erst, von dessen Nachfolgern angenomoiea worden lei. 
.Wir werden auf diese Dinge spilter zorOckkoniBien, sowie ««f den 
dritten Punkt, wo Lancelot nachweisen will dass die U^ierliefiening, 
die den Namen Gergovia an diese Stelle knüpfe, sehr jung sei, dase 
sie erst von dem mit Katharina von Medicis naeh Frankreich gekon- 
menen Italiäner Gabriel Simeoni herrühre^*), der die ganze Sache mit 
Gergovia als seinen antiquarischen Fund ausposanot und mit lächer- 
lichen Etymologien^') und vielen PartialirthOmern^") zu sldlzen ver- 
.meint habe, dasz der Berg vorher nach Simeonis eigner Angabe dea 
Namen Puy de Mardogne getragen und als solcher in einer Urkunde 
.von IdOS ((ofMm r^aHm Podü Merdomae) bezeichnet sei. Auch 
Sidonius Apollinaris in der Beschreibung des Palastes des Avitus, 
der doch am Sarlieve gestanden, schweige vom Gergovia; ebenso 
.masse es auffallen dasz Caesar des Sarlieve, den er doch auf sei- 
nem Wege gehabt, mit keiner Silbe erwähne. Dies alles wird seiae 
Widerlegung finden; unnöthig aber ist es, sich mit andern Tradir 
tionen wie mit den sog. greniers de C^sar^ der tour de Cesar 
auf der Roche Blanche, den verschiednen camps de Gesar zu Gon- 
dole und anderwärts abzugeben« **) Diese beweisen allerdings nichts 



16) Dialogo pio et speculativo di M. Gabriel Symeoni Fiorentino (Lione 
1560) S. 157 ff. (ft>aDS. Uebersetzung unter dem Titel r^ Description de la 
Liniagne d^Auvergne ea forme de dialogue. Lysn 1561.) 17) Hier einige 
.Proben, die dem frans. Calembourgswitz gefielen und die sich leicht ver- 
mehren iieszen: Dorf Gondole, weil Caesar dort cum doh über den AUier 
gesetzt sei; Flecken Cournon von Caesars Antwort cur non auf die Frage 
seiner OfAciere, ob er von dieser Seite anzugreifen gedenke; Dorf Cendres 
von oinereSj well die Aschenhügel der erschlagenen sich hier befondeo. 
Ddrfer Romagnat und Aubieres, Trennung des Satzes JÜomani hac o6tere; 
ebenso Perignat von perire, Plateau von Jussac, weil hier iussa Caegarit 
exegit SexHus legattia, Dorf Merdogne von merdOf Merdania, weil hier die 
Abtritte der gallischen Lager gewesen seien. 18) So will Simeoni den 

ersten Hügel, den Caesar mit zwei Legionen besetzte, in dem Crest erken- 
neu, den zweiten, den er von Feinden entblöszt fand, in dem Monirognoih 
Das Lager sei bei Gondole gewesen, dort sei auch Caesar erst über den 
AUier gesetzt; das quintU castris im Herzug bedeute 'fünf und fünf auf- 
marschiert'. Um den Rückzug in drei Tagemärschen bei dieser kurzen 
^Entfernung zu erklären, gibt er folgendes Programm: erster Tag: man 
röhrt sich nicht; zweiter Tag: man macht Miene abzuziehn; dritter Tag: 
man bricht auf und setzt über den Flusz. 19) Der Name Caesar ist sehr 
populär in der Auvergne. Was von römischen oder andern Alterthümera 
dort gefunden wird, bezieht man gleich auf diesen Namen, gleichsam ein 
Heroentypus wie der griechische Herakles. So habe ich jüngst zu der- 
moDt einen Marktschreier gehört, der einen jener schlechten von änem 
Sklaven getragenen Reiter als Caesars Statue und Meisterstück des Alt«r- 
thums anpries und zum Besuche einlud mit den Worten : ' il y a trois per- 
sonnages a voir, le cheval, Jules Cesar et Tesclave.' Mit den 'greniers de 
C^ar' hat es folgende Bewandtnis. Bei dem Badeort Royat in der Nähe 
von Clermont findet man in eineni Hügel verbrannte Waizeukprner, von de- 
• nen behauptet und fest geglaubt wird , es seien dies die Ueberreste von 
Caesars Getraldevorrat, den er. nach setjiem Abzug von Gergovia habe Ter- 



K. A. Fischer: Gerjgwia. Zu Caesar B. ß. VniS^-61. ISI 

und sind. auch von echten Arehaeolo^n nie als Beweimnittel ge» 
braucht worden. 

Lanceiöt lehnt es also ab, die alte Arvemerfeste in dem heuti- 
gen Gergovia bestimmt zu erirennen, wagt es aber noch viel weniger 
andere Plätze, wie einen Berg bei Charbonni^re am AlJagron, drei 
Stunden unterhalb Brionde, oder gar St. Flour, fftr das keine Wahr- 
scheinlichkeit spricht, den von Caesar erzählten Vorgängen zuzu- 
sichern. Mit seinen Zweifeln hat er noch einen geistreichen Mann 
angesteckt, der am Ende des vorigen Jahrhunderts eine Reise durch 
die Auvergne in schöner lebhafter Sprache beschrieben hat. Es ist dies 
Legrand d'Aussy, und sein Werk hat bedeutende Verdienste um die 
Bekanntwerdung dieser interessanten französischen Provinz. Auch 
die letzten Nachgrabungen haben ihn nicht überzeugt, und er be- 
greift nicht, wie bei dem Mangel an Wasser auf dem Berggipfel, bei 
dem furchtbaren Winde, der dort herscht und der alle versuchten 
Baumpflanzungen zu Grunde gehn liesz, eine Stadt bestehen konnte« 
Uebrigens habe sich das Andenken des Namens schon früh verloren : 
denn Gregor von Tours , der zu Ctermont einheimisch gewesen , er- 
wähne nichts vom Gergovia.*^) 

In Deutschland war natürlich die Autorität des skeptischen Aka« 
demikers gewaltig über die bescheidenen positiv strebenden Männer, 
die sich um dessen Widerlegung bemüht haben. *^) Allein es war 
dies nicht genug. Neue Verwirrung muste noch Reichard, dem 
wir so vielen topographischen Leichtsinn verdanken, auch in diese 
Frage bringen.**) Mit einer Dreistigkeit, die ihres gleichen sucht, 
leugnet er das Dasein des durch alle alten Historiker verbrieften arver- 
nischen Gergovia, wirft es mit dem bojischen, das von Caesar so 
deutlich davon unterschieden wird, zusammen, setzt dieses doch an 
die Loire unweit Genabum (Orleans) an die Steile des heutigen Ger- 
geau, worüber wir nicht streiten wollen, und läszt also, nachdem 
Caesar bis Avaricum (Bourges) vorgedrungen war und die Gillier 
vor sich her nachArvernien zu gejagt hatte, plötzlich die Feinde wieder 
in seinem Rücken erscheinen, was ohne eine riesige Schlacht und 
Durdibruch tfer römischen Operalionslinien gar nicht möglich war, 
und das bojische Gergovia erobern, wovon im Caesar keine Silbe 
steht, um dort der aufs neue anrückenden römischen Armee zu 



brennen lassen; — und dies in einer Gegend die Caesar gar nicht berührt 
hat (vgl. Legrand I 199). Ebenso wird das Lager von Gondole mit Cae- 
sars Namen beehrt. Reste eines Thurms daselbst nennt das Volk noch «totir 
de Cesar' nnd versichert, es sei darin eine silberne Statue von Caesar ver- 
borgnen (Dnlanre aus Audigier). Doch hat dies noch keinen Antiquar Bum 
nachgraben veranlasst. 20) Legrand voyage en Auvergne, 5r Brief 1 59 IT. 
21) Daher sich weder ükert (Geographie der Gr. u. R. II 2 S. 396 — 
401) noch Porbiger (alte Geogr. HI S. 167 f.) für etwas gewisses entschie- 
den. Doch konnte den letztem Walckenaer: g^ogir. des Gaules (Paris 1839) 
I 341, 80 wie der oben erwfihnte Brief im Morgenbiatt 1844 Nr. 290 richtig 
leiten. 22) Neue geograph. Ephemerlden 7r Bd. (1820) S. 65—72. 



IroUen« Um.V'Qn der {fewaltsamen T^UseriUamng B. G. Vll,3i iii 
Arvemas ^ gegen die Arverner' slatt *ia das Arveroergebiet' aichi 
zu redea (denn Yercingetorix slaud an der SpUze 4er . gesamten 
galiischea Bundesarmee , nicht blosz der Arverner , hatte sich aber, 
augenblicklich geschwächt, in das Arvernergebiet zurückgezogen), 
übersieht Reichard auch gänzlich dasz das bojische Gergovia eine 
Schöpfung Caesars y also diesem gut bekannt war, während er das 
;von ihm belagerte als etwas unbekanntes, erst jetzt eingesehenes be- 
schreibt. Vollends lächerlich ist es aber, wenn Reichard, ohne ir- 
gend eine Idee von der Gegend zu haben, den Alterthumsforscheru 
jnil dietatorischem Tone zuruft : ^ Ich habe euch nun die Richtung des 
Iragiichen Gergovia angedeutet; an euch ist es jetzt zu sehen, was 
ilort für Oertlichkciten den Schilderungen Caesars entsprechen.' Und 
die einheimischen Gelehrten hatten ein fertiges, in allen Lagen durch- 
/[orschtes, auf Caesars Bericht vollkommen passendes Gergovia 
längst dargebracht, welches freilich der grosz^ Geis! nicht anerken- 
nen wollte. Wir hätten dieses Bravourstück Reichards gern mit 
Stillschweigen übergangen , wenn nicht Herzog in seiner Ausgabe 
sich davon hätte befangen lassen und so dieser gröbliche Irthum in 
.den^ Schulunterricht eingedrungen wäre. Was ist es aber für ein 
Wunder dasz es zwei, ja vielleicht mehrere Gergovia gab, da der 
Name augenscheinlich ein Appellativum ist und ganz allgemein einea 
Wehrplalz bedientet ?*') Wo nun das bojische Gergovia zu suchen 
sei, dürfte bei dem Mangel an näheren Angaben ungewis bleiben. 
Eine. der neusten Untersuchungen will es in dem heuligen Montlu^on 
(Dep. de TAllier) erkennen.**} Kehren wir zu dem arvornischen 
;5urück. 

Der Zweifel Lancelots hat gediegene Widerlegungen in Frank- 
reich hervorgerufen. Wir erwähnen zunächst Lebeuf, Caylus, d'An- 
ville, die in kürzeren Aufsätzen an der seitherigen Tradition fest- 
Jialten*'); dann den bescheidnen, gründlichen, mit naiver Hingabe 
•forschenden Ingenieur -Geographen Pazuraot, der mit liebenswürdi- 
ger Unbefangenheit die Localität untersucht und die richtige Bahn zu 
deren Verständnis nach Caesars Erzählung gebrochen hat.*®) Aus 



2») Gergovia ==Gerg«u, Wehrgau, Wehrpiatz. Ankläoge ftaden aioti in 
manchen französischen Namen wieGergeau, Gergeuil; vgt.Dulaure: description 
de l'Aüvergne (Par. 1789) S. 320 Note, und im Manuscript der clermontei: 
•Seadtbibliothek (mscr. de l'Auvergne Nr. 54). Deswegen billigen wir auch 
die von Kraner aufgenommene Umänderung des bojischen Gergovia in 
'Gorgobina nicht. Handschriftliche üeberiieferung , die dieselbe unterstützt, 
.mag auf Fehlern dfr Abschreiber beruhen. 24) Nach anderen Moulins, 

Hauptort des A liier- Departements, s. den index geographicus im 4q Bande 
.der Ausgabe des Caesar von Achaintre und Lemaire. 25) Memoires-de 

Tacad. des inscr. XXV 139 f. (vom J. 1753). Cajlusi recueü d'antiqul- 
tös V 281 — 289. d'AnviUe: notice de Tancienne Gaule S. 349. Der».: ^clair- 
eissemcnts geogr. sur Tancienoe Gaule (Par. 1743) S, 260—62- 26) 

Pazumot: memoire göographittue sur quelques antiquites de la Gaule (Paris 
1765) S. 183 ff.. Dissertation topographique sur ie siege de Gergovia, 2e 



deri D^nköcMiften dieser Männer uttd seiHh^ig^n ^fftthrun^ii eti 
helU, dasz -die auf dem Gergovia gefundenen Allerthöm=er biettäehi^ 
lichcr sind, als Lancelot glauben Jäszt. Im J. 1755 ward auf Betrieb 
eines Latour d-Auvergne in dem süd^stlüdhen Winkel d«s Plateaus 
nachgegraben") und hieb<»i Zwei Fhsz dicke, ein Rechteck von öO' 
Länge und 30' Breite einschlieszende Grundmauern, sowie eine Gi«^ 
4erne mit reicher Quelle entdeckt. Die Mauern waren von rohem 
Stein, mit Mörtel oder Schlamm verbunden; auf 8 bis 4' Tiefe- be^ 
gann der Naturfelsen des Berges. HiermU ist wenigstens da« vof»- 
handensein alter Wohnungen auf dem Berggipfel, wovon noch lA 
den Urkunden die Rede sein wird, bezeugt. Bei dieser Naehgra*- 
t)ung sowol als seither bei der Bearbeitung des Bodens wurden im* 
mer iniefessanle Anticaglien zu Tage gefördert, und zwar ven be-^ 
deulend höherem Alter als bei Laneelol ang^gelj^en i«9t. Wenn nem*- 
lieh Glertmont nur Kaisermünzen liefert, so erseheint auf den Mö*- 
daiifcn vomGergovia der gallische Hercules, das galltsehe Rosz und das 
Schwein, der Bock und verworrene Vogelfiguren, barbarische Köpf« 
bis auf- die feineren ausgebildeten Gepräge aus der Eroberungs^eil^ 
unter denen Vereingetor ix selbst auf Gold mit vollständig ausgeschrie? 
ijenem Namen, und Epadnactus, der unter den Römern Arvern^eii 
verwaltende Häuptling, erkannt wird. Dazu kommen* ganze und 
eertMTO'öhne Geschirre von allen Formen, Todtenurnen, Fäszchen von 
Thoft, Thrähenfläsehchen , Waßenstticke aller Art von Brontse unrd 
Sl^in«, Aexle, Schwerter, Lanzen und Pfeilspitzen, Kolben, Opfei^i 
messer, ferner Braceletlen, Fibeln, Halsschnöre, Amuletten usw:^ 
»wovon' das meiste nicht römischen , sondern alt-eeltisehen Ursprungs 
ist.**) Haben wir uns nun vion der' cellischen Bergfeste die^orsiel'- 
iung Wie'von einem Athen und 'Rom zu machen, und Tempelseuten, 



aus 8. Naciüasz vermehrte Ausgal^ ,von Grivaud, uaier dem Titel: dUser^ 
tatioDs et memoires sur differens sujets d'antiquites et d'histoire, mis en 
ordre et publi^s d* apres les rascr. de feu M. Pazumot (Paris 1810 — -13) 
S. 96 — 114, 27) S. über diese Nachgrabungen den Brief Feli^ondes bei 
Pazumot S. 215 ff. (Iv Ausg.) 28) Bulaare Avssüge aus Audigier T. II: 
^ies medftilles qn'on trouve a Clermont sont ordinairement des emperetiVs 
romaifts, et Celles quon d^oouvrc äGergovia ont ie plussouvent rcmjjteitite 
de r Hereule Gaulois et de 'quelques animan'x avec des lettres -oeltique».^ 
Eine vollstäQdige ÄnsammensteUang der seitherigen Fiinde sowbl auf Geri 
govia als auf defti Pliy de' Corent un^ den andern antiquarisch TOerk*p«ftrdU 
gen Chrteü derAuVergne gibt BouiJlet: buüetin arcb^ologiqne in den l^aMetr 
tes hi9ti>ri«[üe8 de l'Auvergne T. IV. Sämtliobe Stüeke habe Ich seflbst i« 
«einem Mus«uraÄU Clermoat'angöseheii. Die Goldraiinz^n des Verclogetoriit 
fauch Hr; Larg^ zu Clermont besHct öine) sind von edlem Geprjfge^ der 
Name ist geschrieben VEBCINGBTORIXS , auf der Rüekseite beflöd«! 
sioh ein Pferd im Spnmge, das über eine Urne setzt: die Stempel^ ob^^l 
Shi>fi«h in der Darstelking, sind doch nicht bei allen dieselben. Der Ep«ä- 
naetii« von Silber ist sefer zierlich gearbeitet, die Rückseite ti'Sgt einen VöU 
Hg gewaffneten Krieger ift ganzer Figur, das Haupt und eine Schüitei''eftt* 
l>löszt, wi(8 cur ErleUtterung 4«s insiffne paeatwn (ß. O. VII 50) tHefrea 
itann. 



IM M^ A. Fiftcker : Geif&vku Zu Caesar B. 6. VII 85-^1. 

Quadern, Arkaden zu sudiea, oder können "wir uns mit den voiban* 
denen roheren Trümmern begnügen?*') Das überlasse ich dem nach* 
denken jedes Lesers. 

Den genaueren Urkundenbeweis hat zuerst Massoa, Prior von 
St« Andre, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts unternommen. Sein 
von Caylus und Pazumol belobtes Memoire ist vermutlich dasselbe, 
welches ich in den Hss. der clermonter Stadtbibliothek gesehen habe. 
Ihm folgte in einer gleichfalls handschriftlich daselbst aufbewahrten 
Darstellung Dulaure, einer der fleiszigsten und verdienstvollsten Al- 
terthumsforscher Frankreichs. Die Ergebnisse dieser mühsamen Un- 
tersuchungen hat dann Ad. Michel einem Aufsatze über Gergovia 
einverleibt, der in den Tablettes hisloriques de TAuvergne abge- 
druckt ist"®) Dulaure legt dar, dasz Kartularien von Sauxillanges 
aus dem lOn und lln Jh. ein Gergoyia als viäa, Stadt oder Dorf, 
und einen benachbarten Hof Gergoieta erwähnen. Das Dorf ist auf 
dem Plateau zu suchen und durch die oben bezeichnete Nachgrabung 
gesichert; der Hof ist der noch heule bestehende Gergoie oder Ger- 
govie. Die Daten sind mehr oder weniger praecis : von Lothars Rer 
gierung, also der MtUe des iOn Jh., vom Jahre 961, von dem Abt 
von Clttgni, Mayolus (948 — 994), von dem Abt Odillon (994fif.)9 end- 
lich gegen 1030. Die als unecht ange^htene Sttflungsurkonde des 
Klosters St; Andre steht auch nicht vereinzelt da. Wenn dieselbe, 
wie sie damals gelesen v^rd , auch Nachbesserungen , Erweiterungen 
aus der Hand des Archivars erhalten hatte , so war doch nach Ba- 
luzes eignem Zugeständnis die Grundlage echt, die historischen Um- 
stände sind vollkommen richtig, selbst der Delphinstitel wird von 
Dulaur^ gerechtfertigt , und andfe Karten , unter denen zwei päbst- 
)khe, aus den Jahren 1174, 1188, 1189, 1190, 1193 und 1249, ha- 
ben die fragliche , unter beständiger Nennung auch des Gergovia , in 
ihrem wesentlichen Inhalt bestätigt. ^^) Nach dieser Ausführung 
durfte auch die Tradition als sicherer begründet angenommen werden. 



29) Von den Streitschriften über die gallischen Wohnangen fphre ich 
die ursprüngliche Thests und Antlthesis an: Dulaure in den Mämoires des 
«ntiquaires de Franee II 82 — 142 und: Galliarum veterum urbes a el. Du- 
laure recenter dirutas ac solo aequatas restltuere conatur Phil. Amat. de 
jGolbery, Letstere ist auch ihres pikanten Stlla wegen lesenswerth, abge- 
druckt in Achaintres und Lemaires Ausg. IV 411 ff. Es darf nun als aus- 
gemacht gelten, dasz die Gallier allerdings feste Städte hatten, deren Be- 
vi^lkeruBg sieh freilich durch den Zuflasz des Landvolks in Kriegseeiten 
yermehrte. 30) Dulaure in den Mscr. de TAuvergne Nr. 54 auf der oler- 
monter Stadtbibliothek. Ad. Michel: dissert. sur i'etnplacement de la Ger- 
govia des Arvemes, sur rapplicatloA du texte de Cesar au plateau de Ger- 
govia, in Tablettes bist, de TAuvergue par Bouillet IV 301 — 348, auch in: 
L'andeune Auvergne et le Velay par Ad. Michel. 31) Mehrere dieser 

Uf^unden sind, wenn ich mich recht erinnere, in dem 2n Bande der GalUa 
chnsttana (Ausg. von 1720) abgedruckt, und es wäre zu verwundern, wenn 
Ltaacelot sie dort nicht neben der angezweifelten, von der er allein redet^ 
gelesen hätte. [ 



Mk A. Fiscker : Gergovia. Zu Caesar B. 6. V&SS— 51. 16T 

Bulattre' »acht äieht mit Unrecht daraaf aufmerktain , wie läehe^Koh 
es sei einem hei^elaufenen Italiäner einen Einflusz auf Umtaufung 
eines so wiehli^n geographischen Punktes zuzuschreiben. Der Name 
Puy de Mardogne oder Merdogne habe nicht den ganzen Gergovia, 
sondern nur eine Dependenz desselben bezeichnet« **) Wenn Sidonius 
Apollinaris bei Beschreibung des Aviiacum den Gergovia nicht er- 
wähne, so sei eben. gar nicht ausgemacht, dasz jener Palast an dem 
benachbarten Sarlteve gelegen habe, sondern viel wahrscheinlicher 
sei dessen Platz an dem etwas entfernteren See Aydat. Ich füge hinzu 
dasz es von dem Sarlieve nicht sicher ist, ob er zu Caesars Zeit exis- 
* üerte oder bedeutend war ; ohne dasz man nöthig hat in Simeoms drol- 
lige Conjectur einzugehen, als sei er erst aus dem Abflusz der Lauf- 
gräben Caesars entstanden. So viel von den äuszern Beweisen. Die 
Vergieichung des Ortes mit Caesars Texte wird das übrige Ihun. 

' in: 

Es gilt zunächst den Weg zu bestimmen , auf welchem Caesar 
sich Gergovia näherte. Wir haben gesehen dasz die beiden Armeen 
einige Tage lang vom untern AUier aufwärts zogen, sich wechselseitig 
beobachtend und beständig einander gegenüber lagernd. Caesarn 
muste es angelegen sein , den Flusz balditnögnchsl zu passieren : ein 
längeres müszigliegen hätte den Sommer hingebracht, ihm zum Ver* 
derben und dem Feinde zum groszen Vortheil , da Vercingetorix die 
Zeit vortre£flich zur Verbreitung des Aufstandes zu nutzen verstand. 
Oberhalb der Sioule-Mündung musten die Umstände für Caesars Plan 
gftnstiger .werden. Zugleich ist ersichtlich dasz ein weiteres hinauf- 
gehen auf dem rechten Ufer ihn zu weit östlich geführt hätte , da hier 
der AiUer eine stark nach Osten convexe Wendung bildet. Es war 
also die erste beste Stelle die sich darbot zu ergreifen. Wir stimmen 
demnach einer neuem Darlegung bei, welche Caesars Uebergang nach 
Varennes oder Crechy, fünf Stunden unter dem berühmten Badeort 
Yichy setzL'') Dies stimmt auch vollkommen zu der Entfernung von 
Gergovia, zwanzig Stunden, welche auf dem Hinweg vorsichtig in 
iiinf Tagemärschen, nach dem Abzug etwas schneller in drei Tagen 
zurückgelegt wurden. 

Auf dem Marsche am linken AUierufer aufwärts behielt Caesar 
unstreitig den Flusz als Richtschnur zur linken. Auf seiner rechten 
Flanke muste er beständig die Vorhügel besetzen , die das Fhiszbett 
begrenzen und oft weite Durchblicke auf die dahinterliegende Ebene 



32) Hieriiach ist Forbigers Anmerkung 16 Th. III S. 167 eii berichtigen. 
Statt Perignal lies daselbst Pdrignat; statt einige Lieues eine Lieue. Von 
^Sueben' ist keine Rede mehr, da der Ort klar vor Augen liegt. 3S) 
Saint-HypoUte: reeherches sur quelques points historiques relatifs au si^ge 
de Bourges, im Spectatear mllitaire XXXII 273 ff. (vom Decemb'er 1841). 
I>ie früheren sprachen von Maringues oder Pont-du-Chdteau, was Gergovia 
offenbar zu nahe ist. • . 



186 M; A« Fischers .Geifovia. Zu däreaf B. G. VII Sr^^K 

i^erateften. EtnedietelrOeffnangeii beiCournto fahrte ihndirect an den 
Tttsz des Gergovia. Ein kurzer RiU durch die Ebene zeigte ihm gkicfa 
diesen Gebirgsstock von drei Seiten, der nördlichen, östlichen und 
sftdlichen, und muste ihn, nach Zurückweisung des feindlichen Reitert 
angriffs , für eine Position auf der Sudseite entscheiden. 

Um diese Position auf dem Terrain zu erkennen, dient der iso- 
lierte Hügel, auf welchem Caesar nach Vertreibung der schwachen gal- 
lischen Besatzung sein kleineres Lager errichtete , zum SchlfisseL Dies 
hat der wackere Pazumot zuerst eingesehene^), und seine Theorie 
hierüber ist von den sachverständigen im wesentlichen gebilligt wor* 
den. So schreibt ein englischer General (Loyd), der am Ende des' 
vorigen Jh. (um 17dS) ganz Europa mit Rücksicht auf die Schlaohl* 
felder des Aller Ihuras durchstreifte, an den Abbe Cortigier zu Glennont, 
dasz mit Ausnahme einiger Details die Arbeit Pazumots ihn bei seinem 
Besuche auf Gergovia richtig geleilel habe.^^) Nach ihm haben Suchet 
d* Albufera und Gouvion St. Cyr sich in ähnlicher Weise ausgespro- 
chen, und in neuster Zeit hat dei* General Marey- Monge, gleichfalls 
nach persönlicher Inspeetion , die Abfassung einer DenkscfanR veran- 
laszt, weiche die hauptsächlichsten Schlüsse Pazumots bestätigt. ^*) . Ich 
lege auf diesen Umstand ein um so nachdrücklicheres Gewicht, als in 
Deutschland oder bei auswärtigen Besuchern der Auvergne durch 
gröszere Zugängiichkeit andrer Hilfssehriften sich: leicht Irthümer eiot 
nisten könnten. Der um die Alterthümer so verdiente Graf Cayius 
hat nemlich in seinem bekannten Recueil d'antiquites auch die Yor-^ 
gänge um Gergovia. behandelt, ohne die QertUchkeit durch Autopsie zu 
kennen oder auch nur eine genügende Karle zu beaitzen.^^) Er suchte 
— und Dulaure (s. oben Anmr 33) ist ihm hierin gefolgt i— r jenen 
Hügel in dem Plateau von Jussac , dem' eben das Hauptmerkmal der 
Isolierung und dann auch das der Angreifbarkeit ans der Ebene ab«- 
geht« Eine neue Theorie hat ein jetzt lebcinder Antiquar, Hr. BouiUet 
zu Clermont, aufgestellt. Er will den Plaiz des. kleinen Lagers in der 



M) S. 194 der 1d Ausg. Der Name des Flüsschens ist Anma. statt 
Ia Serre zu lesen. 35) S. Legrand 5r Brief I 61. Nach dem UrtUeil 
dieses Officiers (Loyd) sind nur Caesar und Polybius in der Topographie 
exaet; Livius wird besonders geladelt , er ist ihm ein Phrasendreher und 
Schlächtenmacher Vom Kanapee in der Stadierstnbe. Was Caesar betrifft, 
so ist es in der That merkwürdig, wie seine plastischen, liandgröiflichen 
Bohilderungen ohne die Hilfe der jetzt übliehen geographischen i<KuQStaiis- 
drücke und Messungen, in uusrer Phantasie oft ein Bild erzeugen, das iu 
einen schematischen Umrisz gefaszt werden kann, dem die wirKÜche Loca- 
lität in gewissem Grade entspricht. Dies beweisen mir viele Kupfer eiaei' 
alten Caesarausgabe (Lugd. BaU ap. Daniel Gaesbeck. 1684. 12), die nach 
der Vorrede des Herausgebers der itaJiänischen Uebersetzung des Palladiu» 
entnommen sind und gewis nicht auf topographischen Aufnahmen beruhen. 
Gergovia erscheint dort fast wie es leibjt und lebt, und besser als bei 
Simeani. ' 36) Vial : memoire sur Gergovia in den Anoales de Tacad. de 
Clermont 1851; s. dasell^st S. 214. 37) Der Pla;i,.den Cayl^s im angef* 
Werke Th, V beifügt, hat bedeutende Mängel. 



M. A. FiscMer: Gefgovia. Zu Caesar B. G. VII 36—61. 189 

ßögerid des Hofes Pfadt erblicken und bezieht dann auf das Haupte 
läger Caesars die Spuren eines römischen Lagers zu Gondole am Allier, 
im Munde des Volkes camp de C^sar genannt. •") Die Entfern uilg von 
1^^ Stunden Zwischen beiden Lagern ist aber offenbar zu grosz ; auch bie- 
tet die Gegend am Pradt nur leichte wellenförmige Erhebungen, keinen 
abgegrenzten Hügel, und was nocji schlimmer Ist, keinen Angriffspunkt 
auf Gergovia, und Hr. Bouillet ist nicht im Stande alle Einzelheiteh 
des Kampfes aus seiner Theorie zu erklären. Es wird besonders vor 
dieser Auffassung gewarnt, weil ihr Urheber dieselbe seinem * Führer 
von Clermonl* einverleibt hat, der vielen Fremden in die Hände kom- 
men dürfte. 

Der Hügel, von dem Caesar VII 36 spricht — erat e regione 
oppidt colKs suh ipsis radicibus montis, egregie munitus aique ex omni 
parte drcumcisuSj quer/l si ienerent noslri, et aquae magna parte ei 
pabukitümeUbera prohibiturihostes videbantur — , dieser Hügel kann kein 
andrer als die Roche Blanche sein. Diese allein liegt der Stadt nahe 
genug und ihrer mittlem südlichen Fronte gerade gegenüber ; diese 
allein ist so völlig isoliert und für den spätem Sturmlauf passend ; diese 
endlich erfüllt vorzugsweise die Bedingung des gehemmten Wasser- 
holens und Fouragierens. Aus dem Grundplan sieht man nemlich, 
dasz mit Besetzung dieses Hügels der directe Weg zum Auzon und zu 
seinen reichen Weideplätzen abgeschnitten ist. Dieser Bach aber ent- 
bäU aliein hinreichenden Vorrat für die Bedürfnisse einer groszen 
Armee , und die gallische betrug damals immerhin noch 40000 Mann 
und führte nach ihrer Sitte eine unzählige Menge Pferde und Zugvieh 
mit sich (Caes. B. C. II 11). Wiewol noch andre Quellen , Rinnsale 
od&r Bache um den Gergovia flössen, so waren sie doch entweder zu 
schwach oder zu entfernt oder für grosze Karawanen weniger zugäng- 
lich. An eia Wasserholen am Sarlieve, der eher Pfütze als See heiszen 
konnte, ist, wie Vial S, 217 vortrefflich ausgeführt hat, nicht zu den- 
ken, üebrigens sagt Caesar nur aquae magna parte, und dies passt 
vollkommen zu der Position auf der Roche Blanche, deren weitere 
Bedeutung sich bald entwickeln wird. 

Von dieser Ortsbestimmung war nun die des groszen Lagers ab- 
zuleiten. Pazumot mit seiner ehrlichen Bescheidenheit beschränkt sich 
auf die allgemeine Forderung, dasz es dem kleinen nahe genug gele- 
gen haben müsse , um die Verbindung durch doppelten Graben und 
die leichte Ausführung der folgenden Manöver zu gestatten.'*) Er 



38) Bouillet: iablettes historiques de TAuvergne T. IV (Clermont 1845) 
S- 36 — 45. 39) Dies ist ein vorzüglich zu beachtender Punkt, damit 
man nicht Dimensionen neuer Schlachtaufstellnngen in die alten hineintrage. 
So las ich in den Hss. der clermonter Bibliothek (Nr. 54 der Mscr. de l'Au- 
vergpie) den Aufsatz eines Hm. Audel du Miral, ancien lieut. au rög. de 
Poitou : !&xplication et application raisonnees des commentaires de J. C^sav 
BOT la partie de Thistoire des Gaules relative au si^ge de Gergovia, vom 
Jahre 1803. Dieser läszt den Caesar ganz nach Napoleonischem Schnitt 
operieren. Das röm. Lager ist am Monton, der linke Flügel stützt sich auf 
Jabrb. f. class. Philol. Soppl. N. F. Bd. I Hft. 2. ^ 13 



100 M. A. Fischer: Gerg^ovia. Zu Caesar B. G. VII 36— 6t. 

aberläszl jedoch der Phantasie des Lesers die genauere Bezeichnung 
und bemerkt nur, es scheine ihm passend dasz Caesar einen Platz 
jenseits des Auzon gewählt habe , der ihm fär den ersten Nolhfall eine 
Art Wall bot, sei es am Fusze des Monton oder 8es Crest, wenn man 
nur damit nicht zu weit in das Thal hineinfahre. So erscheint das- 
selbe auf dem Plane der In Ausgabe am Monton , auf dem neu aufge- 
nommenen und topographisch genauen der 2n dagegen am Fusze des 
Crest, gerade gegenüber der Roche Blanche; und es wird diese letz- 
tere Position noch besonders dadurch empfohlen, dasz in den dortigen 
Weinbergen römische Medaillen und Anticaglien aufgefunden worden 
sind.**) Militärische Gründe haben aber für eine Position auf dem 
Plaleau des Crest gesprochen. ^Er muste es' sagt Hauptmann Vial, 
* wie auch Merim^e schon gesehen /O ^^ einer festen Stellung anle- 
gen : denn er war mitten unter einer feindlidien Bevölkerung.* Bie 
weitern Bedingungen , Nähe des Wassers , Berührung mit der Roche 
Blanche und der Umstand dasz Caesars Scheinmanöver vom Gergovia 
aus gesehen wurden, was bei einer tiefern, durch die Roche Blanche 
verdeckten Lage nicht möglich gewesen wäre , sind dort gleichfalls 
richtig hervorgehoben. Es sei mir erlaubt dieses Ergebnis noch durch 
zwei philologische, aber, wie mir scheint, schlagende Gründe zu 
stützen. Erstens : als Caesar die Stellung der Feinde recognosciert hatte, 
sagt er (VII 36) : ihre Menge, um die Stadt herum verbreitet und nach 
Stämmen geordnet, bot — • qua despici poterai — einen grausenhaflen 
Anblick dar.**) Was heiszt nun qua despici poterat? Die Erklarer 
geben : ^ so weit die Feinde in das römische Lager hinabsehen konn- 
ten.' Es will mich aber bedünken , dasz es nicht die Sache dessen 
welcher hinabsieht ist, einen Anblick darzubieten, sondern dasz dem- 



dea Crest, der rechte reicht bis an den Allier: die Cohorten unter Sextlus 
besetzen das Plateau von Jussac, y;9A, wenn sie auch hinaufkommen koiiii> 
ten, ohne Aufpflanzuog Ton Kanonen keinen Sinn hat. Dennoch hat der- 
»elbe intelligente Ofücier einige andre Uesichtspunkte , wie Stärke der bei- 
den Armeen, Raum der Cohortenstellung usw. richtig aufgefaszt. Der Caesar 
der Neuzeit sah vollkommen klar über den Unterschied der alten und neuen 
Schlachtdimensionen und hat denselben in Bezug auf Lager und strategische 
Positionen vortrefflich entwickelt. S. Pr^cis des guerres de C^sar par Napo- 
leon, chap. V: observations. 40) Grivaud Anm. zu Pazumot S. 113 der 
2n Ausg. 41) Merira^e in seinem Bericht über eine in höherem Auftrag 
unternommene archaeologische Reise: Notes d'un voyage en Auvergne (Paris 
1838) S. 321. Vial S, 222 f. 42) Man will die Auslegung * soweit von 
den Feinden auf die Römer herabgesehen werden konnte' aller Logik zum 
Trotz durch Vergleichung von VII 45: erat a Gergovia despectus in caslra 
stützen, ohne sichs nur träumen zu lassen dasz dies himmelweit verschie- 
dene Dinge sind. Allerdlugs schaute man von der Stadt auf das römische Lager 
hinab : dies hindert aber nicht dasz man von dem röm. Lager auf die Ab- 
liänge unter der Stadt hinabsehen konnte, üeberflüssig ist der Zusatz auch 
nicht; denn aus dem furchtbaren, was die Römer sahen wo es ihnen mög- 
lich war , liesz sich auf noch gröszere Schrecken , die ihr Blick nicht er- 
reichte, schlieszen. — Auch bei Alesia war es Caesars Sorge, die Hügel 
rundum zu besetzen, B.G. VII 80. Vergl.auch des Legaten Caninins Operatio- 
nen bei Uxellodunum VIII 33. 
% 



M. A. Fischer: Gcrgovia. Zu Caesar B. G. VÜ 55—61. IM 

jeni^Mi welciier sidil ein Anblick geboten wird. Offenbar sagt daließ 
Caesar : die Feinde boten uns überall, wo wir auf sie hinabsehen konn- 
ten, einen graasenhaften Aiiblielc. Er stand also in der Höhe und 
schaute zwar nicht auf die Stadt, woi aber auf die von Galliern be- 
setzten Abhänge und Vorhügei hinab; was auch der Oerllichkeit voll- 
kommen entspricht. Zweitens: Caesar richtet später einen Scheinan- 
griff linkwärts auf die neuen Verschanzungen der Feinde. Zu diesem 
Zweck geschieht folgendes (VII 45): legionem tmam eodem htgo miltil 
ei pauhm prqgressatn inferiore cmsUiuit heo süvisque occultai. Mit dem 
eodem iugo haben sich die Erklärer vielfach abgequält. Man verstand : 
an denselben Hügel, von dem Caesar kurz zuvor gesprochen, den er 
von Feinden entblöszt gesehen hatte oder wo sich Vercingetorix ver- 
schanzte. Wie man aber auch der Grammatik Gewalt anthun mag, so 
kann eodem iugo nimmermehr gleichbedeutend mit ad idem iugum sein ; 
und Kraners Auskunftsmittel das Wort iugo |lIs Glosse einzuklammern 
hiJA nichts : denn der folgende Satz beweist ja gerade dasz diese Legion 
nicht bis dorthin gegangen, sondern dasz sie nach kurzem vorrücken 
an einem tiefer liegenden Platze aufgestellt und im Walde versteckt 
worden ist. Man halte sich also einfach an den grammatischen Sinn : 
er iäszt sie auf demselben Bergrücken (nemlich dem an den Crest an- 
stoszenden) eine Weile fortgehen und dann an einer tiefern Stelle Halt 
machen. So ist es auch auf unserm Plane gezeichnet, und so wird 
esy wie wir uns selbst überzeugt haben<, von der Höhe des Gergovia 
aus gesehen , so dasz es ganz den Ansehein hatte , als wolle die Le- 
gion an den obern Auzon vorrücken und in das Defile von Opme ein- 
dringen, um die Stadt von dem westlichen Flügel zu fassen. Dorthin 
waren ihr auch die Reiter und verkappten Troszknechte unter groszem 
Lärm vorangejagt; sie selbst aber hatte, nachdem ihr Ausmarsch wahr- 
genommen war, ihre Aufgabe erfüllt und durfte im Walde und hinter 
dem Plateau von Jussac verschwinden, von wo sie nöthigenfalls zu dem 
^rklichen Angilff im Centrum leicht herbeigeholt werden konnte. 
Nach dieser Ausführung möchte es überflüssig sein, sich noch auf die 
etymologische Deutung des Namens Crest, der ganz gut von castra 
herkommen kann, einzulassen^') oder auf die zwei parallelen, zum 
Auzon senkrechten, gepflasterten Straszen hinzuweisen, die in wech- 
selseitiger Entfernung von 150 — ^200 Schritten zum Crest hinaufführen 
und oben in einer Terrasse endigen, und in denen wer Lust hat Spu- 
ren der caesarianischen Gräben vermuten mag.^^) 



43) Die Metathesis Castro Crest hat viele Analogien, z. B. hlouque für 
binteiej äplingue für ipingle im Munde der Bauern von Molteres Don Juan 
U iy Frantevavlt für Font iJtEvraulti s. Geuin : variatiotis du langage 
Fran9ai8 S. 30 ff. Urkunden, soweit ich deren vergUeben, geben überall 
die Orthographie Crest, de Cresto (Gallia Christiana T. II aus dem 13n Jh. 
öfter) ; Sinieoni schreibt Craisi, 44) Mit dieser Bestimmung des Haupt- 
lagers steht freilich Cassius Dio XL 36 im Widerspruch ,^ da er mit dür- 
ren ^Worten sagt : Sv ts. yuQ fceSCip 6 KaCaag qvXliezo • ov yaQ svvOQTjaev 
ixvQOv %o»qCov» 'Caesar lagerte in der Ebene; denn es slaud ihm kein 

13* 



M» M, A. Rsdier: Gtrsorä. Zn Omsam Bw GL VU 3^..^I. 

Ueber den Zwiscfaenfail mit der HOba^oMe der Heiner kteoea 
wir schnell hinweggehen, weil die Punkte ans Caesars Aogrilien aaforl 
deutlich sind und sich leicht auf der Karle wiedeifinden Inssen. Die 
10000 Haedaer waren bis auf 30000 SehriUe (iS Stunden) von Ger* 
govia angekommen, als ihnen ihr Fuhrer Litavious den Abfall von doi 
Römern vorschlug. Dies geschah also in der Gegend des heutigea 
Randans. Caesar erfuhr es miUen in der Nacht, nahm sieh nicht die 
Zeit seine Lager zusammenzuziehen , liesz nur zwei Legionen zur Be- 
wachung der ausgedehnten Werke zurück und zog mit yier Legionen 
9nd der gesamten Reiterei den abirftnnigen Bunde^enossen entgegeo. 
Er traf sie an demselben Tage 3Ö000 Schritte (10 Stunden) von Ger- 
govia, etwa bei Maringues, ein Beweis von der Schnelligkeit seines 
Marsches und der Unschlüssigkeit oder Sorglosigkeit der Baeduer, 
die, während Caesar rasch handelte, erst zwei Stunden Weges ge- 
macht hatten. Durch Entwicklung seiner Reiterei schreckte Caesar 
die verführten : Ueberredung that das übrige , und Lilavicns entfloh 
mit den seinigen nach Gergovia. Nachdem Caesar seinen Leuten eine 
kurze Rast von drei Stunden in der ersten Hälfte der Nacht gegönnt 
hatt^, brach er sogleich wieder gegen Gergovia auf. Mitten auf dem 
Wege erhielt er eine Eilbotschaft von seinem Legaten , der den ganzen 
Tag einen wütenden Sturm (wahrscheinlich auf das kleinere Lager) 
mit Mühe ausgehalten hatte und einen gleichen mit der wiederkehren- 
den Sonne befürchtete. Dies spornte die Römer, und die ganze Armee 
war vor Sonnenaufgang wieder im Lager vor Gergovia. 

Wir kommen nun auf die Anstalten zu dem Schlage , mit wel- 
chem der geniale Feldherr seinen Abzug van Gergovia beschöcügen 
wollte. Wo ist jener Hügel , den Caesar eines Tages vom kteinen 
Lager aus gewahrte, und der sich jetzt erst, von den Feinden geleert, 
seinem Späherauge enthüllte? Wir stellen uns auf denselben Punkt 
mit dem römischen Imperator und sehen nichts als die Hügelspitzen, 
die sich auf dem Plateau von Jussac erheben , von denen der hinterste 
noch schwach bemerkbar ist, aber bei einer Anfüllung mit Bewaffneten 
leicht ganz übersehen werden konnte. Wie Uesz sich nun Caesar über 
diese Erscheinung belehren? dorsum esse ehtsiugiprope aequum^ sed 
hunc süvesirem et anguslum, qua esset adiius ad aUeram partem oppidi 
(VII 44). Es heiszt eins iuffi; es handelt sich also gerade um den- 



geschützter Ort zu Gebole.' Was ist aber hierauf zu geben Caesars Auto* 
rität gegenüber? Der Nachsatz verräth schon wenig Terrainkeuutnis ; denn 
erhabene Plätze bietet die Umgegend genug. Vergebens haben wir uns bei 
Litterarhistorikem und Auslegern nach Winken über die Quellen umgesehen, 
welche Dio auszer Caesar hätte benützen können. Allgemein gilt Caesar als 
die einzige Quelle der gallischen Kriege. Hat nun Dio auszerdem Traditio- 
nen (von Hauptleuten oder Soldaten) gekannt, die von einem ersten Lager 
in der Ebene und den ungünstigen Kämpfen gegen die feindlichen Schwär- 
mer Meldung thaten, ehe die feste Stellung auf dem Crest gewählt ward, so 
mochte der späte Historiker den ersten Bericht verallgemeinert und die ein- 
seinen Momente nicht mehr unterschieden haben« 



M. A. f kotier: Qen^ovia. Zu Caesar B. & VlI a&-^-51« Mt 

Gabir|^8look, ntirelefaem jene Spil2»|^ehQrly das ist das Pia* 
leaa von Joasac» ^*) Es sei eia Racken dieses Gebirgsstockes — das 
ist der Rand des Plateaos lunlet jenen Hügelspitzen vor dem vöiUgen 
Abfall in die Ebene — ^ beinahe flaeh, aber bewaldet und schmal^ und 
es sei dort ein Zugang zu der andern Sladlseite. So löse ich qua 
e8$ei auf, ei hac e$se odkum, nicht ea qua esset adüus. Der Text gibt 
ganz dasselbe was in unsrer Beschreibung steht , und auf unserm topo* 
graphisch genauen Grundplane ist diese Stelle mit G bezeichnet« Jener 
Rücken geht in das Band über, welches sanft auf das Gergovia-Pla- 
tean hinaufführt , und oben leitete dieser Weg zu einem westlichen 
Stadtthore: denn vermutlich war nicht das ganze Plateau von der 
Stadt eingenommen. *^) Von demselben Rücken dringt man aber auch 
in die Schlucht zwischen Jussac und Gergovia auf Wegen ^ die selbst 
der Reiterei zugänglich sind. 

Charakteristisch für diese Stelle ist, was weiter beigefügt wird : 
vehementer huic iUos loco Umere nee tarn älüer sentire uno colle ab Ba- 
manis occupato, si aUerum amisisaenl, quin paene ctrcumvaUaü atque 
omni exüu et pabulaUone interclusi viderentur. In der That, durch Be- 
setziHig des Plateaus von Jussac halte Caesar die Gallier nicht nur 
völlig vom Auzonlhaie ausgeschlossen, sondern auch die nördliche 
Seite des Gergovia beherscht : es war eine blokadeähnliche Stellung. 
Um dieselbe zu nehmen, muste er durch dasDefile vonOpme eindrin- 
gen und von Nordwesten angreifen. Dies ist auch, wie Hauptmann 
Vial sich ausdrückt (S. 226) , der wahre Angriffspunkt von Gergovia. 
' Wenn Caesar ' fährt derselbe fort * seine Kraft nicht hieher gerichtet 
hat, so kannte er wahrscheinlich die Gegend nicht genau, und mochte 
auch nicht sich tiefer in das Auzonlhal einlassen, mitten unter eine 
feindliche Bevölkerung, wobei Gergovia zwischen ihm und seiner 
Rückzugslinie, die dem Allier entlang lief, geblieben wäre.' Wir 
glauben dasz Caesar vollkommen richtig die Wichtigkeit dieses Punktes 
beortheilt hat. Opme wird vom Crest aus nahe erblickt und lädt zu 



45) Dnrch irrig«» Verständnis von eins iugi, worin man den Gergovia 
selbst sehen wollte, haben mehrere sich verleiten lassen, diesen engen Zu- 
gang zur Stadt und alles was sich daran knüpft nicht bei dem bemerkten 
Hügel , sondern selbständig auf dem nördlichen Abhang des Berges »wischen 
Besanee und Pradt zu suchen. So Pazumot, Merim^, Michel, endlich 
Aigueperse, mit Ausfßhrung des Grundes in der Note seiner kleinen Schrift 
S. 15. Dort passt jedoch kein Terrain als das unsrige. Der < andere Stadt- 
theil' ist aber nicht nothwendig der dem südlichen entgegengesetzte, son- 
dern ebenso guyler westliche. 46) Mehreres berechtigt zu dieser An- 
nahme. Die Wfftspitze zeigt weniger Trümmer von Menschenwerken; ihre 
unregelmäszigeren Konturen waren der Anlage von Mauern nach gallischem 
System ungünstiger (s. B. Gall. VII 23); ferner heis^t es VIl 36: cag- 
tri» prope appidwn in monie positiSy wo freilich Kran er, man weisz nicht 
warum 9 nnd ohne ein Wort zu sagen, in monle unterdrückt hat. Dies 
deutet auf Lager noch auf dem Berge neben der Stadt, wie bei Alesia 
VII 69. Auch weist Pazumot nur die ösiliche Hälfte des Plateaus der 
eigentlichen Stadt zu. 



IM li. A. FiscW: Ger^ovia. Zu Caesar B. G. VU »--^1. 

einem Btrate^schen Versache ein« Die Heiler, die er lafjßieh das 
Thal hinaufstreifen liesz, und die Ueberlaufer, die ihm siels zoflossen, 
hatten ihn bald von allem unterrichtet. Grund genüge für die Gallier, 
schlimmes zu fürchten, und für Yercingetorix, seine Landsleole in 
Masse zur Anlage von Verschanzungen bei Opme zu beordern. Was 
Caesar also unstreitig wirklich gethan hätte , wenn er stärker gewesen 
wäre, that er jetzt nur zum Schein, um den Feind zu teuschen, von 
dem er auf dieser Seite einen schwer zu bewältigenden Widerstand 
erwarten durfte. 

Der erste falsche Angriff, den er links gegen Chanonat und Opme 
richtete, wird hieraus vollkommen klar.^^) Die Wirkung entsprach 
auch vortrefflich Caesars Absicht. Die Gallier lassen sich berücken 
durch die pomphaften Bewegungen, die sie von der Stadt aus wahr- 
nehmen , und eilen mit ihrer Gesamtmacht die Position bei Opme zu 
verstärken , wodurch ihre Lager bei Merdogne fast leer werden. Man 
steht, diese Position ist ziemlich weit von der Stadt, und Caesar, der 
Meisler im rechnen ist , ^^) hatte darauf etwas gebaut. Er läszt seine 
Soldaten in dünnen Haufen mit verdeckten Abzeichen und Standarten 
(wieder , um von der Stadt aus nicht bemerkt zu werden , VII 45, 7) 
ins kleinere Lager hin überrücken, und führt vier Legionen zum Sturm 
auf die feindlichen Lager , die sich unter der Stadt auf die Hälfte des 
Abhangs erstreckten. Nach Caesars gemessenen fiefehlen sollten die 
Legdien Sorge tragen, dasz ihre Leute nicht durch Kampfeshitze oder 
Plünderungslust zu weit forlgerissen würden : oecamnis esse rem^ non 
proelii: es sei ein günstiger Moment zu benutzen, nicht ein Treffen 
zu liefern. Mit Blitzesschnelle ist der Thalweg, welcher Roche Blan- 
che von Gergovia trennt, überflogen, leicht ist der flache südliche Ab- 
hang bis zur Mille erstiegen. Hier erhob sich der 6' hohe Stctnwall, 
der die gallischen Lager rund um den Berg umzog: wir haben den- 
selben nach Maszgabe des Terrains — ut natura numtis ferebat (VII 46) 
— in unsern Plan eingezeichnet; erweisbare Spuren davon gibt es 
natürlich nichl. Auch er vermochte nicht das Ungestüm der Römer 
zu hemmen, und drei Lager fielen als leichte Beute in ihre Hände. 
Teutomatus, der König der Nitiobriger, vom Mittagsschlafe aufge- 



47) S. oben bei der Bestimmung des groszen Lagers. Das collibus 
circumvehi, latius vagari und longo circttUu easdem peiere regiones (VU 45) 
konnte auch nur um das Plateau von Jussac stattfinden, dessen VeiästeluDg 
vielfache Flanken und Hügelecken bot. Die Gallier musten wol in ganzen 
Haufen an diesem Bergstock herumrennen^ alles zur Veriheidigung gegea 
einen blinden Lärm, wurden aber gerade dadurch von der Stadt entfernt, 
die sich wegen der Tiefe der zwischenliegenden SchluchtTiur auf Umwegen 
erreichen liesz. Das schwärmen der römischen Reiter und Troszknechle 
läszt sich um so weniger auf der östlichen Seite denken, weil hieher der 
' deutlich unterschiedene Marsch der Haeduer gerichtet ward {ab dexiera 
parte alio aacensu eodem tempore Haeduos ndtlU), 48) Er hat es z. B. 
bei Alesia durch Besorgung seines Mundvorrats bewiesen (VII 74). Halte 
Vercingetorix einen Tag länger ausgehalten , so war es statt seiner um 
'*ar geschehen. 



Mi A. Fischer: Oergovia. Zu Caesar B. 6. VII 35-^-51. It5 

schreckt, entrisz sich mit M^e halbnackt und auf verwundetem Pferde 
den Siegern. 

Jetzt glaubt Caesar seine Absicht erreicht zu haben, läszt zum 
Rückzug blasen, und die Feldzeichen derlOn Legion, mit der er sich 
unterhalten hatte , bleiben fest ; ich lese VII 47 : legionisque decimae^ 
quacum erat conHonaius^ Signa constiiere,^^) Hiernach scheint es dasz 
die lOe Legion gar nicht am Angriff Theil genommen hat, sondern 
unter Caesars unmittelbarer Anfuhrung in Reserve geblieben ist. Denn 
das Signal zum Rückzug ward von den andern nicht gehört, quod 
salis magna väUis intercedebat (Wll 47). Dies ist die Thalklinge, die sich 
über den Südabhang hinunterzieht und denselben so zu sagen in zwei 
Hälften schneidet. Caesar stand diesseits derselben gegen die Höhe 
von Jussac hin, und da er später noch vo r schreitet , so halle er bis- 
her nicht gestürmt , sondern nur Positionen zur allseitigen Ueberschau 
-und Leitung der Action gesucht. 

Die ergreifenden Scenen bei Berennung der Stadtmauern lassen 
wir in Caesars Berichte selbst nachlesen, da wir blosz das topographi- 
sche behandeln. Auf dem Gürtelbande an der Südseite läszt sich gut 
eine Aufstellung, dichter Pelotons denken , aus deren Mitte es einzelnen 
gelingt durch wechselseitige Hilfe die Mauern zu erklimmen oder die 
Thore einzuschlagen. ^) Nun kommt aber der Wendepunkt Geschrei 
und häufige Botschaft dringt zu den entfernten , mit Schanzarbeit be- 
schäftigten Galliern. Sie eüen herbei , und ihrer todesmutigen Ver- 
zweiflung wie ihrer wachsenden Zahl glückt es, die mit äuszerster An- 
strengung kämpfenden , aber schon durch des Tages Mühen erschöpf- 
ten Römer zurückzuwerfen. Die vorausgeschickte Reiterei debou- 
chierte von der schmalen Wasserscheide , die Jussac mit Gergovia 
verbindet, auf die flachen Abhänge, die sich längs der südwestlichen 
Schlucht hinziehen, und isolierte dadurch die auf der obern Platte be- 
findlichen Pelotons. Das Fuszvolk stürzte von Westen in die Stadt 
und auf die Mauern. Dort fiel L. Fabius , der erste der in Hoffnung 
auf avaricensisehe Siegespreise die Mauern erstiegen hatte; dort 
opferte sich M. Petronius mit einem an Winkelried erinnernden Hel- 
denmate für die Rettung seiner Kampfbrüder. 

Durch diese Katastrophe so wie durch den panischen Schrecken 
bei Erscheinung der Haeduer auf der rechten Flanke war die Flucht 
der Römer entschieden (VII 50). Der Marsch der Haeduer ist leicht 
auf dem Terrain zu bestimmen. Caesar hatte sie zu gleicher Zeit, als 
er auf der Roche Blanche das Zeichen zum Angriff gab, zu seiner 
rechten mit Erwählung einer andern Steige abgehen lassen. Er hatt^ 



49) Die Aenderuog der Interpunclion in quacum ^rat, contionatus signa 
constituit hat etwas sehr gezwungenes. Meine Lesait ist aus dem cod. 
Par. 5764 nach Achaintre und Lemaire; vgl. c. 49 und 51. 50) Dieser 

Beschreibung entspricht an vielen Punkten die geringe Erhebung der Kanten, 
die auch das herabgleiten der Weiber (per manus demissae) faszlich macht. 
Die Stadtmauern selbst waren niedrig. 



IM M* A. Fischer : Gevfpovia. Zu Caesitr B. a VH 35*^dr. 

c« geihwi ffumtir ditUnendae eansuj um den Galliern nock eine IHver^ 
sion zu geben ; sie giengen also gewis recht weit ab von den Rdmem, 
und diese dachten wol nicht mehr an ihre Bandesgenossen. Die Hae- 
duer hatten also den fieüehl gehabt auf der Ostseite anzugreifen; sie 
moehten dort lange umhergezogen sein und, weil sie keine passeode 
Gelegenheit zum Kampfe fanden oder auch keine finden woHten , einen 
Weg zur Wiedervereinigung mit den Römern gesucht haben. So 
bogen sie denn plötzlich um die Südostecke und erschienen auf dem 
vorspringenden Plateau dicht unter dem Gürteibande. Wenn man anr 
nimmt dasz die Positionen der Römer auf die Südseite des Gergovia 
beschränkt waren ^0, so kann man sich den Eindruck vorstellen, den 
das unvermutete hervortreten eines so beträchtlichen Heerkörpers gal- 
lischer Bewaffnung hier machte. Es hatte ganz das Ansehen , als sei 
ein Ausfall aus der Stadt geschehen und als solle die römische Macht 
in der unbeschützten Flanke (ab latere nostris aperio) gepackt werden. 
Auf der raschen Flucht nun mögen die Römer viele Verluste in den 
«teilen Felshängen um Merdogne erlitten haben. 

Ueberhaupt war das Terrain den Römern höchst ungünstig. Was 
that nun Caesar um ihren Rückzug zu decken? Er läszt Cohorten der 
ISn Legion, die im kleinen Lager geblieben war', unter T. Sextins aus- 
rücken und gegen den rechten Flügel der Feinde am Fusze des Berges 
Stand fassen. Dies war also am Eingange der Schlucht, die sich am 
Südwesthang des Gergovia nach dem oft«rwähnten Joche hinaufisiehL 
Caesar selbst war etwas vorgeschritten und bHeb mit seiner Legion 
auf einem ebnern Terrain stehen, von wo er das ganze Schlachtfeld 
überschaute und den verfolgenden Feind hemmte. Diese Stellung finr 
det sich noch in den sanft abgedachten Kornfeldern westlich von 
Merdogne. Eine Convexität des Abhanges, die auf dem Grundplane 
hervorgehoben ist, gibt den Platz des Oberfeldherrn. Von hier reicht 
der Blick, was wir aus Autopsie versichern, bis zur Ostspitze des Pla.- 
teaus. Die Cohorten der ]3n Legion waren indes, unter Wahrung des 
Anschlusses an die lOe Legion, noch weiter hinaufgerückt und setzten 
eo der Flut der Feinde , die von dem obern Bergjoche her schwoll, 
einen Damm. ^*) Ihre Flanke war hiebei durch die ticifie Schlucht auf 
der linken geschützt, und ein Seltenangnff von dem steil abfallenden 



51) Diese Annahme ist uncrlaszlich. Wenn man, wie Vial auf seinem 
ßeblachtplane gethan hat, den Flügel der römischen Legionen auf die Ost^ 
f^iie ausdehnt, so läszt sich die Ueberraschoog beim erscheinen der Haedner 
l^ar nldit erklären, abgeseho davon dasz dort gar keine Position für die 
Römer war. Die Südseite hatte reichlich Raum für die Fronte von drei 
Legionen , wie aus den nach Vegetius häufig geschehenen Berechnungen her- 
vorgeht, vgl. Göier: die Kämpfe bei Dyrrhachium und Pharsalus (Karlsnihe 
1854) S. 104. 52) Hier ist Vial nochmals zu berichtigen, der gegen 

Caesars ausdrückliche Worte (ab dextro latere hostium, c. 49) rechts mit 
links verwechselt hat. Auch hatte er die lOe Legion anfangs zu weit vor- 
rüdien lassen und muste sie darum zur Einnahme der Schutzstellung zurück- 
i&khen, statt dasz Caesar mit ihr noeh vorschreitet (ebd. : ipse patdwn ex eo 
loco cum legione progressus, ubi consÜteFat , eventwn pugnae easpectabat)* 



fi, A. Fischer: Gergovto. Zu Caesar B. G. Vffl d5^6|. 107 

Plateau von Jussacaieht zu t)efte€h(en. So ward es iem $amUiqlien 
Legionen möglich, sich unter ihrem Lager zu sammeln und den Feia- 
den eine völlig hergestellte Schlachtordnung zu weisen. 

So w^eit die Schlachtscenen am Gergo via , die der Ausdauer und 
Beharrlichkeit der römischen Legionen so wie der tapfern Gegen wehf 
der Gallier zum unvergänglichen. Denkmal dienen, ^) Die genaup 
Uebcreinstimmung der Oertlichkeit mit Caesars Bericht wird jedoch 
den Beweis, von der Identität des jetzigen Gergoyia und der allen 
Bergfeste der Arverner vollendet haben. 

IV, 

Caesar hatte eingesehen dasz ein längerer Aufenthalt um Gergp- 
via unmöglich sei; er hatte sich also mit dem Gedanken des Abzugs 
vertraut gemacht. Dennoch steht ein Caesar von keinem Unternehmen 
ab , ohne alles was Genie, und Berechnung eingeben erschöpft zu ha- 
ben. War es ihm um eine blosze Demonstration zu thun oder trug «er 
sich mit der Hoffnung die Stadt durch Ueberrumpelung zu gewinnen, 
und setzte er darum noch den Reichthum seiner Feidherrngaben an 
einen letzten Versuch, ehe der Aufbruch eine Nothwendigkeit. ward? 
Man vergegenwärtige sich nochmals die Klugheit, die Umsicht, die 
Feinheil, die Genialität seiner Disposhiojien : ein Scheinangriff* mit 
groszer Ostentation gegen einen entfernten Punkt, dessen strategische 
Wichtigkeit beiden The ilen gleich be wüst war; eine zweite den Hae- 
duern aufgetragene Diversion ; sein Vertrauen in den erprobten Eifer, 
in die Schnelligkeit seiner Soldaten , die trotz aller Belastung in einem 
Nu die Berghänge hinauf stürmten , die steileren Absätze erklommen, 
und denen die. 1200 Schritte bis zu den Zinnen der ^tadt keine Ent- 
fernung schienen. Ein kleines schrecken oder necken der Feinde war 
ein zu unbedeutender Preis für die groszarligen Anstalten. Waren die 
Römer, auch nur in einzelnen Pelotons, in die Stadt eingedrnngen, 
ehe die feindliche Hauptmacht zurückkehrte , so war ein viel grösze- 
rer, ein den ganzen Krieg umgestaltender Zweck erreicht. Die Ein- 
wohner entflohen bereits nach allen Seilen: mit ein paar Minuten 
Vorsprung waren die Römer Herren der Stadt und niqht mehr hinaus- 
zuschlagen. Und dieser Streich konnte gelingen : Caesar hatte wol 
daran gedacht. 

Dennoch hat Caesar, als seine Soldaten die Stadtmauer schon 
berannten , zum Rückzug blasen lassen (VII 47 : receptui cani iussit)^ 
und gesetzt auch dasz er uns seine wahre Absicht verhüllte, so konnte 



53) Die nationale That ist durch Romane und Epopoeen verherlicht 
worden. Eine der neusten Erscheinungen dieser Art ist: L'Arvernade, oii 
la defense de Gergovia> poeme heroique de RouchiÄr, ancieü avöcat pre» la 
cour imperiale de Paris, 1853: eine Prosa in Chaieaubriands Manier., mit 
Wald- und Nachtstücken, Erkenuungsscenen, Heroinen, verkleideten Genien, 
Armeekatalogen, Racheschwüren, Iphigeniens - Opfern und bunt aus allen 
Zeitaltern und Völkern zusammengewürfelten Namen. 

13** 



liJ8 M. A. Fischer: Cergovia. Äu Caesar B. G. Vlfl 36— 5t- 

er doch ein solches Factam nicht trftgti^^ erfinden.* Mit dem Rückzugs- 
signal hat es allerdings seine Richtigkeit, aber wie Ist es m erklaren ? | 
Nach Caesars Berechnung kam alles daranf an, dasz die Sl^dl ohne^= 
SchwcTlslreich besetzt werde; dahin giengen die gründlichen Inslruc-r~" 
Honen, die er vorher seinen Legaten ertheilt halle: accaskms esse rmi 
non proeHL Gelang nichts vor der Rückkehr der Feinde , so durfte^ 
•man sich nicht der Gefahr einer Schlappe auf diesem ungünstigen letf 
Tain aussetzen. Auf dieser Spitze standen Caesars Operationen. Grand 
genug für ihn, sich mit seiner lOn Legion an einem wolgewählteiP^^ 
Platze auf der Lauer zu halten. Er gab also das Zeichen zum Rückf^ 
zuge, sobald er die ersten feindlichen Reiter über den bekannten Ver 
bindungsrücken auf die Seitenhänge debouchieren sah. Waren nui 
seine Soldaten schon in der Stadt, so konnte er noch dem feindVichej 
Seitenangriff begegnen. Dies stand in der Beürtheilung der ol)el 
commandierenden Legaten, die dem Oberfeldherrn durch ein anderej 
verabredetes Zeichen halten antworten müssen. Durch irgend eü 
Misverständnis sind demnach seine Befehle falsch ausgeführt worden 
Caesar aber, der seinen Ruf so gut wie die Empfindungen seiner : 
daten und Unterbefehlshaber zu schonen hatte, mochte es vorzieh^ 
uns die DarsteUung zu geben, die wir jetzt in seinen CommentariJ 

lesfin. I 

Diese Ansicht hatte sich uns bereits aus der Vergleichung d{ 
Orts und der erzähüen Umstände festgestellt, als wir in der Sehr 
des Hm. Merimee gleichfalls den Gedanken, es könne Caesar 
wirkliche Erstürmung der Stadt im Sinne getragen haben, **) 
deutet , aber nicht weiter entwickelt fanden. Wir glauben durch un^ 
Ausfuhrung die Sache ins Licht gesetzt und damit ein interessanf^^ 
historisches Factum erbeutet zu haben. 





54) S. 326: «Gesar pr^tend que son but se bornait a la surprise 
camp. Ce premier succes obtenu, il fit, dit-il, sonner la retrai(e, r 
peui-etre veut-il excuser le mauyats succes de ses armes dans cetie joui 
et la tönieritä de son entreprise qui n'allait ä rien moins qu'& pren^e ' 
govie d'assatti.' 

Clermont-Ferrand. Moodmilian Achilles Fischer. ^M 




Der beigefügte Grnndplan ist nach dem officiellen , nicht im B^/^'ü)^^^^ 
handel ticfindlichen Atlas des Poy-de-Dome-Departements gezeichnet | # 
an Ort und Stelle durchgesehen worden. 



4. 

Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. 



Da das Olympiadenjahr um die Sonnenwende beg^ann , also aus 
(ungleichen) Hälften verschiedener, im Winter oder im Frühling an- 
hebender Jahre bestand , so blieb es sich in der Sache gleich, ob man 
sich gewöhnte das griechische Jahr nach seiner ersten Hälfte dem 
höheren oder nach seiner zweiten Hälfte dem niederen gleichzusetzen ; 
wüns<^endwerth war nur , dasz man der einen oder der andern Weise 
treu blieb. Der Grieche, welcher sein Jahr Hälfte für Hälfte wieder- 
gab in römischen Jahreshälften, gelangte dazu das Olympiadenjahr 
dem höheren römischen gleichzusetzen, so wie wir , wo Genauigkeit 
nicht erforderlich oder unepreichbar ist, das höhere Jahr der christ- 
lichen Aera mit dem griechischen identificieren. Ist also z. B, OK 7, 
2 = 1/2 ab urbe eondita = 751/0 vor Chr. , so gilt Ol. 7 , 2 für das 
erste Jahr der Stadt und für das 731e v. Chr. ; dasz Ol. 7 , 2 erst im 
2n Jahre Roms und im 760n v. Chr. schlieszl, bleibt dabei unbeachtet 
oder wird als selbstverständlich angenommen. Ebenso Ol. 62, 1 = 
220 auf 221 ab urbe == 532 auf 531 v. Chr. wird nach griechischem 
Standpunkt als das Jahr 220 d. St., nach unserem als 532 v. Chr. 
grelten.; und Ol. 98, 2 beginnend 365, endend 366 ab urbe, wird als 
365 gerechnet, wie auch wir Ol. 98, 2 dem J. v. Chr. 387 gleich- 
setzen, dem höheren in welchem* OL 98, 2 beginnt, nicht aber dem 
J. 386, dem niederen in welchem Ol. 98, 2 schlieszt. Wer aber als 
Römer von Jahren der Stadt ausgieng , kam zu Ansätzen welche um 
1 von den erwähnten griechischen zu differieren schienen, in Wahr- 
heit aber , nur von einem anderen Standpunkte , dasselbe sagten. Be- 
Irachten wir in diesem Sinne die drei obigen Beispiele, so ergibt sich 
folgendes. Das J. 1 der Stadt begann Ol. 7, 1 und endete Ol. 7, 2, 
•rar also dem römisch rechnenden = Ol. 7 , 1 ; ebenso 220 ab urbe, 
mfangend Ol. 61, 4 und schlieszend 62, 1, ward ='61, 4; endlich 
(66 ab urbe, anfangend 98, 1, schlieszend 98, 2, ward = 98, 1. 

Polybios rechnet als Grieche und drückt das J. 1 ab urbe aus durch 
)1. 7, 2.*) Dionysios, der von Jahren der Stadt ausgeht und wie 



1) Niebufar bemerkt R. G. I S. 282, Polybios vergleiche die Olympiar 
en mit römischen Jahren überhaupt in der Art , dasz das griechische Jahr 
em schon begonnenen der Stadt glekh gerechnet werde. 

14* 



202 A. Mommsen: Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. 

ein Römer rechnet*), setzt das J. 1 der Stadt auf Ol. 7, 1. Cicero, der 
sich gern dem Polybios anschLosz (de re p. II 14 von Numas Regie- 
rung : sequamur enim potissimum Polybium nosirum , quo nemo ftni in 
exquurendis iemporibus düigentior; ebd. II 10 nam si, id quod Graeco- 
rum mvesHgatur annalüms, Roma condiia est secundo anno Oh/mpiadis 
sepHmae etc. — d. h. in dem polybianischen Jahre) , rechnet wie die 
Griechen, wenn nach seinen Angaben ebd. II 15 das Anfangsjahr des 
Tarquinius Superbus auf Ol. 62, 1 kommt Er widerlögt dort den Ir- 
thum über das Zeitverhäitnis des Pythagoras und Numa und nimmt 
wol seine Daten aus griechischen Chronographien. OL 62 , 1 = ab 
urbe 220/1 ist 220, wenn man vom Olympiadenjahr ausgeht. Dio- 
nysios dagegen hat den römischen Standpunkt, wenn er nicht 62, 1 
sondern 61, 4 angibt, sofern im letzteren Jahr das betreifende römische 
(220) begann. Ebenso ist über den dritten Ansatz zu urtheilen , wel- 
cher die Einnahme der Stadt durch die Gallier betrifft. Polybios gibt 
Ol. 98, 2 an := 365/6, um 565 ab urbe auszudrücken, während Dio- 
nysios 365 ab urbe = Ol. 98, 1/2 mit 98, 1 bezeichnet. 

Den Griechen Dionysios sehen wir also in der Chronologie auf 
römischem Standpunkt. Vielleicht hat er , eben wegen dieser Abwei- 
chung von der Gewohnheit seiner Landsleute, es für nötlug gehalten 
eigens von der Ausgleichung römischer und griechischer Zeitrechnang 
zu handeln , I 74 p. 108 T. : on di eiaiv jot »avoveg vyistg olg !E^«iro^ 
C&hnjg üixqvitM nal nmg av xtg ajtiv^vot tovg *Pm^U^ XQovovg 
seqog tovg EKKrjviowvg iv hiqia isöiqXmxal fAOi Xoyto, In der alexan^ 
drinischen Zeitrechnung zeigt sich der römische Standpunkt in*ähn- 
licher Weise. Bei den Alexandrinern fiel das Nevyahr Ende August; 
das alexandrinische Jahr also entsprach wie das griechische den Hälf- 
ten zweier verschiedener römischer Jahre. Dasz aber die Alexandri- 
ner ihr Jahr mit demjenigen römischen paralletislerten , dessen Anfang 
in jenes fiel , zeigt das von Ideler Handbuch der Chron. I S. 142 ang^e- 
zogene Fragment des Kaisers HeracUus , aus welchem zu ergehen ist 
dasz sie dasjenige Jahr zum Schaltjahr machten , in dessen Mitte ein 
julianisches Schaltjahr begann. Sei also B ein juiianisches Schaltjahr, 



2) Er setzt das Consalat des Tl. Claudius Nero 11 und des Cn. Calpomios 
Piso xara r^v xqCxriv inl zaCg hsvfjTtovta oXvfinidffiv I 3 p. 9 Taachnitz. 
Er nennt nur die 193e Olympiade, womit das erste Jahr dd^elben gemeint 
ist, wie bei Diogenes Laertios fdr Platons Geburtsjahr Ol. 88 nach dem 
Apollodor gegeben and Ol. 88, 1 verstanden wird (s. bei Clinton zu Ol. 
87, 4). Jene Consuln sind die des Jahres 7 v. Chr. oder ab urbe 745 
nach Cato, dem Dionysios folgt. Nun aber ist Ol. 193 = v. Chr. 8/7 = 
ab urbe 746/7 nach Varro, oder 744/5 nach Cato. Indem also Dionysios 
745 Jahre bis aaf. jenes Consulat zählt, setzt er dem griechischen Jahre 
das niedere römische gleich. Unter der Voraussetzung nun, dasz Dtony* 
sios diese einmal angewandte Regel der Gleichstellung allemal anwandte, 
folgt alleidings * dasz er das rom. Jahr immer mit. d^m olympischen zusam- 
menstellte, in welchem jenes begann' (Fischer und Soetbeer griech. Zeitt. S. 
7). Zun&chst indessen ist es ein einzelner Fall , ein Beispiel welches durch 
mehrere Beispiele bestätigt werden mnsz and freilich auch bestätigt wird 



.A. Mommseh: Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. 203 

a und X + 1 öle dasselbe wiedergebenden Jahre der Alexandriner» 
so war B =» x/x + 1 > ("an idenüficierte B und x , so dasz dies 
letztere, 'das vor dem römischen Schalljahr' hergehende') alexan- 
drinische Jahr zum Schaltjahr wurde ^). 

Es lassen sieh die verschiedenen Gesichtspunkte der Gleichstel- 
lung in folgender Weise merken. Ist das römische Jahr r , das vor- 
hergehende r — I9 fi aber das griechische und (J^+ 1 das folgende, 
so ist in Wahrheit r £= (i/fn + 1 und ft = r — l/r; dem Römer gilt 
r = fft, dem Griechen s=: fi + 1; wozu man für den Fall dasz es sich 
um ein vorliegendes griechisches Jahr handelt der Vollständigkeit 
wegen hinzufügen kann, dasz auch umgekehrt dem Römer (i^=r, 
dem Griechen === r •^— X sei. 

Nach diesen Bemerkungen über die Gleichsetzung des griechi- 
^hen und römischen Jahres überhaupt wird die besondere Frage zu 
untersuchen sein , welchem römischen oder christlichen Jahre wir das 
griechische Jahr der Einnahme Trojas gleichzusetzen haben. Denn 
die Ansichten der neueren Forscher differieren hier um 1; Ideier 
nunmt das höhere, Fischer in den Zeiltafeln das niedere Jahr an , so 
dasz die in unsere Zeitrechnung übertragene Aera des Eratosthenes 
damit um 1 Jahr entweder länger oder kürzer wird. Eralosthenes *) 
rechnet von Trojas Einnahme bis zur Rückkehr der Herakliden 80 
Jahre weiter bis zur ColonisaUon von lonien 60, dann bis zurEpitro- 
pie Lykurgs 159, endlich bis zum Jahr vor den ersten olympischen 
Spielen 106 9 also im ganzen für die Zeit zwischen Trojas Fall und der 
ersten Olympiade 407 Jahre. Die letzte Ansetzung des Eratosthenes 
4autet: hcl 6h n(f<n]yav(isvov itog rmv Ttqmtiy» okviiittav srti incetov 
oxTc», welche Worte von Ideler u- a. so gedeutet werden, ^dasz jenes 
pg^foijyoviuvou ixog in den 407 Jahren nicht mitbegriffen, also bis auf 
Ol. 1, 1 in Wahrheit 408 Jahre verlaufen, mithin Trojas Fall ein Jahr 
höher, nemlich 1184 v. Chr. anzusetzen sei. Dasz aber das TtqofiyoV' 
(levov irog mitgezählt ist in den 407 Jahren, hat Fischer dargethan. 
Er weist nach dasz Eratosthenes den terminus ad quem auch in den 
anderen Perioden mitzähle; dasz, wenn die Gegner seiner Ansicht 
Recht hatten , das nqorjyvv^vov hog überall in der Gesamlrechnung 
des Eratosthenes fehlen würde ; dasz von Lykurgs und Iphitos erster 
Einsetzung der Olympien bis auf den Sieg des K(ffoebos auch sonst 



3) Dasz das alexandrinische Schaltjahr dem römischen nur seiner einen 
Hälfte nach vorhergieng, hindert nicht die Sache so aufzufassen, weil ja 
ein hälftenweises zusammenfallen des rom. und alexandr. Jahres überall und 
iaimer stattfand und hier nur das höhere Jahr von dem niedern sollte ge- 
schieden werden. 4) Man kann auch heranziehen dasz als erstes Jahr 
eines römischen Kaisers dasjenige aegyptische gerechnet wird, in dessen 
Verlauf der Regierungsantritt erfolgt, selbst wenn dieser nur wenige Tage 
vor dem aegyptischen Neujahr (Ende August) fällt; s. Ideler I S. 146. Das 
ist eine Setzung römischer Knechte. 5) Die wichtige Stelle aus Clemens 
Alex. Strom. I p. 336 B ed. Colon, griechisch bei Fischer Zeittafeln S. 4, 
übersetzt bei Ideler I 6. 373. 



S04 A. Mommsen: Beiträge zur grieebischai ZtÜMwiammg. 

27 Olympiaden gezählt wurden, also 108 niehi 109 Jabre. ^ Und ge- 
wis wurde . die Nennung der ersten Olympiade selbst vennieden^, da- 
mit nicht etwa diese mitgezahlt werde, das Jahr vor Ol. 1, 1 aket 
eben der mitzuzählende terminus ad quem sei. Dennoch aber irrt 
Fischer in seinem Resultate und hatten die von ihm bekao^ften For- 
scher Recht, wenn sie Trojas Fall höher axisetzten; nur musten lets- 
tcre ihre Ansetzung anders begründen , was zu zeigen ist. 

Dionysios I 63 sagt:''I^tov iJthv ycLff ^iUo vekewmpvog i^&gi xov Oi* 
(fOVSy bttaKcUdsita TtQoreQOv rniigcctg tilg ^eQiv^gtiftm^, oydon q)&i- 
vovxog (iTivog ^agyriXimvog ^ ag A&fjvauii xovg '%if6vovg ayov6h 
TCeQirral da ^<Tav a[ xov ivwvxov ixsivov ixjtkriQOViSai, fiera xiiv t^ 
nipf etnotSi fi^ti^ai. Iv dri xaig htxa xal T^Mxxovta xtdg ajso vqg 
aXoidsmg ÖMyevofiivaig xa xe neql xr^v nohv c^Ofur» Stoixi^ifaö^iu 
zoig ^Axamfg xai • . .* xm 6^ i^tjg huj tt^cotco 61 ^uta ri^v altaatp 
mQl T^v (levonoüQiviiv lai^fisglav ägccvxBg ol Tgasg i» x^g yt^g vB^OBr- 
ovvxai xov^Ellrionovxovy und so rechnet er auch das zweite Jahr nach 
atiischem Kalender vor. £s fand ihm also Trojas Fall 37 Tage vor dem 
Schlusz eines attischen Schaltjahrs statt; auf ein Schaltjahr fähren die 
Angaben bei dem um die Zeit der Sonnenwende fallenden griechischen 
Neujahr. War der 8e Thargelion vom Ende der I7e Tag vor der 
Wende, so zählte das von dem Schriftsteller gemeinte Jahr etwa drei 
Wochen mehr als unser tropisches , war also ein dreizehnmonatliehes 
lunarisches Schaltjahr. Die erwähnten 37 Tage nun werden nach 
Dionysios mit Nebendingen verbracht , indem das Jahr der Einnahme 
Trojas selbst nicht mit zur Aera gehört. Erst das folgende Jahr ist 
J. 1 nach Troja, nqmog luxcc r^v akoHSiv. Dieses aber musz das 407e 
von dem TtQOfiyoviievov Srog xmv agaroav okv^iUtav als dem ersten 
aufwärts gezählt sein , wenn anders doch Dionysios gewis hier dem 
Eratosthenes folgte. Man hat da folgende Vergleichung: 



vor Ol. 1, 1 



407 



406 



vor Rom 



433 



Das 407e vorolympiadisehe Jahr ist 1184/% v. Chr. s=. 438/2 vor Rom. 
Nach römischer Gleichstellungsweise nun, welcher Dionysios folgt, ist 
432 vor Rom = vorolympiadisch 407/6, d. h. 407; so wird das 407e 
vor Ol. 1,1== 1183 V. Chr. J. 1 nach Troja also, regelrecht = 432 
vor Rom , gibt auch 432 post Troiam captam identisch mit dem Jahre 
vor Gründungjder^ Sladt. Da nun letztere nolhwendig in. einem zeit- 
losen Momente, als bloszer Anfangspunkt der römischen Aera, nicht 
aber als Factum hier gedacht wurdet), so war mit dem Schlusz dieses 



r*^ 6) Diese Auffassung ist im Einklang mit der bei Dionysios erwfibnteD 
Weglassung des troischen Eroberungsjahres selbst in der Aera. Die Ein- 
nahme Trojas galt hier eben auch nur als zeitloser PufilU des Anfangs einer 



A. MoRfthseh : BifHi^ tur^^tieddBth^n Zieitreefahunlr. 4!05 

4a&n Jahres *örti. 2ählüngpbereies'die8erAnfang«punlrt erficht. Und 
so het«zt efs denn hWdti bei Dionysfos I 74, Gato bestimmre die helle- 
nrsehe Zelt Aicht fftr die Grftndun^ Roms , er setze dieselbe Ar6(r» iißül 
Tucl tQtaKOvvde ymX tsvqetHiHSlo^ vcxsqwcav tmv 'lAmx(3i/. Wenn Dio« 
nysios nun^ der demselben Ansalze folgt, an anderen Stellen. (s. bei 
Fischer) nieht Roms Gründung 432 Jahr nach Troja ansetzt, sondern 
im 432n, so kann man sagen, es gehöre von der Gründung als zeit^ 
loser Grenze in der Z&hlung ab ürbe condita dem 482n wie dem 433n 
Jahre gleich viel tind gleich wenig an.*) 

Wer hingegen, wie die neueren, für das griechische Anfangs* 
jähr der troischen Aera das höhere der christlichen Zeitrechnung setzt; 
witd erst mit dem 433n Jahre bis an die urbs condita gelangen , oder 
vrenn er die überlieferte Zahl 432 festhält, auch Rom ein Jahr höher 
ansetzen. Ja wenn er auszerdem noch das Jahr der troischen Ein- 
nahme selber schon als das ertte eratosthenische nimmt, wird er zwei 
Jahre höher hinaufkommen mit jedem olympiadischen Jahre, also z. H. 
mit OK 1, 1 nach 778 v. Chr., mit dem Gründungsjahr der Stadt nach 
753 V. Chr. Es ist auch' wirklich so gerechnet worden; Aufklä- 
rung weshalb man so rechnete ist nicht leicht zu geben. Wenn Eu- 
sebios und andere spätere die Olympiadenjahre immer um 2 Jahr^ft 
hoher ansetzen, so haben sie, glaubt Ideler II S. 4i57^ nach dem Vor- 
gang des Julius Africanus irgend eine Olympiade um ein Jahr verkürzt 
und so die Epoche der Olympiadenaera um ein Jahr, oder mit Bezug 
auf den Jahresanfang der Syrer um fast zwei Jahre weiter als Eratos- 
thenes zurückgeschoben. Basz bei verschiedener Gleichsetzung zweier 
Chronologien, in denen das Neujahr nicht congruiert, die Differenz 
eines Jahres entstehen kann und Ideler also über das eine Jahr richtig 
geurlhetU habe, scheint unleugbar, wenn auch nun noch zu frageh 
gestattet ist, ob die gleichsetzenden sich syrischer Jahre bedient ha- 
ben. Wie aber ist es mit dem zwdten Jahr, mit der Verkürzung 
irgend einer Olympiade um I? Sollte da nicht anzunehmen sein, 
jene christlichen Chronologen hätten das Jahr von Troia capla sel- 
ber schon als das erste der Aera post Troiam gerechnet, während 
nach des Dionysios (d. h. doch gewis des Eratostiienes) Auffassung 
dasselbe eher l ante Troiam captam heiszen konnte, in Wahrheit aber 
gleichsam aus der Zeit und Geschichtsaera ausgewiesen war ? Man 
wird auch die Analogie von J. 1 post Christum heranziehen können 
für die kirchlichen Scribenten. Es hat also Eratosthenes seine troische 
Aera angefangen in dem v. Chr. 1184 beginnenden und 1183 schlieszen- 
den griechischen Jahre und den Fall Trojas in das Jahr vorher ge- 



geordneteii Chronographie. Zugleich hatte dies das bequeme, dasz man bei 
Rednctionen nicht zu addieren brauchte , wie wir z. B. die römischen Jahre 
nicht von 753 sondern von 753 + 1 subtrahieren müssen um das christliehe 
Jahr zu linden. Emtostheaes ersparte dies und tbeoretisoher war es auch. 
Die Chronologie kennt nur ante und post, mit dem breiten Factum selber 
kauDsie nichts machen. 7) Das hat vielleicht auch eine sprachliche Seitfr. 
Ute AHen brauchen Ihre Ordinalien ofk da , wo uns die Cardlnalzahlea weit 



306 J^MoouMearBeiMeeBiirgrieduadinZaitvecl^^ 

setzt, in 1186/4. Es steht diese Aasetzwig la einem Beso^ zu 4er 
Epoche des AstroDomen KalMppoSy der den 19 jährigen Gyelos Me- 
tons verbesserte, und hierauf mössen ym jetzt unsere AuCmerksem- 
keit wenden. 

Zuerst aber musz die Meinung (s. bei Fischer griech. Zeitt. S. 7) 
zurückgewiesen werden, als habe Dionysios 1 69 seine Angabe, Troja 
sei in einem Schaltjahr erobert worden, selber auf eigne Gefahr be« 
rechnend einen Fehler gemacht; diese unwillkommene Annahme 
zeigt nur die Verlegenheit des Erklarers, Es wird dem Dionysios 
zugemutet, er habe von der altmetonischen Epoche OL 87, 1 = v. 
Chr. 43^1, dem Jahr des Apseudes, ausgehend r&ckwärts gezählt*) 
und so das 8e Jahr des 34n Cydos v. Chr. ll8fi/4 als Schaltjahr ge- 
funden, während doch, meint Fischer, die übrigen Angaben 1184/^ 
ergeben, so dasz Dionysios sich selber widerspricht Letzteres ist 
vorhin beseitigt; aber auch erstere Zumutung beruht auf unhaltbaren 
Voraussetzungen. Wiewol nemlich Eratosthenes und Dionysios den 
Fall Trojas auf 1185/4 und den Anfang d^ Aera auf 118^, mithin 
für die Römer auf das spätere Jahr (1183) setzten, sich folglich kei- 
neswegs mit der Angabe eines Schaltjahres widersprächen, wenn das 
gemeinte 8e altmetonische (1185/4) wirklich ein dreizehnmonatliches 
war: so wird es sich zeigen, dasz diese Ansicht doch einerseits einen 
Fehler, anderseits eine Unwahrscheinlichkeit zur Praemisse haC Der 
Fehler ist, dasz das 8e altmetonische Jahr dreizehnmonatlich gewe- 
sen bei Meton; Dodwells und Idelers Construction des meton'ischen 
Cyclus gibt allerdings das 8e Jahr als Schaltjahr, allein es wird sich 
erweisen lassen dasz diese Construction nicht die metonische war, 
indem sie mit den urkundlich bekannten Gemeinjahren und Schaltjah- 
ren nicht übereinstimmt« Die andere Praemisse ist eine Unwahr- 
scheinlichkeit, nemlich folgende« Wenn in einer so aufgeklarten Zeit, 
wie die war welcher Kallippos angehörte, der Zeit des Aristoteles und 
Alezander, ein Astronom den Cyclus des Meton verbesserte, den mit 
Recht berühmtesten des Aiterthums , so nahmen sowol die.gleichzei- 
tigen als auch die nachlebenden Koryphaeen der Wissenschaft , Män- 
ner wie Eratosthenes — um dessen Aera handelt es sich doch hier — 
ohne allen Zweifel Kenntnis von solcher Verbesserung und verharrten 
nicht mutwillig in Irlhümern. Von den Epigonen ist dies fast noch 
weniger denkbar, namentlich von einem wissenschaftlichen Kenner 
4er Chronologie, wie Dionysios von Haükarnass war, der gerade so 
gut wie Ptolemaeos die Periode des Kallippos brauchen muste. Ge- 
wis aber ist Eratosthenes (gestorben v. Chr. 196 oder 194) damit vor- 
angegangen die von Kallippos gemachte Verbesserung anzuwenden, 
so dasz Dionysios nicht erst nöthig hatte das Schaltjahr^) für Trojas 



näher zu liegen scheinen. . 8) So lehite Boeckh im Corpns Inscr. Gr. und 
auch jetzt noch vertritt er diese Meinung, s. zur Gesch. der Mondcyden d. 
Hell. S. 30. Der Gedanke ist Tortrefilidi; ob aber zur Ausführung der all- 
metonisobe Cyclus das richtige Werkseug war, f^ sieh. 0) Was daa 



A» MonattBeA : B^lrftge zur gfrieehtsehen Z^treehniing. 907 

Itetergang selbst attsziireehneii^^). Jedenfalls wird mdit ^e Frage 
setiiy -wie des IHonysios Ansätze zum ailmetonisoiien Gyclos stehn, 
sond^n , zuvörderst wenigstens , wird mait jene Unwahrscheinlichkeit 
ablehnend erwägen müssen, wie die Datierungen des Dionysios sich 
verMIten zum neumetonischen d. h« dem von KaUippos verbesserten 
Cycltts. 

Wer sich nun die Mühe nimmt von dem Ol. 112 , 3 = v. Chr. 
aao/S9 anzusetzenden Epochenjahre des KaUippos (Ideier I S. 344) 
rückwärts zu rechnen, wird sieh bald belohnt finden. Ist er nemlich 
eilf ganze und eine Yiertelperiode d. h. 45 neumetonische Gyclen auf- 
wärts gegangen, so steht er auf dem Jahre von Trojas Fall 1185/4, 
hat also dieses gefunden als ein neumetoniscfaes Epochenjahr. Man 
reehnete auch nach KaUippos Verbesserung ohne Zweifel nach En- 
neakaidekaeteriden ; daran war man schon gewöhnt , und die Para- 
pegmen, wenn auch auf 76 lautend, mochten in 4 Columnen zerfal- 
len. Hat man das Geschäft der Rückwärtsberechnung von 330 voU- 
Zogen und sich eine TabeUe entworfen, in der sämtliche neumeto- 
nische Epochenjahre der geschichtlichen Zeit verzeichnet sind , so ist 
man im Stande jede Ansetzung irgend eines Autors in ihrem Verhält* 
nis zum Gyclus zu controlieren und zu bemerken ob auch sonst für 
epochemachende Ereigfnisse, die durch Rechnung bestimmt werden 
mochten, neumetonische Anfangsjahre gewählt sind. Da fallen denn 
für Roms Gründung zunächst die merkwürdigen Ansätze des Fabius 
und Gtncius auf. Fabius setzte naüh Dionysios die Gründung Ol. 8, 1 
== v.^hr. 748/7 und Cincius OL 12, 4 == v. Chr. 729/8, welche Data 
jene Historiker nach Niebuhrs Ansicht auf besonderem Wege ausmit- 
telten'O- Ueber den Ansatz des Fabius stelUe Friedrich Lachmann 



Datum betrifft, so müssen wir vielleicbt, den 25ii Juni d. h. den Sommer- 
wendetag zur Zeit des Dionysios zu Grande legend, diesen selbst rechnen 
lassen. Aber die Sache läszt sich auch anders nehmen (s. gegen Ende die- 
ser Abb.). 10) Niemand der weisz dasz KaUippos Periode die vierfache 
meionische ist mit einer geringen Correction, wird Anstosz daran nehmen 
dasz man auch nach KaUippos noch' immer vom [groszen] Jahre Metons 
^rach (Gic. ad Att. XII 3 : guando iste MeUmU annus vemeif vgl. bei Red- 
lich Meton S. 37 N. 42; es war sprichwörtlich). Eine Verbesserung und 
ein Epochentausch ändert das Wesen einer Moudperiode noch nicht , es war 
und blieb Metons Arbeit. Nur könnte man zweifeln ob das Sprichwort nicht 
statt 19 vielmehr 76 Jahre meine, wie solche Sprichwörter denn wol eine 
Hyperbel zu enthalten pflegen. Neunzehn Jahre genügen kaum , wenn man 
flieh des Ausdrucks sexcenü neben rnüle erinnert. Das terentianische dum 
parantur dum comuntur anrnts est gehört nicht hierher, weil dergleichen 
nothwendig relativ ist ; im Verhältnis zu dem Viertelstündchen , welches der 
ungednidige Mann seiner Dame zum^ putzen bewilligt , ist ein Jahr ganz 
von gleicher Hyperbolisierung wie- bei andern Dingen 76 oder 600. 11) R. 
G. I S. 281. 29d f.: Fabius habe von Ol. 98, 1, dem gallischen Erobe- 
mngsjahr, 360 Jahre zurückgerechnet; weit künstlicher der zeitreehnungs- 
kündige Ciueius. Die von den pontiüces bis Tarquinius Prisous angesetz- 
ten 132 Jahre habe dieser als romuHsche auf 110 zwölfmonatliche reduciert 
und die Differenz von dem polybianischen Gründungsjahr abgezogen (751/0 



906 A. Mominsea: BtiMge zur gnediifditfn: 

eine im Prindp äfanfiefae Meinimg auf.**) VIetteielit indes wird nfan«- 
eher sckon dabei aufinerksam werden dasz CineiVB dk Gründung ge- 
rade um eine volle Enneakaidekadteris später setzt alsTalnas Pictor. 
Bin Blick nnn in solche Tafeki^ wie sie oben verlangt wurden, wird 
ihm zeigen dasz beide Ansätze Roms Gründung auf nenmetonische 
Epochenjahre bringen, also in einer merkwürdigen Analogie mit dem 
Ansatz von Trojas Fall stehn. Es mag sein dasz Fabius und nament- 
lich der kundige Cincius diese Setzung des Grfindungsjahres jeder auf 
seine Weise , an die gallische Einnahme sie anlehnend oder wegen 
des zehnmonatlidien Jahres sie tiefer hinabrückend, berechneten ; die 
Uebereinsümmung der Data jedoch (1185/4 Trojas Fall ; 747 fabianisches 
Gründungsjahr der Stadt; 738 cincianisches Grftndungsjahr) als neu- 
metoniischer Epochenjahre scheint beabsichtigt zu 6ein. Man liesz 
Rom um eine bestimmte Anzahl neumetonischer Cyclen nach Troja 
gegründet sein (nach Fabius 23 Cyclen später, nach Cincius 24), und 
wenn solche Rechnungen wie Niebuhr sie vermutet je* angestellt 
word^ sind, so geschah es um der chronographischen Absichtlich- 
keit *ein historisches Kleid anzuziehn. So wie Eratosthenes das epo- 
chemachende Ereignis der troischen Eroberung auf eine chronolo^sche 
Epoche gebracht hatte, ebenso wünschte man das epochemachende 
Ereignis der römischen Gründung auf eine solche zu bringen. ^') 

Es läszt sich dieser Absichtlichkeit auch noch weiter auf die Spur 
kommen, wenn anders anzunehmen steht dasz Fabius und Cincius die 
Zeitfolge der ersten römischen Könige ähnlich der uns sonst überlie- 



— 22 = 729/8 = Ol. 12, 4); es scheine dasz Cincias die Stiftung Roms 
in Bezug auf eine andere Aera habe bestimmen wollen. (Dieser letztere 
Gedanke kommt der gleich vorzutragenden Ansicht als ein befreundeter 
entgegen.) 12) de fontibus bist. T. Livii (Gott. 1822) l § 16: die Au- 
setftUttg des Fabius sei uralt (antiqüissima), denn damaeh fieira die Sae- 
enlarspieie nicht wie in der eatonischen Aera auf die Jahre 305, 505 usw., 
sondern wirklich auf die hundertsten Jahre, weil das catonische Oründungs- 
jahr etwa 5 Jahre (quinque fere annis) von dem fabianischen differiere. — 
Die Differenz beträgt nur 4 (751 — 4 «s 747 c=3 Ol. 8, 1), die Spiele kommen 
also nach Fabius Rechnung auf die Jahre 301, 501, 601 und waren so dem 
vöHigea Abschiusz des verwichenen Saeoulum gleich gefolgt im ersten Jahr 
des neuen, und zwar ihrem Sinne ganz gemäsz nicht im Endjahre. Aber 
die ersten Saecularspiele gefeiert nach dem regifugium (Valerius Antias bei 
Censorinus 17) fügen sich nicht in diese Hypothese. 13) Censorinus 17: 
in qtä8 (ritualibus Etruscorum lihris) scriptum esse fertury iniäa sie pom 
saecularum, quo die urbes aique bivitaies constituerentur. Weiter folgt, der 
Schlnsz des ersten Saeculum werde durch den Tod des längsdebenden unter 
den am Gründungstage geborenen bezeichnet, der des 2n durch den Tod des 
ISngstiebenden unter den Zeitgenossen jenes ersten und so gehe es weiter; 
die Menschen aber wüstej» nicht wer unter den verstorbenen der letzte 
Zeitgenosse jenes geweseiT, und könnten daher nur durch himmlische Wun- 
derzeiohen gemahnt werden, es sei ein Saeculum geschlossen. Dies länlt 
doch wol darauf hinaus den Priestern die Entscheidung darüber in die 
Hände zu spielen. Aber die Anknüpfung chronologischer Epochen an wich- 
tige Ereignisse wird ein jeder sich leicht durch sichere Beispiele belegen 
können. ^ , ^ 



tol«D «ngeseUit. haben werdeA. Died7 JMire de« Romulu^ (Cic« da 
re p* U 10 a* A*>mit Elnsehlusz des jährigea ]n\wT»gnum,(annutmque 
mtertfoUum reffnifuU.Uv. 1 17> 6; Cicero erwähnt jaickt wie lange das 
Zwischenreich gedauert habe) brachten ebenso, wie die äSjahrige Re- 
giertt&g desselben Königs (nach Plutarch u. a.) den Antritt des Numa 
auf das Jahr 710 nach der Chronologie des Fabins und auf 691 nach 
der des Cincius; i710 und 691 aber sind neumetomsche Epochenjahre, 
weil Romulus zwei Cyden regiert* . Auch dem Ascanius gab man eine 
Regierungszeit von zwei Cyclen , denn er starb im 38n Jahre seijjer 
Herschaft ^^) nach J)iony6io8 I 70- Ja wer zu rathen iiebt, wird viel- 
leicht es^nicht ablehnen aus den undequadraginia anni des Poiybios 
(bei Cic. de re p. U 14) auf nur 38. volle Jahre zu. rathen ^^), so dasz 
zwar I^umas Tod in das d9e Jahr. falle, aber auch die Thronbestei- 
gung des Tttllus Hostilius , welche dann bei jenen ältesten Historikern 
ebenfalls auf ein neumetonisches Anfangsjahr gefallen wäre. 

Ferner stimmt zu dieser Ansetzung bicyclischer Regierungen die 
Ueberlieferung, dasz Romulus an den Noneni des Quiactilis , also im 
Anfang Juli der Erde, entrückt wurde. Um diese Zeit nemlich endei 
das allgriechische Mondjahr und hebt ein neues an. Sobald aber Ro- 
mulus genau zwei Cyclen regieren und am Ende des zweiten sein ir- 
disches Dasein enden sollte , muste die romulische Himmelfahrt in die 
Nähe der Sommerwende gebracht werden ; dasz sogar der Schlusztag 
selber gemeint sein konnte, zeigt die Sonnenfinsternis, weil die astro* 
nomiscbe Conjunction in jüngerer (d. h. seit Einführung der neumeto- 
nischen Chronologie durch Kallippos im J. 330), die sichtbare vovfir^vl« 
in allerer Zeit bei den Griechen End- und Anfangspunkte der Monate 
und Jahre determinierte. Die Nonen machen hier nichts, da etwa 
350 Jahre später eben dieselbe Sache sich findet (Cic. de re p. 1 16), 
so dasz nach der Ansicht römischer Autoren wenigstens der Kalender 
nicht mit den Phasen stitnmte. Ward aber Rojnulus dieser Setzung ge- 
mäsz am Ende eines griechischen Mondjahrs entrückt, so kann man 
daran erinnern, dasz Livius beiläufig bemerkt, es habe 291 ab urbe 
das Jahr den In August zum Anfange gehabt ^^), also etwa 50 Jahre 
n^h dem regifugium in sehr alter Z^t. Das gibt dem ältesten Rom 
fast ein griechisch beginnendes Jahr^ worüber, nun freilich sich viel 
verschiedenes meinen läszt. Aber dne Spur dasz man astronomische 
Rclrocomputation auf die alte KöÄigszeit anwandte hat Cicero a. 0.; 
es sei , sagt er, von der etwa 350 post urbem cond. an den Nonen 
des Juni stattgehabten Sonnenfinsternis, die Ennius erwähne und die 



14) Die Ueberlieferung bringt indes seinen Regiemngsantritt nicht auf 
ein neumetonisches Epochenjahr. 15) Timaeos (bei Dionysios I 74) sagt, 
Rom Tind Karthago wären im 38n Jahr vor Ol. 1, 1 gegründet worden. Gieero 
a^nai' dafür 39. Uebrigens zeigt auch dieser Ansatz den Gebrauch der En- 
neakaidekaeteris zu ungefähren Bestimmungen. 16) Livius III 6: creati 
cofuules Kalendis Sexiilibus, ut ttmc principittm armi agebatur, cansulatum 
ineuni; vgl. Dion. IX 25. Ideler II S. 148. Die Erklärer nehmen ein hin- 
anfrücken des Neujahrs vom September an. Es kann sein! 



210 JL Mooniea: DeMfige n 

amuJes mazimi, snrftekgerecimel WOTien, um die MiMreal 
flaslernisse za findenbis auf die jenes Ta^fee, da Kamätna xa daQ 
Göltern entschwand« Solehe Zar&ckrechnnnd^en worden mit Hilfe der 
grieehisehen Astronomie gemacht, wie nicht za bezweifefai ist und wie 
aoch ans dem Zusammenhang des Cicero, welcher den Thaies ncmit, 
hervorgeht; die Astronomie aber vollzog dergleichen mit Hilfe auf- 
wärts berechneter EnneakaidekaSteriden , die sich also hier das cice- 
ronische Lob aneignen dQrfen: aiqae hae in re Umla mesl ratio atqm 
soHerHa etc. 

Blan weisz aach dasz Nomas Lebensalter das aste nafflrliche 
Jahrhundert der Zeitrechnung gemäsz der etruskischen Lehre «bschlosz 
(Niebahr R. 6* I 8» S&7), weil er am Grflndangstage Roms geboren 
sein sollte und man dann etwa annahm, entweder dasz niemandem sonst 
dies Loos verliehen gewesen die römische Stadt zur Zwillingssehwes- 
ter zu haben , oder aber dasz er unter den jenes Tages geborenen das 
späteste Lebensende gehabt. Es ist nun ersichtlich dasz in Cincius 
und Fabius Ansätzen, wenn anders diese in metonischen Cyelen sich 
noch weiter bewegten, dieses erste saecukm natwale partu ei morie 
definäum (Censorinus) eine kallippische Periode war und man sich 
darin gefiel des zeitenkundigen Numa Geburt, Thronbesteigung und 
Tod auf gut chronologisch zu epochisieren , so dasz sein Leben eine 
Darstellung des kalUppischen Kalenders zu sein schien. Uns dankt 
das kindisch, den Alten vielleicht ehrwürdig und geheimnisvolL 

Eine anziehende Bestätigung dieses so gar ernst gemeinten Cyelen- 
Spiels bietet Livius 1 19, weil daraus zu ersehen dasz man den König 
Numa endlich selbst zum Erfinder der metonischen Enneakaidekaeteris 
gemacht hat. Der auf seine Thronbesteigung gesetzte Cyclenanfang 
•— obwol in der That auf diesen vielmehr jene gesetzt war — mochte 
dann aufgefaszt werden wie solche Zeitredinungen, wie sie Dynasten 
von sich selbst beginnen. Livius sagt dort: ^und zu allererst theilte 
Numa das Jahr in 12 Monate ein nach den Mondumläufen; und weil 
dies Mondjahr (guem) bei dem die Summe von 80 Tagen nicht voll er- 
reichenden Mondumlauf um [etliche] Tage kürzer ist als das Sonnen- 
jahr, ordnete er jenes mit zwischenzuselzenden Schaltmonden in der 
Weise , dasz [nach Verlauf von 19 Jahren] im zwanzigsten die Tage 
[des Mondjahrs] wieder auf denselben Punkt des Sonnenlaufes eintra- 
fen und jetzt alle Jahre ihre volle Länge hatten.'^') Während, wie 
Livius zuvor bemerkt hatte , das gewöhnliche Mondjahr Tage zu wenig 
zählte , kamen 19 volle Sonnenjahre aus in eben so vielen Mondjahren 
vermöge der angefügten Inlercalarmonate. Die von AlschefskI und 
Weiszenborn beibehaltene Lesart der Handschriften vigesmo anno ist 
nemlich die richtige, während die 2e Hand des cod. Haverc. vigesmo 
quario quoque anno eine Lesart kaum zu heiszen verdient. Dennoch 
ergriff man früher diese Aenderung mit allem Eifer ^% um den Livias 



11) plenii annorum omnnm spatäs; vgl. Gic. de nat. deor. II 20, 51 
confectis onmiwn spatüs, 18) Denn freilich war ein 20jähriger Cydus ct~ 



A. Mommsicn : Beiträge zur griechisefaen Zeitrechnung. 811 

ia Einklang zu bringen mit Macrobius Sat. 1 13, der dpji Romern eine 
24ljälirige Periode , die dfacfae Oktaeteris beilegt. Wie dieses Verfah- 
ren an sich unkiitisch, so war es auch nicht geeignet um damit zu er* 
reichen was* man wollte, nemlich Uebereinstimmung des Livlus und 
Macrobius. Man liesz den ersteren sagen dasz in jedem 24n Jahre die 
Tage mit demjenigen Stande der Sonne übereinstimmten , von welchem 
die Periode ausgieng, d. h. dasz das Schluszjahr des Schaltcyclus dem 
Anfangsjahre entsprach, was sinnlos ist. Kann doch nichts klarer seih 
als dasz der Anfang des einen Cyclus dem Anfang des andern ent* 
spreche, das 2e Jahr des ^inen dem 2n des andern usw. Wollte 
man die Bfache Oktaeteris in den Livius bringen, so muste man die- 
sen sagen lassen ui vicesimo qumto quoque anno ; denn das Jahr mit 
welchem der vicestmus qtänius annus immer übereinstimmte muste, 
wenigstens nach dem besseren Sprachgebrauch, als das erste gezählt 
werden '*); man konnte nur sagen dasz gemeint würde peractB 
anno XXIV ^ also eigentlich vom folgenden Jahr die Rede wäre. **) 
Uebrigens drückt sich Solinus genau so aus über die Oktaeteris; er 



was ganz uoerhortes und statt eines solchen der 24jährige wirklich weit 
aanelimbai-er; s. m. Aufsatz in den Jalirbucfaern f. class. Philol. 1855 S. 251 
Anm. 19) F. C. Ton Savigny System des R. R. IV S. 602 ff. hat diese 
Ausdnicksweise verständig behandelt. Er kommt zu dem Ergebnis, dasz 
die Weise den terminus a quo mitzuzählen die ältere und üblichere sei, 
weif sie sich in der Ealendersprache zeige (S. 615). Er scheidet aber den 
Ausdruck mit quUque oder wo der Sinn, das qidi^e ersetzend, etwas fort 
und fort sich wiederholendes anzeigt, nicht von blosz Einmaliger Zählung« 
Ob dies hier von vielem Gewicht sei , bleibe ununtersncht; aber die Gram- 
matik fordert diese zwei Kategorien. Varro de lingua Lat. VI $ 11 und 
Cicero in Pisonem 5 bleiben zweifelhaft wegen des schwankenden Lustrum; 
auch für Caesar B. G. V 52 und ähnliche Stellen ist der Bruchtheil nicht 
mit Sicherheit zu folgern. Cic. acad. II 6 ist einmalig und die Stelle ad 
Au. VI 1 köBute man auf den flüchtigeren Briefstil schieben; doch fällt 
wol jedem leicht der faenerator Alfius ein, welcher sein Geld an den Ea- 
lendeo belegt, so dasz, diesen Tag vielmehr gerade mitgezählt, der trice-' 
mmus dies zum Stichtag der Zinszahlung wurde; weiter läszt sich freilich 
nicht fortrechnen , so dasz allemal das iricesmo quoque die genau ge- 
nommen falsch ist; aber aus der Geldbeleguag an den Kaienden konnte 
sich doch immerhin so ein täglicher Spradigebrauch bilden. Wir Lehrer, 
die das Lateinschreiben leiten, werden gewis jenen altern Sprachgebrauch 
der Mitzählung als den classischen vertreten wollen, wie das auch in dem 
Anm. 18 angef. Aufsatze S: 249 bereits gesagt und belegt worden ist. Für 
Livius dürfte der spätere Gebrauch nicht nachweisbar sein. Um Zweideu* 
tigkeit zu meiden findet sich später peraeio anno hinzugefügt. — Dasz 
Christus am 3n Tage auferstanden hätte aber Savigny nicht heranziehen 
sollen, da es nicht auf römischer Analogie beruht, oder aber die sehr weit 
greifende Regel anderwärts verfolgen. 20) Belehrend ist hierfür, wie die 
Priester den Ausdruck Caesars mis verstanden, welcher wahrscheinlich quarto 
quoque anno gesagt hatte um den julianischen Schaltcyclus zu bezeichnen» 
Das hiesz nach gewöhnlichem Latein nicht alle 4, sondern alle 3 Jahre zwei 
schaltfreie Jahre mitten inne. Die pontifices hatten hier den alten und bes- 
seren Sprachgebrauch für sich. Dennoch hatte Caesar quario quoque anno 
confecto gemeint. Man sieht dasz Caesar alexandrinische Theoretiker arbei- 
ten liesz (Ideler O S. 131). 



S12 A. Mommsen: Beiträge zur f^riechisehen Zeitrechniin^. 

nennt das 9e Jiüir und meint damit das erste einer folgenden Oklaete- 
ris: C^raed smguMs amtis XI dies et qttadraniem detrahebantj eosque 
oeüe»* tmdtipüeaios in annum nonum reserväbant , ul conlracUis no- 
nagenarhtB numerus in tres menses per Iricenos dies scmderetur^ qui 
annonono resUktU efficiebanl dies qtiadrmgenlos quadraginia quattuor. 
Ein quisque hat hier Soünus so wenig wie Livius , warum auch? da 
sich bei einem Cyclus die Wiederholung, die aligemeine Gellung des 
Zahlbegriffes ja von selber versteht. Man stellt die erste Schaltperiode 
als Muster und Regel fOr alle Zeiten hin und gibt ihr congruierendes 
Verhältnis zur zweiten ein für allemal an , das genügt. Vom Saturn, 
der in 29 Jahren und 5^ Monden um die Sonne läuft, sagt Plinius N. H. 
II 6: ißaiumi sidus) iricesimo anno ad bremssima sedis suae prindpia 
regredi certum est Denn da ein jeder weisz dasz der Pianet immer 
dieselbe Zeit braucht, so war es nicht nöthig iricesimo quoque anno zu 
sagen. Auch Censorinus 17 läszt das quisque von der Wiederholung 
der Saecularspleie weg, nachdem er eben zwei Stellen darüber die 
quisque hinzufügen clliert hatte, eine allgemeine Geltung des Zahlbe- 
griffs also nunmehr jeder achtsame Leser schon selber hinzubrachte. 
So hindert in der That nichts des Livius zwanzigstes Jahr als das ersle 
und zwar aU das jedesmal zwanzigste , mithin auch als das jedesmal 
erste des dem Numa beigelegten Zeilsystems aufzufassen. Um die 
historische Wahrheit der Nachricht handelt es sich hier nicht; der 
alte Schriftsteller stand hier mehr auf dem Gebiete des Glaubens als 
auf dem der Geschieht», wie denn auch Cicero sagt, Numas verstän- 
dige Anordnung sei von den Epigonen verdorben (de leg. II 12 : düi- 
genter hahenda ratio tntercalandi est; quod insUtutum perite a Numa pos- 
ieriorum pontificum neglegentia dissolutum esf)- Cincius Alimenlus 
mochte dem Numa die Enneakaidekaeteris beigelegt haben , was we- 
nigstens gut in den oben verfolgten Zusammenhang passt. 

Unter den vorhin erwähnten Anseizungen geben sich die des Cin- 
cius. und Fabiüs leicht als secundar zu erkennen; diese Historiker 
fanden die eratosthenische Chronologie vor und ordneten ihre Angaben 
in die Fächer derselben ein. Beide können als 'jüngere Zeitgenossen 
des Eratosthenes gelten, welcher einige Jahre nach dem Ende des 
zweiten ptinischen Krieges , aber in hohem Alter , starb. 

Was nun das zusammenfallen des erwähnten neumetonischen 
Epochenjahrs mit dem troischen Eroberungsjahr nach Eratosthenes an- 
betrifft , so scheint man nicht ohne weiteres berechtigt die erstere die- 
ser beiden Bestimmungen für die primäre zu halten; vielmehr wird 
vielleicht jemand fragen, ob Eratosthenes seine Aera denn noth wen- 
dig an die Epoche des Kallippos müsse angelehnt haben? ob nicht 
umgekehrt eher Kallippos der anlehnende gewesen? so nemlich dasz 
er Trojas Fall auf 1185/4 angesetzt vorgefunden und beschlossen habe 
genau 45 Cyclen später seinen Periodenanfang zu fixieren? waruni 
denn sonst Kallippos die altmetonische Epoche mit einer neuen ver- 
tauscht haben solle , da die Berichtigung der Enneakaidekaeteris ohne 
" e Störung möglich gewesen? selbst wenii Metons Cyclus noakk 



A. Mommsea: Beiträge zur griechisohen 2eUfechming« S18 

feiilarlianer erachiet werde als. aus den Nachrichten folge, ändere man 
ja selbst um erheblicher Fehler willen doch die Epoche noch nicht, 
sondern gehe immer darauf aus möglichst gelinde nur das allerndthigste 
abzuändern! — So könnte, wie gesagt, jemand sprechen. Allein 
dies kann doch unmöglich den Grund der Epochenändernng an die 
Hand gegeben haben. Kallippos muste wissen wie sehr die Bestim* 
muog des troischen Eroberungsjahres schwierig und hypothetisch sei 
und gewis schon damals höchst verschieden bei verschiedenen Auto* 
ren, die sich noch mehr scheuten etwas sehr mythisches auf Jahr und 
Tag zu fixieren. Kallippos konnte, ohne seine chronologische oder 
astronomische Wissenschaft hecabzuwürdigen, nicht an ein so schwan- 
kes Rohr seine treffliche Periode knüpfen. 

II- 

Pie Aera der Seleukiden läuft vom In October 312 v. Chr., also 
J. 1 derselben beginnt um Ol. 117, 1 in der ersten Dekade des Pya- 
nepsion und schlieszt im folgenden Olympiadenjahr '0 ebenfalls einige 
Monate nach dessen Anfang, umfaszt also ungleiche Hälften zweier 
Olympiadenjahre. Nach syrischer Gleichsetzung wird demnach J. 1 
der Seleukidenaera = Ol. 117, 1, weil das syrische Neujahr in 
Ol. 117, 1 fällt; der Grieche dagegen, seinem Jahresanfang folgend, 
wird Ol. 117, 2. mit J. 1 der Syrer parallelisieren, denn der le Heka- 
tombaeon dieses griechischen Jahres fällt innerhalb jenes seleukidi- 
sehen, ein gutes Vierteljahr dem Schlüsse desselben vorgehend. 

Weshalb aber die Seleukiden ihre Zeitrechnung von jener Epoche 
beginnen, ist aus der Geschichte nicht sofort klar. Die Königswürde 
des Seleukos datiert erst von 305 v. Chr. und kann die Ursache der 
Epoche nicht sein (Freret und Ideler I S. 450). Es musz also die 
Schlacht bei Gaza, meint Ideler, als die Veranlassung angesehen wer- 
den , denn durch dieselbe legte Seleukos den Grund zu seiner nach- 
herigen Macht Aber bei Gaza 312 siegte doch in Wahrheit Ptole- 
maeos zu Gunsten seines Clienten Seleukos und , was noch wichtiger 
ist, Antigonos erlangte bald wieder den vollständigsten Sieg, sein 
Sohn Demetrios eroberte Babylon , Ptoiemaeos 20g sich nach Aegypten 
zurück. Gedachte also Seleukos von 312 als dem Jahre dieser 
Schlacht sich und seine Aera zu datieren, so lag der Anlasz dazu 
wol nicht aliein in den Thatsachen ; man sieht dies besonders daraus, 
dasz die Seleukiden ihren Königstitel keineswegs von 312 an zu da- 
tieren sich erlaubten. Es wäre eine Anmaszung gewesen. 

Nun wird aber eingeräumt dasz das Monatsdatum der Epoche 
— - der le October — : schwerlich seinen Grund habe in irgend einer 
merkwürdigen Begebenheit die an diesem Tage sich zugetragen, son- 



21) Das Monatsdatam ist davon abhängig ob Ol. 117, 1 dreizehn oder 
cw^f Monden hatte. Dasz es vermöge seiner güldenen Zahl beim Kallippos 
nur deren zwölf hatte, wird sich hernach sseigeu. 



214 A. Mommsen: Beiträge zur griechischen Zeitreehniing. 

dern lediglich in dem landesQblichen Neujahr der Syrer zur Zeit der 
Herbstnachtgleiche und dessen Anknüpfung an den julianischen Kalen- 
der (Ideler I S. 453). Man hätte also nur das Jahr dem Treffen bei 
Gaza angeschlossen. Allein stand die Wahl des für die seleukidische 
Aera passendsten Jahres frei, so wird der unbefangene einräumen dasz 
es seltsam war 613 zu wählen statt 305. Wahrscheinlich also war der 
eigentliche Bestimmungsgrund ein chronologischer und die Schlacht 
bei Gaza diente mehr als volksthümliches Merkmal ; man begann die 
Aera in demjenigen syrischen Jahre welches die Chronologie dem 
Jahre Ol. 117» S gleichsetzte, d. i. einem neumetonischen Anfangs- 
jahre. In dem Reiche eines Diadochen lehnte man sich füglich an die 
Periode des Kallippos , in dessen Epochenjahr gerade Alexander den 
Thron des ermordeten Dareios eingenommen. 

Die Astronomen des Julius Caesar haben sich ebenfalls an einen 
neunzehnjährigen Abschnitt in dei]^ groszen Zeitkreise des Kallippos 
angeschlossen; denn das Jahr 46 v. Chr., womit Caesar die Confusion 
des damaligen Kalenders seiner Landsleute abschlosz, bildet den 
Schlusz eines neumetonischen Cyclus, und mit dem ersten Jahr der 
julianischen Zeitrechnung 45 v. Chr. beginnt auch in Kallippos Periode 
ein solcher. Die Ausgleichung des olympiadisohen und römischen 
Jahres ist hier wie bei der seleukidischen Epoche nach dem Stand- 
punkte der Griechen vollzogen worden, ^-sszrjr — 1 == r. Die neun- 
zehnte Enneakaideka^.teris von Ol. 112, 3 an gerechnet schlieszt 
Ol. 183, 3 = V. Chr. 46/5» also t= 46; die zwanzigste beginnt 
Ol. 183, 4 == 45/4, also = 45. Diese griechische Weise der Gleich- 
setzung schickt sich zu dem Umstände, dasz der sachkundige Sosi- 
genes, welchen Caesar brauchte, ein griechischer Gelehrter war. 
Caesar selbst , sofern er mit diesem Zweige exacter Wissenschaft sich 
beschäftigte, konnte seine Kunde nur der griechischen Astronomie 
verdanken, wie sie zu Alexandria sich erweitert hatte. *•) Daher be- 
gann er auch mit dem Neumond nach der Bruma. 

Wenn nun Caesar und seine Arbeiter das vom griechischen 
Mondjahr ganz disparate julianische Sonnenjahr doch an den neume* 
tonischen Mondcydus anknüpften, so liesze sich daraus schlieszen, 
dasz es gewissermaszen usuell geworden zu sein schien eine neu zu 
gründende Aera an die Epochen der kallippischen Perlode und 
Periodenviertel anzufügen. Allein man wird dabei nicht übersehen 
dasz die Sache auch ihre praktische Seite hatte, indem ein den ersten 
19 oder 76 Jahren Caesars paralleles Parapegma , in den Mondphasen 
verlaufend, diese letzteren sofort für die entsprechenden Daten des 
julianischen Sonnenjahres angab , wozu man beide Kalender blosz nach 
den richtigen Epochentagen nebeneinander ^u legen nölhig hatte. *^ 



22) Macrobins sagt Sat. I 10 vom Caesar: siderum motus, de qu&wts 
non indoctos libros reliquit, ab AegypHis disdplims hausU, also doch «rot 
aus alexandriniscber DoctriQ. 23) Man kann sagen dasz diese Neben- 
einanderlegung von Caesar insofern schon vorgefunden wurde, als dieSpi^ 



A. Mommsen: Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. 215 

Auch wir haben ja in unserm Kalender immer die Mondesgestalten 
neben den Tagen des Sönnenjahrs. Nebenher konnte auch die Ver- 
gleichung der sonstigen^ dem griechischen Parapegma beibemerkten 
Beobachtungen willkommen sein, wenn diese auch sich nicht sowoi 
auf Rom als auf einen dem Klima nach etwas abweicjienden Punkt 
(z. B. Athen) bezogen. Diese Nebenbemerkungen betrafen die Auf- 
und Untergänge der Fixsterne, die Witterung u. dgl. (Ideler I S. 3&8). 
Noch jetzt wird bei uns dem laufenden Jahre diejenige Witterung bei- 
bemerkt, welche man vor 19 Jahren in eben der Gegend, beobachtete. 
Mit der Verbreitung des Christenthums beginnt aber das Mond- 
jahr wieder eine Rolle zu spielen, indem die Intervallen der Oster- 
feste ihrem Princip nach durchaus griechische Mondjahre sind, nur 
dasz sie von einem andern Anfange laufen, nicht wie die griechischen 
von der Sommerwende sondern vom FrOhlingsaequinoctium. Von den 
Osterkanones kann aber derjenige sofort von gegenwärtiger Unter- 
suchung ausgeschlossen werden, welcher sich an die Epoche der 
christlichen Aera anschlieszt, der alexandrinische. Zwar knüpft sich 
derselbe an das erste Jahr des Diocletian 385 n. Chr. ; aber die frommen 
und kundigen Kirchenlehrer Alexandrias hatten wol den Zweck ihre 
Zeitrechnung an die Geburt des Heilandes^ zu binden, mochten es 
indes für klüger hallen das erste Regierungsjahr ihres Verfolgers zur 
Hülle dieses echt christlichen, aber in der römischen Welt Gefahr 
bringenden Gedankens zu haben. ") Kyrillos (t 444) lehnte seine 
Ostertafel an die diocletianische Aera (Ideler II S. 231) und djftnil an 
die Geburt Christi , womit der Anschlusz an Epochenjahre heidnischer 
Chronologie aufgegeben war. 

Wenn wir nun neben dieser Oslerrechnung vom christlichen Stand- 
punkte auch eine andere finden die an Kallippos PeriodenvierteE sich 
knüpft , .so exemplificiert sich damit der an sich naheliegende Gedanke, 
dasz man auch in der ältesten Kirche der einmal üblichen heidnischen 
Weise sieh anschlosz. Die Wahrscheinlichkeit ist dafür dasz erst all- 
mählich das christliche Bewustsein hinreichend erstarkte , um die Ge- 
burt des Erlösers auch gleichsam äuszerlich als die wahre Epoche 
christlicher Zeitrechnung zu Ehren zu bringen , während man anfangs 
unbedenklich der gewohnten (heidnischen) Weise gefolgt sein wird. 
Hiernach würde gerade die lateinische Kirche die ältere und ursprüng- 
liche (heidnische) Epochisierung des Osterkanon anzeigen (es müste 
denn jemand behaupten dasz dieser Kirche eine gröszere Behutsamkeit 
ndthig gewesen als jener, wozu kein Grund vorhanden ist; wir sahen 
"Wie doch auch die Alexandriner ihre christliche Zeitrechnung unter 
dem Namen des Diocletian bargen). Es beginnt die 84jährige Ostei^ 



semasien ein Sennenjahr darstellten , io besonderer Columne wah»cheinlioh 
gegenüber dem Cyclns herlaufend. 24) Dann ist es also zwar möglich 
aber nicht gerade nothwendig anzunehmen, es sei die alexandrinische Aera 
und Osierrechnung unter Diocletian entstanden, wie Ideler II S. 232 will. 
Denn dasz ein Anfiang unseres 19jährigen Mondzirkels auf Diocletians erstes 
Jahr tri£fty ist dann secundär. 

Jahrb. f. dftst. Philol. Suppl. N. F. Bd. I Hft. 8. 15 



216 A. MoBunsen: Beilrage cur cnriechischeii Zeitreehnung; 

tafel der lateinischen Kirche, von welcher Ideler II S. 344 ff. handelt, 
mit dem Jahre 296, einem neumetonischen Epochenjahre, Ol. 369, 3 
SS n. Chr. 998/9 j also nach griechischer Gleichseizung c= n. Chr. 296. 
Zwar ist nun dieser Cyclus aufwärts berechnet worden bis gegen das 
Todesjahr Christi, so dasz der Anfang des ersten auf n. Chr. 46, der 
des zweiten auf 130, der des dritten auf 214 f^iit Gdeier n S. 242 nach 
Prosper Aquitanus); aber diese drei ersten Cycien sindwol nur imaginär, 
*da sich die Lateiner vor dem Schlusz des 3n Jh. schwerlich einer 
geregelten Bestimmung des Osterfestes bedient haben' (ebd. S. 243}. 
Man sieht also dasz der Berechner dieser Tafel ausgieng vom J. 298. 
Zur Wahl dieses Jahres aber wurde er gewis nur dadurch veranlasst 
dasz er an ein neumetonisches Anfangsjahr sich anzuschlieszen strebte. 

Der sechzehnjährige Osterkanon des Hippolytos hebt an mit dem 
ersten Jahre des Alexander Severus, n. Chr. 222. Aber Ol. 250, 2 = 
n. Chr. 22^3 ist ein neumetonisches Epochenjahr, Die Osteransätze 
des Hippolytos sind auch für die lateinische Kirche bestimmt, aber in 
welchem Verhältnis sein Kanon zu dem 84jährigen stehe ist schwer zu 
ermitteln. In der Weiterrechnung verlassen beide naturlich die An- 
fänge der Enneakaidekaeteris, aber dasz die Berechner in ihrem Aus- 
gang sich an die Periode^ des Kallippos anlehnten ist klar. 

Die Untersuchung wird aber noch einmal zur; alezandrinischen 
Kirche sich wenden müssen, um ein im Vergleich mit den schon be- 
handelten einzelhaft dastehendes Ausgangsjahr eines Osterkanon ins 
Auge "ZU fassen. Analolios aus Alexandria, gestorben nach 282, ein 
wissenschaftlich sehr hochstehender Mann,* benutzte die Enneakaidcr 
kaeteris selbst und, so weit es bekannt, als der erste (Ideler II S. 226), 
um das Osterfest zu berechnen. Wir wissen wenigstens so viel, dasz 
er d^n Neumond auf welchen das Osterfest seines ersten Jahres folgte 
auf den 22n März , mithin die Luna XIV auf den 4n April angesetzt 
habe ; da aber nach den späteren (von Christo an rechnenden) Alexan- 
drinern dieses Datum das 12e Jahr ihrer Enneakaidekaeteris anzeigt, 
80 müsse — hat man geschlossen (Ideler n S. 228) — das erste Jahr 
des Änatolios und das 12e der Alexandriner ein und dasselbe sein ; 
solch ein 12s aber sei 277 n. Chr. und dieses also dürfe für das Aa- 
fangsjahr gellen. Da es. nun ein Irthum, dasz 277 als das erste Re- 
gierungsjahr des Probus gewählt sei , welcher vielmehr 276 zu herschen 
anfieng, so sei, meint Ideler, Mer einfache Grund, warum Änatolios 
seinen Kanon an das Jahr 277 geknöpft habe , ohne Zweifel der , weil 
er ihn in demselben entworfen.' Aber wenn ein Dynast von sich und 
seinem thun eine Zeiteinlheilung beginnt, so hat der bescheidnere 
Rechner, und wäre er noch so weise, doch dieses Recht nicht. Erwäg^e 
man also folgendes. Es ist eine bekannte Sache dasz die Kirchenväter 
und christlichen Zeitrechner die Olympiadenaera um zwei Jahre zurück:- 
schoben (s. oben S. 205) , jedenfalls zwei olympiadtsche Jahre zu weni^ 
ansetzten. Gesetzt nun dasz dieses auch der Fall war bei der alexandrini- 
sehen Osterberechnung, mit welcher jenes Datum de§ Änatolios zu ver- 
gleichen wäre — unter der leicht zugestandenen Annahme dasz man 



A. Mommsen r Beiträg^e zur griechischen Zeilrechnung:. £17 

^ich der Olympiaden bediente um die österlichen Jahre anzusetzen '—, 
äo werden wir mit der g^uldenen Zahl 12 «um zwei Jahre hinabrucken 
dürfen. Führte dieselbe ohne Berücksichtigung' jenes Fehlers auf 
OL 264, 1, so werden wir daraus 264, 3 zu machen haben. Ol. 264, 3 
£= 279/BO n* Chr. beg^innt eine neumetonische Enneakaidekaeteris und 
damit kommt Licht und Analogie in die Sache. 

m. 

Wer nun die Stellen in der Enneakaidekaeteris zu ermitteln wünscht, 
weiche man den sieben Schaltjahren dieses Gyclus anwies , der wird 
verschiedene Wege einschlagen können. Kallippos llesz die Aufeinan^ 
derfolge der Schalt- und Gemeinjahre im Cyclus, wie Meton sie seit 
432 angeordnet, bestehn (Geminos Isagoge 6 ganz am Ende); ist also 
jemand so glücklich die Plätze der ISmonatlichen Jahre in dem Zeit- 
kreise Metons zu finden , so hat er damit auch die Schaltregel des Kal-~ 
lippos entdeckt. So würde ^in Weg der sein den altmetonischen Gyclus 
zuerst zu erforschen. 

Die bisherige Untersuchung führt auf die andere Methode, zu- 
vörderst den kallippischen Schaltjahren, den neumetonischen also, 
nachzuspüren. Denn wenn sich die Aera der Seleukiden , die eratos- 
thenische Zeitrechnung, die Ansätze für die Gründung Roms bei 
Cineius und Fabius an neumetonische Epochen lehnten und die Oster- 
tafeln des Victorius, des Hippolytos , vielleicht auch die des Anato- 
lios von eben diesen Epochen ausgiengen, wie denn gleichfalls die 
älteren Astronomen der kallippischen Periode sich bedienten : so läszt 
sieh bei einer so lange dauernden Benutzung dieser letzteren eher 
hoffen ein sicheres Ergebnis zu gewinnen , als wenn unsere Forschung 
die altmetonischen Einrichtungen zu ihrem nächsten Augenmerk 
machte. Denn obwoi es wahrscheinlich ist dasz Metons Schalt- und 
Gemeinjahre nicht blosz imaginär anfiengen um 432 v. Chr., sondern 
dasz auch im praktischen und politischen Leben diese Zetteinrichtung 
befolgt wurde, so hat doch schon 330 Kallippos eine abweichende 
Epoche eingeführt, und wer gern sicher geht, wird sich auf den ein 
Jahrhundert nicht viel übersteigenden Zeitraum einschränken, um die 
altmetonischen Schalt- oder Gemeinjahre zu finden. Denn er wird 
nicht ohne weiteres behaupten dürfen, der und der Staat oder der 
und der Schriftsteller habe auch nach 330 fortgefahren nach Jahren 
alten Stils zu rechnen, die Jahre neuen Stils seien nur imaginär ge- 
Mresen. 

Dagegen ist es auch für das Detail eine naheliegende Folgerung, 
dasz derjenige Autor welcher sich der" neumetonischen Epochenjahre 
zu seinen Ansätzen bediene , auch dem neumetonischen Cyclus sonst 
gefolgt sein müsse, also z.B. Dionysios von Halikarnass, wenn er 
V. Chr. 1185/4 zum Schaltjahr macht. Was nun freilich die Oslerscri- 
benten angeht, so wird der behutsame stets die Frage bereit haben, 
oh das betreffende Osterjahr — : sei es 12- sei es 13monatlich — 

15* 



218 A. Mommsen: Beilräge zur griechischen Zeitrechnung:. 

auch elwa unler dem Einflusz besonderer Umstände, wie io-der latei- 
nischen Kirche, angesetzt worden sei. Obwol nun derartige focale 
Besonderheiten die Untersuchung erschweren, wird doch die Oster- 
lechnung darum zuerst heranzuziehn sein, weil wenn irgendwo hier 
mit völliger Sicherheit die Reihefolge der Schalt- und Gemeinjahre er- 
mitlelt werden kann und wiederum bei der Anlehnung der Ostertafeln 
an neumetonische Epochen sehr wol anzunehmen stunde, dasz die 
kirchlichen Chronologen nicht blosz in dem Epochenjahr sondern zu- 
gleich in den Osterintervallen d. h. Osterjahren (ob 12 ob IS Monde) 
sich dem Kallippos angeschlossen hätten. 

Dasz ein 13 Monde zählendes Intervall zweier Osterzeiten als 
Schaltjahr betrachtet wurde lehrt der Ausdruck i(ißoXi(S(i6g, Der lily- 
baelanische Bischof Paschasinos bedient sich in einem Schreiben an 
den Papst (vom J. 443) dieses Ausdrucks (Ideler II S. 265); auch 
Macrobius Sat. 1 13 hat denselben nach der Lesart der Handschriflen '*), 
und das marmorne Denkmal des Hippolytos auf dessen I6jährigem 
Osterkanon zeigt die merkwürdige Beischrift EM neben den österlichen 
Schalljahren. Die ganze Osterlafel ist in griechischer Schrift (Ideler 11 
S. 214). Diese Beischrift scheint nur ifißoXtfiog fi'^v d. h. Osterjahr 
mit einem fii^v ifißoXifiogf dreizehnmonalliches Jahr, andeuten zu 
können , denn die beigefügten Daten zeigen es , sowie die Ueberschrifl 
(Ideler II S. 215 : ifißoXlfiov fifjvog yevo(iivov). Dies EM steht aber 
unter den sechzehn der Tafel bei dem ersten , vierten , siebenten, neun- 
ten , zwölften und fünfzehnten Jahre. Und mit diesem die österlichen 
Schalljahre sehr klar an ihre Plätze weisenden Fingerzeig zufrieden 
könnte man nun alsobald sich an die kallippische Periode machen und 
gleich prüfen wollen, ob diese Reihe wirklich auch beim Kallippos 
zuträfe, wenn nicht namentlich die besonderen Ansichten der lateinischen 
Kirche hindernd entgegenträten. 

Zuvörderst also wird aus diesem Kanon das zu entfernen sein, 
was der lateinischen Kirche und ihren besonderen Ansichten ent- 
stammt. Es durfte aber das Osterfest den Römern nie hinausriicken 
über den 21n April (Palilien) (s. Ideler 11 S. 247), welchem FüiUe 
nicht vorgebeugt war, wenn Hippolytos im 6n und 14n Jahr den Schalt- 
mond hätte eintreten lassen statt im 7n und 15n. Die Ostergrenzen 
des 17n oder 18n April nemlich , im Fall diese Daten auf Sonnabende 
trafen, würden dann das Fest erst den 25n oder 26n April gestattet 



25) An der Richtigkeit der Emendation ifißoX^fiovg läszt sich zweifeln, 
trotz dem dasz Macrobius vou Monaten, nicht von Jahren redet. Ein ififio- 
liaiiog^ wofür man .freilich äin im Stephanus sich nicht findendes i(jkßol^€9 
vorauszusetzen hätte, weist weder auf Jahr noch Monat hin, und ein Jahr 
bei welchem die Tabelle den Schaltmonat anmerkt ist Schaltjahr, so dasz 
man das dem Monat geltende Wort nun ffir das Jahr nahm. Es kann ja 
freilich auch ein bloszer Jrthum der Autoren sein, aber verschrieben ist es 
nicht, sondern läszt sich aus dieser spaten Zeit niit drei Paralleistellen be> 
legen, s. Stephanus u. d.W., wo sehr richtig bemerkt wird; 'certe vitiam 
esse non libromm sed aetatis.' 



A. Mommsen: Beiiräge zur griechischen Zeitrechnung. 219 

haben, weil die Lateiner dasselbe nicht an dem gleich darauf folgen- 
den Sonntag glaubten feiern zu dürfen, sondern dann noch eine 
Woche warteten. Folglich erscheint die Hinabrackung der beiden 
Osterschaltjahre lediglich als eine Folge der Gewohnheiten Roms und 
seiner Kirche. Unabhängig von den Vorurtheilen der Lateiner hätte 
also der Kanon seinen EmboUsmen die erste, vierte , sechste, neunte, 
zwölfte und vierzehnte Stelle angewiesen. 

Es ist anzunehmen dasz die Ansätze der lateinischen Kirche auf 
Grund" alexandrinischer gemacht sind; denn für die Bestimmung des 
Passafestes galten die alexandrini sehen Kirchenlehrer den Päpsten als 
die sachkundigen Gdeler II S. 265). Hiernach mäste , sobald nur die 
etgenüich lateinischen Elementoi entfernt sind , der Kanon des Hippo- 
lytos auf den aiexandrinischen hinauslaufen, in diesem also wie in 
jenem das le, 4e, 6e, 9e, 12e und 14e Osterjahr dreizehnmonatlich sein. 

Wer nun diesen Rückschlusz noch nicht gestattet, sondern im 
besondem die Frage aufwirft, welche Jahre des aiexandrinischen Ka- 
non dreizehnmonatlich waren, der wird finden dasz ihre Beantwortung 
von der Gleichsetzung abhängt, da keine Beischrift wie jenes EM auf 
der Kathedra des Hippolytos uns hier ^Anleitung gibt. Die Ostertafel 
bietet uns nicht 19 österliche Jahre , sondern nur 19 Monatstage, 
zwischen welchen 18 Osterjahre liegen, so dasz man, um das fehlende 
19e zu gewinnen, entweder vom Schluszdatum des vorigen Cyclus 
bis zum Anfangsdatum des vorliegenden oder aber von dem 19n Dar 
tum des letzteren bis zum ersten des folgenden Cyclus '') ein Jahr hin- 
zurechnen musz. Sind r und / aufeinander folgende vom Januar ") 
laufende Jahre Roms, und 9t, % aufeinander folgende Passajahre, 
also nebeneinander tretend : 



r 
so besteht r aus den drei letzten Monaten von n und den neun ersten 
von n j welcher ungleiphen Vertheilung ungeachtet dem römischen 
Jahresanfänge Rechnung zu tragen war, so dasz dem römischen Jahre 
immer das höhere Passajahr gleich zu achten, mithin das Schluszda- 
tum des vorigen Kanon heranzuziehn ist zum ersten des laufenden 
Kanon , also r =.%, nicht = %. Es bezeichnet also das neben r 
stehende Monatsdatum den Anfang eines Osterjahres , welches mit / 
gleich zu setzen ist. 

Dasz die latejnische Kirche eine andere Gleichsetzungsmethode 



26) Diese letztgenannte Weise ergibt Idelers Ck)nstruction der Ennea- 
kaidekaSteris ; die erstere denjenigen Entwui'f, welcher als der metonische 
in dieser Abb. anfgestellt wird. 27) An den volkstbftmlichen Jahresan- 
fang mit dem März wird man hier nicht denken dürfen, sondern an den 
politischen durch den Amtsantritt der Consuin bezeichneten (Ideler II 
S. 150); wenn z. B. vom Hippolytos das erste Jahr des Severns genannt 
wird, In welchem der Kanon begönne, so liegt wol in dieser Beziehung 
auf die höchste Behörde, den Kaiser, dasz es amtliche Jahre sein* müssen. 



SSO A. MomnMeft« BeiMf^e zur griechiseiien Zettreehnung« 

gehabt habe ist meht wahrscheinlich. Nan bestätigt aber der Kanon 
des Hippolytos die so eben entwickelte Gleichsetzungsweise auf das 
deutlichste. Srstlich sagt die Ueberschrift in Betreff des ersten Datams, 
dasz es nach einem vorgangig gerechneten Osterjahre fii^^ ifLßoli- 
fiov ysvoiiivov entstanden sei ; zweitens sind unter den 16 der Rech- 
nung zu Grunde liegenden Ostermondjahren diejenigen welche 13 Mond> 
Wechsel enthalten durch EM bezeichnet, und man ersieht aus den bei- 
gesetzten Daten des römischen Kalenders dasz immer vom vorigen 
Datum an gerechnet ist. So ist das erste Jahr mit EM bezeichnet, hat 
also 13 Monate , welche nur herauskommen , wenn man vom vorigen 
Datum dem 25n März, d. h. dem Schlusz eine*s bereits vorangegangenen 
hippolylischen Osterschaltkreises an ^is zum Tage vor dem 13n April 
rechnet, welcher Tag neben EM steht Dann erhält man 384 Tage, 
ein Osterschaltjahr. Das folgende Gemeinjahr von 12 Monden ergibt 
sicfi wiederum vom 13n April bis zum Tage vor dem 2n April, 
354 Tage usw. Hippolytos gibt eigentlich nur acht Daten , denn die 
Jahre 1 — ^8 sind den Jahren 9 — 16 in jeder Beziehung gleich. 

Oktaeteris des Hippolytos mit Datum des OstervoUmoads 
Bezeichnung der Embolismen. nach unserm Kalender.*^) 

EM 1 13. ApriL 

2 . ^ • . • • 2.. April. 

3 21. März. 

EM 4 9. April. 

5 29. März. 

6 18.jMärz. 

EM 7 ö. ApriL 

8 25. März. 

Die Ostersonntage selbst aber stehen auf der linken Seile der Ka- 
thedra, und zwar sind sie hier für 112 Jahre, sieben hippoiytische 
Cyclen (in Wahrheit vierzehn Oktaeteriden) angesetzt. Man sieht das2 
die österlichen Mondjahre von einem Ostervollmond zum andern, deren 
die Rechnung bedurfte, von der praktischen Ansetzung desFesXes ge- 
schieden wurden. 

Ist es also an sich wahrscheinlich dasz man in den ersten Jahr- 
hunderten der Kaiser dem politischen Jahresanfänge vom Januar das 
tJebergewicht eingeräumt habe über den kirchlichen, die Gleichsetzung 
der Jahre angehend ; ist es ferner wahrscheinlich dasz dem hippolyti- 
sehen Kanon ein alexandrinisches Muster zu Grunde lag: so dürfen 
wir auch annehmen dasz die Alexandriner dem römischen Jahr**) 



28) Die Daten sind in griech. üncialen und dennoch lateinisch, wieder 
Abdruck in J. A. Fabricius' Hippolyti Opera p.38 (Hamburg 1716 u. 1718 Fol.) 
»eigt. Fabricius gibt auch mehrere Abbildungen der Statue auf ihrer Kathedra. 
Joseph Scaliger de emend. tempp. p. 677 gibt aaoh einen Abdruck nebst 
Commentar. Die obige Halbtafel ist nach Ideler wiederholt. 29) Nach 
romiseOen Jahren mosten sie auf alle Fälle arbeiten im Auttrag der Papste 



A^^MomuM^ ."^ Beiixfkge zur ^riecbisohen Zeitreebnnng:. 821 

immer das höhere Passajähr gleiohsMzien, so dasz die Jahre 1, 4 usw. 
mit 13 monatlichen Osterjahren parallel «tanden. 

Auch die Sechzehnjährigkeit hindert mcht den Rückschlusz auf 
den 19jäkrigen Kanon Alexandrias. Dies lehrt ein Blick auf die Oster- 
grenzen der Al^andriner und des Hippoiytos , wie Ideler sie II S. 218 
nefoeneinandisr stellt. Man gibt dabei zu dasz nicht blosz die spätere 
alexandrinische Ostercechnung, sondern schon die ältere (zu Hippoiy- 
tos Zeit) diesen Ansätzen folgte. Unter den 16 Jahren zeigen sieben 
Vollmonde, dasselbe Datum; fünf differieren um äinen Tag, zwei um 
deren zwei, was bezuglos ist zu der 12- oder 13monatlichkeit; die 
beiden noch übrigen Ansetzungen aber, wo die Differenz einen Monat 
beträgt, kommen auf Rechnung der besondern Ansichten der lateini- 
schen Kirche. Wären diese nicht hinderlich gewesen , so würde wahr- 
scbeinlich das eine der beiden betreifenden Jahre , das 6e vermutlich, 
ein mit dem alexandrinlschen identisches Datum zeigen , denn es sind 
identisch die Daten des 3n, 4n und 5n, dann die des 7n, 8n, 9n und 
lOn Jahres , so dasz in der Mitte dieser Okta^teris das 6e Jahr nur aus 
den bekannten Sondergründen abweicht und ohne dieselben ein eben- 
falls mit dem alexandrinlschen gleichlautendes sein würde. Hippolylos* 
Kanon ist aber eigentlich eine Okta^teris, denn seine anderen acht 
Jahre bieten wieder die nemlichen Monatstage. Es finden sich also 
Hippoiytos'* OstergreQzen in dem alexandrinlschen Kanon sämtlich 
wieder, nur die eine nicht, welche unter dem Einflusz eines lateini- 
schen Vorurtheils entstand. Hippoiytos wird mithin seinen achtjähri- 
gen Cyclus aus^ der ihm vorliegenden Enneakaidekaeteris der Alexan- 
driner verkürzt haben. Es mochten 19 Jahre sich dem vierjährigen 
Zeitkreise Caesars gegenüber als incommensurabel wenig empfehlen, 
wogegen Hippoiytos über seine Oktaeteris die einfache Norm geben 
konnte, seinen ersten ifißoha^g zwei Jahre vor dem ersten juliani- 
sehen Btssext der Oktaeteris ; auf das Jahr nach letzterem seinen zwei- 
ten ifißoXuiftog; den dritten endlich auf den folgenden Bissext selber 
anzusetzen. ^) 

Da also auf Hippoiytos' Tafel die Jahre 1, 4, 7, 9, 12, 15, aber 
nach Wegräumung der lateinischen Sonderansichte*n das le, 4e, 6e, 
9ef 13e und 14e Jahr dreizehrmionatlich waren, so ist zu vermuten 
dasz eben diese Jahre auch in der alexandrinlschen Enneakaidekaete- 
ris Schaltjahre waren. Es fehlt nun noch eine Vermutung über das 
letzte Schaltjahr. Da die Vergleichung beider Datenreihen zeigt dasz 
die drei dem Hippoiytos an 19 fehlenden Jahre den alexandrinlschen 
11, 12 und 13 entsprochen haben würden , unter diesen dreien aber 
das lle alexandrinische dreizehn Monde zählte, so erhellt dasz dieses 
dem auf das hippolytische 16e folgenden Jahre parallel gestanden 



Hippoiytos kann man sich als einen so beanftragten denken. 30) Mög- 
lich dasK die Verkürznng aaf acht Jahre Halt qder Anlasz fand in der 
Kande dasz auch der Enneakaidekaeteris eigentlieh eine Oktaeteris zu 
Gnmie liege. 



SSS A. Mommsen: Beiträge gur. yiecfaiecheii 

b&Ue. So gelangt man zu der Annahme» es werde Hippolytos ia dem 
Kanon, dem er als seinem Muster folgte^ wahrsdieinlieh das l7e als 
ein Schaltjahr, das 16e und 19e als Gemeinjahre vorgefunden haben.") 

Diese an den hippoiytischen Kanon geknüpften Erwägungen be- 
stätigen sich vollkommen durch Vergleichung der 84jährigea Oster- 
tarel des Viclorius , dessen Daten die Jahre 1, 4, 7, 9, 1% 16, 17 als 
österliche Schaltjahre ergeben ; auch Victorius' Tafel ist für die latei* 
nisohe Kirche bestimmt. Von eioer wiederkehrenden Oktaeteris findet 
sich begreiflicherweise bei Viclorius keine Spur. Die Datej;! sind an- 
ders berechnet, desto wichtiger also die Uebereinstimmung der Schalt* 
und Gemeinjahrsfolge. Die Ansetzung des 7n und 15n sowie der wei- 
terhin im Kanon entsprechenden Jahre als Schaltjahre schdnt Viclo- 
rius als traditionell in der lateinischen Kirche beibehalten zu haben. 

Obwol es nun wahrscheinlich ist dasz die ursprangliche Osier- 
tafel der Alexandriner das le, 4e, 6e, 9e, 12e, 14e und 17e Jahr drei- 
zehnmonatlich zählte, so dürfen wir doch noch nicht sofort mit der Zur 
mutung dieselben Schalljahre bei Kallippos zu finden an die heidni- 
schen Vorzeilen hinantreten. 

Schon in Gap. II S. 215 ist denjenigen entgegengetreten worden, 
die etwa sich wundern , wie die bisherige Untersuchung danach ge- 
trachtet, die älteste Form der kirchlichen Enneakaidekaeteris Alexan- 
drias aufzufinden durch Umwege ^ ohne die voykommen beglaubigte 
Gestalt derselben wie Dionysius Exiguus sie gibt zu beachten. Diony- 
sius bestimmt ^ausdrücklich' das 3e, 6e,Be, lle, 14e, I7e und.l9e Jahr 
zu Schaltjahren, und wer die alexandrinischen Ostergrenzen nach- 
rechnen will , findet eben bliese Jahre dreizehnmonatlich. Hätte denn 
diese neualexandrinische Sclialtjahrsfolge , die doch aller Wahrschein- 
lichkeit nach zu Alexandria entstand, nicht das Näherrecht auch als 
die altalexandrinische Gestalt zu gelten, von der also gar nicht abge- 
wichen wäre ? mithin für diejenige Form der Enneakaidekaeteris , in 
der man das bei den Alexandrinern bewahrte Erbgut von Meton und 
Kallippos erkennen müste? — Ein solches Näherrecht ist deshalb 
nicht vorhanden, weil die Enneakaidekaeteris des Dionysius sich an 
die christliche Aera anschlieszt, während, wie oben gezeigt ist, Hippo- 
lytos und die 84 jährige Ostertafel von heidnischen (neumetoniscfaen) 
Epochen ausgiengen, folglich ihre Schaltfolge eher die heidnische sein 
kann. Offenbar ist der Anschlusz an die christliche Zeitrechnung die 
später entstandene Weise. Das letzte neumetonische Epochenjahr 
vor Christo ist 01.193, 2= v.Chr. 7/6; Dionysius Exiguus, der Urheber 
unserer christlichen Aera, begann nun, wie sich zeigt» die sechs Jahre 
vorher wegwerfend, seine Enneakaidekaeteris mit OL 194, 4=: v. Chr. l/l 



31) Zu dem gleichen Resultate gelangt man, wenn man dem 16jahrigen 
Kanon einen zweiten anlegt und weiter zahlt; dann kommt man mit dem 
17n Jahr auf einen ifißoXiafMg, das 18e und 19e bleiben Gemeinjahre. 
Dieses Verfahren ist insofern nicht unberechtigt, als eine Abändetung und 
Verkürzung wenigstens in den ersten Cyclen wenig bemerkbar sein sollte.. 



A4 Memmsea: Belträge^zur gneehischeii Zeilreduuing. 22S 

n« Chr. xa zählen, behielt'aber die Schaltjahrsfolge, welche die von 
der heidoiachen Epoche laufenden Cyclen gaben; so musten ihm das 
äe, 6e, 8e, lle, 14e, 17e und 19e Jahr seines Kanon zu Schalljahren 
werden. Nichts kann also sicherer erwiesen sein, als dasz Dionysius 
an dieselben Schalt- und Gemeinjahrsfolgen sich anschlosz wie die 
nach welchen Hippolytos arbeitete , also nach Enneakaidekaeteriden, 
in denen die Jahre 1, 4, 6, 9, 12, 14 und 17 dreizehnmonatlich waren. 
Zur Veranschaulichung möge hier die Entstehung von Dionysius erstem 
Kanon sich darstellen ; iiißoXiOfiog bezeichnet die österlichen Schaltjahre. 



Jahi 



-e des 19jäh< 



rig>en Cyclusfvon 



der 



christlichen 



£poche(nachDio- 



uys] 



ixifruus) 
laufend. 



Jahre de» lOj&hri^en Cy- 

clus von der neumetoni- 

schen Epoche laufend. 

vor Christo 7 
6 ' 

3 * 
2 ' 

1 ; 

nach Christo 1 ^ 

2 . 

3 • 

4 ' 

5 ' 

6 ' 

7 " 

8 ' 
9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 ' 

16 

17 

18 

lÖ 

Man sieht also wie sich dieser von Dionysius Exiguus' Schalt- 
jahren zu entnehmende Einwurf in eine genaue Bestätigung der 
Schaltordnungen welche er vorgefunden haben musz umwandelt. Zu- 



1 i(ißoUafi,6g 



4 i^ßoXiüfLos 
5 

6 iiißoltafios 

7 . . . . 

8 . . . . 

10 ... . 

11 ... . 

12 i[ißoXtafi6s 

13 ... . 

14 iiißoXiafiög 

15 ... . 

16 ... . 

. 17 fyßoXiaitog 

18 ... . 

19 ... . 

1 i(ißoXtaii6g 

2 . . . . 



4 ifißoXiaiAog 

5 . . . . 

6 iii^ßoXiafbog 



1 
2 

4 

5 

Qi(i>ß. 

7 

Hiiiß. 

9 
10 

11 ifLß. 
12 
13 

Uifiß. 
15 
16 

17 ifip. 
18 
I9i(iß. 



S24 A. Mmmnsen: BeitrS^ cur grieehiseben SM^Mkmng. 

gfleich ist wieder deutlich -wie IHonysias 9Ö wenig als mdglieh an der 
schon bestehenden Osferschaltordnung veränderte, vielmehr die vor- 
gefundenen EmboUsmen beibehielt und lediglich 4ie Epoche änderte. 
Durch diese verstandige Schonung des bestehenden seheint es ihm 
auch gelungen zu sein für diese Rechnungsweise seine Zeitgenossen 
völlig zu gewinnen , denen auszerdem auch die christlichen Beweg- 
gründe zu Gunsten seiner Chronologie entscheidend dünken musten. 
Wir haben also anzunehmen daszdie ältesten Kirchenlehrer Alexan- 
drias sich zur Ansetzung des Osterfestes einer Enneakaidekadteris be- 
dienten, in der die Jahre 1, 4, 6, 9, 13, 14 und 17 dreizehnmonatlich 
waren. Da nun nachgewiesen ist dasz man auch in der ältesten Kirche 
ausgieng von neumetonischen Epochen, so liegt die Vermutung nahe 
dasz jene Schaltreihe auch die neumetonische sei. 

IV. 

Ehe aber die*bisherigen Ergebnisse weiter- vierfolgt werden, müs- 
sen einige principiell abweichende Ansichten hier besprochen werden. 
*Die Schallmonate' so wird behauptet (von A. Boeckh : zur Geschichte 
der Mondcyden der Hellenen S. 101) 'dienten in den Cyclen dazu, 
den gegen die Sonne gerechnet zurückgegangenen Jahresanfang wie- 
der vorwärts zu schieben , und es ist daher gegen das Wesen eines 
Cyclus , dasz er mit dem Schaltjahr beginne.' Wäre dieses richtig, 
so müste auch der julianische Zeitkreis mit dem Schaltjahr schlieszen; 
im Gegentheil liesz Julius Caesar ihn mit dem Schaltjahr anfangen. 
Für das Princip macht es keinen Unterschied ob man den zurück- 
gegangenen Anfang des Sonnenjahres um einen Tag, oder ob man den 
zurückgegangenen Anfang des Mondjahres um mehrere Wochen wie- 
der VQ^rwärtszuschieben hat. Jene Behauptung widerspricht ferner dem 
Osterkanon des Hippolytos , auch der sehr gut gearbeiteten 84jährigen 
Ostertafel der lateinischen Kirche , d. h. zweien nicht erst durch Ver- 
mutung erralhenen, sondern historisch durchaus beglaubigten iuna- 
rischen Zeitkreisen. Man kann auch die Monate selber heranziehn, 
sofern man mit dem 30tägigen beginnt, also dem Monde seinen Zu- 
schusz an Zeit gleichsam praenumerando gewährt ; ja eine consequente 
Befolgung der Vorschrift dasz, alle Monate voU genommen , immer 
der 64e , 128e Tag usw. wegzulassen sei um die hohlen Monate zu fin- 
den, ergibt den Anfang des Cyclus mit zwei 30tägigen Monaten, so 
dasz dem Monde zwei Zuschüsse vorauf gegeben werden. In der 
That also scheint jene Ansicht nicht haltbar und dürfte auf einer Ver- 
wechslung beruhn. Allerdings nemlich gelangte wol der Mensch nur 
allmählich zu der Kunde , dasz bisweilen ein 13r Mondwechsel herzu- 
zunehmen war; anfangs mochte er es mit dem 12 monatlichen Jahre 
versuchen , bis er sah dasz es zu kurz war. Und auch bei der ersten 
einigermaszen zulänglichen Schalteinrichtung konnte es natürlicher 
scheinen und näher liegen , immer erst so lange es angieng bei der 
Hegel zu bleiben, d. h. bei dem 13 monatlichen Jahre, darnach die 
Ausnahme — das 13 monatliche — folgen zu lassen. Diese einem 



A. MomniBen: fi^RrUge zur griediisdhen Zeitrechnung. 

kindlichen Sinn ^anz gemäsze Aufibesung^ zeigt die Okiiameris, weli^e 
das 3e, 5e und 8e Jahr zu EmboUsmen machte« Als aber Meion der 
Chronologe aus den Kinderschuhen half und mit herlichem Schar f- 
btick die £nneakaideka€teris erfand, da verfögte die Wissenschaft 
frei über die gewonnene Einsicht.*') Sie muste indes auch einer 
auszer ihr liegenden, nemlich dem praktischen Leben angehörenden 
Rücksicht zugleich eine umsichtige Beachtung schenken. Diese prak- 
tisdie Rücksicht aber war die auf den bestehenden Kalender. Diesen 
so wenig als thunlich zu stören und dennoch ihn zu berichtigen , mit 
dieser Berichtigung audh nicht nutzlos zu zögern war recht eigentlich 
der Triumph der Wissenschaft. Nun brauchte Meton eben nur 19 Jahre 
aus der Reihe aufeinander folgender Oktaeteriden mit den erwähnten 
Schaltjahren (3. 5. 8) herauszunehmen , um seine Idee zu verwirk- 
lichen ; die durch das Gesetz der wiederkehrenden Enneakaideka^teris 
dennoch entstehende Abweichung^ von der alten Schaltreihe konnte 
erst nach Jahren merklich werden. So hieng es am Ende nur auszer- 
lieh von der Erlaubnis irgend eines Machthabers (des Perikles?) ab, 
wo Meton seine Epoche ansetzte. Nichts hinderte von dieser etwaigen 
Erlaubnis alsobald Gebrauch zu machen. Denn er konnte mit jedem 
beliebigen Jahre der OktaSteris anfangen, ohne der Richtigk^t seines 
Cyclus zu schaden oder für die ersten Decennien die alte Schaltjahrs- 
folge zu stören« Dionysius Exiguus hat die freilich leichtere Aufgabe, 
aus dem von einer nicht christlichen Epoche laufenden Kanon eineti 
christlichen zu entwickeln, in ähnlicher Weise gelöst, wie das oben 
nachgewiesen ist. Er machte blosz einen Ausschnitt aus den bisherigen 
Schallfolgen. 

*Auch in der von den Juden angenommenen Form des neunzehn- 
jährigen Cyclus* so heiszt es weiter (a. 0.) *sind die zwei ersten Jahre 
Gemeinjahre und das letzte ein SchaltjiJir.' Da die jüdische Schalt- 
ordnung identisch ist mit der von Dionysius Exiguus angesetzten, also 
mit der neualexandrinischen, es aber ohnehin anderweitig feststeht dasz 
die Kalenderberechnung der Juden nicht ihre eigenthümliche £i€n- 
dung ist, so wird es in hohem Grade wahrscheinlich dasz die Folge 
der Schaltjahre gleichermaszen entlehnt sei, wir also ohne Grund von 
«iner jüdischen Gestaltung des Cyclus reden würden, weil dieselbe 
in Wahrheit die christliche, an die Incarnalion unseres Herrn ge- 



82) Ein Leser welcher bemerkt, dasz die hier yertheidigte GoBstruction 
des metonischen Cyclus die umgekehrte Idelersche ist, mag vleileicht hier- 
über stutzig werdeir und, in der Art wie Boeckhs Gegenbehauptung, ein 
Votum abgeben dahin lautend , dasz Idelers Schaltkreis genau mit Geminos' 
Regeln stimme; wer denselben umkehre, der bringe einen nicht blosz um- 
g-ekehrten sondern auch verkehrten und falschen Zeitkreis zu Wege. Einem 
also behauptenden möge diese Note sagen, dasz die bisherige Gewohnheit, 
der lange Gebranch des von Ideler aufgebauten Cyclus, wol einigen Antheil 
an seiner Behauptung habe, und dasz, wenn wir zwar gewohnt sind ein 
gesottenes Ei auf die spitze Seite stellend die breite zu öffnen, es dem 
>Ve8en des Eis nicht zuwider ist dasselbe umzukehren, wol aber unserer 
Gewöhnung, die freilich dem Eieresser seinen Genusz bequemer macht. 



226 A. Mommsen: Beitrige zur fpriechlscben Zeitredmong. 

kfifipfle ist. Dasz aber diese Form blosz durch Yersehidiiing der 
Epodie aus einer andern älteren , die das Näherrecht der AbstaoHnaiig 
vom Kailippos und Meten habe, entstanden, ist vorhin gezeigt worden. 
Die jadische Chronoiog^ie nahm also wol einen ähnlichen Gang wie 
dieunsrige; denn anfangs rechneten auch die Juden nach dem kallip- 
pischen Epochenjahre, da sie die Aera der Seleukiden brauchten. 
Der j&dische Kalender erweist sich ebenso abhängig wie das Volk. 
Wenn nun Petavius im metonischen Cycius das 3e, 6e, 8e, He, lie» 
17e und 19e Jahr dreizehnmonatlich ansetzte , also dieselben Sehalt- 
jahre statuierte wie sie im jüdischen Zeitkreise* folgen, so fragt es sich 
doch wol, ob ihn die Annahme leitete, der jüdische Schaltzirkel werde 
auch der altgriechische gewesen sein..**) £r konnte sich die Sache 
so denken, dasz der neualexandrinische Cycius, welcher beiläufig 
auch einerlei war mit dem judischen, auch der altalexandriaische 
müsse gewesen sein, d. h« dasz es einen besonderen altaiexandri- 
nischen Schaltzirkel nie gegeben habe, mithin der neualexandrinische 
zunächst gelten. dürfe als herrührend von den altgriechischen Astro- 
nomen. Und würde nicht diese Folgerung alles für sich haben, wienn 
unsere Quellen sonst keine weiteren Daten an die Hand gäben? — Die 
christliche Gestalt der Enneakaidekaeteris mochte auch Dodwell vor- 
schweben; seine Anordnung der Schaltjahre weicht von dem noch 
heute üblichen Osterkanon nur in einem einzigen (der 13e statt des 
14n österlichen Embolismos) ab. Diese Ansicht ist auch die Idelersche. 
Jeder sieht aber wie sehr sich derjenige im Vorlheil befindet welcher 
behauptet, eine von christlicher Epoche laufende Enneakaidekaeteris 
habe weniger Recht an Aehnüchkeit mit der kallippischen als eine von 
heidnischen Epochenjahren laufende und eben von denen, welche in 
Kallippos' Periode die Enneakaidekaeteriden anfangen. 

Wir haben also jene oben gewonnene Form des altalexandri- 
nischen Cycius, wie die lateinische Kirche ihn bewahrt hat unter Be- 
rücksichtigung ihrer Sonderansichten, zu prüfen, ob sie die kaUip- 
pische d. i. metonische Schaltordnung enthalte. Es wird dies unter 
der Voraussetzung geschehen, dasz sowol der melonische als der kal- 
lippische Cycius von ihren Epochenjahren an wirklich im bürgerlichen 
Leben gegolten haben, nicht aber ihre Epochenjahre und Schaltord- 
nungen blosz imaginär und die wirklich giltigen Jahre nach einem an- 
dern Kanon gezählt worden sind. Wer die Zeugnisse und das that- 
sächliche unbefangen erwägt, wird gewis mit Ideler I S. 322 zu dem 
Resultate gelangen, Masz die Gründe für den Gebrauch des Cycius 
die för seinen Nichtgebrauch überwiegen oder vicläiehr , dasz die letz- 
leren bei einer näheren Prüfung als unhaltbar erscheinen.* Boeckh 
hat dieser Ansicht lange Zeit beigepflichtet, bis ihn epigraphische For- 
schungen lehrten dasz die Dodwell -Idelersche Anordnung des Cycius 
mit gewissen Jahren streite, welche als zwölf- oder dreizehnmonat- 



33) Ideler glaubte sich PetaTius' Anordnung so erklären zu müssen 
I S. 330. -^ 



A. Mommsen : Beiträge zur ^iechischen Zeilreehnun§^. 227 

liehe sich urkundlich ihm ergaben« Da nun Boeckh die Idelerftche 
Anordnung für die inetonische hielt, so glaubte er, Metons Schaltjahre 
hätten nicht praktisch gegolten , man sei lange Zeit bei der alten Oktad- 
teris geblieben, erst 01.112, 3 hätten die Athener den metonischen 
Cyclus angenommen , gerade in dem Jahre wo dieser von Kallippos 
verbessert und an eine neue Epoche — eben OL 112, 3 — geknüpft 
ward , den nicht verbesserten Zeitkreis nach seiner alten Epoche ein- 
fahrend. Vorher hätten sie nach achtjährigen Schaltcyclen gerechnet ; 
und dieses Okta^teridensystem nach gewissen Wahrscheinlichkeiten 
zu ordnen und als übereinstimmend mit den urkundlich feststehenden 
— resp. 12' oder 13 monatlichen — Jahren nachzuweisen, hat Boeckh 
groszen Scharfsinn aufgeboten. Aber sein System scheint, ähnlich 
dem ptolemaeischen Weltsystem, auf einem nicht haltbaren Grunde zu 
ruhen; nemlich dem unbedingten Glauben dasz die Idelersche Anord- 
nung des Cyclus auch die metonische sei. 

Es fügen sich nemlich die urkundlichen Schaltjahre allerdings 
nicht in diejenige Anordnung der Enneakaidekaeteris welche sich an 
den von christlicher Epoche laufenden Osterkanon anlehnt; sobald man 
aber die österliche Schallordnung von der heidnischen Epoche ab zu 
Grunde legt, stimmen die urkundlich sicheren Jahreslängen mit der 
Anselzung überein, also damit dasz in dem Cyclus die Jahre 1, 4, 6, 
9, 12, 14 und 17 je dreizehn und der Rest je zwölf Monate hatte. 

Das erste neumelonische Jahr ist zwiefach belegt, aus Dionysios 
von Halikarnass I 63 und aus einer Inschrift. Aus Dionysios ersieht 
man nemlich dasz das troische Eroberungsjahr dreizehn Monate hatte, 
indem es fast drei Wochen nach den Sommerwende schlosz; es war 
aber das Jahr v. Chr. 1185/4, und dies ist ein erstes neumetonisches. 
Wer behauptet es sei ein allmetonisches '*) , der traut dem Dionysios 
und damit demEratosthenes • — denn dessen ocavovsg vertrat ja Diony- 
sios in einer besondern Schrift — zu, er habe nach der altmetonischen 
d. h. einer bereits durch eine bessere ersetzten Regel seine Chrono- 
graphie eingetheilt, dagegen die kallippische d.h. die richtigere Weise 
verschmäht , was in der That dem kundigen Eratosthenes , der wenn 
irgend einer auf Chronographie und exacte Wissenschaften sich ver- 
stand, sehr wenig geziemt halle. Man kann noch folgendes hinzu- 
fügen. Die kallippische Chronologie ist eine mehr hellenistische, das 
ganze Alterthum angehende, die des Meton eine mehr athenische. 
Kallippos war aus Kyzikos , Eratosthenes aus Kyrene : sie stellen sich 
dar als Männer einer mehr allgemein griechischen Bildung, welche 
nicht von vorn herein auf Athen gewiesen waren. — Der andere Be- 
leg ergibt das Jahr Ol. 112, 3 als Schalljahr, ein erstes neumetonisches 
und zwar das Epochenjahr des Kallippos , Archon Aristophon. Boeckh 



34) Dasz es nach meiner Norm übrigens ein altmetonisohes Schaltjahr 
gar nicht sein konnte, bleibe hier anszenvor. Wer den altmetonischen Cy- 
clus suruckrecbnet nnd meiner Anordnung folgt, wird finden dasz erst 
1184/3 ein allmetonisches Schaltjahr ist. 



^ jiu^ grieebieciien Zeiirechaungr. 

^^^jütskttit des Jahres aus dem Fragment einer 

Oft» IkmAnkf^^^'^ 

im^rhff^ »"^ ^ ^ ^L^ gibt es einen ebenfalls epigraphischen Beleg 
jTiJHr *•* ^^?y^gyggeUt dasz das Jahr des Dionysodoros richtig 
ib»mdlJ^^^^ ^ ^ ehr, gesetzt worden, ist OL 208, 1 Zwölfmonat- 
9MÜ ^^^Qt'^mod, 1 ist ein drittes neumetonisches Jahr bei Kallippos. 
**^ i^^^sechsle Jahr ist als Schaltjahr belegt durch eine Stelle des 
immtr^" Dieses musz ein kallippisches Schaltjahr sein, weil Pto- 
??Üi^ !r ^!uial der kallippischen Periode sich anschlieszt und, auch 
wMiit wir dieses gar nicht wüsten, ein Astronom des 3n christlichen 
iji. ^ richtigere und allgemein verbreitete Periode des Kaiiippos 
MesM^ brauchen muste. Ptolemaeos hatte dabei indes nur Vor- 
gängern zu folgen , dem Hipparchos , dem Timocharis ; diesen zlemle 
ebenso wenig der Gebrauch eines Cyclus , an dessen Statt sich schon 
ein genauerer darbot. Alle diese Männer werden einzig und allein 
kallippisch gerechnet haben. Dasz sie nach 330 so rechneten gibt nun 
vielleicht jeder zu, nicht so für die Zeit vor 330. Boeckh a. 0. S. 103 
meint dasz Ptolemaeos' Angaben aus Hipparchos, die Jahre Ol. 99, 2 
und 99, 3 betreffend, altmetonisch zu nehmen seien. Es handelt sich 
hier um Beobachtungen , die ursprünglich zu Babylon angestellt waren 
und deren Daten nun auf hellenische Zeit wissenschaftlich reduciert 
wurden. Die Wissenschaft konnte hier ganz frei walten, und wer 
könnte zweifeln dasz Hipparchos, aus dem die Beobachtungen zunächst 
citiert werden, diese Reduction nach der theoretisch richtigeren Periode, 
der kallippischen, anstellte ? Ja gesetzt ein Vorgänger des Hipparchos 
hätte jene Daten altmetonisch reduciert, da wäre es die Pflicht des 
Astronomen gewesen diese altmetonische Reduction in eine neumeto- 
nische umzusetzen , denn nicht zweien Epochen konnte die Astronomie 
folgen sondern nur einer, nicht zweien Gebieterinnen dienen, der 
Richtigkeit und der Unrichtigkeit , sondern aliein der Richtigkeit. Nir- 
gends ist hier eine Spur vom Gebrauch der altmetonischen Enneakai- 
dekaeteris. Erwäge man einmal die Sache in ihrer Anwendung. Für 
die Zeit des Timocharis etwa 290 v. Chr. und. für die des Hipparchos 
etwa 130 v. Chr. sieht der astronomische Gebrauch der kallippischen 
Periode fest aus Ptolemaeos Alm. YII cap. 2. Gesetzt diese Astrono- 
men hätten die altmetonischen Ansätze von Ol. 87, 1 bis Ol. 112, 2 be- 
stehn lassen und auf sie fremde Daten reducieren wollen, in der 
Meinung die wirklich so in Staat und Verkehr gillig gewesenen Jahre 
Athens nicht umstoszen zu dürfen, wie hielten sie es dann mit weiter 
als 01.87, 1 == v.Chr. 432 zurückzurechnenden Jahren? Hier lagen 
doch keine giltig gewesenen metonischen Jahre vor, denen sie das 
Dementi zu geben sich scheuten ? oder wenn schon von der altmeto- 
nischen Epoche aufwärts vollzogene Retrocomputationen vorlagen, 
hatten sie vor dieser doch nur imaginären Ansetzung altmetoniscber 
Enneakaidekaäteriden einen so abergläubigen Respect, dasz sie es 
nnterlieszen die kallippischen Perioden an deren Stelle zu setzen? In- 
^s wenn sie dies letztere thaten, bereiteten sie neues Leid, weil dann 



A. Mommsea: Beilrage zur grieehischen Zeilreduittug« 

die 102 altmetonisGh gerechneten Jahre von 01.87, 1 bis Ol. lU, 3 
gleichsam enclaviert waren von kallippischer Zeitrechnung und bio9X 
dienen konnten um diese letztere zu verwirren, ihr die vortreffliche 
Eigenschaft des aufgehens in ganze Cyclen zu rauben und den Astro- 
nom zu nöthigen auf seiner Hut zu sein dasz er im alimetonischen Ge- 
biete nicht etwa einmal kallippisch rechne und umgekehrt. Aber wie- 
derum, wer mit Boeckh annimmt man habe zu Athen von OL 87, l bis 
Ol. 112, 2 gar nicht nach Meton gerechnet, der wird um so weniger 
Anstand nehmen zu behaupten dasz Hipparchos auch nicht einen Augen- 
blick zweifeln konnte die kallippische Periode in die älteren Zeilen vor 
330 zurück zu rechnen, sobald die imaginäre Chronologie nach Kallip- 
pos eine ebenfalls nur imaginäre nach Meton vorfand, mochten auch 
Melons und anderer Himmelsbeobachtungen nach altmetonischen Cyclen 
datiert vorliegen , was in der That gar nicht Hnders sein konnte. Aber 
diese altmetonischen Daten werden die späteren Astronomen , wenn sie 
sie überall brauchten und nicht babylonische oder aegyptische vor- 
zogen, auf neumetonische reduciert haben. Es ist also das Jahr 
Ol. 99 , 3 , welches gemäsz den Daten aus Hipparchos dreizehn Monate 
hatte , als ein neumetonisches Schaltjahr in Kaliippos" Periode zu be- 
trachten, keineswegs als ein altmetonisches, was Ptolemaeos gewis 
ausdrücklich bemerkt hätte. Wenn er statt zu schweigen diese Be- 
merkung gemacht hätte , so würde diese dem heute nach dieser und 
morgen nach jener Epoche rechnenden Hipparchos zum Tadel, den 
Lesern aber zur Verwunderung gereichen, da Hipparchos sonst fast in 
jeder Beziehung ein Muster von Wissenschaftlichkeit ist. — Ein klei- 
ner Misstand war hierbei unvermeidlich, dieser dasz man dem be- 
gründeten Usus zufolge den Archonten nannte für ein Jahr, welches 
nicht genau das diesem Archonten angehörige war , weil die kallippi- 
sehen Jahre früher als die melonischen beginnen und weil das all- 
metonlsche Archontenjahr , wie es wirklich gegolten, häufig einen Mo- 
nat länger oder kürzer angesetzt werden muste nach Kallippos ; denn 
Uebereinstimmung fand blosz bei fünf Gemeinjahren innerhalb der neun- 
zehn des Cyclus statt. 

£s folgt nun im Cyclus das 7e und 8e, beides Gemeinjahre, das 
9e ein Schaltjahr und das lOe wieder ein Gemeinjahr. Diese vier zu>- 
sammenhängenden Jahre sind in ihrer Zwölf- oder Dreizehnmonat- 
lichkeit nachgewiesen von Boeckh (über zwei attische Kechnungs- 
urkunden, Abhh. der berliner Akad. d. Wiss. vom J. 1846); es sind 
die Jahre 01.88, 3 bis 89, 2, welche als einer in altmetonischer Zeit 
entstandenen Inschrift angehörig gezählt werden müssen von der alt- 
metonischen Epoche Ol. 87, 1. Ist aber Ol. 87, 1 das erste Jahr , so 
igvird OL 88 , 3 usw. das siebente usw. sein , gemäsz der österlichen 
Sehallordnung welche oben aus Hippolytos u. a. ermittelt und als die 
-virahrscheinlich kallippische betrachte wurde; in Uebereinstimmung 
a.uch mit der Nachricht des Geminos , Kallippos habe die Schaltordnung 
des Meton nicht geändert, so dasz ein so und so vieltes Jahr im Zeit- 
lere» des Meton die gleiche Monaiszahl haben musz wie ein ebenso 



SM A. MomoMen: Beiträge lar grieohisehen Zeitrechnung. 

vieHes in dem nemnetoniscben Zeitkreise bei Kallippos. — Nicht un- 
'willkommen ist es das von Metons Epoche ab dreizehnmonatlich ge- 
fundene neunte Jahr (Ol. 89, 1) mit gleicher Sicherheit beurkundet zu 
sehen f&r die neumetonische Epoche des Kallippos und zwar zwiefach, 
nemlidi für Ol. 114, 3 das neunte Jahr der nach Ol. 112, 3 ersten neu- 
metonischen Enneakaidekaeteris und für 01.119, 2 das neunte Jahr 
der nach Ol. 112 , 3 zweiten neumetonischen Enneakaidekaeteris. Ben 
vollständigen Nachweis über die Inschrift aus dem Jahre des Philokles 
01.114, 3 gibt Boeckh Mondcyclen S.46if. und die einer unzweifelhaften 
Ge^sheit nahe kommenden Ergebnisse aus mehreren Inschriflenfrag- 
menten, das Jahr des Leostratos Ol. 119, 2 betr., ebd. S. 51 ff. Man kann 
in der Tfaat kaum einen Schritt auf diesem epigraphischen Gebiete thun, 
ohne den Spuren des vielkundigen Führers dankbar nachfolgend inne zu 
werden, wie er Körnchen für Körnchen der sichern Wahrheit hinzuge- 
legt und die Basis dieser Untersuchung recht eigentlich geschaffen hat 

Das siebzehnte neumetonische Jahr ist als dreizehnmonatlich be- 
legt durch eine schon von Ideler I S. 342 benutzte Inschrifl aus dem 
Jahre des Nikodoros OL 116, 3. 

Endlich hat für ein achtzehntes altmetonisches Jahr Rangabe ein 
bestätigendes Ergebnis gewonnen dasz es zwölfmonatlich gewesen, 
zufolge *der Zinsberechnung einer aus dem Schatz der Athene im Jahre 
OL 91, 2 entnommenen Summe^, s. Redlich Meton S. 64. OL 91, 2 ist 
das vorletzte in Metons erster Enneakaidekaeteris. 

V. 

Nachdem es sich also ausgewiesen hat dasz die aus den Ostercy- 
clen gewonnene Vermutung über die wahrscheinliche Einrichtung des 
kallippischen und metonischen Schallkreises durch die urkundlich be- 
kannten dreizehnmonatlichen und zwöifmonatlichen Jahre bestätigt 
wird, lassen sich nunmehr die altgtiechischen Cyclen mil Hilfe der 
Regeln des Geminos construieren. 

Aus gewissen Daten des Almagest geht hervor dasz Kallippos 
seine Periode am 28n Juni begann. Da nun die sichtbare vovfii^v/a 
sich erst am Abend des 29n zeigte , die astronomische aber morgens 
halb vier den 28n eintrat, so zeigt es sich dasz Kallippos von der 
volksthümlichen Weise abgieng den Monat mit dem Abend, da zuerst 
die Mondsichel bemerkbar war, zu beginnen, wie er denn auch statt 
der scheinbaren Auf- und Untergänge der Sterne die wahren setzte. 
So lehrt Ideler I S. 346. Berücksichtigte also Kallippos die sichtbare 
vinf(itiyU)c nicht, so liegt die Vermutung nahe dasz er seinen Tag auch 
nicht nach der griechischen Sitte mit dem Vorabend begonnen , son- 
dern wie andere Astronomen auch den Tagesanfang wissenschaftlicher 
in eigner Weise bestimmt habe. Nach Ideier hätte Ptoiemaeos den 
Morgen gewählt; Hipparchos fählte seinen Tag von der Mittemacht 
an , wie die Sitte der Aegypter verlangte (Plin. N. H. II 79 bei Ideler 
I S. 160); dem Ptoiemaeos mochte man am liebsten denselben Tages- 
anfang zuschreiben 5 denn was lehrt er anders als hipparchische Afetro- 



Am Umame^ '. JB^tUiSgAiSur gfiecbifAltfin: ^ekfff^SjtuMiQg. SM 

• 
Doi»ie? Aber .ire)^her^KpoehenaUiAc|e. fplgte.:4eiui Kal{iiipgB9.MPMier 
m««09 pfilegiia^CTptUsohe Dalfia na^df^^'A^rn (jbes Ni^)>ona«ßar wt kal* 
lippi^elipn 2a p^raUeiisieren ; nun ab.«r.. sejUt er die £pqcb^n8(uade der 
erstem <auf deii.MiUag des In Tholb, qo da$z wit) f^qneigl werdßnjdeaa 
yoT9#aeizten Datiom d^r ^riecbi^en A^tranomie d^^leicbe Epocheiv 
stunde. beisuLegetu Dasz. er dennoch; selber d?n T^^ mit dem Mf^rgejn^ 
zu befii^eyEt sc^eauit» soferri e,r die Nip^gen^uade 4es 31n Pbaipenoth 
bernaicb depi.Anfangf de# 31n Pha^nißnotUii^uin^eisl (Almag^st III 2 St. 
li62 ff . Ideler I 3* '100]! , $%iait eben bo Scchljecht mH der , dennoch, gan^ 
sichßr»^ E^pochei^st^nde jener Aei;a und widerlegt al$a. keineswegs dasz 
Kallifpos nicbi.^a€tirden.Mijlt^g.]L9Anie gezahlt babeo« Tielieichti at^r 
beruht Jdeiers .Anaic^ von Ptojepiaeos' loatinaler Epoche auf. ein^r m 
eigQnUioben Auffas^uiig: djerfWo^te desselben: n&ql. tifv i^ifv rtig.vov 
^UfiSVGi&.Kcfli^ indem der früheste. Sonnenaufgang, des Jahres ^ von 
weichem, hier, die B^de ist, ; doch "wot^ den Tag vo^ MliUer^aohi!« a^g^- 
zahU y den Anfangsstunden :-^: freUieh nicht. deRi .Anlangspuniite ,; was 
auch nicht m tcc^/: liegt —v des ptolentaeischen Tages, angi^hört,: Abge- 
sehn , von; dem 'u^^'wiilkpinmeiien schwanken ^nf^r matinjaUen Epochen- 
stundß hat ßs: w?nig,W^scheinUchkeit dasz Ptolemaeas voni der zu- 
gleich «kegyplisc^ßn. is^id zudem afich. hippskrcbisoben ^eise. den: Tag 
mit der lVIitjl€^r<>{^sht zu beginnen Mch^:enjtfer^l hab^n sollte. Nun.^- 
klärt sich auch noph; diei Nitnen^ung des.foig^den TagQs bei ^ faist al- 
l^u' nächtiichei^ Observationen die ptolei^iaeos,, berichtet, wie auch wir 
bei un^^er : ebenfalls j^iitternäehüichen Epochenstunde des Tages ver- 
anta3.zt;sind eine Nacht, z.jIB^ials die; vom eilften ^.auf den : zwölften zu 
bezeichnen. Ptolemaeos. hatiß da^u. noch ipfiehij Vera9i\a»5ung..bai iden 
damals untßr verschiedenen Völkern noch sehr vej^chiedenem Tages- 
anfangen, z. 3- di^m volksJhümliehen der Griechen vom Abend.^. dein 
von PtolemaeQs selbst angegebenen nabonassarischen^. vom Mittag. 
Wer Idelern^ der; leideren. Punkt allerdings. mit ebe» dem Rechte far 
seine Auffassung geltend gemafciht hat , beistimmt ^ der wird uns zu er- 
klären haben; wie es doch. zugehe: dasz Ptolemaeos so. allein daM^he 
mit der Anset^ung einer Tage^epoohe, die an sich selber.schwankend der 
astronomischen Wissenschfift sich wenig empfehlen konnte. Ptolemaeos 
ist ja auch überall mehr Sammler und Ueberlieferer bisher gewonnener 
Resultate. Man kann auch noch aus der mittäglichen Epochenstunde 
<}es In Thoth im ersten nabpnassarischen Jahr einen Grund ableiten 
§^e^en einen daneb^ gebrauchten Anf&ng des Tages mit dem Morgen. 
Während nemlich die Müternacht immer 12 Stunden vor dein' ^Mittag 
ciniriffl, wird jes bald früher bald später ]\torgen. Die mUtagliche 
Epoche erlaubte also wol den Gebrauch der einen halben Tag frühe- 
ren neben sich» sobald man nur eine bestimmte Regel. befolgte die 
Tage der nabonassarischen Aera den aegyptischeh gleichzusetzen, 
während der raorgenlich begonnene Tag auszer dem abweichenden 
und dazu sich verschiebenden Anfang auch noch etwas, kürzer oder 
etwas länger war. al§ der von Mittag zu Mittag, und. dazu an ver- 
schiedenen; Orten .verschieden (Plolem. Ahn. III 6 S. 208 fif.).* Was 

Jahrb. f. claM. Philol. Suppl.N. F. Bd. I Hft.3. J^Q 



• 
nun ien Kidlippos ^trifll, so war 68 , astrondnüisch angese^n, ^ben- 
ftiUs nicht passend den Ta£^ mit der bald früher bald spftfer beginnen- 
den D&nmerang des Abends anzufangen, nnd der Grieche that dies 
aneb nur nm den Monatsanfang aadi als Tagesabfang zu haben bei 
der vovftfqvü» ; -da Kallippos aber jenen nach der wahren Conjanetion 
ansetzte , so hinderte nichts aach diesen theoretischer zu bestimmen. 

Hiemach scheint es vorzuziehn nicht mit Ideler den Abend des9Bn 
Juni , sondern den Mittag dieses Tages als den Anfangspunkt der kaltip- 
pisehen Periode zu betrachten. Gehörten dem In Hekatbmbaeon des 
KalHppos vom S8n nur die wenigen Stunden vom spätesten Sonnen- 
unlergang des Jahres (Sommerwende> bis zur l^tternaeht, dagegen 
vom S9n bei weitem der gröszere Theil , so th&ten wir flberali Un- 
recht diesen In HektOombaeon nicht mit dem 19n Juni gleichzusetzen. 
— Der Mittag hatte in diesem Falle auch zugleich den Vorzug der 
wahren Conjuncüon um einige Stunden näher zu Hegen als der Abend. 
-^ Es erreichte aber Kallippos damit die Berichtigung des von Meton 
gemachten Fehlers, welcher sich, als die Zeitrechnung des Kallippos 
eintrat, auf ein Plus von 1^ Tag belief. Dies Drtttheil eines Tages, also 
etwa 8 Stunden, brachte Kallippos wol durch HinaüMckung der Epo- 
ehenstunde vom Abend auf den Mittag zuglei<^ ein (obwol- die Hälfte 
der Tagesh^le in Athen am längsten Tage etwas wemger beiragen 
wird)« Uebrigens handelt es sich hier begreiflicherweise nicht um die 
wissenschaftlich genaueste Bestimmung von Metons Fehler, sondern 
nur um die Vorstellung welche Kallippos von diesem Fehler hatte; 
Kallippos aber setzte Ihn zu ^ Tag jährlich an, was in den 103 Jah- 
ren von Ol. 87, 1 bis 112, 3 einen Tag und etwa 8 Stunden gibt 

Der erste altmetonische Hekatombaeon fiel um die Sommerwende 
des J. 433 v. Chr. und zwar auf den Abend an welchem der Neumond 
zuerst erblickt wurde« So scheint es nun als hätte man zwischen zwei 
Neumonden zu wÜilen, demjenigen welcher der Sonnenwende vorher- 
gieng und dem weicher nachfolgte. In der That aber ist eine solche 
Wahl keineswegs gestattet, denn Meton begann die Reihefolge der 
Fixsternerscheinungen und Episemasien, wdche als regulierende Seala 
wol neben den 19 Mondjahren im Parapegma herlief, mit dem Ta|^ 
der Sonnenwende.*'^) Hiernach läszt sich annehmen dasz seine Mond- 



3&) Diodor XIT 36^ sagt von Meton: iiidTjns t^v ^optaioftipfip hß- 

qotpoifuSvog tQiwaideiutvfig: es ist aber dies das kallippiscbe Datum der 
Sonnenwende des J. 432, sowie Meton sie ansetzte, der 27e Juni. Ptole- 
maeoB (Alm. Ill 2 S. 162 ff.) setzt die Beobachtung der Wende durch Me- 
ton auf den 21 n Phamenofh d. b. den 27n Juni, also auf dasselbe Datsm 
welches Diodor als die a^z^ foeseichnet. Dasz es nieht der Anfang des 
Cyclüs.war, sondern der des Sonnen- und Fixsternkaleaders, welcher eiiira 
in erster Columne daneben lief, weist Ideler I S* 326 nach. Dieser Ka- 
lender verdient indes wol nicht den Namen eines neunzehnjährigen, weiclieii 
Ideler ihm beilegt. Die Reihefolge der Himmelserscheinungen von der Son- 
nenwende an muste eben nur reichlich ein tropisches. Jahr umfassen . x&m 
auch fKr di« längeren (dreizehiunooatliehen) Jahre auszarelchea ; eine «imi^e 



A. MowniM».: Beiträge wn griechteehea ZeilceduHing* 833 

jalirordnting imeh nicht vor der Sonnenwende anhob, sondern n^ch 
derselben, ja es wird wahrscheinlich dasz die Sonnenwende überall 
von ihm als die früheste Grenze des ersten Hekatombaeon angesehen 
WOTden sei, ein Jahresanfang also, wie ihn Ideler für das dritte Jahr 
des metonischen Cyclus angenommen (Ir Hekatombaeon ;= 26n Juni), 
dieser wahrscheinlichen Absicht des Meton nicht entspreche. Auch 
Piaton (Gesetze S. 767) nimmt als selbstverständlich an, dasz das Jahr 
eiiMge Zeit**) nach der Sommerwende beginne. Die Vermutung dasz 
I^atonhier ein anderes als das zu seiner Zeit bürgerlich geltende Jahr 
im Auge habe, empfiehlt sich nicht für etwas so ganz beiläufig er- 
wähntes, gleichsam stillschweigend vorausgesetztes. Der Verfasser 
der Gesetze schreibt vor, dasz am Tage vor der Sonnenwende (i;ret- 
iav ^kk'g viog iviawiog iura ^SQtvccg TQOTtig t6 huovu (np/l yCyvt- 
a^ty tuizr^ tijg ri^dqag tj| nifoc^sv) die Behörden in einem Tempel 
zasammenkommen und unter Anrufung der Gottheit Richter wählen 
sollen, jede Behörde einen; dann^oll eine Dokimasie stattfinden, im 
Fall aber einer der gewählten die Prüfung nicht besteht (ictv dh ano- 
ioxificat^ tig\ eine in ebenso feierlicher Weise («ara ravrcc) vorzu- 
nehmende Neuwahl eintreten. Nun sollte doch die ganze Procedur ge- 
wis im alten Jahre beendigt sein, um mit dem neuen ins Leben zu 
treten , so da^ mit der Meinung des Schriftstellers derjenige Oydos 
am besten stimmt, welcher zwischen der Sonnenwende und dem Neu- 
jahr noch einige Ta^e verstreichen läszt, innerhalb welcher Frist sich 



solche Colamne.geniigte um eine jede Fixstemerscheinang durch sämtliche 
10 Jahre faiii meionisch %u. datieren, indem maa die z. B. in der ersten Co- 
Inrane Iftiks angegebene Fixsternerscheinung in derselben Zeile durch das 
g^nze Parapegma lu verfolgen im Stande war. Ebenso galten wol die Ne- 
benbemeriraiigen über Wetter, Wind u. dgl. ein für allemal für alle 19 ent- 
BpreGbeaden Daten des Cyclus, denn nicht den Monatstagen waren sie ange- 
knäpfk sondern den Fixsternerscheinungen, und swar so nicht erst bei üe- 
minos sondern seit alter Zeit^ vgl. Geminos Isag. 14 p. 70: ol yciQ an* 
UQX'^g naQtnriQ'Baavtes %cd avvta^ditBvoi ti naQanijyiittta^ iisvdaavtsg 
%ovs rdxovg tov Sadiaxov HvnXov , iv olg tag in£uap a[ iistccßoXcil vov 
a^ogyipovxai, infOnB^vto %cna xavg xffovovg xovtovg xiva t<ov uüXQtov 
iffavikU^ %zi. 36) Indes brachte der ftijv iTCLtav nicht allemal das Neu- 
jahr. Piaton ist hier nicht genau. Wenn man den In Skirophorion des 
10a altmetonischen Jahres = 27/28n Juni als den Tag der Wende ansiebt, 
so bringt unter den 19 Jahren des Cyclus der yki^v inimv sehnmal das neue 
Jahr, Man könnte auch dem Piaton in seinen ietsten Lebensjahren wol zu- 
IraiieB , dasa er Kenntnis nahm von dem theoretisch gewis schon damals ge- 
wonnenen Resultate, dass Meton die Wende su früh angesetzt habe (auf 
den 27n Juni) . so dasz er für .die Mehrzahl der Jahre den Hekatombaeon 
als den iiijv lni.mv betrachten konnte. Doch vielleicht dürfen wir Jene 
"W^orie nicht zu streng nehmen, weil am Ende Piaton doch nur einen festen 
Ta^ nennen will, welcher vor dem Jahresschlnsz noch eine Frist gewährt^ 
auf deren Lange es weniger ankommt. Es galt wol auch gemeinhin als das 
regelrechte, dasz das Keujahr auf den ersten Neumond nach der Wende 
fieiy wofür dvin als massgebendes Beispiel das metonische Anfangsjahr, im 
Parapegma gelten mochte, gleichsam Instar omninm. (Hierbei ist von den 
unten folgenden Tafeln ausgegangen,) 

16» 



2S4 A. Mommsen: BeiUrSge zur griechischen Zeitre^&iinn^. - 

jene platonische Vorschrift fGglich voHzieheri kaiih.**) — Auf keinenFall 
werden wir wol Ursache haben an Idelers Lehre zu zweifeln dasz Me- 
ton seinen Epochentag mit dem zuerst stchlbaren Neumonde nach der 
Sommerwende des J. 432 begonnen habe, also, da die Conjanclion 
abends halb acht Uhr den 15n Juli eingetreten, mithin der neue Mond 
am Abend des 16n zuerst sichtbar geworden sei, Meton seinen er- 
sten Hekatombaeon vom Abend des 16n Joti 432 ab gerechnet hafben 
müsse.") Was aber nun das julianische Datum betrifft, welches wir 
diesem Tage und überhaupt jeglichem altmetonis(^eh Datum parallel 
zu setzen haben, so scheint es richtiger stati nach defm Vorabend 
vielmehr nach dem Tage (dem hellen Tage, -Lichttage) unser Datum 
anzuknüpfen , mithin den In Hekatombaeon Ol. 87, 1 mit dem 17n Juli 
432 zu identtficieren , wobei ^"man dann nur festzuhalten hat dasz ein 
altmetonisches Datum immer seinen Vorabend habe j so wie bei uns 
Weihnacht den We9machtsabend und Neujahr den Neujahrsabend. Es 
entbindet uns dies auch wol meistens von der freilich nicht gerade 



37) Auf die Neujahre, wie sie Boeckh (Mondcyclea S. 27 ff.) nach seiner 
Oktaeteris ansetzt, passt Platons Darstellung noch weniger, obwol aller- 
dings die dem Lebensende des Piaton näher Hegenden Jahre &fter nach der 
Wende beginnen als z. B. diie Jahre (M. 00, 2 Us 97, 4» nntpr wekhen nicht 
weniger als' eilf vorder Wende anfangen, d.fa.'umer dreien etwa ein«. 

38) Dennoch wird man, da bei alledem die metonische Epoche nicht 
mit der Sicherheit feststeht wie die kallippische, vielleicht die Frage auf- 
werfen dürfen, ob vielleicht eine Hinaufrückung des metonlschen Epochen- 
tages uns von der nnwillkommenen Nöthigung befreie eine wichtige Steile 
des Thukydides zu ändern, II 2 üvd'O&io^tw ivi tiaactQag p/^Pag a^ov- 
xog statt des überlieferten Svo firjvag. Aber dies ist nicht der Fall. Den 
16/i7n Juni 432 als Epochentag gesetzt^ ergibt sich für das Ende' des Mu« 
nychion der 6/7e Mai (Plataeae überrumpelt); am 80n Tage von da ab er* 
ster Einfall der Spartaner im hohen Sommer als das Getraide reif war, was 
anf den 24n Juli käme und steh vielleicht vertheidigen liesze. Aber Aus- 
gang Winters 423 soll das achte Kriegsjahr enden, woran 40 Tage fehlen; 
der WafTenstilistand des 14n Elaphebolion Ol. 89, 1 soll sum folgenden 
Kriegsjahr gehören , fällt aber noch vor das Winterende und 44 Tage vor das 
Ende des Kriegsjahres, Zehn Eriegsjahre verlaufen mit geringer DUTerenz 
X'^fiSQav 6XCy(ov nagspsy^ovadip Thuk. V 20) bis zum Vertrage des 24» 
Elaphebolion Ol. 89, 3 s= 12/13n März 421; aber da fehlen 55 Tage. End- 
lich würden sich für die ganze Dauer des Krieges die 27 Jahre mit einer 
* nicht viele' Tage betragenden Differenz bis zum lOnMunychion 01.93, 4 = 
23n April 404 (kallippisch; nach jenem angenommenen altmetonisehen £po- 
(^hentage nur zwei Tage später) ergeben ,' indem 11 Tage an 27 Jahren feh- 
len, welche negative Differenz sich yertheidigen liesze. Indes der Ueber- 
blick dieser Daten zeigt dasz die Hinaufrückung der Epoche um einen Mond- 
wechsel uns keineswegs die Äenderung im Text des Thukydides erspart. 
Aeudern wir aber -—und dann doch jedenfalls wol in der Krögerschea 
Weise — , so ^erathen wir in ni^ue Noth. Dann nemlich beginnt der Krieg 
am 8/9n März, am 26/27n Mai soll die axfiif des Sommers sein, die Dauer 
des Krieges kommt auf 27 Jahre imd 45 Tage, während es doch ov sröl- 
Xttl tjikiqaL sein sollen. Folglich wird eine Hinaufrückung der metonisclien 
Epödie in keiner Weise für die thukydideischen Daten Zulässig sein. I>ie- 
selbe würde auch der Angabe des Schöliasten zu Aristoph. Wolken &B4 

'iderstreiten (Mondfinsternis im Boedromion Ol. 88, 4). 



A, MiiHao^6]\: BeiCräge ^ griechischen Zeilrechnung. 235 

scbwieirigeD Pflicht zwei julianische Daten zu nennen und z. B. zu sa- 
gen, ^s enUpreche der aUmelQnische le Hekatombaeon dem 16/l7n 
Juli. Penn auf die wenigen Stunden des Vorabends wird es selten 
ankommen, fast immer dagegen auf die Stunden der Tageshelle , die 
dem folgenden julianischen Datum angehören.^*) Ferner stellt sich 
durqh diese, richtiger scheinende Datenvergleichung auch das Verhält- 
nis des altmetonischen Kalenders zu dem neumetonischen des Kallip- 
pos ohne weiteres dar. J)eni;i da, wie oben vermutet worden, Kallip- 
poi^^sich schwerlich -mehr um den Vorabend kümmerte, sondern wie 
seinen Monat ebenso auch seinen Tag astronomisch ansetzte^ so würde 
man bei einer Vergleicbung von Daten jenes alten Stils mit Daten des 
neuen Stils ohnehin von dem Vorabend absehen und dasjenige julia-: 
nische Datum in Rechnung bringen müssen , auf welches der längere 
und wichtigere Theil des altmetonischen Tages üel. So beginnt also 
die unten folgende Tafel nicht wie die Idelersche mit dem 16n sondern 
mit dem 17n Juli. . 

Die Vertheilung der vollen und hohlen Monate , wie sie die erste 
Tafel gibt, folgt der Regel des Geminos, nach welcher, alle 235 Monde 
des Cyclus dreiszigtägig genommen , immer der 64e Tag wegzulassen 
ist, so dasz hier der 29tagige Monat zu liegen kommt. Redlich (Melon 
S. 46 fO weist mit Recht darauf hin, daßz Ideler zwar die jene Regel 
enthal^nden Worte des Geminos richtig emendiert habe, dieser Regel 
aber selber nicht treu geblieben sei, wie es scheint um einen mehr 
symmetrisch gestalteten Cyclus zu erhalten. Redlich bedauert die 
schöne Symmetrie in Idelers Darstellung aufgeben zu müssen, um die 
Regel des Geminos in Ehren zu halten. In letzterem Streben hat er 
ganz Recht. Nur freilich ist leicht einzusehn, dasz auch die beste Re- 
gel , auf eine falsche Construction angewandt, ungenügende Resultate 
liefert; denn die Idelersche Construction des metonischen Cyclus kann 
weder dem Osterkanon der ältesten Kirehe zu Grunde gelegen haben, 
noch ist sic| in Einklang zu bringen mit den urkundlich bekannten 
Schalt- und Gemeinjahren. Gehen wir dagegen von einer richtigem 
Construction aus und zwar von der oben nachgewiesenen ; so ergibt 
die auf sie angewandte Regel des Geminos ein ganz symmetrisches 
Resultat.*«) 

Die dreizehnmonatlichen Jahre sind in den Tafeln mit ifi. bezeich- 
net, weil Hippplytos den (iriv iiiß6hiiX)g so anzeigt in seinem Oster- 
kanon, welche Bezeichnungsweise einer späten Zeit angehören mag, 
jedenfalls aber eine griechische, wol aus Alexandria stammende ist, 
während die Bezeichnung der Schaltjahre durch B d. h. bissexium min- 
der passend schien. 



39) Die Weise- vom Vorabend aaszugehn hat wol auch Ideler dea 
F^ler maehen lassen, welchen ihm Boeckh (Mondcyclen Cap. 12) nachweist 
bei Ansrechnung^ des Arbela- Datums. 40) Man konnte auch die ^Regel 
des Geminos so anwenden dasz man mit der Weglassung begönne, indem 
der le, der 65e, der 129e Tag usw. wegbliebe. Aber da erhielte man gleich 
anfangs ein 383tägiges Jahr, begonndi' auch mit eiaem hohlen Monat. 



296 A. Mommsen: Beitr^e 2ur griedüsebeh MhittttAva^. 

Wo Kallippos defn in 76 Jahren von Meton zu viel angesetzfen 
Tag (Plolem. Alm. 111 2 S. 164) weggelassen habe wissen wir nicht 
In den Tafeln wird man finden dasz seinem 73n Jahr stall 355 Tage 
nur 354 zugetheill worden sind und die sonst nach der erwähn- 
ten Regel eintretende Aufeinanderfolge zweier vollen Monate hier weg- 
fällt; die sich anschlieszenden kleinen Aenderungen sind unter der er- 
sten Tafel angegeben. 

Für die kallippische Periode und die Tagsummen ihrer Monate 
und Jahre ist dann noch zu bemerken dasz die Weglassung des 64n, 
128n, 192n, 256n Tages usw. nur auf die erste Enneakaideka^ferls 
dieser Periode angewandt worden ist, die übrigen £nneakaideka^fe- 
rlden nur Wiederholungen der ersten sind. Die ununterbrochene An- 
wendung nemlich jener Methode halte die. kallippischen Anselzungen 
ohne Nutzen von den allmeloni sehen entfernt.**) Kallippos wollte doch 
den Cyclus Metons nur verbessern, und an bestehenden Kalenderein- 
richtungen durfte nur das nöthige geändert werden; an den flblichen 
Tagsummen aber zu rücken war unnöthig, bis auf die unvermeidliche 
Weglassung eines Tages in 76 Jahren. 

VI. 

Um für die einzelnen Daten zu ermilteln, welche dem alten imd 
welche dem neuen Stil angehören, ist für jeden Autor die Erwägung 
nöthig, ob er noch nach altmetonischem Kalender könne datiert haben 
oder ob ihm schon Daten des späteren können beigemessen werden^ 
namentlich für einen Autor welcher beide Zeitrechnungen erlebte, wie 



41) Eine unzeitige Anwendung dieses conseryativen Princips wäre es 
Indes , wenn jemand vorschlüge dem Kallippos denjenigen Wechsel der rol- 
len und höhten Monate znsalheilen , welken er an dem Punkte sdnes An- 
tritts in den altmetonischen Cyclos bei Meton vorfand, am Ende nemlich 
des siebenten Jahres alten Stils. Kallippos' erster Tag fiel wegen des im 
6n Cyclus schon sehr merklichen Fehlers auf den dritten Tl^argefion vom 
Ende, so dasz er das erste Neujahr der Periode um einen Mondwechsel, 
swei volle Ta^e und , wenn er am Mittag statt am Vorabend begann , noch 
um das DrittheU eines Tages früher ansetzte als das bevorsti^nde achte 
Neujahr alten Stils, um nemlich sowol den metonischen Fehler, bestehend 
in einem Plus. von etwa 1|- Tag, wieder gut zu machen, als auch die Epo- 
che von der sichtbaren vov^nvCu Metons auf die astronomische Conjanction 
zu verArnhen. Wer nun verlangte dasz Kallippos' erster Monat dreiszig 
Tage erhalten müsse um dem bei Meton sunfichst auf den kaliippuehea 
Epochentag folgenden ganzen Monat Skirophorion zu dreiszig Tagen zu entr 
sprechen , dasz Kallippos' zweiter Monat hohl sein müsse um dem bei Meton 
angesetzten Hekaiombaeon des achten Jahres zu -congruieren usw., der würde 
wie gesagt jenes conservatlve Princip falsch anwenden. Kallippos' erstes Jahr 
fond sein Muster in Metons erstem Jahre , Kallippos' zweites in Metons zwei- 
tem usw., wie die Beibehaltung der wichtigsten Eigenschaft — der Dreicehnmo- 
natlichkeit oder Zwdlfmonatlichkeit — an die Hand gibt. — Da überall Kal- 
lippos in keinem Falle mit dem altmetonischen Monatsanfange beginnen 
konnte, sondern 2 Tage und 8 Stunden früher, so congruierten die allme- 
toniseh angesetzten Monate vom 27n Thargelion abwärts nicht mit den sä- 
nen , und auch insofern brauchte er sich nicht um sie su küounem. 



ArigU)i(»l4». Für den. Thukydides d^^gegen wird es v<m vorn herein 
fesisteiw d^sz er alUnetonisch datiert habe^ es müste denn jemand 
beh^pten es seien von. späterer Hand neumetonisehe Daten in den 
timl^ydideischen Text hineincorrigiert, was eine gewagte Hypothese 
wäre. Anderseits wird man sich hjiten mQssen Sohriftsteliern späte- 
rer Zeit wie dem Dionys^os von Halikarnass oder dem Piutarch alt- 
metonische Daten deshalb zuzutrauen, weil sie von Zeiten reden in. 
denen der altmetotüsche Cyclus galt. Es ist oben gezeigt dasz die 
Aera des Eratosthenes an ein neumetonisches Epochenjahr sich knüpft 
und dasz die spätere Zeitrechnung bis in die christlichen Jahrhunderte 
hinein sp zu sagen beherseht wird vom neumetonischen Cyclus. In 
V«r||indung mit diesen. Analogien darf man eine umfassende Zurück- 
bereohnmm nach neuem Stil annehmen; man mag dieselbe etwa dem 
Eratosthenes zutrauen, welcher so der Historik treldich diente. Für 
ein Gescjilchtswerk ziemt sich die Benutzung eines, und desselben 
chronologischen Kanons; namentlich für umfassende Sammelwerke 
die von. der ältesten Zeit begannen, wo die Chronologie ganz in der 
Luft schwebte, war das ejnzige Heil von Rückwärtsrechnung des erprob- 
ten. Schaltkreises zu erwarten 9 und wir haben bei der Ansetzung von 
Trojas Fall sowol wie Roms Gründung und der Dauer 4er ersten Königs- 
regierungen gesehen, wie in chronologielosen Zeiträumen die Historik 
an den aufwärts gezählten Eoneakaideka^teriden ihre Stütze fand und 
zwar den dainals geltenden und richtigeren neumetonischen der kal- 
llppi«chen Periode« Man kann sich darüber beschweren dasz die 
kalUppiscben Daten ungebührlich bei Seite geschoben und in Schatten 
gestellt sin^, obwol Ptolemaeos beständig nach der kallippischen Pe- 
riode datiert und kallippisclie Pat^n auch auf Inschri^n erkannt wor- 
den sind neben altmetonischen ; während diese letzteren mit einiger 
Parteilichkeit in den Vordergrund gebracht und auch da vermutet 
worden sind, wo es füglich nur nenmetonische sein können. So 
glaubte Boeckh, die Aera des Eratosthenes beruhe auf einer Retrocdm- 
putation nach altem StiL AUe Ereignisse bedingen eine Datierung 
nach altmetonischem Stil noch nicht, welcher fC^r jene alten Ereignisse 
doch noch zu jung war und selbst für die Zeiten wo er wirklich galt 
aufgegeben werden muste zu Gunsten einer klaren und einheitiichen 
Chronographie. Nach dem vormaligen Gebrauch der Franken das 
Jahr mit Weihnachten zu beginnen wird die «Krönung Carls des 
Groszen auf das Jahr 801 gesetzt in Annalen jener Zeit. Dennoch 
lernten wir alle als Knaben , es sei Carl im J. 800 gekrönt worden, 
und ^wie wäre wol bei der Manigfaltigkeit der damaligen Jahresan- 
fänge durch das Mittelalter hindurchzufinden, wenn man sich nicht 
entschlösse sämlUche zeitgenössische Kalender auf den feinen des 
gebildeten Europa zu reducieren? Ebendasselbe wissenschaftliche Be- 
dürfnis darf man wol dem Eratosthenes und anderen Männern seines 
Schlages zutrauen. Man kann sich die Sache so denken dasz zuvor* 
dersf die Himmelserscheinnngen rückwärts berechnet und neumelo- 
nisch festgestellt wurden, so wie wir wissen dasz jene Sonnenfin- 



fliernis, da Römultts za den Gdttern entrückt wurde, durch -Retroeom- 
putalion bestimmt worden ist nach Cicero de re p« II 16« Die Hislorik 
mochte dann streben ihre Daten mit den astronoraisch ^^sicherten in 
Einklangs zu sehen, also z.B. das Arbela-Datum neümetonisch bestimmt 
anlehnen an die ebenfalls neumetonische Ansetzun^ der in der eUflea 
Nacht vor dem Treffen stattgehabten Mondfinsternis. Zur Bewahrung 
alter Daten hingegen führten die ursprünglich nach frQherem Kalender, 
jetzt aber nach dem neuen Stil, jedoch am gleichen Monatstage zu 
feiernden SiegesTeste au4 der Vorzeit. Denn b^i der 'Incbngroenz' der 
Schalt- und Gemeinjahre in Verschiedenen Cyclen konnte ein nominell 
identisches Datum doch zwei bedeutend auseinander liegende Tage des 
tropischen Jahres repraesentieren , wie man Unten auf Taffei IB sieht f 
dieselbe und wol noch stärkere Incongruenzen wird man bei vorme- 
tonischen Daten im Vergleich mit deh späteren annehnren können. 
Der Historiker nun, welcher, um mit dem Siegesfesttage nicht in Wider- 
spruch zu gerathen, den in seiner Nähe liegenden octer mit ihm identi- 
schen Tag des Sieges selbst aiif das Datum neuen StÜs zu'reducie- 
ren unterliesz, begleng, wenn er sonst neumetonisöh datierte, in 
Wahrheit einen Fehler. Zum Gliick war die Versuchung diesen Fehler 
zu machen wol eine im ganzen seltene. Die Siege bei Marathon und 
Salamis konnten so möglicherweise, wenn das aus alter Zeih fiberlie- 
ferte Datum nominell beibehalten ward , aligesehen yon den m jedem 
Mondcyclns unvermeidlichen Schwankungen, dreimal ihre Stelle im 
tropischen Sonnenjahr ändern, sofern jene Schlachten geschlagen wur- 
den zur Zeit der Oktaeteris, das aus dieser stammende Monatsdalum 
aber hernach im metonischeh Cy^lus ändere Tage des Sonnenjahres, 
in der kallippischen Periode endlich wiederum andere Tiaige darstel- 
len mochte. Zu controlieren ist diese Sache kaum, weil wir dam 
die vormetonische OktaSteris genau kennen müsten.**) Solcher Siege, 
durch die gewisse Daten gleichsam geheiligt wurden, gibt es übrigens 
ja nur wenige ; dennoch musz auch für andere Schlachttage, an welchen 
eben nichts von nationaler Glorie haftete, die Möglichkeit zugeatan* 
den werden, dasz ein späterer SchrKtsteller die altmetonisch über- 
lieferten Daten, z. B. die aus Thukydides ohne weiteres aufhahm und 
unkritisch genug war weiterhin neümetonisch zu datieren , also in 
seinem Geschichtswerk beide Kalender anzuwenden, d^n alten Stils 
söwol wiiß d^n neuen Stils. Dem Plutarch dQrfte eine solche Con- 
usion leicht zugetraut werden können. Einer ZurQckrechnung ; in 



« 42) Beim EratoBlhenes hätte. mau darüber wol Belehrung gefunden, der 
von der Oktaeteris gehandelt hatte in einer bei Geminos citierlen Schrift 
(6 p. 43,^ wo voii dem das tropische Jahr' durchwandernden Isisfeste die 
Rede ist, o&sv tä *'/«« ni^otsoov fihv tjyBto iiotta ^td^ xBiftSffivas xqo- 
nägy %ai n^ot^^ov d* hi nuxxa ^eQiväg tQonäs, ms' %äl 'E^oc^i^nfg 
iy z^ tcbqI «19s 6%taev7iQ£Sos vycoiitniiMixi^ (ivrji/kovMvsi : im Yerglei<^ nem- 
lieh mit der steten Verschiebung eines aeg^tisph^n Festes hatte dagegen 
die Oktaeteris der Griechen das Verdienst ihre Feste in g;ewis3en Gegenden 
des Sonnenjahrs zu fixieren). 



jedem einzeWen taU« bedurfte es wol- Hichi, wal' gSe^l« I^ahltleft««' 
lehder eitfitierten, gerade nicht T6 'sondern 19' Jähre umfassend, wo matt 
die in den mehiken Fllllen' hinreichend geifane' Redaktion einfäelk -ab- 
lesen konnte. Auch mochte mieai den' Chronographien des* fifiBtids^ 
tfienes s^ihthche wichtige Daten nach neuem Stit bereditf et ohne wei- 
teres entnehmen können. Die DetaUfbrschurig wird stete die Umstäinde, 
anter denen ein gewisses Datum .übekiefert wird, prOfeii mOssen/unil 
dieser Aufgabe möge die Untersuchung äioh jetzt zuwe^nden. < 

Der SchofiastituArififtoph. Wolken <584 berichtet eine Mondfin- 
sternis im JahVe des Stratbktes OL 88, 4, urfd zwar «etzt er 'sie hi 
den Bd^drömion; Wollte der Erklärer richtig verfahren/ so muste 
er denjehigeh* Kalcrtder brauchen, weldier izu Arififtophattes Zeiten galt, 
selbst ^enh dieser Kalender voll IrlhAmer gewesen- wäre. Es han- 
delte sich hier nicht um eine natu^rwissenschafHiche Wahrheit öder 
um eine iii chtoiiologischer Conformität sieh bewegende WeHge- 
scfaichtsdarstellüng , sondern nur um das Verständnis eines Autors, 
der unter historisch gegebenen Umständen schrieb, von welchen' einer 
auch der damMi^e-Kälender' war. -Dies Princip der Ihlerpretaäon w^ar 
einziÄälten , auch wo die Au%ebimg desselben unschädlich sehlen; 
wir werden also in jener Monatsangabe ein a>tmetonisches Datum ver^- 
muten^ was sich auch bestätigt.' Die Zeit der Finsternis steht astro- 
nomisch fest, am 9n October 8 Uhr Abends^) des Jahres' 435, ent- 
sprechend hl Ol. 88, 4, einem achten allmetoiiischen Jahre, dem 14n Boe»^ 
dromioii, welcher den Abofid des 9n October und die Nacht darauf 
nebst der Tageshelle des lOn befaszte. 

Die Klage der Selene in demselben Stücke des Aristophanes 
Vs. <»03 ffi wird sich auch wol aus dem altmetbnischen Cyelus erkläi- 
ren lassen, wenn man nur eines der Astronomie nicht kundigen Pub- 
licums Gespräche ilbCr Metons Neuerungen sich vorstellen und dabei 
festhalten will, dasz der. Poet dem Publicum nach d^ Munde sprach. 
Ist Tafel n nach der von Redlich mit Grund empfohlenen Regel des 
Geminos richtig contstruiert, so begann Meton gleich mit zwei voUen 
Monaten; das muste den Athenern wilikurücfh scheinen , auch konnte 
in der Tli^at der la^ndesübliche Monatsanfang mit der alpendlichen SicHt- 
barkeii der ersten Mpndphasq darunter leiden. Warum sollten Metons 
Mitbfiirger aufmerksam und wolwoHend genug gewesen sein um anz»- 
erkenneh dasz diese kleine Abweichung hernach wieder sieh bericl^ 
tige , dasz die Folge der hohlen und vollen Monate keineswegs will- 
kürlichwar, vielmiehr auf eifier in der Sache liegenden Regel beruhte? 
*e8 mag also' hier .von Aristophanes auf diese im Wahne. des Publi- 
ctims ^unregelmäszige Folge der vollen und hohlen Monate angespielt 
sein, durch welche die Tage allerdings gewissermaszen zu oberst und 
zuunterst gemengt wurden'**) (avm xs xal xarn nvdoidoTtaVy was 



43) Ullrich Beilräge zur Erklärung des Thukydides S. 18JI'. . 44) 
Öoeckh Möndcycten S. 31, der aber di^se ünreg^IAiäszjgkeit für eine nicht 
gewähnte sondern' wirkliche hält in der Oktaeteris und sie mit Redlich aus 



WWF Ä» ^Mmiwwii • o9^p^^ Wv ^^iP^^w^P^^ ■i'*wp^^^'^'*lSn. 



; durch tmftk^up erklirl). ^ Wenn teuer Sel^pe wh beklagt 
dasc die Götter mit Uur zarateo, weii. sie ibcee Festedin^wies nicht 
theilhaft würden am rechten Tage and so nach Hanee geben musten, 
so kann man dies als die Vertretung eines firüheren Usus der metoni- 
sehen Neuerung gegen&ber aufiksaen, wiewoi der Usus sehr verkehrt sein 
mochte. Gesetzt man war gewohnt eine gewisse Festzeit aa einem 
so und so vielten Monatstage (««r»ilo}^oy^) %iv ^|U^^\^.619) z.B. 
am 16n Bpedromion zu beginnen in vormelonischer Zeit, indem die- 
ses Datum vermöge der Fehler des Kalenders häufig dem Vollmonds- 
tage ent^rach. Wenn Meton nun den Beginn jenes Festes vielmehr 
auf den 14n BoMromion brachte, so reichle diese bescheidene Vei^ 
besserung hin um Anstosz zu erregen« Man weis« wol daaz das Pub- 
licum, wo es Ferien und Feste gilt, gar genau am alten l^ugt, da 
reden die stets oonservativen Frauen ein Wort mit und gar die GeisV- 
llchen. Die Differenz auch nur ^ines Tages genügt um Aerger zu 
bereiten, besonders wenn das Fest am einen Ort heute, am andern 
morgen gefeiert wird. Hat man sich doch in der chrisUichen Kirche 
bitterlich gezankt, am wie vielten Tage nach d» inviMpfUt der Ostern 
bestinunende Vollmond anzusetzen sei, und als einen eigenen- Ekel- 
namen die Bezeichnung der Quartadecimaner für di^enigen gebraucht, 
welche das Paesamahl an der Luna XIV mit den Juden feierten.^) — 
Aenderungen im Festkalender erschienen namentlich in der ersten 
Zeit, wo man sich des alten nur zu wol entsann, unangenehm und 
störend; als aber die Wolken aufgeführt wurden (Ol. 89> 1)» hatte 
man von Metons erster Enneakaidekaeteris noch nicht die erste Hälfte 



dem regttilefen einsdialten von Tagen ableitet. Was Cioero Venr. U 62 
ersshli, wird als ursprangUeh allen Qriecben nnd au^h den Athenern gemein- 
pam^ Sitte cn betrachten sein. Bei diesem, einem eben obwaltenden Be- 
dürfnis dienenden einschalten dürfte sich Selene aber vielmehr besser 
gesunden haben (Helios desto schlechter). Denn Jene auch von Geero er- 
wihnte Weglassnng oder AnfSg^nng einer fip4^ ^{«f^ietfsof befest%te des 
MonalMiifaag immer wieder an die abends seersl siebtbare Phase, gans 
den eigensinnigen Launen der Selene sieh anbequemend, während da» Pub- 
licum den neuen Kalender wol so ansah, als solle die Mondgöttin jetzt viel- 
mehr nach der Laune Metons scheinen. 45) iiat& Xoyov nsch Veiiiält- 
nis, hier synonym mit affid'fiög, wie es auch sonst vorkommt (evr h l^f^ 
mx h i^t^jjba spriehwörüieh). Wer se glftnkttdi Ist das fieeddisete 
Oerpns ieser.^ Gr. benutsen su können, der sehe US. 476, 13 nach, weil 
hier «ora Xoyov yielJeicht ähnlich steht: iäv di xal fy^fiolMOv i^^i^a ^ 
noUg ayg, nifog&tOQd'oSastcci %td xov iii,ßoX£ft,ov tb itaxä Xoyov. 40) 
Wenn vor Meton ein gewisses Fest sein fixiertes Monatsdatum hatte vod 
Meton, dem Pleniinnlum' folgend, ein schwankendes dafür bot, so mnste Abb 
den Leuten noch weit TerdrieszUeher sein. In der That sebeint das bei 
obigem Beispiel geme&ate Fest der attischen Elensiniea sainem Anfang nach 
zwischen dem 14n, 15n und 16n BoSdromion umhergeschwankt zu haben, 
8. K. F. Hermann gottesd. Älterth. J 55. — Indes konnte auch das rorme- 
tonische Datum eines Festes schwanken, wobei aber doch die AendertiBg 
Metons merklieh werden mochte, sofer^ etwa seine Festgrenzea frühere Da- 
ten im Monat ergaben, die vormaligen aber spätere. Man erinnere sich an 
den sehr wahrnehmbaren Unterschied der Ostergrensen beider Kirchen. 



A; ItemaiMA : BidHfif;« 2^ gtledü^dieii ZMfuMdng; Stil 

erieM: — Hiernadi al«ö wftne Aiittoplianes tn^büttg^^ ?Mug g«Wed«n 
das alte x>hiie''Wdteres zu värtteteti und liStte nldit sowol dte Mond- 
g6ttia als vielmehr eigeittith «die lieider kioeh* mtLohtig<ere Gdtlfn der 
Gewohfiheit klag^end auf die Bühne gebracht. r 

Die Baten aus dem petoponnesischett Kriege, soweit sie dem 
Thukydides angehören, mOssen sämtlich aitmetonf seh sein und^erge-^ 
ben sich nach 4en Tafeln -wie folgt. Unter der YtMrattssetiBüng dass 
Krüger Tholc. II 2 statt ivo richtig tio0kQag (if^uag gefilidert habe, 
kommt der Ueberfall von Plataeae auf das Ende des An^sterion Ol. 
87, 1, des ersten altmetonischen Jahres, in^ welchem dieser Monat den 
8n Aprit jul. Stüs endigt. Am aehta^igsten Tage von da ab fond der 
erste Einfall der Lakedaismonier in Attika atatt, im hohen Sommer *aU 
das Getraide nahe reif war^, tov ^fovg «ed vcNH öhw inn^t/o^^vto^'^) 
(Thuk. II 19). Der achtzigste Tag aber ist der 90e Th»rgelion( OL 
87, 1 st= 26n Juni 451, zwei Tage vor dem ifetmaligen eintreten der 
«Kftif des Sommers (Xen. Hell. V 3, 19 x«r« &iifovg inpifp), dem läng* 
sten Sommertage. — Ausgang Winters 423 (etwa den 96n März, den 
Tag vor dem Frühiingsaequinoctium) Ol. 89, 1 sind also sehr nahe 
acht volle Kriegsjahre verlaufen (Thük. IV 116), nemlich vom Anfangii'^ 
datum des Krieges, 8n April 431 bis zum 26n März 438, dem Winter« 
^de. ^^ Der Waffenstillstand vom 14n Elaj^ebolion (Thuk. IV IIB 
g. E.) des genannten Jahres Ol. 89, 1 konunt auf den 34n Aj^rll 428v 
also vier Wochen nach Frühlingsanfang, mithin in das foflgende 
Kriegdfahr, sodasz bis daliin, solariseh gerechnet, adit Kriegsjahre 
und siebzehn Tage verstrichen sind. — Weiter trifft der Vertrag des 
94n Elaphebolion (Thuk. V 19) OL 89, 3 auf den lan April «II; es 
waren aber bis dahin nach Tbiuk. V 99 gerade zehn tropjpciie Jahrs 
vergangen mit einer Differenz die nur wenige Tage betrug. Die Da- 
ten ergeben 10 Sonnenjahre und 5 Tage, vom 8n April 431 bis zum 
ISn April 431. Man sieht dasz diese auf obiger Construotion des alt- 
metonischen Cyclus beruhenden Rechnungen mit denjenigen Resultar 
ten nahezu übereinstimmen, welche Boeckh nach* seiner Oktaöteris ge- 
wonnen und in der Schrift über die Mondcyclen €ap. 17 und 18 be- 
kannt gemacht hat Denn sehr übereinstimmende Praemissen geben 
noifawendig ein sehr übereinstimmendes Ergebnis. Die oben gegebene 
ConsCittction des metonischen Cyclus ist nichts weiter, .wenn man die 
Hauptsache (die Folge der Schaltjahre) ins Auge faszt, als em Aus- 
schnitt der 19 Jahre aus der Boeckhschen Okta^teridentafel von* OL 
87, 1 ab. Die Abweichungen der Enneakaidekagleris von dem vor 
Meton gilttg gewesenen achtjährigen Cyclus werden erst von der 
zweiten Enneakaideka^teris an merkbar. Die abweichenden Jahre 
gehören leider den urkundlich ihrer Tagsumme oder Monatszahl nach 
bekannten nicht an, so dasz von dieser Seite' eine Entscheidung bis 
jetzt wenigstens nicht zu gewinnen ist. — Endlich mag noch erwähnt 



47) Boeckh (MoBdcyclcnS. 75) gibt axfUtSomog mit den obigen Worten 
wieder. 



imrden, daaz Beeckhs oktaaeriditfehe I«5$niig d^ , obrfHEiologiselM^n 
Problems» l^elieffeiid die EiimaJiiaie der UiebaDis<sbea.B«rg durch die 
Lakedaemonier im J. 38S) mit der nach UtS»erer Xafel des alUnetoni- 
sehen Gyclus zu g^ebenden ebenfalls .beinah:auf den Tag stimmt. Er 
ermiUelt fär jenes Jactum den lOnßoedroi^ioA, nach seinem Oktaeteris 
den 32a S^tember 38^; nach der Enneakaldejcaäteris ist es der 
93e. September, beide i^riechische Daten beg^inaend an ihren Voraben- 
den, resp. Sin und 23n September, . 

Setst man voraus dasz die vormetonische Zeitrechnung in der 
Weise bestand, wie Boeckh sie noeh.für.das ganse Jfahrhundert nach 
Meton in Anspruch nimmt, so stand die von Meton angegebene £miea< 
kaid^kaeteris eu d^m von ihr verdrängten achtjährigen Cydus in einem 
Verhältnis» 4»s. ihr. mc Empfehlung gereicht, . Denn die wickUgste 
Eigenschaft der Jahre, ihre Dreizehnmonatlichkeit oder Zwölfmonat- 
Uchkeity vblieb. in der ersten Enneakaidekaeteris %q bestehen, wie sie 
auch nach dem antiqiuerten oktaäterisehen Scbaltsystem gewesen sein 
wOrdcH .So wurde das Publicum mehr allmähUch aus der-alten In die 
neue Weise hinübei^eführt^ und dem Urheber dieser letzteren gebührte 
das Lob an dfin:'bestehendea Kalendereinriohtung^, die eine lange 
Gewohnheit g^iiigt hatte.^ eben so . gelinde und wenig :St5rende wie 
. wißsenschalUieh. richtige. und bei aller Gelkidigkeit doch zum Ziete 
filierend« Aenderungen gemacht zu haben. 

D^noch darf gezweifelt werden ob vor Meton die Oktaeteris 
von decjetiigen Epoche und mit derjenigen SchaUfolge besland wie 
Boeekk si^ sich denkt, ob also Metons erster Cyclus mit dem Schlusz- 
jähr («kier vorigen Oktaeteris beginne, ob .die folgenden sechzeha 
Jahre <]U»in zwei vollen Oktaeleriden, endlich der liest dr^i Anfangs- 
jähren leiner folgenden Oktaeteris gleich zu achten sei,, wie nach der 
Boeckhäcben Ofctaeteridenti^fel der Fall wäre. D^n^.Geminos (Jsag. 
c*. 6 p:. 45 Hakna) läszt uns hier freie Hand« Nachdem .er gesagt hat 
man^habe in dem achtjährigen Gyclus auf das 3e,^e und8e Jahr die 
S(^altmonate gelegt ( ... di^v tcltlav wg i(/kß(MiMvg fiijfvag Iraleev 
Sysed^m iv^ %^ x^ttp hu .mal »ifimroi %al oySoip), gibt er die Kegel 
An: die Hand,, dasz von den drei Schaltmonden immer zweien Inter^ 
valle von. zweijähriger Länge und immer einem «Injährige Intervalle 
^angehörten (iyo ftiv ftijfag (laa^v ovo hmvnvwcowmvj Sva de fftCfofv 
{MQg ivtavtav äyCfiivw). Dann aber fügt er, hinzu« es mache loides 
Jtiickts aus wenn man auch andere Jahre wähle, nur mUsten die jener 
Regel gemäszen Abstände bleiben (owdiv dh iunfpif^ iccv »al ip ajiXotg 
Stgffi ^ipf €tvtiiv duira^iv. tav ifißaU(Mav iiffvmp nwqCfjital xig). Es 
war! nun das' fasaiiehste und einfachste Beispiel zu dieser. Regel eine 
einzelne Oktaeteris mit dem 3n , 5n und 8n Jahre als dreizebnmonat- 
liehen, und wegen dieser seiner Faszlichkeit als Exempel zu der Re- 
gel konnte Geminos gerade diese. Schaltordnung nennen, welche etwa 
in demHypomnema des Eratosthenes über diesen Gegenstand ebenfalls 
als die simpelste vorangieng; denn auf diesen bezieht Geminos sich 
noch in demselben Gap. 6. Eine Beziehung auf Athen oder sonst 



A: Mommisen^: fi^HrSg;e zur ^ffet^iai^äien ZKlMelmiEinfC ttt 

eihe fJc^iiinfrte OertllcHreH'hStte aWo dieses Belffpfi^ nicht verankief} 
Geiöfiinöi; und Eratosthenes wai^eri hellfeiiiiötMfehe 'Gelehrte , eine 1^- 
ölimnlle Stedt gien^ sie nicht ebeh besonders an. - Weiin man atlso 
nun sich versachs weise entschlösse die Ökta@teris von einet um ein 
Jahr froheren 'Epoche und zwar mit dem ln,'4ri uhd oft Jähte*«)ti!i 
dreisrehfiiilonalltchen veriäufeti zti lassen, so gewönne riiän a^ei ki^n^ 
Vortheite, i^^hrend übH^ehä seibät Verständlich die Schaltmonätea^ 
eben den Oiympiadenjahretl haften 'blieben, weicheft sie 'nadr Böeekh^ 
Ansetzung zukommen -^ denn was hier zum- Versuch- votgiigehlagpeii 
^rd l&l ekie Abänderung nicht dfe'r Sachen (wenn sie' gleich nur mtrt^ 
ihasT^iCh bedlimmt sind), sondern eine Abänderung im äuflfossetf dfts^ 
Sachen. Zweierlei also gewönne man damit. ' EtslHch lie^zett^'sielk 
dann die vor Meton abgelaufenen 86 Olympiaden als 48 achtjährige 
Cyelen fassen, so dasz Ol. 1, 1 auf ein Epocbenjahr der OktaSteffts 
fiele, was gut passt als Analögön'Zu der Benutzung neutnetonischet- 
Epochenjahre. Derm alt isf ja die Olympiadenaera überall nieht Ijaefl 
Timaeos; Ideler I S. 378) und ihr genauer Beginn doch -wotnür durdi 
Rechnung fesÄnstellen gewesen. Der andere- ktöine Vortheil aber 
wäre der, dksz Metons Cyclus, mit dem Anfangsjälire einer OktaSterift 
anfangend, derl Wütischen derer mehr enlspräölie, Iwr^lchiö ^s för un- 
natürlich halten den MeWn seine Enneak'aidekagteriar^ in -d^r Mitte 4e^ 
verdränglen alten Schaltkreises^ am Schlüsse ödet* ül>erhaupt irgendwo 
anders als Mt' dem Beginne des alten Cyclus den heuen beginnen zu 
lassen. Obwol nemlich theoretisch dagegen einzuwenden ist, diasz Ih 
künstlichen Einrichtungen jia das natürliche nicht' entscheide und der 
als weniger" Irichtig erkannten achtjährigen SchäUregel'je eher je lieber 
ein Ende gemacht werden muste, so läszt sich doch mutmaszieh, da^ 
athenische Publicum würde vielleicht ähnlich geurtheUt haben, und'iim 
diesem Publicnnfi seine Einrichtung annehmbarer und natürlicher ef^ 
scheinen zu Istssen, möge Meton dem Anfangsjahre deö alteii Gyclüd 
die Ehre angethan haben dasselbe auch zu seinem Anfan^sjahre: zu 
macheri, welche Ehfe freilieh elnigermasien vorübergehend war. 

VIL 
Dasz die Nachricht des Arislöteles (Meieorol. I 6), im Ja^re des 
Eukfes habe sich ein Komet gegen Norden gezeigt und zwar im Md- 
nat Gamefion zur Zeit der "Winterwende, auf ^eti allmetonischeh Ka- 
lender zu beziehen sei, steht keineswegs fest. Aristoteles erlebte 
noch acht bis neun Jahre der kallippisehen Periode, und däsz er,' selbst 
-wenn jene Schrift vor der Kalenderverbesserung verfaszt war, i)e«täri- 
dig seinen Schriften Zusätze und Aehderungen anfügte ist eine half- 
bare , ja ^me unabweisbare Annahme. NIebuhr (R. G. I S. 21 Anm; 38 
a. E.) betrachtet die esoterischen d. h/ebert die auf uns gekommenen 



. 48) intern man also die von Geminos erwähnte umdrehte unterst zii 
Oberst ; der Cyclus bleibt g^eich richtig. So darf mari auch nur die Jdeler- 
sche EWiäeakaideka^teris auf den Kopf stelleä um die taetdüische zU faabeft. 



Sdülflen des Aridtotda^ als «i forldauernder Udi^erarMtmig verwahrfte 
H^le, imgeföhr wie ein BoceQt seine Hefte naehbessert Arisloteles 
lumnalso aup astronomisclieA Tafeln, wie man sie, so weit die dama- 
lige Kunde reichte, gewis bald liaeh dem neuen Kalender hergestellt 
hat, jenen Kometen in seiae Schrift aufgenommen oder auch , sei es 
durch eine ^eciell diesem Falle gewidmete Rechnung, sei es durch 
PenuUung einer Paralleltafd heider Gyclen, das frühere Datum in den 
neueren Stil umgesetzt haben, wobei zugegeben wird dasz jenes ein Da- 
tum aach dem Kalender Athens und die Erscheinung selbst dann wol 
auich eine zu Athen beobachtete und aufgezeichnete war» Seltsam 
wate d^ Gedanke einem Stagiriten Pietät f&r Athen und Athens Er- 
Sndungen, noch seltsamer ddr, einem Wahrheitsforsicher Achtung vor 
Athens Ir^iümem beizulpgen: denn dasz der aUmetomscheCyclusver- 
Behoben und in seiner Anlage um 6 Stunden falsch war, muste Aris- 
toteles in den letzten acht Jahren seines Lebens wissen, ja vielleicht 
weit früher, weil die Theorie der Praxis vorauseilt und Aristoteles ge^ 
wis der lernbegierigste aUer Menschen war« — Es passen des Aris- 
toteles Angaben nur auf den neumetonischen Kalend^i^ wenn anders 
unseriß Tafeln richtig sind. Das Jahr des Eukles nemlich, Ol. 88, 2, 
da9 5$e in der Periode des Kallippos oder 18e neumetonische lasztden 
G^melion am I4n Januar beginnen, etwa 18 Tage nach der Bruma, 
so dasz die Worte (Mfvbg ra(iKiX$mfog , Ttsgl xqmeug Svtog xov ^Uov 
%itf^(fi>v«g ihren vollen Sinn haben. — Boeckh (Mondeyclen S. ao) 
glaubt, Aristoteles habe blosz überliefert gefunden dasz Ol. 88, 2 im 
Gamelion ein Komet erschienen sei ; der Schriftsteller wolle hier nur 
beweisen dasz Kometen nicht blosz im Norden um die Sonnenwende 
erscheinen könnten, und setze nun selber die Worte mgl t^onitg 
Wfag tov ijA/bv %ei(neQivug hinzu ; denn da er den Gegensatz der 
Spmmerwende im Auge habe» so könne füglich auch ein (derBoeckh- 
achen Oktaeteris zufolge) am lln Februar beginnender Gamelion als 
%i^t(f4mis %Bi(A9ifivag fallend bezeichnet werden. Ist es denn aber 
irgend glaublich dasz der exacte Naturforscher Aristoteles einem be- 
reits vor mehreren Menschenaltern als unzulänglich erkannten Zeitsys- 
teme folgte in seinen Ansetzungen? demjenigen welches schon im 
Jahre ,432 öffentlich gleichsam zurechtgewiesen war durch Aufstellung 
d^s metonischen Parapegma zu Athen? Weit richtiger sagt schon 
Redlich (Meton S. 65), die Astronomen . hätten sich. nicht der in Ver- 
wirrung gerathenen Chronologie ihrer Zeitgenossen (damit ist die 
Boeckhsche Oktaeteris gemeint), sondern des — nach Redlich und Boeckh 
freilich nur theoretisch damals schon existierenden — metonischen 
Oydiiß bedient und Aristoteles müsse seine Angabe wol dem Kalen- 
jder ^inos metonisch (d. h. Idelerisch) rechnenden Astronomen 
entnommen hab^n , weil die Winterwende nicht auf einen um den 
lOn Februar beginnenden Gamelion passe, also nicht auf die Ok- 
taSteris, welche dies zu späte Datum gibt. Selbst also wenn man 
die damalige Geltung der Oktagteris zugibt, hätte Aristoteles, sobald 
man Bpeckhs Ansieht folgt» um den Zweck seiner Darstellung zu.errei- 



A ; >]ll»mmseii :' filtoflge zur gri«iekiMliei^ Mm^tiami^, tK 

'th^ sieh seihter msgiidrMkt. Was nach dem llti Fetouar getkMti^ 
feind niehi mfji xifOftitg XHfUfwa^^M, sondern viele Tage spulet 
<46 Tag;« nemlieh^ wol niehl öO, wie Boecfch rechnet, weil die Winter- 
wende- sieh erst vier Jahrhunderte hemadh auf den Sin Deeember 
verschob nadi jalianisdiem Daliimy ^ 

Diodor XU 36 sägt: iv di utit^A^f^int^ Mkmp i Ilav^itifkv 
fiev vtog ... J|Mh|ice «i7v ivOfMJ^^Upfjy iwecena§ii»teitfiflSa, t^v 

natfis. Ideler zeigt dasz der 13e Sktrophorion Ol« 86, 4 nur den An- 
fang des Parapegma mit der Sonnenwende bezeichnen kSnne, keines- 
wegs den ersten Neujahrstag des OyekiSv Aber nun bleibt doch ndch 
die Frage Übrig, nach welcher Zeitrechnung denn die Sonnenwende 
V. Chr. 432 auf den 13n Skirophorion Ol. 86, 4 kam? Am n&chsteH 
schiene da etwa zu liegen die historisch vx>r der metonischen gilli^ 
gewesene Chronologie nach der OktaSteris. Aber fklls man das da- 
mals giltige Datum der metonischen Beobachtung nur so ohne weiteres 
nachschrieb und der Folgezeit darbot , mutete man dieser das Ver- 
sfändnis eines l&ngst antiquierten Kalenders ^u. Um den Zeitgenossen 
eine verstandlichere Aufklärung darQber zu geben, wann Meton Jene 
Beobachtung anstellte, muste man die Kalendevsprache der- Zeitgenos- 
sen d. h. die kallippische reden. Freilich kann nicht mit Sicherhett 
bdiauptet werden, dasz mati in irgend einem Falle thal was man thuh 
muste; aber ein vernünftiges thun vorauszusetzen bleibt* wahrschein- 
licher; nicht gerade bei Biodor doch bei Diodors mutmaszlichem Ge- 
währsmann;. Stehe es aisafest, dasz man nicht btosz datierte um Zu 
daueren, sondern um sieh' verständlich zu machen; dann muszder 
13e Skirophorion Ol. 86, 4, einem 12n neumetonisch^n oder öOn Jahre 
der kalüppischen Periode angehörend, den 27n Juni 432 ergeben*, 
was^ auch nach unseren Tafeln der Fall Ist.*®) 

Das Datum der Schlacht bei Arbela gibt Plutarch (Cam. 19) ah, 
den f&nften vom finde des BoSdrcmiion (Ol. 112, 2). lUk einer andern 
Stelle (Alex. 31) gibt er kein Datum , aber an der Steile desselben eine 
Angabe aus dem attisch^ Festkalender : am Anfange der Mysterien 
zu Athen sei eine Mondfinsternis gewesen, in der eilflen Nacht darauf 
hätten die Heere einander gegenaber geistanden, die Tageshelle habe 
dann den Kampf der Arbelaschlacht herbeigeführt; wobei der Schrifi- 
steller voraussetzt, ein jeder Les^r werde diese Angabe aus dem Fest- 



40) Als ein^ mqgllchei^ Anjas« der aristoieli^chen Daratellung scheiol 
Boeckh auch deo umstand zu betrachten dasz *die Sonne gewöhnlich 141a 
den Gamelion in der Winterwende sei' Dieses dürfte am allerwenigste^ 
zulässig scheinen, well Aristoteles sich dann nicht Mnmal die Mühe gab 
tMCheuseheii- oder nachzurechnen, wann im Sonnenjarhre der Gamelion des 
betveffiBaden Moodjlihres begann» während doch gerade seine Anselnander'- 
aetziuig darauf ausgieag die Kometenerscheinung als einem gewissen So*- 
nenjabrpunkte angenähert zu erweisen. 50) Altmetoiiisch, im 19n Jahre, 
gibt der 13e Skiropl^orlon Ol. 86, 4 den 30n Juni, also um 3 Tage falsch, 
vorausgesetzt dasz unsere Tafeln richtig sind. 



8^ A.M9mm«R;.BeUi%ß.iw>9^ 

kaU^der ia g^^^lu^^r .Weise auf den 16d Boedromion l)«ziehnv m.ßn 

Batumsstel^ oe^unend^ So komoU , wieder der ianfUeUto:Qoedroiii^iQn 
heraus, der. also. sweioial v.on PluJLarch l^ei:ichtet ist. Die Sehlaal^t ;i|ei 
Arbela kanp^eia makedonisches, ein heUe^istis^hes Ereignis gepg^aiiil 
werden; zunächst war sie nach makedonischem Kalender zu datierei^, 
^ den Elender Athens er0t durch Reduktion zu bringen^ Der athe- 
xüsche, Mysterientag steht. an Mch in; gar, keiner Beziehung zu dem j^rr' 
eignis und dient wie .gesagt durcjbaiis /vur aU Datum« Da nua .Pl^^rch 
den Schlachttag nach einer Mo'ndfins^nis bestimmt, etwa dem eben 
voriger genannten ßralpsthenes dies entnehmend, so werden wir das 
Datum kaliippisoh auffassen müssen, da die A8tron(;M3ue dje Finster- 
nisse und. alle ihre . Ansetzungen sipherliqh nicht ^laeh. dem damals 
lichon fehlerhaft gewordenen Zeitsysteme des Me)oa bestinfimtei sondern 
der bis in .späte Zei,ten respectiert gebliebenen und im Jahre nach der 
Arbelaschlacbt aufgestelllen Periode des Kallippps folgte. < Das2 nun 
der unchronologische Autor, werben wir vor uns haben,, sich durch 
die nominelle Uebereinstimmung.des neumetonischen 16n J^o^drpmion 
mit dem Oh. 112, 2 noch nach -altem. Stil in Athen begangenen Myste- 
rienanfange.teuschenliesz^.ist ein Versehen, welches sogar einei^ bes- 
seren Historiker hätte passieren können. Nach kallippischem Kalen- 
der treffen die Angaben zu. Der 16e Boedj:omion, beginnend nach 
volksthümlicher Weise am Abend des 20n Sepliember, befaszt die 
I(acht vom 20n auf den 21n September, und die. eilfle .Nacht ist die 
vom 30n Sept auf den In.October, an welchem die Schlacht war« 
Dieser Tag ist aber die nifinrri q)&lvovxßg des Jloedromion , wie naoh 
unseren Tafeln ein jeder leicht ausrechnen kann. 

Die Angi^be des Thukydides (V.2&) jiber die ganj?e Dauer des 
peloponnesischen Krieges lautet, wo er am genausten redet, auf 27 
Jahre, jedoch mit einer Differenz von nicht vielen Tagen: evQii0etiXis 
tQCcma hfl' (siebenundzwanzig).' . , . wd iniklQ^g ,ov TCoXXäg naQB" 
vsy»ov6ag. .Aus dem Thukydides selber ist diese Rechnung, nicht .lös- 
bar , weil ei: d$t& Ende des Kriege^ nicht di^ti^rt. Dem Plutarch (Lya. 
15) zufolge hätten wir den. 16n Munycbion pils das Ende des Krieges 9u 
jbietrachten, was Thukydides bei jener Jahr /.und Tagangabe im An^^ 
gehabt haben müsse. So lehrt Boeckh(a, 0. S. 81), Yömels Ansicht 
zurückweisend dasz vielmehr auf den Anfang* des Munyqhion der von 
Thukydides gemeinte Schlusz des Krieges. Dalle. Halten wir de;i 16n 
Munychion fest, so folgt aus der Geitung des altmetonlschen Kalenders 
zur Zeit des peloponnesischen Krieges, dessen Schlusz das Datum 
jgibt, noch nicht, dasz dasselbe ein aus der Ueberiieferung beibehalte- 
mes altmetonlsches sei. Es war das Datum eines gar traurigen Tages 
für Athen ; wenn die Tage von Marathon und Salamis (.öder ihre Sie- 
gesfeier) in den attischen Festkalender übergehend den heiligen Zeiten 
sieh aareiheten und möglichst ihr ursprüngliches Datuni wahrten«-^ 
der Pietät ist auch das an sich bedeutungslose und gelegentliche thener 
~: so bot dagegen jener Tag;, da die Lakedaemonier Athens Her- 
schaft ein Ende machten , die Flotte nahmen und. die langen Mauern 



A. Momma^a: Beüröge sur gf^ieehUdien ZeitrechnuAg^. 347 

wie auch den Pekikeeiis besetalen , in der That wenige Anla^z die ur- 
sprüngliche Palierung mit besonderer Liebe za hegen und irgend 
Sqheu zu tiiagen .vor einer Redueiion auf den üblichen Kalender. Dasz 
man den Plutarch ungeachtet seines Buches von den Tagen nicht mit 
dieser Reducüon zu bemühen brauche, ist ersichtlich, indem er über- 
haupt seine Sachen ja wol meistens aus Vorgängern compilierte. Ist 
es also gestattet den 16n Munychion Ol. 93 , 4 den reducierten Daten 
hinzuzurechnen, so erhalten wir für jenen Monatstag, angehörend 
einem zweiten neumqtonischen und ebensovielten Jahre der kalßppi* 
sehen Periode, den 23n April 404, welches Datum, den Krieg vom 
8a April 431 an gerechnet, seine ganze Dauer auf 27 Jahre und 16 
Tage bringt, eine Tagsumme die Thukydides fifii^ag. ov noXhig nennt. 
— Boeckh gewinnt als Resultat 27 Jahre und 21 Tage (S. 81); aber 
wie gewinnt er dies Resultat? nicht durch ruhiges fortlaufen seiner 
Oklaeteris, sondern durch ein Mitlei, welches manchem willkürlich 
scheinen wird, durch dsLs Mittel nemlich der Ausmerzung eines gaii-r 
zen Monats ^0 und zwar des Schaltmonats Ol. 89, 4. 

Wer nun üb'er dieses zu dem besondern Zweck erdachte Aus- 
kunftsmillel zürnen möchte, erwägend dasz von allen thukydideischen 
Daten sonst keins davon afiiciert, keine Emendation dadurch erspart 
wird, der wird doch etwas achtsamer, die Boeckhsche Hypothese ina 
Auge fassen , wenn er wahrnimmt dasz sich nach ihr das oben kallip« 
pisch erklärte Arbela-Datum gleichfalls erklären lasse , diese nun be- 
stätigend hinzukommende Uebereinslimmung mit dem Arbela-Datum 
also jene Hypothese etwas in Schutz nehme. Nur ist es selbst in die- 
sem Falle schwer sich davon zu überzeugen , die Mondfinsternis , nach 
welcher die Schlacht mit Genauigkeit sich bestimmt, s^i nach der Ok- 
taeteris datiert gewesen. Zwar hat man geleugnet, Geminos' Geschichte 
der griechischen Schaltkreise beziehe sich auf wirklich praktischen 
Gehrauch derselben; dasz aber in der astronomischen Wissenschaft 
wenigstens die Oklaeteris abgeschaift worden durch Melon, dasz dem 
metonischen Cycius die Periode des Kallippos gefolgt sei , ist bisher 
noch von ni^nand in Abrede, gestellt worden. Nimmt doch Boeckh 
selbst an, die ihm zufolge gellende OktaSteris sei reclificiert worden 
nach dem theoretisch vorhandenen metonischen Kanon. Wir werden 
also nicht glauben , die Mondfinsternis vom 20n auf den 21n Septem- 
ber 331 sei nach der Oklaeteris angesetzt gewesen , welche in Bezug 
auf den Sonnenlauf, nicht aber in Bezug auf den Mondlauf ihre Vor- 
züge hatte; doch das ist hier weniger wesentlich. Wol aber musten 



51) Der Leser sieht hier nun die Ursache wie die Boeckhschen Resul- 
tate mit denen gegenwärtiger Untersuchung einstimmig werden musten. Es 
ist oben gezeigt dasz Kallippos, abgesehn von der Verbesserung des meto- 
nischen Fehlers und der Zurückschiebung der vov\i>riv£a auf die Conjune- 
tion, den Epochentag um einen Monat zurückschob; er that also dasselbe 
was Boeckh statuiert, nur 90 Jahre später, so dasz kallippische Rednctio^ 
Ben dasselbe erreichen , was nach Boedihs Ansteht dnreH ein Palliativ wäre 
zu Wege gebOioht worden. 

Jahrb. f. cUss. Philol. Suppl. N. F. ßd. I Hfl. S. JJ 



JMS A. Mommseii: BeiMgt zvr griftchbohen ZeiCreehBuiiff. 

sich die ezacten Wissensehaflen schlechthin ^ines und desselbigen Gy- 
clus ohne Ausnahme bedienen, und wer könnte Lusl haben abermals 
einer Hypothese Raum zu verstatten , d^r nemlich , es sei jeme etwa me- 
tonisch **) bestimmte Finsternis dann reduciert worden auf die (angeb- 
lich giltige) OktaSteris und in dieser redueierten Gestalt auf uns ge- 
kommen? Die exacten Wissenschaden gewannen damals schon An* 
sehn und lieszen sich nicht vorbeigehn« Da mochte wol des Eratosthe- 
»es umfassender Geist die Bahn brechen, welche solchen Schachern 
wie Plutarch in aller Stille naehzuwandeln oblag. 

Boeckhs Ausschaltung gibt den Athenern eine schlechtere Chrono^ 
logie, als sie ohne dieselbe nach der Oktafiteris hätten haben kön- 
nen. In einem geordneten Mondeyclus schwankt das Neujahr in* 
nerhalb der Grenasen eines Monats; dieses schwanken ist an sich 
ein Uebelsland für das bürgerliche Leben, wie denn überall die 
Ungleichheit der Mondjahre nicht praktisch ist, und die moderne 
Zeitrechnung seit Caesar deshalb das Mondjahr aufgab. Schon in 
alter Zeit suchte man ohne Zweifel das Neujahr nicht ohne Notb 
im Sonnenjahr umherirren zu lassen; nach unsem Tafeln gab Me- 
ton seinem In Hekatombaeon einen Spielraum von ao (29), Kallip* 
pos aber einen v<»i 29 Tagen, also bezüglich von der Länge eines vol- 
len und eines hohlen Monats, ^f) Wie soll man aber jenes Auskunlls* 
mittel Boeckhs loben, vermöge dessen während einer Zeit von wenigen 
Olympiaden dem Neujahr drei und fünfzig Tage gewährt sind, inner- 
halb deren es umherschwankt von Ol. 86, 3 bis 91, 4? Man darf 
glauben dasz diese enorme Weite der damaligen Neujahrsgrenzen, 
wenn wir sie uns wirklich praktisch denken , sich unangenehm be* 
merklich gemacht hätte bis in die kleinsten Beziehungen^) hinein, 
denn die Jahreszeit und ihre anmutigen Geschenke sind gar nicht 
gleichgilüg für die Feier der Feste , 59 Tage aber betragen mehr als 
einen halben Sommer oder Herbst Dürfen wir den Athenern die An« 
nähme einer so fatalen Störung zumuten? Wenn sie an gewisse 
Schwankungen des Neujahrs gewöhnt waren , so mochten sie vietteicbt 
desto verdrieszlicher sein dieselben vermehrt zu sehn ; denn die Leute 
wollen mit Neuerungen auch Besserungen haben. Das von Boeckh ur- 



52) Nach Idelers Tafeln komnit das Datum weder altmetoniseh (s. 
Boeckh .S. 42) noch neometonisch auf den 16n Boedroöiion; denn bei Ideler 
hebt das 76e kalHppische Jahr schon den lOn Juni an. Nach obiger Gonstmo- 
tion des metonisdien Systems kommt sie ebensowenig auf den lön Boedro- 
mion, sondern auf den 12n Metageitnion , da der Gydus damals schon um 
äoen Tag .falsch war. Aber nach unserer Tafel des Kallippos kommt sie 
ans. 53) Die altmetonisdieit Neujahrsgrenzen gibt, wie die neumetoni- 
sohen> das 4e und 15e Jahr. Jene reichen vom 14n Juli bis zum 12n Au- 
gast im ersten Cyclus, im «weiten vom 15n Juli bis cum* 12n August; diese 
vom 25q (26n) Juni bis sum 23n (24n) Juli reichend bleiben constant. 

54) womit nun nicht gerade gemdnt sein soll dass, wenn also s. B. 
am In Hekatombaeon ein Familienfest war, der Athener sich ärgerte nicht 
eben so reife Trauben essen zu können an einem nach Boeokh Terfnihetett 
In Hekatombaeon als nach dem yor der Ausscbaltong später ftiUendan. 



V 



A; MeAimsen : Beiträge 2ar gtieiehischen Zeitrechnung-. S49 

f' gierte am weite hinausgretfen des Jahresanfangs übär die Wende ist 

^ doch hiergegen eirt geringerer tJebelsland , weichen erst Kalilppos ab- 

^ stellte. Denn in dieser Beziehung ist die oben conslruiette Enneakai- 

^ deka£teris um gar nichts besser, das fonf^ehnte Jähr Metons beginnt 

^ erst den 12n Aagust; allein dies hinausgreifen Veröbelt die Theorie 

1- weit mehr als das praktische Leben. •"— Hierzu nehme man dasz Boeckh 

^ sich jene Ausschaltung als eine wiederholte denkt (8. 14) und ^wei 

I Aussehailungea mutmaszUch in seine Tafel set^t binnen 90 Jahren (S. 

27. 39). Dennoch bringt eine jede solche Au§merzung das Neujahr 
und die Feste in ein ebenso starkes schwanken, wie es bei einer Kaien- 
den^eform erfolgt; ja die ganze kalllppische Reform hat eine noch et- 
was geringere Störung während det Uebergangszcit vom allen zum 
neuen ßtü gemacht^ als die von Boeckh Ol. 89, 4 angenommene; jerie 
bringt Sehwankcngen innerhalb 49 Tagen, diese noch um 4 Tage wei> 
tere. Jene also erreichte mit noch ein wenig geringerem Schaden et- 
was wahrhaft nützliches, diese mit gföszerem Schaden einen mehr der 
Theorie als dem Leben frommenden kleinen Vortheil , der aber den- 
noch allgemach wieder entschwand vermöge dör Beschaffenheit des 
achtjährigen Cyelus (Boeckh S. 13f.)) so dasz endlich abermals ausge- 
flickt wurde , der imglöckliche Nachen des Mondjahrs in ein aberma- 
liges schwanken gerieth und die sämllieheh Feste mit an dieser Nau- 
sea litten. Dennoch halle Meton unter den Auspicien des grösten Athe- 
ners scineff Mrtbörgenr jenes System längst öffentlich vor die Augen 
gestellt atB ein wahres nvijiia elg i$l\ dessen Zahlen eine späte Nach- 
welt die güldenen benannt hat, jene EnneakaidekaSteris , nach der wir 
heute noch Ostern berechnen. Die Athener verschmähten nicht blosz 
anfangs aus Neid etwa gegen den lebenden Meton dessen Entdeckung, 
sondern beharrten bei ihrem Eigensinn lOö J^ahre lang! und doch 
nanhte PerBcles ihre Stadt eine Schule von Hellas, in der man denn 
freilich Chronologie nicht lernen konnte, auszer von ddm welchen die 
Stadt verschmähte; und gute Schulmeister sind doch nicht blosz 
Freunde des lehrens , sondern vornehmlich des selbsllernens Freunde 
und ffhnmer störrig und träge zum lernen. — Fragt es sich ob die 
Geltung des acht- oder die des neunzehnjährigen Gyclus mehr hypo- 
thetisch sei , so mu82 die Oktaeteris im Streite erliegen. * Was kann 
entscheidender für den Gebrauch des metonischen Cyelus sein als die 
Art wie Geminos den üebergang tn ihm macht? «Da also» sagt er 
«dler OktaSteris in allen Stücken fehlerhaft war, so haben die Astro- 
nomen . .eine ganzandeTe, die i9jährige, aufgestellt.»' Das sind Ide- 
lers Worte I S. ä21. Dasz einst die Oktaeteris galt ist sicher. Hätte 
nun Oeminos dem praktisch gütigen Kanon die blosz theoretische Auf- 
stellung des neuen Kanon in d^r Weise gleichgestellt und angereiht, 
so würde er seine Leser jedenfalls zu dem Misverstandnis verleitet ha- 
ben den neuen Kation nunmehr für praktisch ebenfalls giltig zu hallen. 
Und gar die Wofte iififui^ff^ivfi Kccta nclvttt: filhrt man so eine 
fortbestehende Institution ein? vielmehr lasset uns dann gestehen, Ge- 
mrno5 habe selber sich geirrt und gemeint die * fehlerhafte' d. h. ab- 

17* 



SSO A. MommseA : Beiiräfe aar ^iedamhen geüfuhiliigt 

flchaifenswerthe Mctaetem sei aueh in d€f Thal nto^mkath worden. 
Wenn Boeckhs Angidit wahr ist , sa kommt man daau dem s^r ve- 
sf^ctabeln Autor zuzutrauen , er habe nieht einmal g^wnsi weMem 
ZeitsysHeme die Athener in der Zeit ihrer Gröwe gefolgt aeien. 

Boeekh deutet S. ^ eine Sietle des ariatophanisehen Fided«ns auf 
eine Auslassung des Sdialtmonats Ol. 89, 4, indem der Friede im 
Jahre vorher aufgeführt worden. I^e Stelle ist sehwierig (Vs»44i ff. 
des Hermes Worte t t^tm* ifu luiXat^ xw inu^äv Jitt fe nktwehii» [Be- 
lios und SeleneJ, X€A t&i xv%i&9 xn^^nyow «^' a^funrnitUtg^ d. h. 
so stahlen sie auch schon längst von den Tagen wetehe weg und Irar 
szen das Jahr [TwaXog] an durch ihren Irrlauf & so etwa Boeefch). Ak«r 
sie, statt auf einzeln abgenagte Tage, z« beziehen miI einen gasuenBloiiflA 
und dessen plötzliche Ausmerzung sind wir sdiwerlieh bereehtigt. Boeddi 
lehrt, an einzelne Tage, um mit dem IMonde in UdiereMWlimwtmg im 
kommen, sei nieht zu denken, denn abgesefan davon dasz hiermit die 
Sonne nichts zu than habe , wären einzelne Tage damals vielmefa? aus- 
zuschalten gewesen; welcher Grrnnddeiui freilich steht «adnült otttdem 
stehen und fallen der Boeckhschen OktaeteridentafeL IhtSM die Soene 
zunächst mit den einzeln dem Monat sei es hinzugelegten sei es weg- 
genommenen Tagen (volksthömlieh gi engen beide Vorstellungen neben- 
einander, obwol man in der That mit einer ausreicht) nichts zu sdiaf- 
fen habe ist richtig; aber neben Selene regiert ja dodh auch Helios 
über alles was Zeit heiszt, und nieht allein, sondern neben ihr an 
zweiter Stelle wird er gemeint (Vs. 406 17 yif^ JSelfjvti j^m lunfov^ye^ 
*''HXiog mX,)» Doch die Hauptsache ist dasz man unbefangenerweise in 
itaqhiftoyov nur ein allmähliches thun finden kann. 

Nachträglich wird noch auf zwei Punkte der bisher über die Ba- 
ten des peloponnesischen Krieges geführten Untersuchungen hinzu- 
weisen sein, auf ein paar Worterklärungen nemlich, über weiehe 
man, scheint es, zu gr5szerer Sicherheit und Bestimmtheit gelangt 
ist , als man wol gesollt hätte. Der erste Punkt betrifft die Bedeutung 
von TtaQa^iifSiv f der zweite den wahrscheinlichen Sinn von oUywy 
oder 01? noklmv ^fa^cSv neben den thukydideüohen Jahrangaben. 

Zuerst von itaga^iQU/v* Es zeigt sich dasz , sind, anders obige 
Hechnungen richtig, die Ausdrücke des Thukydides V 20 aivadixa 
itmv disl^ovtav nal iniiQmv iklyav Ttu^evipiovamv ^ cS^ ro n^mop 
1} iaßol'^ ^ ig Tfiv ^AttMi^v %al ^ a^xi] xov noUfiov xavöe iyivetQ' 
vgl. ebd. 36 toaeivxa Stri ... fcal ii^qag ov noXkig na(fsviy%ov0ag 
eine positive Differenz andeuten , wir also oXtymv ^(ieQ€9v Tca^evsyiMv- 
0äv übersetzen können durch * wenige Tage darüber'. Dennoch 
dürfte im Ausdruck TSaQSViyxovamv nur eben eine Differenz ob plus 
ob minus ) also * wenige Tage darüber oder darunter' bezeichnet sein. 
Boeekh will dasz okfymv '^iisgmv naQSvsyfWvöAv ausschlieszlioh * we- 
nige Tage darüber' heisze. Aber Cassius Dio, von den auf Caesars 
Befehl eingeschobenen Tagen des römischen annus x^onfusionis re- 
dend, sagt XLIII 26 htta aal i^iqKQvva fifU^ag i^ßaXmv^ oaiuiuq ig 
tfiP ifta(fuXoytav na^fi^^iifov d. h. ^so viele nemlich an der vollen 



A* Möifiim»erii : Bclitratre zär gf iediischen Zeitrechnung. 251 

Sermtnei fohlten'. Hier steht naqiq>zqov von einer negativen Differenz, 
80 dftst^ mfan leicht den Schhisz macht, ^r Ausdruck welchen Thuky- 
dides für. ent j^ius, Dio für ein minus anwende, möge an sich selbst 
wol weder das eine noch das andere bedeuten, sondern = * differie- 
ren' sein. Deshalb ist oben bestätfdig nur das Wort * Differenz' dafür 
angewandt worden. 

Terner ergaben sich für die * wenigen' oder * nicht vielen' Tage 
des Thukydides kleinere Tagsummen , welche die Länge eines lunä- 
rischen Monats nicht überstiegen. Dennoch kann man fragen , ob Vö- 
mel und Boeckh recht gesehn haben, dasz dies eben auch in den Wor- 
ten des Schriftstellers — oUyaw und öv nolXmv inieqav — liege. Es 
ist diese Ansicht deshalb nicht ganz überzeugend, weil dieselbe das 
von Thukydtdes hier gemeinte Zeitjahr mit dem bürgerlichen Jahre 
auf gleiche Stufe zu steilen sdieint. Wenn Thukydides nach diesem 
letzteren, in Monden rein aufgehenden seine Kriegsjahre rechnete, so 
würde er neben diesen Tage allerdings nur dann nennen dürfen , wenn 
ihre Zahl keinen ganzen Mondmonat betrüge ; dem tropischeil Sonneil- 
jahre, das sich in Jahreszeiten auflheilt, folgend konnteer entweder 
diese Jahreszeiten al^ dessen Theile beiordnen, oder aber Zodiacal- 
monafe', wie Geminos sie in seinem Kalender hat und wir in dem un- 
srigen. Die Zodiacalmionate nun , wenngleich Meton sich etwa ihrer 
imParapegma vielleicht schon bediente, waren doch lieber dem Astro- 
nomen zu lassen , statt derselben afso nur Tagsummen conseqiienter- 
weise neben dem tropischen Jahre anzuwenden. Hiernach wäre es 
mislich den ov itoXlatg fffiiffatg eine bestimmte chronologische Grenze 
zu geben. Wo hingegen Monate daneben genannt wären , müste man 
nicht auf Zeitjahre schlieszen, sondern auf bürgerliche Jahre, deren 
natürliche Bruchtheile so zu sagen die Monden sind — was denn auch 

- für die schwierige Stelle Thuk. V 25 ^ fti^ (liv xal dhuc (lijvag viel- 
leicht einige Erwägung verdiente. Wer behauptete Pläton Ges. 787 
meine ein tropisches Sonnenjahr, den würde man darauf aufmerksam 
machen können, der daneben genannte Monat deute vielmehr auf das 
bürgerliche Jahr hin. Dennoch ist nicht zu leugnen dasz jene Absicht 
ihr ansprechendes hat. Denn warum muste Thukydides gerade wis- 
senschaftlich consequent sein ? Dem * seine Tage ' uralter Sitte gemäsz 
*naeh dem Monde führenden ' Griechen lag als handliches Masz für 
kleinere Fristen in der That die von Neumond zu Neumond näher als 
uns, die wir unsere Tage vielmehr nach einem Kalender führen, wel- 

. chen der Mond eher stört als fördert durch seinen Eihflusz auf die 
Ansetzung der Feste. 

Dasz die Datierung von Trojas Fall auf den achten Thargelion 
voia Ende 17 Tage vor der Sonnenwende wahrscheinlich neumetonisch 
zu nehmen sei, ist oben gezeigt worden. Nach Idelers Uebersicht 
der sich verschiebenden Jahrpunkle (EM. S. 78) fand im J. 45 v. Chr. 
die Sommersonnenwende am 2ön Juni 6 Uhr morgens statt, und dies 
Datum mit Hinzugabe einiger Stunden können wir für die Zeit des 
Dionysios zu Grunde legen ; schrieb er doch für seine Zeitgenossen, 



258 A» MomoMea : Beiträge zur grieisbiKd^n ZeUr«0tailttg. 

welche gewis zum alleirkleinetea Xheil im Stande wiu^eB emu^An, 
dasz mehr als ein Jahrlaiisead früher der b/etreflDende Jahrpookt eiaein 
andern Datum eotaprocben hahen mQs&e ft)s zu ihrer Zeit; mögUeh 
auch dasz ihm selber die Sa^e fremd w^. Gehen wir also von dem 
Tage der Wende , welchem sie in der Zeit des Autors und nach lange 
nachher angehorte, aus, so ergeben die Tafeln dasz vom 23n Tharge- 
Uon bis zum 9n Skirophorion s;s a5/Ka Juni siebzehn Tage aipd, in- 
dem nach antiker Weise, der terminns a quo und der ad quem mitge* 
rechnet werden. Er^itostbenes selber moehle anders angesetzt haben ^^X 
so dasz Dionysios, der dt^s Studium der eratosthenischen Chronogra- 
phie ja zu dem seinigen machte, doch die Datieriing des ISratosthenes 
insofern linderte als er den Sommerwendet^g seiner Zeit an die Steile 
setzte. Indes zu einer sicheren Yennutnng komn^t m«n nichtig weil 
die Setzung der Wende auf ein den 96n Juni jui. dj^rstellendes Datum 
dem Eratosthenes in der Zeitbestimmung Trojaa zuzumuten ware^ Zu 
Eraloslhenes Zeit (901 v. Chr.) kann die Wende, welche alle 198 
Jahre um einen Tag rückt, durch erneute Beobachtung auf e'mDatum, 
entsprechend dem jul. 27n Juni, jedoch auf den Vormittag gesetzt 
sein 9 welcher noch dem lOn Skirophorion, von Mittag zu Mittag ge* 
rechnet, angehörte. In diesem fall müste man bei Zählung der 17 Tage 
nicht beide termini, den a quo und den ad quem mitrechnen, sondern 
einen ungezählt lassen^') und zwar wol den Tag der Wende. Da die 
Wende y. Chr, 46 am 3ön Juni 6 Uhr morgens eintrat, so kern sie, 
wenn man zweimal 128 Jahre zurückgeht in die letzten Jahre des Era- 
tosthenes, auf dieselbe Tageszeit des 27n Juni. 

Es sind von den Epigraphlkem zwei athenische Inschriften aus- 
findig gemacht, deren doppelte Datierung nach altem und neuem Stil 
(Boeckh) die ergiebigste Quelle von Aufschlüssen für die athenische 
Zeitrechnung sein würde, wenn isie nicht leider in einem höchst frag- 
mentierten Zustande auf uns gekommen wären. Dennoch ist es der 
epigraphischen Kunde und dem S^arfsinn Doeckhs (MondcyalenS.66 
ff.) gelungen diese Denkmäler, verstümmelt wie sie sind, für die Da- 
tenvergleichung ni^tzlich zu machen^ Zwar wird hier eine ihren Prae<» 
missen u^d Consequenzen nach abweichende AuffassongvjCNrgetragen 
werden, in dem aber« was bei einer Untersuohung das materielie ist 
und was Boßckh selbst als gesichertes Ergebnis betrachtet , wird man 
keinß Abweichung finden. 

D|e Daten der Insphrift I^f* 98^ differieren Viren Zahlen nach um 
2, zufolge der durchaus überzeugenden Herstellung Boeckhs; bei dem 
andern Doppeldatum in Nr. 385 ist dieselbe Differenz herstellbar. Der 
.unyersp)^ob^ne Cyclus. des Meton (s. unten Tafel III) zeigt aber ver- 
möge der annexen Daten des julianischen Jahres ^en di^en Un- 



55) Die Verschiebung der Jahrpunkte entdeckte erst Hipparchos , aber 
maa beobachtete die Sommerwende wiederholt und kam da za abwelchen- 
dea Resultaten. 56) Die MdgUehkeit dieser Zählung ist nicht absuleug^ 
n^n , sonst ist wol der Usus d^m mitreqhaen beider T^mini günstig. 



ierscfaied von ewei Tafen als einen häufig vor komm^ndien. Es bat 
derse)!)«, wie oben gezeigt iat, seinen Grund darin dasz Kallippos den 
Monatsanfang von der sichtbaren yiMfj»ifvAt auf die wahre Conjunction 
iSUrückachob (1 Tag) und auszerdem einer vorhin beigebrachten Mut- 
maszang nach die Epochenstunde vom Vorabend Metpns auf den 7 bis 
8 Stunden früheren Mittag hinaufruekte. So zählt nun Meton z. B. in 
seineni 3n Jahre den In Hekatombaeon^ wo Kaiiippos schon deii 3a 
zahlt im neometonischen 15n Jahre ; oder wenn bei der Inco^gruenz 
der Schalt- und Gemeinjahre beider Gyclen zugleich eine Abweichung 
der Monate um 1 stattfindet , Meton in seinem 9n Jahre den 23n An^ 
thesterion, wo Kallippos den S4n Elaphebolion^') zählt im neumetoni* 
sehen 2n. Nun geht die um 3 kleinere Ziffer auf den beiden Inschriftenr 
fragmenten voran, so dasz man sieht, wie dem altmetonisciien Datum 
der Ehrenplatz eingeräumt wurde. 

Es sind hier nun zwei Auffassungen möglich: entweder, da der 
eine Volksbesehlusz zu Gunsten eines Ausländers, des pergamentr 
sehen Arztes Menandros abgefaszt ist, hat man das eine Datum als 
das m Pergamos giltige , das andere als das athenische zu denken ; 
oder man musz sagen , dasz die Behörde specieU anbefohlen habe (oder 
dam&ls gewohnt gewesen sei) dem bürgerlich geltenden Datum neuen 
Stiles das altmetonisehe vorzusetzen. Die erstere Ansicht hält Boeokh 
nicht für wahrscheinlich , weil hier eine internationale Verhandlung 
zweier Staaten miteinander nicht vorliegt , sondern in beiden Psephis- 
men staatlich nur Athens Beamte erscheinen gegenüber zwar einem 
Pergamener, aber doch einem Privatmann. Und anders darf wol nicht 
geurtheilt werden. Hiernach bleibt die andere Ansicht übrig* Denn 
dasz, wieBoeekh ferner schlieszt, das metonische Datum als das amt- 
liche voransiehe (weil damals der metonische Cyclus zu Athen galt) 
folgt keineswegs, da durchaus nicht abzusehen wäre weshalb man die 
kftUippische Datierung, sobald sie nicht wirklich galt« hinzusetzte. 
Boeckh, der S. 106 von der kaliippisehen Periode S4i^ dasz sich die 
Astronomen * gelehrterweise 'ihrer *aueh' bedient hätten, durfte 
einem rein theoretischen Zeitsystem den Zutritt in ein bürgerliches öf- . 
fentliehes Document gar nicht gestatten« Hat aber ein Staat erst den 
einen Kalender befolgt, dann einen andern angenommen ^ so ist es sehe 
denkbar dasz er, weil Staaten einmal conservativer sind als Privat* 
leute , doppelle Daten anwendet und dem älteren Kalender als dem alt» 
nattoniüen diea ersten Platz gönnt vor demjenigen dessen nächster Ur-: 
heber doch kein Athener sondern ein hellenistischer Grieche war. 

Dasz der metoniseh datierte Tag hier der blosze Fignrant ist läszt 
sich auch noch von anderer Seile zeigen. Wäre nemlich die Datierung 
alten Stils nicht blösz honoris causa da , sondern dem wirklichen Ge* 
brauch des altmelonischen Kalenders entnommen , so könnten die Zah- 
len nicht ihre ursprüngliche Differenz zeigen, sondern müsten um mehr 



57) EkieckliS. 58: Mm Kirsten Datum stanli Zeile 3 'Av^eotijoimvog Sev- 
tiifoi lltex' £i%ddas]y im zweiten 'EXaq)rißoki(Svog rstifciäi (Ut el%tiia[9],'' 



254 A.Monmiseifi: Biiiträge zur grleehitfiäien Zeitrechnimg. 

ats 2 abweichen, vörausgpesetzt dasz unser« Tafel «Ili richtig ist. * Al- 
iein* — so möchte jemand entgegnen — *wer wird denn annehmen 
dasz man Metons Kanon nicht berichtigt habe? ' Diejser Einwand schlägt 
sich aber selber. Kallippos hatte den Fehler »meines Vorgängers ent* 
deckt und eine sichere Methode angegeben , ihn unter Beibehaltung 
aller beibehallenswerthen Eigenthfimlichkeiten der Enneakaidekaiteris 
zu vermeiden. Berichtigte man also den metoni sehen Fehler, so nahm 
man diese Belehrung vom Kallippos an ; dasz man aber nun nicht auch , 
die übrigen Verbesserungen des Kallippos angenommen hätte , beson- 
ders die willkommene Annäherung und Gruppierung der Neujahre um 
die Sonnenwende, ist nicht wol denkbar, man m&ste denn den dama* 
Hgen Athenern einen seltsamen Eigensinn zutaranen , während sie doch 
Ol; 112, 3, als Kallippos' Kalenderreform ans Licht trat," ein^n leisen 
Winke des makedonischen Königs jeden Eigenwillen nachsetzen mus- 
ten. Kallippos* Verbesserung wird unter den Anspielen des Alexan^ 
der ins praktische Leben übergegangen sein , obwol wir sie uns selbst- 
verständlich schon länger in der Theorie vorbereitet denken müssen. 
Denn dem epochemachenden Ereignis der Arbelaschlacht folgiend mag 
Kallippos die neumetonische Epoche angesetzt haben auf das nächste 
Jahr oder etwa im Jahr Ol. 112, 5 selber, nachdem es altmetonisch be- 
gonnen, seine Reform aufgestellt haben, unbekümmert darum dasz er 
nun einige bereits abgelaufene Monate alten Stils umtaufen muste; 
machte er damit doch Alexandem ein Compliment , welcher eben jelzt, 
als im Hekatombaeon Ol. 112, 3 Dareios ermordet war, das Recht zu 
haben glaubte die erledigten Throne von Persepolis und Ekbatana zu 
besteigen. Dasz ein Kalender , sei es in den Monatsnamen oder in der 
Epoche , auch Huldigungen der Art darbringen könne , lehrt eine Reihe 
von Beispielen , welche für diese immer doch nur mutmaszlich gege- 
bene Auffassung anzuführen freilich gerade nicht der Mühe verlohnt. 
— Aber, wie gesagt, wenn die Athener sich genöthigt sahen den 
fehlerhaft gewordenen Cyclus des Meton nach Kallippos' Theorie zu 
emendieren, so verschmähten sie gewis auch die übrigen Vorzüge der 
neuen Periode nicht, d. h. sie nahmen dieselbe einfach an.**) Eine 
ungefähre Zeitbestimmung der Inschrift Nr. 386 bringt dieselbe in die 
Jahre von v.Chr. 197 — 169 (Boeckh S. 59). War der metonische Ka- 
non ohne Rectification fortgebraucht, so differierte er bereits drei bis 
vier Tage, welchen seinem Ursprung nach schon gegen anderthalb 
Jahrhunderte früher nachgewiesenen Fehler man freilich unmöglich 
hätte dulden können. Boeckh läszt seine Athener Ol. 112, 2 die Oklae- 
teris abschaffen und mit OL 112, ^ den noch bisher ungebrauchten me- 
tonischen (d. i. Idelerscheti) Cyclus einführen ; aber die ihm also jetzt 
metonisch beginnenden Athener beginnen doch nicht-metonisch! dehn 

* 
58) Es konnte ihnen dies um so weniger schwer fallen , da die kallip- 
pische Periode sich doch nur als eine Verbesserung, nicht als Verdrängung 
des metonischen Cyclus gab. So lebte denn auch der Name des Meton im 
Sprich Worte (onntM Melünis bei Cicero und sonst) fort, nidit der des Kal- 
lippos. 



A. Mommsen: Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. 255 

d^^aug^ehsöhdnHch um zwei Tag;e zu späte* alttnetonische Jahresan- 
fangs (lefJnli, idelerisch) müste jedenfalls berichtigt werden (S. 43), 
kurz diö metanisch rechnenden Athener begannen mit dem kallippi- 
schen 28A Juni. Sie setzten sich dabei ferner hinweg über die Sicht- 
barkeit der ersten Phase , und auch für diesen theoretisch sehr rich*^ 
tigen Gedanken waren isie dem Kallrppos verpflichtet (S. 44) so gut 
wie für jene Ausmerzung des Fehlers. Sehen wir ab voh dem Eigen- 
sinn der Athener, gewisse Vorzüge des kallippischen Zeitsystems an- 
zunehmen, andere wieder — das System als ganzes zu verschmähen: 
so ist es doch in der That unglaublich däsz dieselben Athener voh 
Ol. 112 ; 3 ab nun die metonische Enneakaideka^teris wieder unrecti- 
ficiert in die Irre laufen lassen mehr als anderthalb Jahrhunderte lang. 
Denn bedienten sie sich , wie die Inschriften lehren , des kallippischen 
Datums neben dem altmetonischen und sahen sie sich folglich, wenh 
die doppelte Datierung nicht eine mehr vereinzelte Alterthümelei war, 
durch die nach Boeckhs Ansicht secundäre Anwendung der kallippi- 
schen Daten darauf hingewiesen, den allmählich wieder sich einschlei- 
chenden Fehler des Meton nicht zu übersehen, so verdienen diese 
Athejier , welche nach Boeckh den Fehler zu zwei Tagen abermals an- 
wachsen lieszen, den Tadel der allergrösten Nachlässigkeit — diesen 
Fehler welcher ihnen vor noch nicht anderthalbhundetf Jahren ein so 
augenscheinlicher gewesen war! Ja , wenn Boeckh den alten Stil blosz 
ehrenhalber dem neuen vorgesetzt dächte, da konnte man sichs gefal- 
len lassen ; aber nach diesem aufs neue fehlerhaft werdenden Kalender 
allen Stils müssen die Athener ihre Tag^ führen, zu einer Zeit wo we- 
nigstens die exacten Wissenschaften an Praecision und auch an Autori- 
tät gewannen. So ergibt es sich dasz Boeckhs Ansicht, es sei die auf 
den Inschriften bemerkte Differenz von zwei Tagen der bis dahin wie- 
<ler angehäufte metonische Fehler, nicht haltbar ist. 

Es wurde dieser zweitägige Zahlenunterschied bereits oben als 
die cohstante Differenz mehrerer Jahre beider Cyclen bezeichnet und 
zwar des noch unverschobenen fehlerlosen metonischen Cyclus, ver- 
glichen mit dem, von einer gewissen Correction abgesehn, überall sich 
nicht verschiebenden rieumetonischen des Kallippos. Wie werden wir 
uns denn nun solch eine doppelte Datierung entstanden denken ? am 
wahrscheinlichsten doch wol durch den Gebrauch eines Parällelkalen- 
ders. Wenn man häufiger doppelt datierte, muste man das Bedürfnis 
empfinden , aus einer beide Datenreihen enthaltenden Tabelle einfach den 
betreffenden Tag zu entnehmen; und dasz jene Inschriflenbruchstücke 
wol auf einen öftern Gebrauch, dessen Documente uns verloren wä- 
ren, sehlieszen lassen, scheint doch das wahrscheinlichere. Dadurch 
wird nun wiederum die oben wiederholt geäuszerte Vermutung unter- 
stützt, dasz sich auch die Wissenschaft solcher Doppelkalender bedient 
haben möge um frühere Daten auf den neuen Stil zu reducieren'und 
so den nominell gleichen Daten auch denselben Sinn zu geben. Was 
die Astronomie betrifft, so ersieht man aus den häufig bei Ptolemaeos 
voriiommenden Doppeidaten , dasz .man' noch mehr ähnliche Hilfsmiltel 



2S6 A. BlomnMeii: Bei(rS|^ tar griechisdien Zeifrechanng. 

nölhig httte, zimadist um aegyptiscbe Daten zu Tergleidiea. Ebenso 
ersehen wir die Nothigong, zu Baliylon gemachte Himmelsb^obaeh* 
tiingmi auf griechisches Datum zu reducieren» qatfirlich auf neumeto- 
nisches, wie denn Ptolemaeos hinzuzufügen pflegt, es sei das und das 
Jahr der kallippischen Periode gemeint Um so eher dürfen wir an* 
nehmen dasz Verglelehungstabellen der beiden griechischen Kalender 
auch zum Handgebrauch existierten. Rechnete man im Leben neume* 
tonisch, so konnte man jedem Datum ein altmetonischas vorsetzen, 
während umgekehrt es unmöglich war für den von Meton zu viel ge- 
nommenen, beim Kaiiippos sich gar nicht vorfindenden Tag ein 'se- 
cundares' Datum zu finden; wer sich freilich auf Wahrscheinlic^eits- 
rechnung versteht, wird da vielleicht entgegnen, dasz das wirkliche 
eintreten dieses kleinen den altmetonisch rechnenden drohenden Di- 
lemma so äuszerst selten müsse gewesen sein, dasz man wol davon 
absehn könne« 

vin. 

Betrachten wir es also als feststehend, dasz sowol Metons Kanon 
als Kallippos' Periode gleich von ihren Epochen an praktisch zu gellen 
anfiengen, dasz also Idelersund früher auch Boeckhs Ansicht über den 
Punkt der praktischen Giltfgkeit durchaus die richtige gewesen, nur 
dasz eine andere Gestalt als jene Forscher glaubten zu Grunde gelegt 
werden musz. So bestätigt sich denn auch der Satz dasz in den älte- 
ren Zeiten Wissenschaft und Kunst weniger sich zurückzogen aus dem 
öffentlichen und bürgerlichen Leben, wie das später immer mehr ge- 
schah, namentlich zu Alexandrien. Spuren indes von rein theore- 
tischen Setzungen haben sich schon gezeigt, wenn anders wirklich 
Kallippos die Epochenstunde seines astronomischen Tages auf den Mit- 
tag setzte, wie in der nabonassarischen Aera; gewis gaben die Leute 
deshalb ihren landesüblichen Tagesanfang nicht auf. Sollten wir nun 
Im Fortschritte der exacten Zeitkunde und der Astronomie eine fer- 
nere, retn wissenschaftlich gebliebene Setzung kennen lernen, so 
würde das, wie gesagt, z. B. für die Gelehrsamkeit der alexandrinischen 
Theoretiker, ein Beleg sein zu dem allmählich weitem zurückziehen 
der Wissenschaft aus dem Leben. 

Während nemllch der zweite Poseideon, Athens Schaltmonat, 
noch auf Inschriften aus der Kaiserzeit vorkommt (Boeckh Mondcyclen 
S. 106), lassen sich doch einige Stellen des Ptolemaeos nicht anders 
etklären als so, dasz man behauptet, zu Alexandria habe man sieh 
zwar der kallippischen Periode bedient , aber nicht ohne eine Aende- 
rung, bestehend in der Verschiebung des Schaltmonates, welcher, im 
athenischen Leben der siebente , in der astronomischen Wissenschaft 
an dreizehnter Stelle nach dem Skirophorion gezählt worden sei. Jo- 
seph Scaliger ^*) trägt diese Lehre mit der grösten Bestimmtheit vor. 



50) de emead. tempp. p. 84. Sealiger will diese Versehiebang überall 
der kallippiwiliea Periode viadiciermi, was man niehi sugebeakann. Aach 



uad die al^t^ndfimsahe WisseneohaA kl^nble ohne Zweifel' mü ddm 
fremdher erworbenen Pfunde wuehem i^nd sehallen, ohne üeh dnreb 
irgend eine Rüftksipht zu bindan^ Bcaliger sagt» e» sei also ein »wei- 
ter Skirophorioa^^) inlereaiiert worden« Die «päleren aber reden mei- 
stens blosjs von. einem ^v ifißdl^iag, wobei es bei der tiieoreü^ 
sehen Absieht dieser Sehjriflsteller wol denkbar wäre dasz sie uns eben 
den bei den Astronomen der Ptolemaeer übiiehen Ausdruck für den 
lan Mond mittbeilten« Indes köpnte smoh die alte Bezeichnung beibe- 
halten sein, wenigstens neben der rein sachlichen -^ iftßoliiiag ^^; 
in dergieiohen Füllen pflegt wol die Terminologie etwas zu schwan- 
ken. 80 is4 es gerade nicht wunderbar, dasz Ptolemaeos (Alm. VII B 
p» 36), von einem kallippischen Schaltjahre redend, dem 36n Jahr der 
Periode, blosz den Peseldeon nennt, nicht den n^u^ ntastSetiv: 
denn eigentlich, wie Scaliger will, war es ja jetzt ein zweiter Skiro- 
phorion. ^^) Consequent ist er aber dennoch mcht, denn ein ander- 
mal, wo er von einem 9n kaliippischen Jahre, also wieder einem 
Schalljahre spricht, lautet die Angabe (Alm.IV 10 p.378>: fM^vo^ J7o^ 
^£fisävog xov yf^i^ov, Dasz in toi nifoxi^ov die Ziffer des Datums 
stecke ist nicht recht wahrscheinlich, da auch bei zwei eben vorher 
berichteten Observationen zwar der attische Monat aber nieht die Ord- 
nungszahl des Monatstages genannt wird, welche aber das aegyptische 
Paraiieldatttiu hat^'). Wollte man nach dieser Stelle allein urtheiien, 
so müste man annehmen, Ptolemaeos hatte die alten Benennungen 
eines ersten und zweiten Poseideon ungeachtet der Verschiebung des 
letzleren einfach bestehen lassen. Doch wie gesagt läszt sich mut- 
maszen, dasz diese etwa noch junge Terminologie sieh dem Autor 
nicht hinreichend festgestellt hatte. 

Ob nun diese Ansicht, es sei der dreizehnte grieclusche Monat 
als der eingeschaltete betrachtet worden in späterer Zeit^ sich bestatii- 
gen lassen wird aus einer noch andern Quelle, welche aber dem 
Brunnen alexandrinischer Wissenschaft eigentlich entfiLossen ist und 
daher einen Rückschlusz erlauben müste? Man könnte nemlich fol- 
gendes Baisonnement anstellen. Im dritten chrtstiiehen Jahrhundert 
— Ptolemaeos lebte im zweiten — stellte der Bischof Hippolytos einen 
Osterkanon auf im ersten Jahr des Kaisers Alexander Severus , wel- 
ches die üeberschrifl nennt nebst dem Datum der Ostergrenze für dies 



die Astronomie wird früher nach uayersehobenen Schaltmonaten datiert ha- 
ben, wie das einem Sobaltjahr apgehörige Arbela- Datum zeigt, auch das 
bei Dionysios I 63. 60) Wer nun so glücklich wäre die arehaeologische 
Ephcmeris Nr. 83 su Rathe ziehen su l^önnen ! Dort steht ein fragmentier- 
tes Datum: EAtEMBOAlMQI , nach Boeckh (a. 0. S. 12) [Bvn nal 9]ett 
ifitßoX^fUjlf «nd SU beziehen auf den letzten des Skirophorion. Boeckh freilich 
deoki an einen einzelnen Zusatstag. Ql) So erledigt sich der Eipwand 
Baeckhs (a. 0. S. 105) gegen Scaliger. Wegen eines bei Ptolemaeos. ge- 
nannten nfiofc^ofi Ilß0$ämv liesz sich eher ein solcher machen als w«g«n 
eine» Qicbt v^ore^og genannten. 62) Man ersieht nicht weshi^b Hahna 
übersetst: le premier jour du mols Posideon. Esseheiot em blosses Verse- 
hen des UeberseUers. 



SS6 A« Mommsen: Beiträge ear griechhfchen ZeiMr^hriun^. 

Jahr und äem Behiizei ifißoXfyuyv firivog yevöfitifdv d. h, ^ nach ein« 
getretenem S.chaltmonde' komme die Ostergrenze auf dag angegebene 
Datum (Ideler II S. 215). Der Ostermonat aber heiszt den Kirchen* 
Schriftstellern auszer mensk paschaUs auch mensis prmus (Ideler !I S. 
320), von welchem ab weiter zählend, durch Gleichsetzung mit den 
nicht congruierenden bürgerlichen Monaten , man leicht zu Ungleich- 
heiten und Abweichungen kam, wie Ideler zeigt; so dasz bald der 
März (Occident) bald der April als prmus mensis erscheint. Ander- 
seits weist .derselbe nach dasz man in dem österlichen Zeitsystem die 
dreizehnten Monate als die Schaltmonate betrachtet habe; es werde 
nemlich dem Osterschaltmonat stets die Summe von 30 Tagen**) bei- 
gelegt ganz wie dem Adar (Schaltmond) der Juden, die ihr System 
unleugbar aus derselben Quelle schöpften (Ideler H S. 237^ vgl. I S. 
579). Wir finden also allem Ansehein nach ein Jahrhundert nach Pto* 
lemaeos im österlichen Mondcyclus die Schaltmonate an das Ende ge- 
schoben. Dasz die Osterrechnung in Alexandria ihren Sitz hatte und 
an die alten Mondcyclen sich anschlosz, ist sehr leicht zu zeigen 
und längst gezeigt; mittun auf jeden Fall der Passakanon *^) immer 
mit zur Frage zu bringen. — Zufällig ist uns auch noch ein Zeug- 
nis auft)ehaUen, welches dieselbe anscheinende Verschiebung des 
Schaltmonates zeigt, freilich einer möglicherweise recht späten Zeit 
angehört. Macrofoius Sat 1 13 berichtet aus Glaukippos Schrift über 
den Cultus {de sacris) der Athener , dasz die Griechen nach dem letz- 
ten Monate (confecto ultimo mense) geschaltet hätten, also — sagt Ma- 
crobius — nicht wie die Römer die Summe der Schalttage in die Fe- 
bruarmitte hineinlegend. Sonst hätten die Römer den Februar hierzu 
gewählt, weil sie den Griechen nachahmten. — Nach Macrobius Ansicht 
kam nemlich der Februar auf den Poseideon zu liegen bei der Verglei- 
chung der Monate ; dies ergibt sich mit Sicherheit aus seiner Zusam- 
menstellung des April und des Anthesterion I 12. Er begann also mit 
dem März , welcher volksthümlich wol immer als erster römischer 
Monat betrachtet iVurde (Ideler II S. 55 f.) und ohne Zweifel dem 
kirchlichen prmus mensis entgegenkam , so dasz dieser für die roma- 
nisierten Völker der März wurde. Offenbar aber hatte Macrobius die 



63) Wena dies bei Eallippos in der Periode der gleiche Fall war, so 
müste man die Folge der hohlen und vollen Monate danach ändern. Mög- 
lich ist es; auch hindert nichts die Periode so einzurichten. Unter den sie- i 
ben Schaltjahren auf Tafel 11 haben vier ohnehin einen SOtägigen Monat am ' 
SchlosE , so dasz sich Jene Osterregel sogar auch im Anschlusz an die Mehrzahl 
nach der eben erwähnten Tafel bilden mochte. 64) Anziehend ist es dabei 
wahrzunehmen , wie zu einer Zelt , wo die julianische Chronologie der Caesaren 
immer mehr das alte Mondjahr verdrängte , die Christen diesem wieder auch 
eine praktische Bedeutung zu geben anfiengen« Der veränderte Jahresan- 
fang kommt nicht auf Hechnung der alexadnrinischen Theorie, sondern des i 
römischen Einflusses. Spuren dieser Auffassung des griechischen Jahres zeigt | 
schon Diodor, der bisweilen ganz nach dem römischen Jahre erzählt, um 6 
Monden hinauf'- oder hinabrückend. Vgl. F. Ranke in Ersoh und Graben | 
Enoycl. I 24 S. 55 unter Demosthenes. j 



A. Moömiflen : Beiträge zur gciechisöhen 2eiirechniing'» 

erwähnte Ansicht » dasz der Schattmond bei den alten Griechen 4er 
letzte im Jahre sei. In welcher Verbindung die Nachricht bei dem 
verlorenen griechischen Autor, welchen er nennt, gestanden habe, 
ist freilich schwer zu ermitteln. Aber dieselbe mit Boeckh a. 0. S. 1^ 
auf die einzelnen Zusatztage , durch welche man hohle Monate in volle 
verwandelte, zu beziehn erlaubt der Zusammenhang nicht. *Die Grie- 
chen' lehrt Macrobius ^bemerkten, daszihr3ö4tägiges Jahrumll^Tag 
zu kurz war; alle acht Jahre fehlten also 90 Tage, die sie in drei Mo- 
nate brachten. Die Tage nannfen sie wuqßalvwvag^^y (nemlich die 
kleineren Tagsummen zu 11 J jede), *die Monate aber ifißoXliiov^** 
Nachdem er dann die römische Weise erklärt hat , erläutert er die 
Wahl des Februars in der oben erwähnten Weise und. bemerkt? nam 
et üH (jGroici) v^hm anni sui mensi superfluos mterserebani dies^ iU re- 
feri Glauc^pus gm de sacrie Aihemensium scribit; verum una re a 
GraecU differdfont: nam tili confecio ulUmo tnense, JRotnani non con- 
feeio Februarw .eed posl XXIII dietn eius inlerealabant , mit welcher 
letzteren Angabe. das zu Gunsten der bezweckten Parallele gewählte 
interserebani berichtigt ist. Was die superflui dies sind geht aus dem 
früheren mit aller Evidenz hervor, es sind die Parallagmen von 11^ 
Tag, die jedesmaligen Uebersch&sse des tropischen Jahres über das 
aus 12 Mondumläufen bestehende. — Macrobius übrigens hat durch 
seine Nachricht und Darstellung derselben zwar einigen Anspruch ihm 
dankbar zu sein; doch verdient er däneben Tadel, weil er etwas viel- 
leicht blosz hellenistisch - christliches ausgibt für allgriechisches, die 
Verschobenheit des Jahresanfangs gar nicht beachtend. Da der März 
den Anfang sowol des römischen als des österlichen Jahres bildete , so. 
parallel isierte er, letzteres für das allgriechische nehmend, beide und 
gelangte so zu seiner Folgerung. Oesterlich für alexandrinisch und 
alexandrinisch für griechisch zu nehmen schien nahe zu liegen. Das 
österliche Schallsyslem , so konnte Macrobius sagen, ist offenbar ge- 
baut auf den altgriechischen Mondcyclus ; zeigt jenes den dreizehnten 
Monat als den eingeschalteten , so musz ihm nothwendig auch in den 
Mondcyden der altheidnischen Zeit dieselbe dreizehnte Stelle ange- 
wiesen worden sein. *•) Welche Vorstellungen von dem griechischen 
Mondjahre konnte ein Autor des ön Jh. (Macrobius lebte zur Zeit Theo- 
dosius II, reg. 408 — 460) mitbringen als die abgeleitet in der christ- 
lichen Osterrechnung und dem Osterstreile fortlebenden? So ward über 
das Osterfest von 444 gestritten und zwar natürlich vorher; Macrobius 
konnte das erleben und bei dem hin - und Widerreden kamen alle Ei- 
genschaften eines Mondcyclus zur Sprache. Halte Macrobius sich ver- 
möge der Ostereinrichtungen seiner Zeil eingeredet, die alten Grie- 
chen hätten gleichfalls ihren Poseideon II als den dreizehnten Monat 
betrachtet, so mochte eine Autorität dafür nicht schwer herauszufinden 



05) vueq^dXXovxag lüennt sie Solinns bei Ideler I S. 306. 60) Dies 
war richtig, nur freilich Unrfte die Monatsfolge uicht aalieben in römischer 
Welse mit dem Gamelion = März. 



S80 A. Momiitten: Beilrag« zur grlechiMh^ ZtiüechQuiig. 

sein, flofom man elwa die griecbische Monatofolge vom märzKchen 
Neujahr mit deti Römern zahlte, ^ie Macrobins selber thut, und ob 
Glauiiippog besseres wasle, sieht dahin« Was die macrobiuiisohe 
Zusammenstellung des Anlhesterio« mit dem April, des Poseldeon mit 
dem Februar betrifft, und die ganze eRlsprechend zu ordnende Ver- 
schiebttAg (vom Hehatombaeon ^=3 September ab), so ist dieselbe hin- 
reichend aueh sonst betegt f&r jene spaten Zeiten ^0, in welchen ja der 
einarüge Kalender der Imperatoren einen echt rdmisehen Kampf ftihrt 
gegen die manigfalttgen Jahreseintheilungen der hellenistischen Yöl- 
Iter^ *-> Solch ein Raisdnnement kdnnte man wie gesagt anstdlen. 
Stau aber die Hinabröekung des altgrieehisehen Sehaltmonds an den 
altgrieehisohen Jahresschlusz zu beweisen, zeigt es denselben vielmehr 
gerade an seiner allen Stelle. Weder Macrobius nodi die Osterrechner 
gehen von etwas anderem aus als von einer Parallele des römisch 
voUcjsthümiichen Jahres mit dem syrisch verscliobenen griechischen 
Jahre "^); denn den syrischen Christen begann das Jahr mit dem He- 
liatombaeon &=> S^tember. Nur musz man für Macrobius wie fttr die 
Auffiassung des Hippolylos, dasz der fi^v iftßolifMg der letzte im 
Schaltjahr sei, noch wiederum annehmen dasz sie bei jener Paray^e 
nicht den syrischen sondern den römischen Jahresanfang. dl h. den 



67) Ideler I S. 360 ff. vgl. K. F. Hermana griech. Monatskunde S. 33 f. 
Wer aber sicher gehen will musa den Hekatombaeon === September den 
asiatischen Chrieehen reservieren, die ihr Jahr mit dem Herbst begannen 
(Idder II S. 609). Macrobius mochte da« für allgemein gri^ehisch neh- 
men. 68) Kritik wird bei alle dem nöthig sein, wir werden nicht jede 
Gleichstellung sofort für eine irgendwo praktisch gewesene Kalendereinrich- 
tung nehmen. So bieten die Glossen des Papias zweierlei Gleichstellungen 
attischer und römischer Monate dat, emmal vom Hekatombaeon ?=: Januar, 
das andere mal vom Hekatombaeon sb Mär2 ; jene Parallele brachte den 
Blumenmonat (Anthesterion) in den Naehsommer, diese gar in den Spät- 
herbst! Ordnet mau die Glossen, so ergibt sich dasz sie sich auf ein velU 
ständiges Parapegma, also ein dieizehnmonatliches, gründen, wobei wenig 
gescheites herauskommen konnte. Nach dem Poseideon ist in beiden Folgen 
Jedesmal eine Ltehe; man sieht dasz der Glossator den zweiten Poseideon 
mitaahm. Hennann hat dies verkannt (Philologus II S. 269); die Ober- 
flächlichkeit der Vei^gleiehung incongruenter Monate reicht offenbar zur £r- 
klärung nicht aus. Uebrigens erscheinen die attischen Namen bald als teu- 
krische bald als tenedisclie. Dasz nun eine solche, vielleicht rein nominelle 
Vergleichnng zweier Tdonatsfolgen, deren ^Ine dreizehn, die andere zwölf 
sählte , nothwendig schon durch das Zahlenverhältnis ins schwanken' kom- 
men muste, ist leicht einzusehen, und so^grbt die vom Januar = Hekatom- 
baeon beginnende den Poseideon {Posteon matua mensis ieuerum Imgud) als 
Mai , den Gamelion (ßameon teucntm Ungua itdius mensis) als Juli , wobei 
nun der Poseideon II, wie gesagt, nicht überschlagen, sondern dem Juni 
gleiohgeachtet sein musz. Weiter nun , um mit seinen zwölf römischen 
Monden zu reichen, musz der Glossator einen griechischen auslassen; so 
fährt er denn auch fort ElapheboUon ieuerum Ungua foensis augusius, hier 
hat er den Blumenmonat gerade weggelassen , weil er sich vielleicht schämte 
ihn in die Zeit der Frucätreife zu versetzen. L. 0. Brocker hat diese bei 
alledem merkwürdigen Glossen dea Papias entdeckt, s. Philologus H S. 
246 ff. 



A. Mommsen: Beiirage mir griecfatsdien Zbifirecftnini^.'^ S61 

Wktz obsiegen lieszen und also die griechische Jahreshälfte vom 6a« 
Sielion abi^ärls zur ersten machten und die 6 oder 7 Monden damadh, 
also die Vorderhälfle des folgenden Jahres zu jener hinzulegend eih 
dem altrßmtschen und volksthümlichen Jahre Roms ähnliches ganze 
bildeten. Samtliehe Jahre des Cyctus rflckten damit um 6 Monate tie- 
fer und die zweiten Poseideone der Schaltjahre musten jetzt zu zwei- 
ten Poseideonen der jedesmal folgenden Gemeinjahre werden, damit 
das syrisch -romisch umgestempelte Schahjahr seinen dreizehnmdnat- 
Kchen Charakter behalte. Nach dieser Vorstellung erledigt sich jene« 
Raisonnement, durch weiches freilich för die Scaligersche Hypothese 
nichts gewonnen ist. Doch läszt sich für dieselbe folgendes sagen. 
Nehmen wir andasz die Alexandriner den dreizehnten Mond afe den 
Sehaltmond betrachteten, so ist es unleugbar dasz diese Auffassung — 
denn die sachliche Anordnung des Mondcyclus blieb dieselbe — tbeo- 
retisch sich mehr empfehlen muste. Einem mathematischen Kopfe 
mochte es seltsam scheinen den über die Zwölfzahl dann und wann 
hinzukommenden Mondmonat in der Mitte anzurechnen, als sollte er 
Athen zu Liebe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 13. 7 zählen. Die volksthümliche Ab- 
steht nominell wenigstens nur immer zwdlf Monden zu haben hatte 
den Wunsch bedingt, die Intercalation gleichsam zu verbergen und als 
etwas abnormes zu verhüllen, wie wenn jemand sechs Finger hat und 
nun den sechsten dem Blicke entzieht. Die Romer steckten ihre Schalt- 
wochen in den Föbruar sorgfältig hinein, und beide Volker vermieden 
besondere Namen, denn der Mercedonius ist unbelegt (Scaliger). Diese 
ganze Auffassung konnte der Wissenschaft nicht anders als sehr fern 
liegen, diese folgte dem einfachen Gedanken dasz bei sonst zwölftno- 
natlichem Jahre der bisweilen hinzuzulegende Monat die letzte oder 
dreizehnte Stelle erhielt. 

Vermöge dieser Hypothese wird es nun möglich gewisse Daten 
desPtolemaeos*') zu erklären, während Ideler, Boeckhu.a. genöthigt 
sind den Text des Schriftstellers für verderbt zu halten , und diese letz- 
tere Annahme dürfte als die gewagtere erscheinen, nemlich den ptole- 
maeischen Pyanepsion zu streichen und dafür den gewünschten Mae- 
makterion in den Text zu bringen. — Das jedem griechischen beige- 
setzte aegyptische Datum gestaltet es die gemeinten julianischen Tage 
mit unumstöszlicfaer Sicherheit auszurechnen (Ideler I S. 349, vgl« 
Boeckh a. 0. S. 104), und diese Rechnung ergibt folgendes: 

im 36n Jahr der kallipp. Periode 25 Poseideon = 21 J)ec. 295 v.Chr. 

„ 36n „ „ „ „ 16 Eiaph. ^^ 9 März 294 v. Chr. 

V 47n „ „ „ „ 8Anthest=5 29Januar283v.Chr. 

„ 48n „ „ „ „ 6 Pyanepsion vom Ende c= 9 No- 

vember 283 v. Clffir 
Diese Daten kommen theils in den Bereich der jetzt behandelten Frage 
theils aber auch nicht; das zweite und dritte Datum kommt nur richtig 



69) Alraagest VR 8 p. 26. 23. 21. 24 bei Halma. Es werden dort l*ix- 
sternbedeckungen datiert. 



^QSI A, Mojnm^u: 6eitr%e zur gpriechischen Zeitrechnung. 

aus unter angenommener Verschiebung des zweiten Poseideon ans 
Ende ; das erste und letzte ergibt sich richtig auch ohne diese Annahme^ 
Nach unsern Tafeln waren das 36e und 47e kallippische Jahr, nedr 
metonisch XVII und IX, dreizehn monatlich, so dasz die Hinabrückung 
des Schaltmonats diesen für die beiden ersten Daten hin wegbringt, für 
die beiden letzten aber hinzubringt und der Text des Plolemaeos nicht 
braucht geändert zu werden, weil alles genau zutrifft. Das mag nun 
jeder selbst nachrechnen. Hier soll nur , theils um die Praecision des 
durch die Tafeln I und II erlangten Resultates ins Licht zu stellen, 
theils um eine obige Mutmaszung zu stützen , folgendes hervorgehoben 
werden. Es wurde angenommen dasz die astronomischen Tage des 
Kallippos von Mittag zu Mittag liefen; nun ergeben die Tafeln im 36a 
Jahr des Kallippos den 25n Poseideon == 20/21n Decembcr, den 16n 
Elaphebolion == 9/lOn März, im 47n den 8n Anthesteriön = .29/30a 
Januar, im 48n den 6n Pyanepsion = 8/9n November, so dasz man, 
um mit Idelers Rechnungen zu stimmen^ bald das erste bald das letzl,e 
julianische Datum wählen müste, also für die zweite und dritte Beob- 
achtung das erstere Datum resp. den 9i\ und den 29n , für die erste 
und vierte hingegen jedesmal das letztere, nemlich den 21n und den 
9n. Diese anscheinende Willkür befreit sich aber von jedem Vor- 
wurfe, sobald man nur den Kallippos seinen Tag vom Mittag begin- 
nen läszt , denn Ptolemaeos erwähnt bei allen vier Beobachtungen, um 
wie viele Stunden sie vor Mitternacht oder nach Mitternacht angestellt 
worden sind, so dasz wir mit der grösten Sicherheit wissen, ob z. B. 
die am 25n Poseideon gemachte der ersteren kalUppischen Tageshälfte 
vom Mittag des 20n December angehört oder der zweiten kallippi- 
schen Tageshälfte , die von 12 Uhr Millernacht bis zum Mitlag des 21n 
December reicht. Nun aber sind die zweite und dritte Beobachtung 
vormitternächtliche, also dem julianischen Vorderdatum angehörige, 
die erste und vierte hingegen nachmilternächtliche , was demnach jene 
anscheinende Willkür in eine genaue Regel verwandelt. 

Ob die Hinabrückung des Schaltmonates späterhin an irgendwel- 
chem Orte praktisch geworden sei , lä^^t sich weder behaupten noch 
geradezu leugnen als etwas unmögliches. Das julianische Jahr über- 
wältigte mehr und mehr das alle lunärische; statt dem letzteren eine 
dem Volkssinne schwerlich genehme Aenderung''®) angedeihn zu las- 
sen , mochte man , wenn das alle doch in dieser Form bestritten ward, 
lieber es ganz wegwerfen und das wellbeherschende Jahr der Römer 
annehmen. Eine Uebergangsperiode , wo man an dem alten modelte, 
das nun est recht misfiel, ist immerhin sehr möglich, wobei die Grie- 



70) Sonst UeQze sich ohne Atühe zeigen, wie es wiederum nützlich 
scheinen konnte , dasz man nach verschobenem Scbaltmonde im Stande war 
sbwol vom nationalen als zugleich vom romischen. Neujahr ab zu rechnen,, 
ohne dasz das so romanisierte Jahr seine cyclische Eigenschaft 12 oder 13 
Monate zu besitzen einbüszte. Verschob man den Schaltmond nicht und 
benutzte doch das fremde Neujahr |. so muste das Jahr häufig der cycliachen 
Bestimmung widersprechen. 



A. Mommsen : Beiträge zur griechischen Zeitrechnung. S68 

chen, Jetzt rö^nisehe Knedite, 4en Nebengedanken eitnet bequemeren 
Ausgleichung beider Jahresrechnungen haben mochten. Wenn die Pro- 
vinciaien nach der Monatsvergfeichung sei es vom Januar sei es vom 
März, ausgiengen, so verlor das betreffende Mondjahr , MU der Sehali- 
monat nach dem Skirophorion stand, seinen dreizehnmonatlichen Cha- 
rakter nicht, was sonst, wo nicht zwei Gemeinjahre einander folgten, 
nothwendig der Fall war. Wiederum dauerte es gewis nicht lange, 
dasz man so gleichviel ob vom römischen oder vom alten Neujahr 9h- 
wärts dieselbe Mondensumme wollte zählen können ; dem Rumerlhum 
einmal Eingang verstattet, muste ein baldiger Untergang der alten In- 
stitutionen die Folge sein. Dennoch wird man wol thun Scaligers Hy- 
pothese auf die theoretische Astronomie zu beschränken, weil ja dör 
Passakanon und die Stelle im Macrobius zeigen, dasz auch hier der Po- 
seideon n noch, an alter Stelle musz gestanden haben, indem dieOster^ 
rechner , ob sie gleich theoretisch gebildete Mnner waren , doch die 
theoretische Rechnungsweise zur rechten Zeit bei Seite setzen musten ; 
denn die kirchlichen Einrichtungen hatten sich an die z. B. zur Zeit 
des Hippolytos in Athen oder sonst gewis noch nicht ganz vergessene 
Kalendereinrichtung anzuschlieszen , wie sie einst volksthumllch gewe- 
sen war. Die Osterbeslimmungen waren national verschieden, wie 
Sokrates bist. eccL V 22 richtig uriheilt: ^ rov nddxa io^r^ n«^' 
inictoig ix avvri&slag uvog ldia^ov0av Mi$%B xi^ naqatri^iv : s. Gie- 
seier Kirohengeschichte I S. 180. 

• 
Parchim. t 

Augtist Mömmsen. 



Tahrb. f. class. PTiitöl.Stippl. N.T. Bd. I Firt. 3. |g 



864 



Tafel I. Die Hn^t «ks EtAUffw ueh 
jnliaiuselieH Datuk 



Jakr 

TT 


IrKekatom- 
baeon. 


Jahr 
der 

Perlede. 


Irlekafom- 
baeon. 


Jahr 
der 

Periode« 


IrHekatom- 
baeoB, 


Jahr 

der 

Periode. 

Ifi.58 


IrKekaton- 

La Min 

28. Juni 


as.-^uni 


ift.20 


28. Juni 


lf*.39 


28. Juni 


2 


16. Juli 


21 


17. JuU 


40 


17. JuU 


59 


17. Juli 


3 


6. Juli 


22 


6. JuU 


41 


7. JuU 


60 


7. JuU 


ifi.4 


25. Juni 


^fA.23 


25. Juni 


if».42 


25. Juni 


ifA.61 


26. Juni 


5 


14. JoU 


24 


14. JuU 


43 


14. JuU 


62 


14. Juli 


if».6 


2. Juli 


ili.2b 


3. JuU 


if^.44 


3. JuU 


lf*.63 


3. Juli 


7 


21. Juli 


26 


21. JuU 


45 


22, JuU 


64 


22. Juli 


8 


11. Juli 


27 


11. Jiüi 


46 


11. Juli 


65 


12. JuU 


^f».9 


30. Juni 


ift.28 


30. Juni 


ili.Al 


30. Juni 


ifi.eß 


30. Juni 


10 


18. JuU 


29 


19. JuU 


48 


19. JuU 


67 


19. Juli 


11 


7. JuU 


30 


7. JuU 


49 


8. Juli 


68 


8. JuU 


if».12 


27. Juni 


ifi.31 


27. Jnni 


ift.bO 


27. Juni 


ili.m 


28. Juni 


13 


16. Juli 


32 


16. JuU 


51 


16. Juli 


1b 


16. JuU 


ifi. 14 


4. Juli 


^ft.33 


5. Juli 


^ft.52 


5. JuU 


1^.71 


5. JuU 


15 


23. Juli 


34 


23. JuU 


53 


24. JuU 


72 


24. Juli 


16 


12. JuU* 


35 


12. JuU 


54 


12. JuU 


73 


13. JuU 


^ft.l7 


2. JuU 


^f*..36 


2. JuU 


lf*.55 


2. Juli 


Jf*,74 


1. JuU 


18 


20. JuU 


37 


21. JuU 


56 


21. JuU 


75 


20. Juli 


19 


.9. JuU 


38 


9. JuU 


57 


10. JuU 


76 


9. JuU 



J 



266 



Tafel III. Bie Jahre Ol. m, 1 



h 



Jahre. 

87,1 


fiflidtooe 
ZaU 

nach 

XtftoB. 


für den In Hekatombaeon 


in den 
Perioden- 
Vierteln 


nadiffletoB. 




nach 
Kallippos. 


des 
XaUippos. 


^^^.I 


17. Juli 


432 


16. Juli 


xin 




! ^i 


5. August 


431 


5. Juli 


^^.XIV 




III 


26. Juli 


430 


24. Juli 


XV 




lf*.IV 

4 


14. JuU 


429 


12. JuU 


XVI 


88,1 


V 


2. August 


428 


2. Juli 


i(i.xyn 




lft,VI 


22. JuU 


427 


21. JuU 


xvm 




VII 


10.Au^8t 


426 


10- JuU 


XTX 




vin 


30. JoH 


425 


28. Juni 


if..i 


89,1 


ili.JX 


19. JuH 


424 


17. Juli 


n 




X 


7. Augfust 


423 


7, JuU 


m 




XI 


27. Juli 


422 


26. Juni 


ili.IV 




^f*.XII 


16. Juli 


421 


14. JuU 


V 


90,1 


xin 


4» August 


420 


3. Jufi 


if*.VI 




ift.XIV 


!M. Juli 


419 


22. JuU 


vn 




XV 


12.AuguBt 


418 


12y JuU 


vni 




XVI 


81, JuU 


417 


3Ö. Juni 


^fA.IX 


91,1 


i^,xvn 


n. Juli 416 


19. Juli 


X 




xvm 


9k August 


U% 


8. JuU 


XI 


d 


; xixi 


29. Juli 


414 


28. Juni 


if*. XTT 



Ms Mk S «Nnetwisek ud Moiettuseli. 



der 
Mlip. 
idsche» 
Periode. 

= 51 


Olym- 
piaden- 
Jahre. 


WvrBc 

Zahl. 

nach 

Xeton. 


JoUanisohe Daten 

für den In Hekatombaeon 


ftfildene Zahl 

in den 

Perioden- 

Tierteln 

des 
KaUippos. 


Jahr 

der 

kalUp- 

plschen 

Periode. 

70 


nach Meten. 




nach 
KalUppos. 


91,4 


^,..1 


17. Juli 


413 


16. JuU 


XTTT 


- 52 


92,1 


II 


5. August 


412 


5. Juli 


^f*.XIV 


71 


- 53 




III 


26. Juli 


411 


24. Juli 


XV 


72 


- 54 




ifi.lY 


15. JuU 


410 


13. Juli 


XVI 


73 


- 55 




V 


2. August 


409 


1. JuU 


Ift. XVII 


74 


- 56 


93,1 


if*.VI 


22. Juli 


408 


20. Juli 


xvin 


75 


- 57 




VII 


10. August 


407 


9. Juli 


XIX 


76 


- 58 




vni 


31. JuH 


406 


28. Juni 


ii^.i 


1 


- 59 ' 




if*.IX 


19. Juli 


405 


16. Juli 


II 


2 


- 60 


94,1 


X 


7. August 


404 


6. JuU 


m 


3 
4 
5 


61 




XI 


27. JuH 


403 


25. Juni 


^f*.IV 


62 




i(t. XII 


17. Juli 


402 


14. JuU 


V 


63 1 




xin 


4. August 


401 


2. Juli 


i(i^.Vl 


6 


64 


95,1 


i(i.XIV 


24. Juli 


400 


21. JuU. 


VII 


7 


65 


2 


XV 


12. August 


399 


11. JuU 


vra 


8 


66 


3 


XVI 


I.August 


898 


30. Juni 


if*.IX 


9 




4 


ift. XVJI 


21. Juli 


397 


18. JuU 


X 


\o 




96,1 


xvm 


9. August 


396 


7. JuU 


XI 


11 




L^ 


XIX 


29. JuU i 


395 


27. Juni. 


ift.XII 


12 


m 


*-^^ 






1 ' 






^^^™J 



Ueber die 

Glaubwürdigkeit der Neuen Geschichte 

des Ptolemaeus Chennus. 

Von 
Eudolf BfiTcher. 



Jahrb. f. dtss. Philol. SappU N. F. Bd. I HA. 3. 19 



5. 

lieber die Glaubwürdigkeit der Neuen Geschichte 
des PtolemaeuB Cbennus. 



S 1. 

Roulez führt S. 144 ff, seiner Ausgabe eine Anzahl Schriftsteller 
auf, deren Werke Ptolemaeus bei der Abfassung der 'Neuen Ge- 
schichte' benutzt habe oder benutzt zu haben scheine^ Unter ersteren 
versteht er diejenigen, welche Photius aus der Neuen Geschichte in 
seine Excerpte herübernahm , unter letzteren die , welche bei Tzetzes, 
Eustathius^ und anderen Spätlingen als Zeugen für Notizen aufgeführt 
werden, die sonst nur noch Photius in seinen Excerpten aus jenem 
Werke nachweist Roulez ist der Meinung, dasz Ptolemaeus bei sei- 
ner Compilation woi aus denselben Quellen wie Eustathius und Genos- 
sen geschöpft haben möge. 

Allein die Bekanntschaft mit jenen Quellen kann nur dem Ptole- 
maeus zugestanden werden , und die Excerpte bei Eustathius und den 
übrigen Spätlingen weisen samt den dazu gehörigen Schriftstellernamen 
nicht auf vorptolemaeische Schriftwerke, sondern lediglich auf die 
Neue Geschichte als auf ihren ursprünglichen Standort zurück. Dies 
ergabt sich unter anderem ganz klar aus der Vergleichung der Worte 
des Eustathius zur Odyssee S« 453, 32 m ih 6 toiavtog Mifivanf xcrl 
rov TiaXov ivsils Nearogldrit^ ^AwCkorfpv^ 19 hroQia irjkot, ^bqI ov 
ÜtoQst 'Aaxltpttad'tig Alvglsavog^ ig Xd^fiov do^ivrog Ni&toQtj 
wvlmsa^tu bA x^ vl^^AwtX6%tp rovAl^twta, fioto «vx^ (ivi^fMva 
p natfiQ Hai vnaffiMtfjv Xalntovct Kv7t€CQi0öiaj og l^aö^elg ilei^ff- 
Cilsüicg X€cl ßon^&v «vr^ uvvQi&ff v%* A%ilXimgy nuä xo tSmiia wto 
'EHififtav ivs^tQhmla^, üo^tsav ii xcrl aXXoig xmv fiQcimv fi^^o- 
vigj ohv t^ ^AiillH^ifog xr^g iiriXQogi ig I^oqbX %al Avnotpqmvj 
^oi %^ JlaxqivXtp dl in ^A%illlt(ig EfjdmQog [uxa xw iii^viv Iv x^ 
vuvuaxl^* &0xi ^fi nffotsn %f»(fHv, ivcd^&^m i avxov sv^g iv xy 
iftifiJM^ vm nvifül%uovj i$Q nal tivxbv itqmov ivcuQsWjvat iito üa- 
r^lov taxoosi TmoKaog Jtfaxcdov» ^AvxCitavQog 8i *A%iv^tig 
g^$ nwl ta 'Ehxo^^ Aiqvfsa Oqvy& öo&^ai iivqfiovccy f«^ avsketv 
giüLov XQv AxMimgf ^AnoXXatvog xov OvftßQalov xavxo yfrfictvxog^ 
Tov Sk ttvxon^wfioarta im ^Oövaakog ivwQsbilvat. 'Egiöiog 6i taxih' 
ifii Tuä IlQDin$OiXaqi io^vm fivi^fiova Ai(^tivov ßBxxaXov^ do^ivxog 
2(^fM)v OvlMXfp Tfoi 7tax(flj uvcttQS^vai sl Ttf^fmrfirßBiy xorl yiyovi und 
der Neu^ Geschichte bei Photius 147 a 24 eTnexo ml ^AuXUi fkviiiMav 

19* 



270 R. Hercher : über die Glaubwürdigkeit der Neaen Geschichte 

tovvo^ue iVo^fftfiDV, yivst KaQxtiöoviog, xal IlaxQOxlto EvdoQog, ^Av- 
rijcavQog di qnfivv 6 ^Anav^iog JaQfjfta Tcqo 'Otii^Qov yQa^awa xipf 
^Iliada, (ivri(iova yevia^at^ExtOQog {msQ xov (lii avsXetv haiQOv ^AjiiX- 
Xitog xal IlQansöiXaov di qyrfii AaQÖavov yevia&aij yivog SmaXov 
\ xal ^Avxik6%ui 6i Xakxmva vTtaafciazriv xat fivrjfiova vno NiötoQog 

i 0wsiivx^cti> xov fcaxQog. Die bei- Plolemaeus (Pholius) und Eustaihius 

! ganz g;ieiche QrdiruDg^ der sonst unbekannten und, wie Eusta- 

ihius zeigt, aus den Werken der verschiedensten Schriristeller, des 
Asclepiades Myrleainus, Timolaus und Eresius, zusam- 
mengetragenen Nachrichten von den Hofmeistern des Achilleus, I%- 
troklos, Hektor und Protesiiaos kann unmöglich das Werk des Zu- 
falls sein. 

Auch der sonst unbekannte An tipa't er Acanthius, welcher 
durch sein Zeugnis so wo! in desThotius als de^ Eustaihius Excerpten 
eine sonst unbekannte Notiz vertreten musz, und die nur bei eben je- 
nen Excerptoren und zwar in völlig gleicher Umgebung zu lesende 
Nachricht vom Chalkon, deni Hofmeister und Waffenträger des An- 
tilochos, weisen jeden Gedanken an die Einwirkung eines Zufalls 
zurück. * ' 

Ohne Frage hat auch der sonst unbekannte Chiron aus Am- 
phipolis bei Ptölemaeus figuriert. Bei Pholius 147« 30 heiszl es 
dta xl noirpsiig nekstädag inoliios xrjg xQog>^g xmv ^smv diccxovovg, 
xal xlva ^AU^avdgog 6 ßaötXeifg kuI ^Aqiaxoxikrig elg xoOxo ehtov^ %al 
Ttigl 'Oinigoy kuI TteXsiddoov. Hierauf antworten in ganz gleicher 
Ordnung die ausführlicheren Excerpte aus der Neuen Geschichte bei 
Eustaihius zur Odyssee (i S. 1712, 57 Xs'Iqoov 6 *Afig>i,noXix7ig 
^AXe^aväQOvxQv Mccxedovog iQmxrjdavxog ipaöc^ xl ßov- 
Xexui TtaQa x^ nolrjxy xo xccg ^SQiöxsQug sl^Siv xöft/- 
^eiv äiiß^QOölctv x^ Atly nal xo ag>ucQetad'at X8 avxag 
9ial xmv TtsXsimVy. jcsqI xSv TtXstctdmv elvat xov Xoyov 
i^ti, Sg elvcci (ihv inxa^ (paCveö&ai dl ?| xotg' iueV^ x^g 
fitäg ÖLcc xo Tial 'aXXeog a^ivdQOv xov v^xqIov ccq>avi^0' 
(livrig vTto xwv tcsxq^v, ag Öi ri[iBtg tpricfl rteXeiddcav ^rot 
nXsiccdoDV i7tixsXXov(Sav aQxofisd'ci d'sqCt^tVj ovxo) nal 
^Bol xifv ccfißQöatav Tco^it^sad'ai. öxt di TtöXXol xa$ TxXsiäSccg 
TteXnadag covofiaCav^ txaväg ösIkwcIiv 6 ^Ad^vatog^ &lqXfiv xt&slg xipf 
ixT^OTT^i/ xov ovofiaxog xa-Ö"' ^i/ «f nXBidöeg niXsia Ttal neXaiade^ Ttöcqu 
Tcoiijcatg Xiyovxai.' mg TtXccväad'aLTtoXXovgj OQvig elvcci xccg nXeiadag^ 
TOö.TS 7VuQa(Sx'rj(iccxiöfiim (ffjal xov %ccxa nQOö^soiv )fQcciAficc%og fjyovv 
xov s dt* ov i» xrjg xav TcXHccdaav XQiiSvXXccßiag eVg xe x£XQa6vXXaßUcv 
neXsicidcav TCQoißi^aav^ aal ort doxsi g>7jßl xo xQiqQOtn^^ &g ntccViv xoTg 
%Bqi xijg ayadtccg xov ^Odvcai(og ytQodediqXcDxai, fiovov ijeiß'exöv ejvctt 
x^y TtEXBtccdtov y miyU dl xovxoig o avxbg §i^pJ^ ^ccl XQV^Btg xävxag. 
MoiQcl) fi Bv^avxla Xiyovaa xiv ipißqoisiocv x^ Ad xccg jcXetddag nofil- 
isiv yqi(pBi,j cog lial nQodedrjXoixaip Zeig XQi^Qiaai %tXti^(Stv '<ona(te 
xiiiviv xccvxipf. £i(iGivldijg dl nsXsiadag oiQccviccg xccg nX^cddag ^rfiii 
nal nivdccQog di^ ¥v&a o(fla'g ccvx&g nsXsiddag Xiyeiy mg TtBi^fiivccg inl 



des Piolema^^s Cheimus. 271 

di'inq>€Cv&ns(fov itqo^na^iov nfjfog ri^v bfigiipawlicv avttiqovg nsleitidag 
Bbttif iv TveniaH OQ&y, kuI AafiitQOxk^g^tä noxavatg o(i6vv^oi 9re* 
kslMötif hf ai&iQi KUVTW Iv&a OQa ro TtOTccvcctg, kfiq>^kv (liv ctno 
^ifiatog ov wxl zu ytorritay ngcDto^srov öh ov vov Tcrtivaig, tucI to*- 
t)tvx€c jniiv xa XQV ösusvo6og)iaxav nß(fl 7tsX$icii»v^ etxovv sslsuidav. iv 
dh xotg ovxißg ovofiaifaalv iöxi aal EvQiTcidTjg, imcatOQav ÖQOiMifianB'' 
lemdog ßbt^v Kai 0s6»Qixog ii, naQ^ m »shai xoy avcnii3JMv0t tu-. 
iBuidßg, aki* ovxcD (ihv 6 ^A(iq)^Ttollxfig Xi^^oifv. ^Aquatoxi- 
Xiig. di fpa0kv aXlriyqqiKmg eln^ dfjAov v "Oft 1/^0 v i| «von- 
^viii,iatSBfagxqiq>e0^ai xovg d'eoifg rjvoi xa ävca (Xcifiaxa^ 
aBQonoQOV tf»ov naqaXaßovxa elg. ivöei^uv x^g zoiav- 
xfig xQotpiig. xo Se ag)aiQei09al xi vnb x^g TcixQag Sfi- 
lovv ¥g>ri mg Kai ^ yi} FAx£f ix xng xo^avxfig ava^vfiiä- 
öBtog. ^Aki^avÖQog ih ßjaifilsvg dia xo ioKst^i; tpfjcfl 
vovg d'^ovg g>tlQa6q>ovg »al fiSovijg (Asl^ovg avadfBtvat 
xav noifixiiv xrivinslvaiv t^o^iJv xip aad'evearaxm, xal 
XlQ^g>Bif(oxdxc|».l(6J(py vg)* ov ßQaxv. xt av TtagaKOfitioizo^ 
alXot . 6k Ala (ihv voovci xov "Hkiov axoXoii^oog Ulixmvi^ og ip, 
Oaliqip gnfilv, ^0 (ihf d^ (liyag iv ovgav^ Zevg, 9 icxiv'^Hliog^ «xff^ 
vov a^^a ilavvpiv' a^ißi^lav. öi Ttal axiilöag alg'^HXtog xf^qmai bUI 
de ot fpac^ »al tag oxs xb ucx^ov xavqog SxcK^ev xav ülayKxcav yi- 
vrixaiy övfißatvei %va xäv iitl xijg ovQag avxov hcta aßxiqfov^ oS 
TtiiMÖsg Xiyovxai, ifiavQOViSd'ai xjj ix xmv Ilkayxxmv avatpoi^ xov 
9uatvov. xal xovxo elvai, xo xag IIlayKxag aq)at^stad'at aal xmv m- 
AcMoy. IdXi^aviQog di o üa.ipi'Og töxof^si xbv'^^'Ofuri^ov vtov 
AlyvTtxlwv AiittOayoQOv xal Atd'Qag^ xQog>bv öh avxov 
^Qoq>iixlv xtya ^vyaxiga^SlQoVf tBQimg "löidog^ ^g in 
x&v iiaöxfiv iiilt ^sv0ai Ttoxa elg zb azofia xov naidlov* 
xai ro ßqitpog iv vvkxI q>mvag ivvia nqoiöd'aiy xsXt- 
öovog, xaAvog, TteQiöxsQag^ »o^fAvtig^ ni(f9iKog^noqq>V' 
K^lavogy ..ilfceQogj ar^^ovog %al aoxxvq>ov sv.Qsd'rlval ze 
zb %ai6lov (leza %€ot0zsQav ivvia natiov iTclzijg nii- 
vi^g. BV0%ov^ivi^v da nagä zotg zov Tta^öbg zi^v lilßvl' 
kav, ififiav^ yeyovviav* Mnri <s%a6tacai^ mv aQX^^ Afia- 
Cayoqa nokvvlKZy iv otg Kai (leyaKkarj Kai czatpavlzfiv 
avzbv TtQOüaiTtatv^ Kai vabv xr/tfcr» Kakavöai ivvia Tta- 
y^iSav* idi^kov öh zag Moveag. xov dh Kai xovxo Ttot^- 
aai^ Kai xm 9taidl avdgw^ivxi i^aiieatv xb Ttgäy^ia. 
Kai zov noirixriv ovzao cafivvvai za ^ma olg ßQi(pog oov 
Cy,vinaiia. Kai rcot^öai avzct z^ All ziiv afißgoolav 
KOfiC^ovza. Allerdings wirfl Eustalhius zwischea.das erste und 
zweite Fragment aus der Neuen Geschichte Excerptö auä Alhenaeust 
£uripides und Theokrit, allein er selber knüpft den zerrissenen Fäden 
durch die Worte akk^ ovzüh ^ilv 6 *A(iq>iTCoUxrig XsCq(ov wieder an. 
Das dritte Fragment erklärt den Rest des phoUanischen Excerptes und 
MrQrde, auch wenn es sich nicht schon durch die Wunderlichkeit selr 



S78 R. Hercher: über ^ Glaubwürdigkeit der Neuen Geschichte 

nes Inhalts als ptolemaeUeh verriethe, wegen des Alexander Pa^ 
phius, der sonst nur noch Einmal , und zwar in einem Excerpt aus 
der Neuen Gesduchte bei Eustathius zur Odyssee » 8. 1658 »=Pho- 
tius 149 & 39 vorkommt, in die Neue Geschichte verwiesen werden 
müssen. 

Dasz übrigens Eustathius nicht die Neue Geschichte selbst, son^ 
dem nur Auszüge aus ihr zur Benutzung vor sich hatte, zeigt die Fres- 
serin Helena , von deren Appetit er laut seiner Anmerkung zur Odys- 
see 3 S. 1493, 25 nicht durch Ptolemaeus, in dessen Neuer Geschichte 
sie zuerst auftritt , sondern durch Athenaeus X S. 414 D Kunde er* 
halten hat. 

Dagegen scheint Tzetzes , der eine aus der Neuen Geschichte ent^ 
lehnte Erzählung mit den Worten schlieszt 

TOVTO di üt(fog xipf TtqtvlXuv 6 JltolBfuiibg yf^gm^ 
et 7t(yu tov ^HqKtiOxUova ytvwswiq IlvoXifMitov, 
Jenes Werk vor Augen gehabt zu haben; wenigstens sieht man nicht 
recht, wie er, im Fall ihm nur Excefpte aus der Neuen Geschichte 
zur Verfügung standen, Von der Tertylla, welcher nach Photcus 1466 
10 jenes Werk dediciert war, besondere Kenntnis haben konnte; 
Sehwerlich wird ein Grammatiker, dem es nicht, wie dem Photius, 
darauf ankam , ein Bild des ganzen Werkes zu entwerfen , sondern 
der für seine Zwecke nur die vornehmsten Curiosa desselben excer- 
pierte, auch die Vorrede ausgeschrieben haben. 

Auszer obigen fünf Autoren liefert Eustathius der Neuen Ge- 
schichte als Zeugen für sonst nur noch in ihr Zu lesende Notizen 
den Demetrius Iliensis, Naucrates, Silenus Ohius, Soö* 
tratus, Teiles und Timolaus; Tzetzes denAeschrio, Sile- 
nus Chius, Sotas Byzantius*) und Agamestor Pharsalius; 
Mit dem Namen des letzteren findet natürlich auch seih Epithalatnius 
in der Neuen GescMchte Platz. 

Was aber von des Eustathius und Tzetzes Beziehungen zu Pto- 
lemaeus gilt, dasselbe dürfen wir ohne Bedenken auch für den Real 
der nachptolemaeischen Autoren in Anspruch nehmen, welche Notizen 
mittheilen, von welchen auszer ihnen nur Ptolemaeus zu erzählen 



1) Photius 1476 16: ort o NsHog ano 'ysviöemg ifrjaiv iiud^tto, 
ind d"*H:^av MameBv iies(fxo(i8ifOP avvj dvBXtov xdif^dvowfMv %al ««- 
^Inpoov riymnay hat^BV dicc to dnccXaXwiif tijg '^Hifug tov noUiLOP 
(lies noUiuQv) wxtilußB xtiv icil^tnv.-^ Aas dieser jStelle der Neuen Ge- 
schichte floBz die Notiz im Etym. M. u. 'H^auX^s: ^ Zzi, Nstlog 1% yBvs- 
Tns wxlovfiBVog iv ttß -MCtcc riywmtav nolBfiqi dvdwaov %V€t ttov Vi- 
fdmtov tevQinvoov insgxofisvovilQa wovBvaag *Hifa%Xfig t^vcfidü^rj and 
bei Tzetzes zu Lyc.^1350: Zoitag ä^ 6 BuSfxvtvog iv BBmv Aoyoig ^Bov 
^tint yBvie^ta. thv 'H^axX^tf , Ftyccwa %ov Ugiovoikov dt^iftjxotaj'TIgtcp 
itfuyviiovzpt ngbg ydfiov ߣ^, Dasz U^ovofiMv kein G^gantenuame sein 
kann , Uegt auf der Hand ; da9 Wort ist vielmehr aus Tcvginvßov verderbt. 
Auf keinen Fall war Gale berechtigt, bei Plpotius ans Tzetzes IIg6v6\tov 
statt dvmw^v zu schreiben« Ich werde 8. 282 seigen, dasz ivdwyi,oif 
allen Schein der Wahrheit für sich hat. 



desPtolemaeus (äiennus. 273^ 

weiflz. Auch sie haben, wenn nicht die Neue GescHehte gelbst, so 
doch Excerpte aus ihr benutzt. 

Zu den bei Photius als Quellen der Neuen Geschichte verzeich- 
neten elf Autoren Abas 150^23» Alexander Myndius 147&23, 
Antioehus iv p> tmv %ceta noliv ^v^mwv IdO^ 4, Antipater 
Acanthius 147a 26y Archelaus Gyprius 149 & d3, Aristoni- 
ctts Tarentinus 147a 18&22, Athenodorus Eretriensis iv i{ 
V7$&fiviiiuitav 150a 37, Botryas MyndiuB 147a 21, Democydes 
(Dichter einer 'IX^v akoKSig) 1522»33,Hypermenes nsql Xlov 152 & 
20, Theodorus Samothrax 152 6 26 kommen demnach i n glei- 
cher Eigenschaft noch Aeschrio" Mitylenaeus iv ra^'JEyiy-. 
f^i^iv (Tzetz. Ghil. VIII 398), Agamestor Pharsalius (Tzetz. 
zu Lyc. 178. Prolegg. S. 261. Exeg. zur IL S. 106), Alexander Pa- 
phius (Eust. zur Od. x S. 1658, 47. ft S. 1713, 18), Apellas iv roTg 
j€lq>i%otg (Clem. Alex. Pretr. p. 31 A), Asclepiades Myrleanus 
(Eust. zur Od. l S* 1697, 53), Demetrius Iliensis (Eust. zur Od, 
» S. 1696, 42), Eresius*) (Eust. zur Od. X S. 1697, 60), Heracli- 
tus iv tw &vliiywi (Athen. X S. 414), Naucrates (Eust. zur 11. ß 
S. 267, 2. <y S, 1155, 13. Prooem. zur Od. S. 1379, 62), Nicander 
Alexandrinus iv tip negl tmv ^AQtörmiXovg lut^hrpemv (Suid. u. AU 
^%Qlmv)y Niearchus 6 xov ^Aftfimvlov lvr^^SQl^ovdaCmv(Beli' 
ker Anecd. S. 381, 30) , Philo (Itellad. b. Phot. Cod. 279 S. 5296 29), 
PtoiemaeusCytherius hconoiog (Suidas u. Iltolgficaög KvdiqqiogX 
Silenus Chius iv devri^m (iv^mmv tcro^imv (Eust. zur Od. r S. 
1871, 21. Tzetz. zu Lyc. 786. Schol. zu Hom. Od. a 75 Buttm.), Sos- 
iratas (Eust. zur Od. l S. 1696, 48) <v TaiQ^ltt (ebd. % S. 1665, 49), 
Sotas Byzantius (Tzetz. zu Lyc. 1350), Teiles (Eust. zur Od. % 
S. 1696, 52), Timolaus (Eust. zur Od. X S. 1697, 57. prooem. zur 
Od. S. 1379, 48), und so bestätigt sich die Vermutung, welche durch 
die Worte des Photius 1466 1 %qrfii^ov &q ihrfimg li ßißUov (nem- 
lich die Neue Geschichte) votg Tcsql tifv löto^wriv TtoXv^M^tav TCovtZv 
A^fiflfUvotg* l%u yitq dovvcci avvstXsyiiiva ß^xsi XQOv^ sliivcci, a 
07CO(fidr(if xig tmv ßißUmv ivaXeyeiv novov dsäsYiiivog ^laHgov xirra- 
^ql'^u ßlov hervorgerufen wird, dasz nemlich der Eindruck einer 
mächtigen Compilation, welchen Photius durch die Leetüre der Neuen 
Geschichte empfieng, nicht füglich anders veranlaszt sein konnte, als 
wenn hinter jeder einzelnen Novität dieses Werkes der Name des 
Buches hergieng, aus welchem sie geschöpft war. Nur durch eine 
derartige fortwährende Erinnerung an die Masse der benutzten Quellen 
konnte bei Photius der Gedanke entstehen, dasz die Zusammenstellung 
eines Werkes wie die Neue Geschichte einem Menschen ein gutes 
Stück Leben kosten müsse. Ptolemaeus hatte also ohne Zweifel auf 
die ganze Aufführung seiner Quellen dieselbe Sorgfalt verwendet, wie 
der Verfasser der Flüsse und Kleinen Parallelen oder wie der Compi- 



2) leb vermute 1S^e<roft/^4renn nioht vielleicht ia "E^daiog aar ein Gen> 
tue übrig geNieben und di eigentliche Name ausge&llen ist. 



S74 It Hercher: Ober die Gfambwardii^t der Neuen Geschichte 

lator Alexander, welcher nach Photins Cod. 188 8. 1466 13 in seiner 
£uvay»yfi BctvfLUslnv unglaubliches über Thiere, Pflanzen, Flusse 
und Gegenden mitgefheilt und zu seinen Excerpten fovg nqoi9tfHfffiov- 
T«g gefugt hiftUe, und alle drei Autoren haben hiedurch der Sitte der 
Zeit genögty welche bei einer ongewöhnlichen Behauptung die Angabe 
der Quelle verlangte; vgL Plutarch Qu. Conviv. V 3, 5 S. 674 F: xcd 
snr^ %o deurvov isxi£vtog i^M^ üstgoiav xov aytovo^hovy naXiv 
oyLoUa» Xiymv fCQfHSneöavuDVj ^fivvoiuv tv fiovtfixn* tiqv ta noititi' 
%/}[¥ mt&ptdvQ^LSv ovx o^ifiov ovSi vea^av isd xovs tsifovg iywMxg 
iqHyiUinpfj ilXa nqmahu Ct&pavmv huvi%lenf tvy%avinj9av, ivioa^ 
nAv oov bddo^oq W^ tmla naqa&rfiuv nqaf^unay vitg OhKvxov 
xov 9etxaXov xa^pag lud xag ^A^upMfux^xog xov XÜXiuiimgj iv alg 
"OfUfifov fud *H<sMoy tcxoffovCiv Jbs^i diayi»vüsaö^ai, xaucXaßoiv 8i 
tavta x^ diaxs&QvHjg^iu nama v%o tmv yqamuctumvy xal xovg isd 
uug na%qo%lov xa^paig avayivwsno(Uvovg vnd xtvmv ov% ^/«ova^^ 
ikla ^fiovo9, ig d^ %ai loyav St^Xcf xov *Ax^ilio9s nQO&hxog 
wpelsj ^Inov oxi xal UeXlav ^anxmv "AxaOxbg 6 v£og 
iymva %onqftaxog 9Ca^aff%0i »al JSißvlXa vix'qaeiBv, im- 
9V0fftiva>v de itolX&v xal xov ßaßaimxtiv mg inlaxov xal 
na^aXoyov xtig toxoqlag aitaixovvxmv^ i%txv%&g ava- 
^vv^^^slg anlqiaivov ^Axioavi^ov iv rcp yte^l Außv^g 
xavxa iaxo^ovvxa. xal xovxo (Uv, igniv, xo avayvmöfui xmv ovx 
iv ii&Sm iifxl^ xo$g dl Ilolifuovog xov ^A&tpfalov ncQl xmv iv AsXgHH^ 
^ffiavi^mv olfiai Ott TtoXlotg vfioav ivxvyxavBiv intfuXig laxi xal x^ 
noXvfia^ovg xal ov w^a^ovxog iv xotg ^EXXip/ixotg ptQayfiaCiv av- 
ÖQog " ixH xoCwv BvqrfietB yByQafiifiivov tig iv ToSi lUawfavlfp ^^rfiavq^ 
XUfvacfVV avixBixo ßtßXlov ^AqiaxoiLa%rjfg äva&ijfia x^g ^E^v^gatag novq- 
t(^^'i0^iua vevixvpwlag. Und weiterhin : didia o elnsiv qxl 
naXai xal iiovo[ia%lag ayav ^bqI Illaav IjyBxo f^ixQi 
g>6vov xal aq>ay'^g xmv ^xxafiivnv xal vjtOTtiTCxovxcoVy 
fii] iie itaXiv aitaix^xs xijg töxoolag ßsßa^toxiqvy xav öt^a^ 
tpvyg xf^v fivi^iifiv iv ptvtp xo ovoftay xaxayiXaöxog yi- 
vmiiai. 

Dasz aber Photius mit den Novitäten nicht auch die Namen alier 
Quellenschriflsteller des Ptolemaeus aufzeichnet, darf nicht auffallen, 
da es ihm vor allen -Dingen auf möglichst kurze Fassung seiner Ex- 
cerpte ankömmt; läszt er doch nicht selten, wie schon Roulez S. 8 
bemerkt hat, selbst Novitäten aus. Und ebensowenig hat man sich 
darüber zu wundern, dasz die übrigen Excerptoren der Neuen Ge- 
schichte den entlehnten Notizen nicht den Namen des Ptolemaeus, 
sondern die seinen Novitäten zur Seite stehenden Quellen bei schreiben. 
Ptolemaeus galt eben nur für was er sich ausgab , für einen Compila* 
tor, und in gleicherweise gibt Slobaeus seinen Excerpten aus. der 
Schrift über die Flüsse und den Kleinen Parallelen nicht den Namen 
des angeblichen Compilators , sondern die von dem falschen Plutarch 
erlogenen Quellenschriftsteller zu Begleitern. 



de$ Pjlolefl^eiis GhenQus. . 83^ 
§ 2. 

Die Physiognomie der. für die Neue Geschiehte im vorigen Pars^ 
graphen erworbenen siebzehn Queilenschriflsteiler stimmt zu< den in 
ihr längst habilitierten elf vortrefflichL In beiden Reihen begegnen 
wir mit Ausnahme- des Abas, Alexander Myndin's,' Asclepia- 
des Myrleanas und Philo derselben Art Quellen, wie ich »ie für 
das Buch von den Flüssen und die Kleinen Parallelen nachgewiesen 
habe , nemlich neunzehn Autorennanien , die sonsther unbekannt sind r 
Antipater Acanthius, Archelaus Cyprius, Aristonieus 
TarentinusV Athenodorus Eretriensisj Botryas Myn- 
dius, Democydes, Theodorus Samothrax^Hypermenes,- 
Agamestor Pharsalius, Alexander Paphius, IHemetrius 
Iliensis, Eresius, Nicander Alexahdrinus<, Nlearchus, 
Ptolemäeus Cytherius, Silenus €hius, Sotieis Byzantius/ 
Teiles, Timolaus Macedo, und fünf Namen mit unbekannter 
Schrift: Aeischrio, Antiochus, Apellas, Heraclitus und 
Sostratus. Auch Naucrates und ein zweiter Timolaus werden 
beide durch rtg^ letzterer im Prooem. zur Odyssee S. 1379, 49 noch* 
durch den Zusatz büts AaQKfaatog eits MwiBÖmv von Eitötatbius di^ 
Namen bezeichnet, welche er nicht recht unterzubringen weisz^ und 
sicherlich hat Roülez das Pronomen indefinitum übersehen:, wenn er 
S. 151 annimmt, jener Naucrates sei der bekannte Schriftsteiter, 
welchen Eustathius an anderen Stellen seines Commentars mit der be- 
stimmten Bezeiiihnung ^Eqv&qcnvj/^BV oder aoq)tatrig als Erklärer des 
Homer kennt; ja wir glauben, dasz Roulez dieser Art Autoritäteii 
einen schlechten Dienst erweist, wenn er sie unter bekannten Firm^ 
unterzubringen bemüht ist. . . 

Da des Ptolemäeus* sieben Bücher nsgl t^g sl§ noXvfuxd'lav %u^ 
v% t^o^Cag leisten was der Titel verspricht, das heiszil da sie gegen 
«He bisherige Ueberlieferung Opposition machen, so müssen in ihnen 
ganz absonderliche Quellen eröffnet seih. Das Werk musz, wenn es 
anders aus ehrlicher Forsdiuhg hervorgegangen ist, nicht blosz ^&k 
multis et variis', sondern vor allen Dingen *ex remotis lectiönibus', 
also mit Herbeiziehung der verlegensten, für andere unerreichbaren 
Ittterarischen Hilfsmittel zusammengestellt sein. Obscure Quellen fin-^ 
den wir also unter solchen Umständen nicht hur natürlich, sondern wir 
glauben sie sogar fordern zu dürfen , und die Vermutung liegt nahe, 
dasz auch jene vier bekannten Namen in dem Original der Neuen Ge- 
schichte unbekannte Schriften hinter sich hatten, und so der Spürkri»fl 
des Ptolemäeus, wie die übrigen Quellen, alle Ehre machten.^ 

§ 3- . 

Wir h£^ben bisher von Ptolemäeus in allen Ehren gesprodien 
und ihm trotz der Aehnlichkeit seiner Gewährsmänner mit denen eines 
notorischen Betrügers den guten Ruf, den ihm ältere und neuere Ge-' 
lehrte durch' fleiszige Benutzung seines Sammelwerks garantiert ha- 
ben , nicht antasten wollen. Indessen bilden wir uns ein , dasz man 



S7ft R. Hercher: über die GUubwürdigkeit der Neuen Geschichte 

mit leidlichem Rechte seine Compilatorschaft, dorch die er bisher 
den Lesern der Neuen Geschichte zu imponieren wüste, in Zweifel 
ziehen könne. 

Wir wissen, dasz an dem Hofe der römischen Kaiser die gelehrte 
Lfige Zutritt hatte, denn wir kennen die Naseweisheit des Tiberius, 
der sich bei seinen Hofgjaoimatikem nach dem Text der Sirenenge« 
säns^e erkundigte. Hier reichte natürlich weder Gelehrsamkeit noch 
Sduurrsinn aus, und die unglücklichen, die zur Beantwortung derar« 
tiger Fragen befohlen worden waren, musten wol oder übel eine Ant* 
wort zu Tage fördern, die man am schicklichsten mit dem Namen 
einer Schwindelei belegt haben würde. Mein der Grammirtiker war 
schon durch die Frage selbst gegen kritische Anfechtungen gesichert; 
denn wenn überhaupt solche Fragen im Ernst gestellt werden konnten, 
so muste durch eine lügenhafte Antwort, wenn sie mit gehöriger Con- 
fidenz vorgebracht und etwa durch das jeder Controle spottende gleich^ 
falls erlogene Zeugnis eines Schriftstellers aufgestutzt wurde, mit bestem 
Dank entgegengenommen werden. In der That war damals,. wie sich 
aus der oben ausgeschriebenen Stelle Plutarchs ergibt, das Citat einer 
Quelle der Talisman, unter dessen Schutz man die abenteuerlichste 
Behauptung an den Mann bringen konnte. Freilich sehen wir die 
Gaste des Petraeus die Köpfe schütteln, als ihnen Plutarch eine t4no^ 
Qtu äsMftog wtl %a^loyo$ vorträgt; allein sie passiert ungehindert, 
sobald a einen von ihm selbst als obscur (täv ov» iv jiUfi) he-* 
zeichneten Autor, den Acesander iv r^ nsiß Aißwie, als Vater der- 
selben genannt hat. £ine zweite ebenso unerhörte Notiz wird darch 
eine sonst unbekannte Schrift des Polemo beglaubigt. Es ist also klar^ 
dasz man sich damals jedes Zweifels begab , sobald eine abenteuerliche 
Notiz durch eine wenn auch eben so abenteuerlidie Quelle gestützt 
wurde, und dasz somit zwisdien dem Docenten und den Zuhörern 
ein stillschweigender Vertrag bestand, durch welchen dem gelehrten 
Betrug Thür und Thor geöffnet war. Nun will ich zugeben, dasz Plu- 
tarch, dessen drei Notizen und zwei Autoren bisiläufig sehr stark nach 
Improvisation schmecken, seine Mittheilungen ehrlich gemeint habe ; 
aber unmöglich kann ich gleiche Ehrlichkeit bei Leuten voraussetzen, 
die das 'omnes solvere posse quaestiones' zu ihrem Programm ge-* 
nacht haben'); und gewis galt dör Grammatiker in den Augen der 
Zunft für einen Dummkopf, der sich bei einem wolgeschulten Talent 
für gelehrte Lüge einer verzwickten Frage gegenüber für incompetent 
tfkUute. 

Dieselbe gemüUiche Gläubigkeit des Publicums dauert noch in 
Gellius Zeiten fort. Seine Grammatiker ^ von Rang' steifen sich vor- 
nehmlich auf diejenige Weisheit, die in jedem Moment aus einer schul«- 
maszig dressierten Phantasie geschöpft werden kann. Daher lehnen 
sie Untersuchungen , die ohne solide Kenntnisse nicht geführt werden 
kennen, hochmütig ab , sind aber immer bei der Hand , ihre Zuhörer 



3) Vgl. Lehrs de Aristarchi stud. Hom. S. 220. 



desPtoIemaefiis Chemms. ' S77* 

doieh die verlegeosten Notizen in Staanen zu setzen. So ericlärt 
N. A. VI 17, d ein Grammatieus * primae in docendo nobiUtatis', von 
dem Gellius Ursprang und Bedeutung des Wortes obnoiühts zu erfrar- 
gen wünseht: qvin patms haec rnUHs nuguHa et affers ea, quae tUgna 
quaeri tracktrique eM? Er verlangt nemiich, wie aas Gellius Ant- 
wort ersichtlich ist, ein Thema, in weichem er remalkra behandela 
könne. Aeknlich heiszt es VIII 10: QuaKs mihi fuerü in öppiäo Eku* 
eine diseeptatia cum grammaUco quodam praeeUgioso ^ iempora verbot 
rum ei pueriHa medikmenia ignoranie^ remoianm autem quaesUomim 
nebidas ei formidines capiendit imperiUnrum animis oeienlanie und XIX 
10 : Tum grammaUcus ueiiaü permdqaUque verbi ebsourüaie motus: 
^quaermus* inquii ^ quod hanore quitesHomi minime digrmm est, *■ 

Mit diesen Gelehrten s(eht Ptoiemaeus auf gleicher Linie. Auch 
er behandelt, wie der Inhalt der Neuen Geschichte und die Titel sei« 
ner übrigen bei Suidas verzeichneten Schriften lehren, nur *remotiora', 
und ist arrogant und hochfahrend wie jene (o (iivro$ tovtnv ovvttym^ 
yeifg vJtOHSvog xi ievi «al itqog ilcciavBkiv istun^ivog Phot. 146 & 8). 

Bei der BeurtheUung des in der Neuen Geschichte mitgetheiiten 
sind nun zunächst die Worte des Phoüus 2tt beachten, der sicK in 
der Vorbemerkung zu seinen Excerpten aus jenem Werke 146 b 13 
also äuszert : diaßdkXet. (nemüch Ptoiemaeus) d' Ivlovf nua tav n^o 
«rvTOv ovx vyimg iitißaXovrag v^ into^iöH. Hiemit stimmen 146 b 17 
die Worte nai^iijiu (ikv ovv zo a ßtßUov^ negl £oq)0%liovg tijg t$Xev^ 
vtjg^ n»l Jt(fo eewiM mql tijg IlQoatiaiXaov ^ elva xal «eql r^g *H^* 
nkiavg^ cog srv^l avxav «vHke (u^ ivwj^ßlg vo olt^tav ivtnvai roSoi^' 
TKVTrpcovTOVxrig yevofiavogy ne^l t€ t^g Kqottiov h ty jtvQ^ ctxnrn^Utg^ 
9UqI re t^ ^AxiXXitog teXevvijlff , «al m^l Aatiog r^g halQag lig reltv^ 
TTfio^ (lies tAevt^iuv) oövovv iXtKlag funmciovcu. twivwv inaatw 
ii^tav mto^ptdvnai rovg stf^ «vrov icq^aXfiipiog ra m^l tovtwv St»* 
lafkiv TS fuA avay^a^at und eine polemische Wendung 149 b 28 ijfivd^ 
ii fov Ttsgl t^g Ttri^^ecog elvcei Xoyov. Wir sehen also , dasz Ptoie- 
maeus den Schriftstellern , welche vor ihm dieselben Materien behau* 
delten, ein genügendes Forschergeschick abspricht, und sich selber 
das Verdienst beimiszt, über die verschiedenartigsten Gegenstande 
zuerst helles Licht verbreitet zu haben; und wirklich wimmelt die 
Neue Geschichte von den originellsten Mittheilungen. Nun wird aber 
diese Kiugtbuerei des Ptoiemaeus gleich von vorn herein dur^h eine 
zweite Schrift desselben, den ^Av^o^Mf^^ag^ verdächtigt, über den auf 
Grund seines Titels etwas mehr zu sagen erlaubt sein wird , als Suidas 
weisz und aus ihm Fabricius, Chardon und Houlez. Das renommieren 
mit Utterarischer Allwissenheit hatte nemiich griechische Grammatiker 
jener Zeit unter anderem auch dazu verführt, Homer als einen Ignoraiir 
ten hinzustellen/) Zu diesem Zweck erfand man das Märchen von 



4) Ein verwandter Zweig dieser Industrie besteht darin, dass die Gram- 
matiker genau wissen , von wem Homer den Stoff zu seinen beiden Poemen 
ertiftlteu hat. Vgl. Neue Ges^. bei Phot. 149 ^ 22 ^ n^h 'Ofiii^ov 'Wiiviiy 



278 R. Hercher: über die Glanbwfirdi^eii der Neuen Geschichle 

den «fernen oder cypresaenen Tafeln, die auf das Gdimz der Gram-* 
matiker ans der Erde steigen und aaf denen man Memoiren von An- 
ipenzeugen des trojanischen Krieges entdeckt, wie die TagebQoher des 
Diktys von Kreta, deren Herausgeber versichert , dasz durch ihn der 
* wahrliafligere Text des trojanischen Krieges' bekannt geworden seU 
Aueh Ptolemaeus inochte fühlen, dasz er die Tiefe seiner Gelehrsam- 
keit durch nichts besser bethatigen könne, als w^m er dem ältesten 
aller Dichter nachweise, wie oft er verkehrtes berichtet habe; und so 
gibt er schon in der Neuen Geschichte sporadische Proben seiner hy- 
perhomerischen Weisheit; aber seine stärksten Trumpfe musz er in 
seinem ^Av^^ui^qog ausgespielt haben, in dessen vierundzwanzig Bi^ 
ehern ef Gelegenheit genommen haben wird, aus den Tagebüchern 
etwa des Achilleus oder des Priamos selbst dem Dichter der Dias we- 
gen seiner Irthümer tüchtig den Text zu lesen. Vermutlich wird auch 
er, wie seine Zundigenossen, das bequeme und damals moderne Motiv 
der ausgegrskbenen Tafein nicht verschmäht haben ; denn dasz er es 
gekannt hat, zeigt er selbst in der Neuen Geschichte in einer Reihe 
von ähnüehen Notizen 151 a 6 ort XBk^cvffiavxoq JfnirjtQiov rov üx'q- 
ilftav to ßißllov TiXliiog Ttgog t§ »egml^ avtov ev^i^ * ^) %as de Ka- 



i tov 'iXiayiov avyyQWtlfafiivrj woXbilov, MovüuCov tov 'Ä^vaiov &v- 
yoT'qQ ysvofiivrj • tcuq' ijg aal t)[i7]Q0V Xsystai Xaßsiv riyv vno^saiv. 
151 fl 37 Ott. ^avtaeia xiq Msiifpivig Ntudgxov ^vydxriq üwircc^s nqo 
*Of»^^oti TOV 'llia%6v noXBiJMV aal x'qv xsqI 'O&veüsmg äujyrjöitf %al «no- 
ueiei'cü tpaat, tag ß^ßlovg h MsfMpidi , "Dftij^ov äh vaqayBvoii^vov xal 
xa avtCygceqxx Xaßovta nccQct ^avCxov tov [EQoyQaii(icctB09g avvtaiou 
instvovg ocHoXov&oog, Aus einer gleichzeitigen Fabrik stammen ohoe Zwei- 
fel auch die Nachrichten bei Suidas KoQiwog 'IXisvg inonoiog zäv ngo 
OfiijQOVy Äg xiüiv ido^B, wd ngmxog ygarpag tjjv 'iXtfcda , hixAv Tgtoi-^ 
%£v nvptifxafiivwv, ^.v> &l IlixXMfikifdoys luc^rjxngy mi iytffxf^B toig vito 
hccUciiijdovg svgB&Biat J<ogi%o£g ygaitfucatv, iyqatpB ^^. iu4 xov\^ia^ 
SfSivov nqog UafpXayovag noXBfiov, tag hi tovtov Xaßsiv xal trjg Ttoirf- 
üBtog näaav vno&söLv "0(iriQOV , %ccl ivtd^ai toig avtov ßißXiotg und bei 
Ael'ran V. H. XIV 21 fi^w Olayg6g tig iyiVBto noirfciig fter' *OgtpBa -aal 
Movßatov^ og liyBtai xov Tgmi%6v noXeitov wffcaxog oLffta iikBy£üxijg ov- 
xOg vno&iaBtog XaßotiBvog %al ixitoXfiiföag tocvtfi* 5) Demoach bat 
R. Stichle im Philologus V S. 529 zuviel aus jenen Worten gefolgert, wenn 
er schreibt : * für seinen (des Demetrius von Skepsis) Hang zu wissenschaft- 
lichen Studien spricht auch der Umstand, dasz bei dem Kopfkissen seines 
Sterbebettes das Buch eines gewissen Tellis gefunden wurde.* Die Lüge 
von den anftgegrabenen Tafeln kömmt übrigens vor dem ersten Jahrhundert 
n. ehr. nicht vor. Auch Plutarch hat sie de Facie in Orbe, Lunae 26 p. 942 D 
und am ausgeRihrtesten Diogenes Antonius bei Phot. Cod. 166 S. 111, 20. 
Bei Suidas u. 'AxovalXaog heiszt es 'AxovaCXaog Kdßa v[6g, A^ysiogy 
arco KBQ%ccdog noXBcog ovarig AvXCdog nXriaCov, Catogtuog ngsffßytatog. 
fygwps Sh yBveaXoylug ^ diltmv vccXxtov, ag Xoyog eigsiv tbv nuziga 
avtov igvivnfxd xtva tonov xi^g^ oifiüig avtov. Die ganze Notiz ist Er&i- 
dung eines Grammatikers und ist, wie die Erwähnung der Tafeln zeigt, nicht 
Tor dem ersten Jahrhundert n. Chr. gefertigt. Vielleicht war sie ein Theil der 
Vorrede zu der Schrift, die bekanntlich irgendwer unter dem Namen der 
Genealogien des Akusilaos verfaszte. lieber den. Namen Kdßa, den schon 
Weloker als eine spatere Erfindung erkannte, und über die Stadt Ksgudg^ die 



des Ptolemaeas Chennus. *f98 

Xvuß(6(Sag ^/^Knfi&vög ngog r^ Ksq)aXy rov XcilHidiwg ev^s^^vai fpaeiv, 
Tovg S^ 'TßQtatodlxceg EvnoXiSog n^og tj ^EgpmXroi;, tavg de Evvsl- 
dccg KqovIvov ngog vj ^Aks^avÖQOv tov ßaaiXitog Mtncsäovnv , va 6* 
(Qycc nal tag '^(liQug ^Hütodav TtQog v^ t(w Helewtov rov Nixazo^ 
as<pciX^^ mit denen Malelas zu vergleichen isl S» 822 roof 3h vf hu Tijf^ 
ßaadsiag rov ccvtov KXavdiov Kaltfaoog fira'&ev imo ^80(M^lag ^ 
' KQrftri vrfiög Ttaöcc ' iv olg x^ovoig rfiqil^ iv r» /xi^fMirr» rov Jlxtvog 
iv KäcaitsölvGi »tßiavCai rj Ind'sötg rod Tqwi/kov ^toXifiov (Uta oAi}- 
9'stag Tcct^ ttdrov 6vyyQocq>Btöa naca, ^leeiTO 6h n(f06»ig>€cXa 
roü Xei'ilfcivov rov ^larvog. . . '. 

Allein des Ptolemaeus Theilnahme an den litterarischen Schwin- 
deleien seiner Zeit ergabt sich noch klarer aus der Yergleiehang der 
Nißuen Geschichte mit den Täuschungen des sogenannten Plutarch, die 
ich in meiner Ausgabe der Schrift von den Flüssen ausführlich erör- 
tert habe. 

Ich habe schon oben gezeigt dasz die Quellen des Ptolemaeus den 
erwiesen gefälschten Gewährsmännern jenes Plularch zum verwech- 
seln ähnlich sehen. Bei diesem sind zur Beglaubigung der in den 
wenigen Capiteln der Flüsse enthaltenen eintönigen Lügen nicht weni- 
ger als siebenundsechzig Quellen aufgeboten, und auch die in de|r 
Neuen Geschichte. verzeichneten Novitäten sind, wie ich S 1 gezeigt 
habe, durch eine verhäUnismäszige Autorenzahl gesichert gewesen. ") 
Bei Ptolemaeus wie bei Pidlarch finden wir als Gewährsmänner entwe- 
der ganz unbekannte Namen oder bekannte Namen mit unbekanntem 
Gentile oder unbekannter Schrift. Ferner exerciert auch Ptolemaeus 
den Kniff, durch den sich Plutarch zu einem Theil seiner Autoritäten 
verhilft; wie nemlich jener seine Nachrichten über die Chrysorrhoe 

trotz Ungere Bemühungen noch nicht nachgewiesen ist, braucht man sioh 
nnn nicht weiter den Kopf zu zerbrechen. Die dürftige Notiz über Akusi- 
laos bei Diogenes Laertins stammt aus derselben nachchristlichen Quelle. 
6) Dieselbe Renommage mit erlogenen Quellen finden wir aach bei Antonios 
Diogenes bei Photius Cod. 166 S. 111, 34 Idysi 6h .., Sri. d %tä Sacictu %^ 
ip^vdij nXttTtoty aXl' oiv ixn nsql tcSv nXs^arov avr^ fkvJ^oXoyfi^tPtnp 
ii^Xaioxi^mv fta^rv^^ag, ig ^v cvvimpbdttptavrttowa^iiolßBiB' n^oriit^ 
xBi dh%txl inaatov ßißX£ov rovg avd^ocq o2 xa touxvta 7tifoa%B(privoano , «&^ 
^rj 6o%Etv fiaQtVQ^ag xtiqsvbiv rä anioxtx, bei Gephalio bei Phot» Cod. 68 
S. 19 val rb ix rdtfav 6h xal roctov üvvBiXix^at ttvrtß triv tato^Cuv 
asfivvvBü^ac ov ndw tfjvxrig ro fitxQoXoyov rs wd rifv n€u6mQu66ii 9»- 
XoTifi^av unoüBioybiv^g ocnwBi^ig" (prj<fl o ofuag xov nifmtovi wh^ x^g 
iüxoQfccg ovi^Bilix^oa Ix loycav ^kv tpo\ iv ntni^ag X' xal « oaeoftVTi' 
(tovBVBi' xov 6h 6svxBQ0v #x ßi^Utav arf ^ üvyyMitpitov 6h xe'* xal xhv 
xqIxov 6h Ix ßißXüov (ihv x\ evyyqwpitov oh xff usw. und bei dem 
Paradoxographen Alexander, vgl. Photius Cod. 188: avByvioü^ 'JXB^avr 
6i^ov d'avfiaüimv avvayoayij. Xiysi (thv iv xm ßißX£ip noXXa XB(f€ixm6vi 
xal ^ntaxa, nXrjv aXlovg xmv ovx dip^cvetv BfOiiyBt taSxa «^<tf<rTO» 
QT^oavTag und dazu den Schlusz der Vorrede zu den Kleinen Parallelen: 
dvayqcnpag xal xovg Imoqrjaavxag av6(fag, Uebrigens veranschlage ich 
die von Ptolemaeus als Zeugen für die etwa zweihundert Novitäten der 
Neuen Geschichte erlogenen Schriftstelleniamen auf mindestens eben so 
viele. 



IM R. Herdier: Ober die Gkni^wirfigkeit der Neuen Gescbichte 

«»der den Timaiider angeblidi aus den Sdirifteii des Chrysermos 
oder Timagon» sebSpll*), so beseugt bei Ptolemaetts 150&SS den 
Hamen der Gemahtin des Kandaoles, Uf^^, der SchriRsleller'lf ^oi(. 
Auf demselben Wege gewinnt Plotareh Namen für Personen, die als 
flanpHlgiiren in seinen LOgen agieren sollen, indem er i. B. neben den 
Demosiralos eine Demodike and einen Demodlkos stellt^; und 
aneh darauf versidit sieh Ptolemaeas, bei dem sich 151 a 87 & 4 neben 
der 0aißX€i0Üi ein 0uwk^ findet Ueber die säubern Quellen end- 
lieh, welche dem Verfiuser der FlOsse ffOr seine Metonomaslen fiieszen, 
habe ich in meiner Vorrede zu dieser SchnA S« 87 ff. weitläufig ge- 
eproehen; mit dersdben Unverschamtfieit greift der um einen Doppel- 
namen des Odysseus verlegene Ptolemaeus nach dem Namen Ovtif, *) 

Sind aber die Autorennamen gefälscht, so mfisseh wir auch die 
mit ihnen in Verbindung gebrachten Verse , wie den Epithalamius des 
Agamestor und die Choliamben des Charinus als Producte des 
Ptolemaeus ansehen. Ueber den angeblichen Hexameter des A e s - 
c h r i vgl. Fragm. S. Auch Plutarch gibt uns in seinen Kleinen Paral- 
lelen (bei Stobaeus Flor. 7 , 63) eine Probe seines Dichtergeschicks. 

Allein Ptolemaeus harmoniert mit Plutarch nicht blosz in der Er- 
findung der Namen , sondern treibt auch die Fabrication von Realien 
nach ähnlichen Mustern. Gleich jenem verwirrt er verwandtschaft- 
liche Grade y erweitert oder entstellt bekannte Sagen und knüpft an 



7) Vgl. mme Vorrede su denFjüssea S. 22. 8) Bei Sextus Empir. 
adv. Gramm. 258 ort JJXdtmv filv 6 tpU6ifO(pog Uifiaxonlijg nQOtBQOP 
hudetto sieht man sofort, dass der Grammatiker, welcher diese Notiz fa- 
bricierte, sich auf den angeblich früheren Namen Piatons dnreh den Namen 
seines Vaters 'AqCaTOiV führen Hess. 0) Ein anderes Beispiel der Art 
Bisht 147 6 16, wo ersähU wird, dasz Herakles von seiner Geburt an iVsf« 
log geheissea und erst später den Namen Herakies erhalten habe. Hiessa 
bemerkt Roules S. 60: 'iatelligendus haud dnbie Hereules Aegyptius, qul 
Nilo natos traditnr ap. Gio. de Nat. Deor. HI 16.' Allein Ptolemaeus hat 
irielmehr gans in der Weise Plntarchs ans dem NUus , dem Vater des Hercules, 
den fraheren Namen des Sohnes gebildet. Nieht fiel anders verführ der Verfls- 
ser der NotSs bei Aelian V. H. XIV 21 or» Otuy^oq (so ranss gesehrieben wer- 
den, OlAFPOC und C YArPOC sind leicht sn verwechseln) xigifheto nw^iti^ 
fLt$* 'ÖQfpitc ical Movoatovj Sg Uystai xov Toatnbv n6X$fiov n^mtog 
^€aiy fi^fiatfig ovtog ^^o&immg laßop^vog «al iititoXfiifüag ravx^. Er 
machte nemlich ans Ofay^og, dem Vater des Orphons, einen nenen Didi- 
tcr, und Hess ihn nach Orphons gelebt haben. Aehnlich mag auch der 
Name Diktysvon Kreta entstanden sein , den Dederich S« XVI seiner Aus« 
gäbe als Appeliativum fttsst, welches etwa doeenSf doctor^ vaiet bedeuten 
könne. Allein er vergisst, dass Diktys als griechischer Eigenname schon 
firüher «xistierte, denn der Pflegevater des Persens heisst so. Ich denke^ 
es war natürlich, dass der griechische GrammaUher, der die 'Egnj/see^ 
snsamnenschwindelte, den SdiUdknappen des Kreters Idomenens in Kreta 
geboren sein Hess, und eben so natüriich war, dass er ihm seinen Namen 
nach Anleitung eines kretischen Namens gab. Bei geringer Umschau auf 
der Insel stiess er anf den Namen Dikte und fand so den gewünschten Na- 
men, was nioht anfföUiger ist, als wenn Plutarch in den Flüssen Stfidte» 
uamen als Namen von Pflansen benutst. 



des Ptolemaetts Chennu». fKA 

bekaimie Namen unbi^aimte Begebenheiten« Ja er überbietet Piutareh 
sogar in der handwerksmäszigen Benutzung der Schablone« So kennt 
er Homonymien *•*), Dionymien ") und Polyonymien **); er zählt die 
Personen auf, deren Name aus den Budietaben des Alphabets gebildet 
.war 151 & 9—289 die sich vom leukad^chen Felsen gestürzt hab^n 
lödh 7 — ^t die auf seltsame Weise gestorben sind 146 & 17 und die 
•vor Troja fiviifiovag gehabt haben 147 a 23. In ähnlicher Weise er- 
scheint eine Reihe Tonf wxxä mkftg %Qvg vfwovg mH>^aavtm¥^^} mV 
ihren Gewohnheiten und Erlebnissen und eine Partie Beispiele der 
^vi(M9ttBfSig btvoQiTbjq 148& 25— 149a 14. ^^) Bas Motiv des iQtifuyog 
sieht sich durch die gapze Neue Geschichte hindurch und es werden 
147a 37 6 10 12 20 30 35 153& 36 Nestor Adonis Nireus Argos Korydoa 
und Stichipa des Elerakles, 148^ 11 150 & 25 Plesirrhoos des Herodot, 

149 a 21 152 b 9 Euphorion und Priamos des Zeus, 150a 2 Dionysos 
des Chiron» 1516 35 Helenos des Apollon, 147 a 9 Patroklos des Po- 
seidon, 1526 40 Pplydeukes des Hermes und 149 b 34 Helena aus Hi- 
mera des Stesichoros Lieblinge genannt. Ferner entdeckt Ptolemaeus 
Namen für anonyme Personen und weisz, dasz andere, deren Namen 
wir wol kennen, eigentlich keinen Namen hatten. So kennt nur ^r 

150 a 6 den von Herodot I 51 mitFleisz verschwiegenen Namen des 



^ 10) Vgl. 148 a 20 »sqI *E«rf^i?ff, nal^ itoaocig yiyoviv intowaov 
tovvofjux. 149 6 13 Ott dno vwv 'iXicanSv ovoiiaaral ysyovaaiv *BXevm 
19 Atyic&ov %al jK^vwipkv^atifug Qvyamfiif • . . wtl MtsQcu. SmcnLaCiswi 
%%X, 152 a 30 xal ano tcov 'lliu%mv oapt lyivovxo 'AvMelg m^imvo- 
fiot.. xftl Frc^ot *A%iXXBtg heupavsig ysyovoci id\ mv oidvo nLvvsg f^aav 
%ul ^ovftatftot xa %vvdSv i^ycc. Gellius N. A. XIV 6 , 3 guoi fuervü Fy- 
thagcrae nobäes, guot Hippocraiae, Demetrins Magnes nnd Agresphon sol- 
len die Homcrnymien in besouderm Schriften behandelt haben. II) Uebcr 
die Dionymien äussert sich verdächtigend Pintareh Mor, 401 B ttiv ih 
jlfQuikfkcntxnv änovafi nal tijv AijSav Mvriaivoriv xed %6v 'Ooiati^v 
Axaiov dvofidad'ai q>a(f}t6vxa}V. In der Neuen Geschichte fand Photlus 
einen Abschnitt nsQl r^g nag* *0(n]Qtp dKovvfL^ag naQcc ^sotg %otl &v- 
^QülMoig^ Kixl oxi ^dv&og fidvog novaiimv Jtög vlog^ «»l «£^i Atlv^ 
9imv4iki»p 150 a 9. 12) Vgl. 147 a 18 109 'A%iUia iikv 'A^€t6vmtog b 
TccQavztvog ^tazqißovxa iv xaig naf^iiioig ^cagd Av%oaii9st KBipivai- 
(fav %ciXktaQ'cti fpriüiv j i^oXstto 8\ xal 'Icadv %ctl Jlvggav xffl "AonBxog 
«ai n^otifi^svg. Vgl. 152 b 29 32. 13) Ohne Zweifel haben nicht nur 
Matris aus Theben und Plesirrhoos aus Thessalien, sondern anch Philoste- 
phaaos atts Manünea, Eupompos aus Samos , Polyselos aus Kyrene, AatU 
gonos ans Sphesos und Lykias aus Hermione in der Neuen OescMcbte als 
Hymnographen figuriert und Roulez hat zu rasch den Mantineer Philoste- 
phanos mit dem gleichnamigen Dichter der neueren Komoedle und den Ky- 
renaeer Polyzelos mit dem kynischen Philosophen gleiches Namens idenü- 
ficiert. Bergk Poett. Lyrr. S. 1040 bezieht fv^'a 148 a 49 auf den voraus- 
gehenden Hymnus auf Herakles und meint, Ptolemaeusliabe wol den Matris 
für den Dichter jeneg Hymnus gehtdten. Allein mit den Worten sugi %mv 
%ati noXng tovg vii^vovg notriauvxaav scheint mir ein ganz neuer Titel 
anzugehen , zu dem die nachfolgenden Sfitze von xal mg ^tXoctitpavog bis 
148 6 20 die Beispiele bilden; iv^a aber möchte ich streichen. 14) Vgl. 
Lobeck su Soph. AI. 4d0. Ein Werk nB^l 0vi^Eitxv»asmg soll Aretadas 
geschrieben haben, s. Porphyr, bei Euseb, Pra^. Ev. X 8 p. 407« 



28t R. Hercher: über die GlatrtMiftrdigkeit der Neuen Geschichte 

Delphiers, welcher auf einen von Kroesos geschenkten Wey^ressel 
AaxedcttfMvlwv gpeschrieben hatte; nur er weisz 150 b 19, dasz die beri 
Herodot namenlose Gemahlin des Kandauies Nysia oder Tuda oder 
FQytia oder Habro , und dasz der bei Herodot I 35. 45 namenlose Bru- 
der des Adrastos Agathon g^heiszen habe, und umgekehrt weisz Trie» 
der nur er, dasz der von anderen Porphyrion genannte Gigant, vor 
dessen Angriffen Herakles die -Hera schützte , ein Anonymus geweseo 
ist 147 b 16. Femer kennt nur Ptolemaeus den Namen des Dichters 
eines in Theben gesungenen Hymnus 148 a 38, nur ^r das Lieblings* 
gedieht Alexander!^ des Groszen und den Namen des Dichters 148a 7; 
nur ^r weisz, auf wen Alexander ein Leichenpoem gedichtet 148a 8^ 
wer der Dichter des Verses UQonXiovg tfMOi xlm^av ifHxXa%av9uu 
Uövtfiv ist 150 a 24, dasz nicht Herodot sondern Plesirrhoos das 
Frooemium zur Kilo geschrieben i486 10, dasz König Ptolemaeus nicht, 
wie die gewöhnliche Sage lehrt, eine zahme Schlange, sondern einen 
Hund besessen 148 a 23 , dasz Kadmos und Hermione nicht in Schlau'* 
gen, sondern in Löwen verwandelt worden seien 1466 38, dasz Tros 
ein Boeoter, nicht ein Ithakesrer gewesen ibOb 18, dasz Apollon alle 
Kinder der Niobe erschossen 147 a 22, dasz Penthesilea den Achilleus» 
nicht er die Penthesilea erlegt habe loib 30 und dasz Achi Ileus Leh- 
rer des Chiron gewesen sei. 

Ich denke dasz hiermit eine hinlängliche Einsicht in Ptolemaeus 
Werkstatt gewonnen ist und dasz wir nach diesen Proben das Recht 
haben, uns seine Gelehrsamkeit vom Halse zu halten, wie dies Gellius 
mit dem dicken Band voll verlegener Notizen thut , den ihm ein Freund 
zu gefälliger Benutzung überlassen hat. Gellius wird recht gut ge- 
wüst haben, auf welchem Wege die in jenem Buche niedergelegte 
Weisheit erworben worden war , und dasz nicht alle seine Zunflgenos- 
sen es so ehrlich mit der Wissenschaft meinten wie er. Wir dürfen 
also w61 wagen , in Ptolemaeus einen lilterarischen Schwindler zu er* 
kennen , der sich von Pseudoplutarch nur durch ein bedeutenderes Mas^ 
zünftiger Gelehrsamkeit und durch eine gröszere Gewandtheit in der 
Lüge unterscheidet; denn während Piutarch in Sprache und Erfindung 
ärmlich und hölzern ist, führt uns Ptolemaeus das ganze Lügenreper- 
toir eines Grammatikers vor , pure Novitäten , ^ine abenteuerlicher als 
die andere und aus Quellen geschöpft, die auf Ptolemaeus Ruf ent- 
standen und verschwunden sind. Mit dieser Ansicht verträgt sich das 
in der Neuen Geschichte gebotene aufs beste. Nun wird man die ab- 
surdeste Novität in ihr ganz in der Ordnung finden , alle Widersprüche, 
welche redliche Forscher verwirrten , lösen sich zur Zufriedenheil, und 
man hat weder Grund die absonderlichen Aussagen des Ptolemaeus 
mit denen anderer Autoren durch eine Aenderung in dem einen oder 
dem andern Texte auszugleichen, noch braucht man sich damit ab- 
zuquälen, wie man einen unbekannten Quellenschriftsteller unter die 
bekannten Schaaren einzurangieren habe. Demnach steht 148 a 33 
ioipodiX^ der ^ Neuen' Geschichte trefflich zu Gesicht, aber nicht 
daxtvleij wie Roulez corrigierte, und ebensowenig ist 152 a 29 eines 



des Ptoleinaeot Che^ufl. :^ ri J80 

luideren Geiel^rten YöcainlttQff ^AcMoos' (ür ^Adulleos'*^) zulässig- 
Auch danach haben .wir nicht mehjc zu fragiBn, wie Aethoß zum Orakel 
der Pheioouo^ g^ekominen sei (Roulez S. lO^X ob Ptolemaeus 1^ a 2S die 
alUire oder jün^^ere Lai$ gemeint habe und ob Korythos Iber und der 
YMer des Dardanos und lasion (Roulez S. 73) eine, und dieselbe Per- 
son seien. Stutzig darf man vielmehr nur bei dem werden, was in 
der Neuen Geschichte nicht neu ist» und dessen* ist bei weitem weni- 
ger, als Roulez St 7 seiner yorrede anzudeuten scheint. Nachdem er 
nemlieh die Erklärung abgegeben hat, dasz man Ptolemaeus^ Novitäten 
nicht als.:*in^pti grammatici i^lgas' verwer£en. dürfe, fahrt er fort: 
*nam saepe acqidit, ut fobulae quae absurdissimae aut sunt aut yide^- 
tur, po^tarum isliia melioris notae fajbulis superstruantur. 9t qui ptole- 
maeum nugiyendulum et hominem in.fabulis puilo modo audiendu^i 
dieit Heyn^us (Obss. ad ApolU p. 31 et 44}), quod Herculem Nukov 
prius vocatum esse tradat« non satia $eeum; repiitavit illud non utique 
absurdum esse, s|i de Hercule A^gyP^o accipiatui;» forsitanque fluzisae 
6 loeo quodam pbetae ubi ^H^^kI^q JVsTApg, quem^modum in anno- 
tatione dooui. SünUjLter Ptjotemaeus Achülem Uvfffaaoov prius dictum 
.nacrats. quod epltheton esse Achillis apud Agamestoiemiin Epithala- 
mio Thetidis aliunde eonipertum habeipus. Aiia ^empla omitto.' Al- 
lein welches sind die Dichterstelien und beglaubigteren Fabeln, durch 
weiche Boulez seinem Autor R^peci yersohaffen will? Auf keinen 
Fall kann. eine nicht existierende Dich^er^telle $4s ein fieleg des ptole- 
maeisi^en Herakles NetJiog gelten ^^),. und ebensowenig fallt. Ag&mes- 
lor Pharsalius ins Gewicht, der, wie ich oben gezeigt habe, samt sei- 
nem Epithalamius ursprünglich in der Neuen Geschichte seinen Platz 
hatte. Um die übrigen ParallelsteUen. aber ,. auf die Roulez sich belie- 
hen, fcdimte., steht es nich^ besser. Denn. .unbefückßichUgt müssen 
bleiben die S 1 aufgeführten Excerptoren der Neuen Geschichte und 
mit ihnen Sextus Empiricus ") , der Verfasser dejr Briefe des Hippo- 
krates '^), Stephanus Byzaiitinus ^') undPhilostrati^a'®), deren mit der 
Neuen Geschidite. harmonierende Nol£;en auf eben dieses WerH zu- 
rückzuführen sind« Ebensowenig gehören hierher drei. Stellen, in de- 
nen Ptolemaeua einen Zug aus früherer Sage aufgenommen und weiter- 
gebildet hat. . Penn wenn auch 152 6 11. das Wiederaufleben Aesops,* 
148 a 17 die Verwandlung der Demeter in eine Stute und 1&3 a die 
aechs Kinder der Thetis aus vorptolemaeischen Schriftwerken be- 
kannt sind, so ist doch in diesen Stellen a]Ue weitere Ausführung Ei* 
genifaum des Ptolemaeus. Auch die Sage vom Schilde des Achillens 
1606,10, die an Paus. I 36, 4 erinnert, ist von Ptolemaeus verändert 
und erweitert; denn bei Pausanias ist von den Waffen, bei jenem von 



^ 15) Die Aendening ist übrigen» schon durch die folgenden Worte i äh 
Zavg hfiYYiÜMtQ 'Ax^X^i (dies ist eben der fqywq^) xuvtag %ovg tnß 
oyofuxrf nX^^rjaofiivovg n$Qt(ovviiov$ notija^iv widerlegt. 16) S. oben 
Note 9, 17) Adv, Gramm. 264 = Phot. 150« 16. 18) Th. HI S. 793 
Kühn = Phot. 147 a 34. 19) u. *Avv^%VQeci = Phot. 147 a 34. 20) 
Her« ra 1 si Phot. 147 a 37. . 

Jahrb. f. eUss. Philol. Soppl. If. F. Bd. 1 Hft. 3. JQ 



t84 K Herchcr: über dto^CHAvIlWlMlgkeH «et Neuen Gesehiehte 

dem* Schilde des AcMileoe die Rede, nnr Ftolemaeiis keimt den Ort, 
wo Odygseus SehifiPbruch gelitten, und nur ^r wdA, das« den 
Schild, aU er auf dem Grabe des Aiaa geweiht worden war , am iiadi- 
8ten Tage der Biitx traf. Daher darf man erwarten , dasz Ptolenftaeos 
148 tf 29 in der Erzählung, welche Photins in die magern Worte n^ 
tav HalMadlov^ Sri Mo nlhfnutp Jtoii^rig lud XMvötfivg züsammeii- 
gezogen hat, das durch ein Yasenbild bezeugte 'doppelte^ Palladion 
nur als^ Basis für einen ihm angeh5rigeti phantastischen Bau benotst 
habe, und nicht minder nahe lie^ die Vermutnng^, dasz der VerHasser 
der Neuen Geschichte sich nicht damit begnflgte, die auch sonst be- 
kannten Namen des Achillens, "Amtnog und Ilvo^if einftich in sein 
Werk zu veipflanzen, sondern dasz er mit der AnfE&rung derselben 
zugleich eine neue Etymologie verband. Zu demselben Zwecke -we- 
nigstens benatzte er 1515 98 die herodotelsche Notiz von der Matter des 
Kypselos, Labda. Freilich sind hier seine ursprangHchen Worte durch 
Photins in das allzu knappe xal if Kviffilov'il (i/JjttiQj ^ircnl^ ovffoy 
Aif^n inlififi into tw JlvO/bii verkürzt, und es ist schwer ans 
%mXfi ov<k( den Grund jener Benennunig herauszufinden, der, wie ^SSe 
übrijgen 151 ft 10 bis 25 aafgefOhrten Buchstabehnanien zeigen, wtth 
fftr Aißdu gefordert werden musz. Indessen hilft hier ein zweifer 
ISxcerplor, Helladiut , der bei Phot. €od« 279 S. 531^21 unsere SieUe 
so wiedergibt: orf tjrrfilj tov ßcKfiliwg Ko^v9ov ^ (^^fffQ^ fwn Si 
*A(iup£ovOg^ %olößotiQq^ axatova« t^ itigm noöl^ Aaßta 
4Haldlto. Ohne Zweifel hatte also Ptolemaeus abweieheiid von Hero- 
dot die Sache so dargestellt , als habe die Mutter des Kypselos in Folge 
eines zu kurzen Beines gcMnkt und als habe deshalb das delphische 
Orakel, welches durch ihren Anblick an die ungleichen Schenkel eines 
Lambda(A) erinnert worden sei, sie mit dem Namen Amßia be- 
graszt. 

Endlich sind noch vier Stellen zu bcrOhren, in denen Ptotemaeus 
mehr oder weniger mit Diktys von Kreta stimmt: 160b 36 s= Malelas 
S. 117, ldO& d9 SS Dict. I 19, 1516 M ^ Dict. UI 6, 1515 37 = 
Malelas S. 157. Da die in diesen Stellen vorgetragenen Raritäten nar 
bd Ptolemaeus und Diktys zu lesen sind, so fragt sich eigentlich nur, 
Welchem von beiden Grammatikern die Priorität der Lüge zuzuspre- 
chen ist. Nnn scheint mir, dasz Ptolemaeus, der sich mit originaler 
Gelehrsamkeit brüstet, als eine ihm springende NovItätcnquelLe nicht 
füglich das Produet eines Grammatikers ansehen konnte , der dcher 
nach Nero lebte, also, um von Ptolemaeus benutzt werden zu können, 
neben diesem in Rom leben muste. Auf alle Fälle würde Ptolemaeus aus 
Diktys nicht geschöpft haben , dine das entlehnte durch bedeutende 
Umgestaltung zii seinem Eigenthum zu machen. Also wirdwol der Ver- 
ftisser des Diktys, der auch sonst fremde Weisheit nicht versehmäht, 
die' betreffenden NotiZeil aus der Neuen Geschichte entiehnt haben, 
und es m^gen die in der zweiten und vierten Stelle sich findenden un- 
bedeutenden Differenzen zwischen Ptolemaeus und Diktys auf Rech- 
nung des letzteren kommen, der, wie es sich für einen klugen Gram- 



des PlQitenut«iu Cbeomis.. SBQt 

4Mtik$r aehlehi, Qichi MAU etwas durch seine Finger piMsieiDe« lißst; 
oime es wenig^steiis. in einer Kleinigkeit umzngestaUen. 

§4. , 

Uel>er die LebensverlialUiisse des Plolemaeus ist nna wenig ge- 
meldet. Di^z ^r aus Alexandria gebürtig gewesen, iheiUSuidas mit und 
damit stimmt Ptolemaeus Spitzname 6 JCIviioC) welcher wie das davon 
abgeleitete Deminutiv xivpiov eine Wa^^teJarl bedeniet, die. man 
in Aegypten einzusalzen pflegte. Nach Suidas u. JJxoisfMfog und 
^Etut^pifoinog war er der Sohn des Hephaestiün/O* iohte unter Nero 
bis Nerva oder Trajan und schrieb den oben besprochenen '^«^Ofüii*- 
ifogy die S^i (ein historisches Drama) und auszer * einigen andern 
Schriften' eine naifiä(4og*l0saQla^ die von Ghardon de.la Rochette 
und andern irthOmlich Hlr identisch mit der Neuen Geschichte gehaltei^ 
wird.. Denn dasz beide Werke voneinander verschieden< waren, zei* 
gen schon die in der Neuen Geschichte h&ufig wiederkehrenden Vers-^ 
erklärungea, die einem Paradoxographen schlecht anstehen wärden* 
Als einen nicht feinen Stilisten «schildert Photius den Ptolemaeus 1466 
8: Q ^iwQt tovxmtf cwuymyiifs — > 9vd* inteiog v^v ki^w. . 

Zum Schlusz füge ich der bequemeren Uebersicht halber di^eiu-« 
genExoerpte ans. der Neuen Geschichte, bm, divch wielche Photius 
Auszüge ergänzt werden. 

■ 1. 
Etym. M. ^Eq>i6uc yqafiLiiteva, ht^Sut xivtg dvdTUXQaKokov^^oi^ 
ag xol KQotdov hd tiig nvQag bItuiv. 

Photius 1466 21 TCSQi re rrjg KqoUsov iv ry nvQf öantiQlag, 

2. 
T](etze8 Chil. Vin898: 
Koil aviog o Ilnqq&iSiog itofqifpog i^ ^EtpitSov 
Tcollag xal SlXag yqafpag [iiv ivtixvmg tayoafplag 
aitov t$ tov Mtyaßviov iv xiitoig xotg TEq)hoVy 
ZvnsQ Idtiv ^AXiiavSQog 6 fUyag i ^lÜvacov 
%ai Zsvlidog Mivlkaov Sv i^ptjv %orpp6gov 
Tifiav^ovg nahxfib^dfi xb Tcxeivofuvov iUtovi ^' 

aavQQ* ixv^fl "ilfvxfjvj novXvg di ^iv i($% 0QVfiecy96gy>i 
AUsxqUov &<S7tSQ iyqa^ev iv xccig ^^pTnuqiiSiv* 
ii AhxqUw wxog vpf yhu Mixvltivatog 
%(d htri xttl ia(ißovg öl Cvv SXkoig Ttocotg yQcnfxxg. 
iümQ habe ich mit B. ten Brink im Philologus VI S. 358 ßeschtie- 
ben; die Hss* geben mvTUff. Aus dieser Stelle der Neuen Geschichie 
flosz auch die lliterarische Notiz bei Suidas Mi9y^kw Mnvhf}[»f*mg^ 

21) Des Tvatses xhv 'H^ataxdava JlxoXituxiQv ist wol durch Ron* 
lez S. 5 genügend erklärt. 

20* 



I 



SB8 IL Hecther : über 4ie flUidHrtMUgktU der Neuen Geschichte 

ni^ xwß^A^ttt%(n(Un)q f^MiAtiKw wf^^^ Ptolemaeus fingiert (vet^ 
mutlich weil Alexander keinen Homer als Herold seiner Thaten gefun- 
den halte) einen Aeschrion von MHylene, der den Alexander als Histo- 
riograph auf seinen Zdgen l)egleilet (cPwe|8dif^ u£U§ttyd^) und in 
dem Heldengedicht, durch das er den König feierte (den ^EqffifU^i), 
auch jenen gleichfalls fingierten Vorfall in Ephesos berührt habe« Der 
Vers dVQni' ij*^ ^P^^Pf^j novlig U fU¥ &%' i(fviutyd6g ist nat&rlich 
von Ptolemaeus fabriciert und der Samier Aeschrion , den Näke und 
andere fOr identisch mitdemMitylenaeer halten, von diesem streng zu 
scheiden. Abgesehn abrlgens davon, dasz die Notiz bei Suidas vortreff- 
lich zu der Erzählung in der Neuen Geschichte pfisst, zeigt des Ptole- 
maeus Autorschaft auch noch das Motiv des iQto(i99K>g **) j über das ich 
8* 981 gesprochen habe, und die gelehrte Anführung eines unbekannten 
Schriftstellers, auf dessen Namen Ninavd^og i *AXei€tvdpsvg si«fa 
Ptolemaeus durch denRönigW iL i(ai^d(Off führen liesz. Hieraus erhellt 
zugleich, dasz es nicht gerathen sein dürfte, einen von Ptolemaeus 
erlogenen Büchertitel zur Gorreclur einer Stelle des Tzelzes zu be- 
nutzen, wo (zu Lyc. 688) eine 'jBgMO^g AesArions erwähnt wird; vgl. 
B. ten Brink a. 0. S. 358 f. 

Photius 146 fr 27 mg iv *Eg>kf ^HtöofsiPög Uligovd^ JZprlo^- 
di}v öoJjHpovovfuvov iv nlvmu i^oqvßrfifij dt&tt b^nut^ doXo^MHH^ 
fUvtt ^AQUttiviTtog agHxtQun^g ^JüLsidvd^ov* toMvtog foi(f i^v ^AU- 
iavCQog xo ^^gy htiewtig »al ^ikha^^. 

3- : 

Eustathius Zar Od. % S. 1665, 47 ZoöxQatog de iv Teig&tif 
(nolfifux di iöxip ilByettwov) qnfil xov TsiQSöUev ^letav ri^v iQxh^ 
yewi^^vai xod iiixQaq>^ai vnb XaQixlovg. xal biti häv yeifOfAi- 
VTjfiß oqntpomtVy ii^e^vai Sk ait^g xov *Ait6KXmva tuA ial^ puis&m 
avvotHslag öida^cci xr^v [lOv^iKi^v, xnv öh (jcsxa xo fia^eiv (itpchi icnnipß 
hudidovai x^ *An6Xlmv& xiiiuvov avÖQWSai avxiqvy tya Tteiqmxo S^a- 
xog. %al aintiv ivögoD^et^ccv nqlvui Äla Koi "Sqov &g avaniQm iq» 
oi^, xol ovxm ytäXiv yvyamad'etöav igccc^^at Kakkawog ^Agyeiov 
€cg>* ov c%iXv Tcaiia xaxic %okov''H(fag xicg o^ig dui$xqamUvov, Sto 
%a\ nkffi^ai Htffißwva. (Uta öh xavxu xov iv^A^yu ayäkfuxtog xijg 



22) Eine über denselben Leisten geschlagene Notiz hat Snidas Ha- 
Xai<paxog'Aßy9r}v6g[irtOifi%6s. Kwegtaad, drjXucKd^ *Jrxi%df 'Agafimd, 
yiyovs Ö* Jhi 'AXs^dvdqov xov McntBiovog^ nai9t>%a 9' 'Agictoti' 
Xovg rov qnXoaoqtov^ mg 0£Xmv iv x£ ii ttxoi%BCip xov nsglnaoa^ 
do^ov tcxogiag ßißUov a' ncd Bsodagog o *IXi€vg iv ^ T^cDticiov, wo 
auch die nur hier la lesenden Namen Palaephatns Abydenns und Theodonis 
Uietnsis Verdacht erregen. Philo mag vielleicht ursprünglieh durch du ab« 
sonderliches Gentile Von dem Philo Byblius, dem Verfasser einer nagd- 
9oiog taxogüCy unterschieden gewesen sein. Üebrigens ist zu schreiben iv 
xip kl 9x^x9 ^^^ ^^9^ naoadd^ov tütögüi^ ßiaXiotf a , vgl. Ritsohl 
die alexandr. Bibl. S. 103. 



i ' ded Pioteniaeos Chennüs. . . ; 2891 

(S^€ti. iJUffistdav de vno Jiog elg vwaiaa fiof^qxo&rivai^ orS&cß n^atau 
%»l ifUl^Btv slg iV^^f^^'^' ^^ BQcca^vtu uvrifi rJjjq)^0V' iy%€iQiav 
SvS^ Ktä hu^^&€i$ ttvt^ kovoiihn^. «^v dl»la%m iüif$yevo(Uvfpf tci 
(iBiQaKog ^viiai emov. Ho^uömvcf de ov naidtiKu i|jr o rivqfiög hc$* 
x^hfHXi vatg MoCqatg di%ttiSa& ttcdI rovtov, fud ctvricg elg Teif^eölav 
ßvriiv lUxccßaXetv Kai äg>eU(S^aiii^v (iavuiii]y. ^v ccv^tg (la&eiv vno 
XetQoavog aal demvfj[<Sai iv toig Siudög xat üriliag ya^ioig. Sv^a 
I iglaag ^bqI Tidllovg rijv xs ^Aq>Qodltriv xal xag Xaqlxug atg ov6iiatU 

liaCi^lflj l^^^il ^<5f* JEÜtpQOCvvri, xov S\ dMciaavxa KQtvai Kulriv xr^v 
KaXiqv, fiv xal y^^ai xov 'Htpaiaxovj o&ev xal iiyv ^Atpqoökriv %0iX€a- 
^ei^av ^svccßakeiv aixov elg ywalviu %eQvi\xiv yqaiav^ xiiv, 6e KccXriii 
Xcttxag avxy ayad^ag vet(iat %al elg Kgi^xtiv iituyayelv,^ ivd'a l^atf^^ 
VCCI avxiig AQa%voVf nal (uyiyca ccy%etv xy ^Aq>qo8lxri f»,iyilvai iq>^ p 
xiiv dalfiova OQyus&eTaav xov (ilv Aqaruov (lexaßaleiv elg yalijy^ Te^^ 
Qeiflay dh elg fivVf od'ev Kai pltya tpiffiiv ia^lei mg Ik yqccog^ koI fiav- 
Vi%og hxi 6ia xov Tetqe^Utv. 

V\io\X\jia \^h ^% Kpä: ig Teiqeclag htxamg ^ 

.••'■''• 4. — . 

Eustathius zur Od.fi S. 1712, 57 XelQcnv o ^AfiqiailoXtxfig *Ale- 
^ivÖQOV xov Maxedovog iQoaxiqöavxog q>a^ij xt ßovkexai nuQa x^ 
noiifs^ xo xag Tte^unegicg elneiv KO^äieiv ifißgoiStav xm JU, Kai xo 
ifpaiqela^al x& nevxag Kai x&v TteXetoiv, negl xmv nXeucdoav elva$ xov 
ioyov igytf^ ag elva$ fiev btxw, q>aCveffd^äi Se % xotg iKel^ t^g fiucg dw 
xb KalaXXeog ifi^vd^v xov itsxqtov ifpaviioikhf^ iitoxmv nex^mv. mg 
ih fj(M»g qyrfil TteXeiadiov ^oi nXewSatv ijcixeXXovif0v ä^roj^oi ^6^/Ü 
ietv^ tÄxw KcA &eol xr^v a^iß^oalav KO(i^ea^ai . • . aXX ovri» Jmv q 
^A(iq>titoXCtfig XelQWv. ^AQt^xoxiXrjg di tpaaiv iXXifyoft^^ ehce dif*^ 
tovv ''Oiirjpöv l^ ava^fiuiiSemg xQig>e0d-ai xovg ^eovg ijxoi xa «V« 
Cmfxatay aeQOJCOQOv f^iiSov naqaXaßovxa elg fvSei^iv xijg xoucvxrig XQO-f 
^pijg, xo 6e itpäiqet^&ai xi vno xijg nhqag dt^XoHv Sgni ig Kai ^. yn 
tXKei ix xfjg totavxfig ava^vfiiaffewg. ^AXi^avd^ dl 6 ßätfiXevg im 
'xo doKetv gn^isl xovg ^eoyg fptXoij6q>Qvg iccxl '^Sov^g (lelSovg avad-ftvai 
xov noiiftiiv xiiv iKeivtav XQOfpipf x^ a6^evecxax(p Kai xqvapiqoixax^ 
ti(pi vg>^ ov ßqaxv xi av na(faKOfiilotxo . ,. ^AXi^avdQog 6i o üatpiog 
htoQet xov^'Ofi,fi^ov vtov AlyvTtxIaiv A^nMüayoi^ Kai Atd'Qagy XQog>ov 
öh avxQV TCf^wpijitlv xiva ^yaxiqa'^SlQOv, tegiiog 'iaiöog, ^g ik xwf 
^&tmv fkiXv ^0at nöts elg xo tftofMx xod itaidlov* fcal xo ß^i^g h 
wKxl g>mvag iwia n^oic^ai^ xekiHvog^xadivögf iteMxeqag^ «o^i^i^t 
niffiiKogjito^tpvi^Uavog, ip«^^, ii/idovogiial KWtwpov* ^ff^ipwlte 
xo iomdlov u^a neQicxeqw tvvia nai^ov inl x^g kUvti^. BvofXOviU-^ 
Vfp^ iiniKffu xolg «ov luaöbg x^i^ ZLßvXXav, i(Aiutv^ yefowUnß»i»xi 
C^edt^acaiy cov a^if, Af^aaayofia noXvvtKe , iv olgicetl fuyaKX^^ iud 
eteipavkfiv uvxov nqocemetv^ Kai vaby fttlöai KüXevmä iwia n^qi- 
9Av* iii^Xo^ il xag Movaag. xov dh Kai xovxo mMfSiu kuI.x^ nmik 
iiiiftn^ivxt iisineiv xo ngayfia» k^I xov ndifjx^v dSra CefAvvvui ii 



2B8 R. Hercher: Aber die GlaubwOrdi^eit der Neuea Geschidile 

täftolg fi^9^ Af ftvvbuuf;i^ nalm^^atmita «^ JA rnr ißfifg 

PhoUus 147 11 3 Stil tl Q mitfcifg mXm/idtig inohfii vng t^9^^ 

hfl; elg tuwn ilmtv, wotl m^ '0^if^(nf n«1 tuUiiito», 

5. 

EasUthius zur Od. f S. 1871, 21 Zukupiog \kivxo% i XSog xorrv 
x^v t0tO(flav iv inniffp täv avtcSv Mv^sfimv daCvvu naqa inpß 
odovj Xiymv &g *Avti»XiCag odivov<Sfig ytaga ro Ni^qixov itnv i Zevq. 
t^v ih VTto uynvlag inet nsöovöav x&iiiv %al xo yiwrfihf ntXffl^iinu 
\Mutftfia naqii xo iv rg o8^ vtfai. 

Sohol. zur Odyssee^ tf 75 Zulrivog o Xiog iv ty divxiQa ßtßUn 
X0V Mv^mmv *IiIxo(^iiiv ^Avtlnkeiav gnjot xipf ^OiviS<sing (^ffttifa iynv^ 
(wva oiivovöaiMcaifa xo Ni^qixov x^gJ^cl%7fg ofög vffawog nolv xov 
Aihg tmo aycovlag nuA <p6ßov %ccxa7tsöov6av xov ^OSwraia aitoxe%uv^ 
nuA iw xovxo xavxfig xijg ovofiaöiag xv^eiv iitsid^ xcrra x^v odov 
iitiv 6 Ztvg. Y$\, das Scholion zu Vers 21. Fast wörtlich so das 
Et^m. M. u. *Oiva0H)g und Tzetzes zu Lyc. 786, wo die Parenthese 
dvo dh yiyf^ufpM ßißUa von Tzetzes aus iv divxiqf abgeleitet ist. 

Photius 147 a 11 vixov Öi g>a0i yivoiitvov i»^ ivxla%ovcav xinv 
IMKtiQa Sy%vov ovö€ev %axa xi^if o^ov xsnsiv^ »al xov ^Oivcaia Akt 
xovxo ovxmg ovofiac^vui. 

6. 

Eustathius zur Od. l S. 1697 9 &1 ox$ ih xoiovxog Mifivwv iui 
fov naliv ivMtNs^oifühpf ^AvxlXox^y iy Saxof^ ifiXot n$^ ov 
fafo^A *A0%krpuai^g MvqUuyogy mg xifvfiiuA io^ivxog Niaxo^ 
^KxXivnrstf^tff bA x^ vSff ^AvxiXox^ xov AJ^loxa^ idoxo mn^ fivf« 
fMva o nwn^i^ ^f^^ vTcu^niaxfjy Xal%mva IK^mtn^ci^y og ifHxi^Äe 
HBvd^dilag ftal ßorfimv nvxy avj^Qi&ij vjc *AxdXiiogy n«l to tfco/ur 
vjto '£>ULi}vi»y ivsctcoXosfla&fi * ido&tfinnf ds tutl ilXoig x£v ^(fmatv 
fiyi}fu)vsff, olov Tyf ^AffXUi nqog xi^g iMfTQog^ mg hxoQettici Jitixo* 
^mvü Kcä xm nargoxlm dl V7t* ^AxdXicDg EvdtoQog fiera t^ fi^iv 
iv xy vtitvii9txi99iht$ f£i2 nQOiSm x^Üf'^^* avot^f^va» t* ainov wvg 
iv x^ ipv^tßol'j vfco IlvqcdiiiiMv y iiQ scod ovrov nf^xov ivutffs&^ai 
vm IlttVQonlov hxoi^et TifioXaog Mansimv. ^Avxütaxgog dl ^Atmv- 
^tog g»i<St wxl xm'^ETtxoi^ Aiqv(ttt Oqiiyu do^vcr« ^vf^Mv^^ fi^ ov« 
tl«tv wCXqv xov jixiUimgj *A«6lXavog xov Svii^ßQolov xovxo ^ffivfiixv' 
«09, Tov dh avxo(Aokfict(vxu in ^Oiv^cimg ivui^^ij^i* 'E^i^ios Sk 
taxo(fU nuA Uf^eadi^ do^^ai nvi^i^ova Aa^vov Bsvx^Aivy do- 
&ivxog x^a^AOv <l>vXi%m x^ mvr^, ^ava^^'d^va» U Tt^fifni^tfiUy S 
flcol yiyove, firl mne oiv jyHnaX nuq 'Ofiiq(ft/^ ovxm lvcf«$ xo xov d^ 
fnxavsAiifdavog iv^Q\ mg xov Aaffiivov ^ iv^ft^i^vxog «v* 
xov t^ €m6ßci0i,v. 

Photius 147 a 24 tljuxo ml ^AxiM^l fM^jMov x^Avo^m JVbi|fuavj - 
fivu Kaf^ni^oyiogy «of Jloropxilfp JSvdo»^. ^Avxbun^og ii qtrfihv 
^Amv^iog Aiw^ 9 ^^ 'O^^av ^ifu^itwxu xiiv ^IXwia , nvi^t^m fi" 



des Ptolemaeus Chennos. S89 

vh&tti**BKtOQog wAq tov (i^ ivikav haiQOV ^Axilllmg. %tA lUfwts^r 
eUffOV ii ^fifii Ja^avov yevi^^ai^ yivog S&Malip' %al ^Avttli*- 

tov Ttatifog. 

. 7. . 

Tzetzes zu Lye. IS^ Ikhag 8* o Bv^mtiog iv Biow Aofotg^fiv 
gnfii ysv&s^al tov 'H^axlkt lYyavta rov nvQtttvovv (vr^ovoftov die 
Hss.) avriiffiKOtay "Hqav ivay%ilOTHa nffog yafiov ßkf. Vgl. Etym.M. 

Photius 1476 16 om Neikog o^ffgoKl^ ino ytvißeiBg yn^tsaß^ h»- 
leiko, inei i* "Hfv» SönöiP ^ge^ooevov «vr^ avitXwv tov ovimvfiov 
fuA itvf^iW90v Ityavttc^ inu^tv 6ttt to^mMXulMUv t^g'^H^ tiv f»- 
lifiiov lutißale t^v »A^iv. 

• .8.- . ' • ^ 

Clem. Alex. Protr. p. 31 A ^A^eXXag Sl Iv totg JihpiKoig ivo 
qn^l yeyovivia r« IlaXladui, Sfupm d' in^ av^Qiamov dedi^fuov^- 

Photius 148 a 29 niQl tov HtdXuitaVf Sri ivo »iU^fiav ^io|i^ 
dfjg %al 'Odvatfev^. 

9. 

Suidas ^Aötvav€c0öa ^EXiprig tijg MevsXaov ^Bqinaivu^ tfstg 
f^ffwtvi tag iv t^ öwovcif iMttaxXlöBig eSgev^ nal fy^cnf^i m^l «^xi^fta- 
ttmf cwovauiatixmv tpf Serre^ov nuQs^iqXmcuv QiXatvlg xal *EXig>avir 
tlvfi a[ ta TOiavT« i^OQpfitifuvai iatXyi^iuna. 

Photius 149 a 26 m(j)l tov xetfTov ifiawog^ mg Xäßoi iiih «vtov 
''HQ(ifca(fa'Aq>ifoiiti^y Solti 8' 'EXhifyxXi^e^B favtov ^'Eli- 
vf^g ^iffUTtaiva A^tvavaaCttj iq>iXoi8* avtov ^ «vt^ itaXiv 
*A^qoiitfi, Hierzu bemerkt Roulez: ^Astyanassam Heieniae fornulam 
M usaei filiaiQ esse fabulantur: Sed quae eins nomine ferimtur earmiiia 
ante Alexandri aetatem orta credi vix polest: immo huius nomüals 
poStriam uBam unquam eztiüsse non immerito negaveris. Vid« Schdij. 
Gesch. dergrieeh. Litt. T.IU p»29.' Diese Notiz, die Roulez wörtlidi 
auft SehöU übersetzt hat, enthält lauter UnriehtigkeUen. Astyanassa, 
die Dienerin der fielena, kdmmt nur laden aiUgesohriebenen beidefn 
Steilen vor und ist eine Erfindung des Ptolemaeus; die * Tochter des 
Musaeus' stammt aus der Neuen Gesch. bei Photius 149 & 22 ff 9tff0 
^Oiii^Qov^EXivfi ii tov^IXuexov ^vyy^'iffaiUpfi ii6lB(novj Mov^fcitov 
tov A^ifivntov ^vyatvnf yfvoiikhnfy und niemand hat das Recht aus 
fy(f€nffs ohne weiteres Gedichte herauszulesen. 

10. 
Eustathius zur Od. X S. 1696, 40 htiov öh oti^OfviQov %al t&v 
nXsMvcnf !va rcuida Xeyovtoyif A'qtöafulag x«l ^AxtXXimg «ov Nioictoki- 
(uovj Affft/ifgifiog o ^IXavg ivo htoffHf\)v$tfOv tucl N^omtoUpuov. 8v 



8B0 R. Hercher : über die GlaubwOrdigkeit der Neaen Geschichte 

auT^ btiotffit 9M^l JttvUduy xcH avu^dg td if^poQ ^ aviiXev.€tiftay 

%aUt 9uxl tov AxMi« lißlm^axo, 

Pholius 148 b 21 9ud mg ^ArüHag %al jätiiiaiuiag ivo iyiviö&vv 
nmitg, NmmvoUiiog ««rOvei^- %ai ivanfuta, xav' Syvoiov ini 
'Offtmov hß (DmcMt i "Oimiiogy iu^ anipwHfftag twup fka%BSa(uvog. 

11- 
Ettstathius zar Od. i S. 1496, JA o di yt fiv&og f^nvopa^ioiv non 

fjoy^ovia Utßtiv i^ *AqtqoUvgj^ 3r< üg^ fipov Sj&Udsri t^ MsvMkim, 
mg «V stwote 9t(fog äXXtiv i im|^ Janvifiöaev^ M'^^'^^v hp^ «vcov %m 
%^g gnoviig elnaöiitOy vitoxQivoaivti tify iqmUvtiv. 

Photios 149 fr 3 g>aal 3^ H%m ftW ttiv *Elivfiv vo »v^iav ttXni&q- 

12- 

Athenaeus X S. 414 D ^Hga^Uitog d' iv x^ S^tJUkwi ^Elhnir 

Photius 149fr 20 x«i ^ tQitg If^^povg ia^lovöa aead' ^fU^v*Ekivfi 
huXmo. Y^L Eost. zur Od. d S. 1493, 23. 

13. 

Eustathias zar Od. » S. 1658, 49 *AIi^avSqog dh o Ilawtog av&o- 
Aoye», üiKoXow %va xmu riyawmv fpvyovta xov ttata Atogutolsftov 
xipf xi^ K£q%f^ vrfiw nwxuXußiVv^ %u\ nu^äa^ai inßalsw avtrjv. 
xov futvi^a ih ^*B[kiov wtBQacnl^ovxa tijg Ovyaxqig inßMUlv ctvxov, xal 
xaS tttJfMnrog ^ivxog dg 'fy» ^piivat ßordvtiVj nal nktj&^vai ccirffv (umlv 
ita xov fioUlov i^toi nolsfiop h ^ imav o fif^slg JTfyag, Blva& öi av- 
TfD av0og Vmlov falaKX& dta xov'avslovta Xsvxov^Hhw^ ^ui^ iifii- 
Xatvav dia w xov Piyavxog (Ulap alfia , ij xal iiii xo xr/y Kl^wqy q)a- 
P^^iSgop mj^iiaai. 

PhoUus 149fr 39 mal xov naf^^ ^O^^if ^uolvog c% ßoxaifijg, ijv 
ix xov atfutxog xov ivaiQB^ivxog iv xy Klgxfig vrfit^ rfyavtog Uyovai 
tfiwHitu ri xal xo av^ l^ft Uvxov oxi 6 tfvfifioxcSy xy KlQxy^ xtA at/e- 
Iwv xov rfyavxa bISJUog ^* fmlog d' ^ fw^Wj H ovxal ii potavti. 

U. 
* Sitidas u. nxoXipuxibg. IlxoHe^udog Kv&^og htoitotog. ovtog 
fy^«^ Ttiifl ffHdaxiv^fig. iv rovrfB dl qnfi&v Sri ßoxawi i&xl ^avfta- 
Cxffv xiva 6vva(uv f%ovtfa. 

Photius 150a 24 ^ 6i 'fjHxlaxav^a ßoxavti itnlv AlyvmUtj fitig 
VnTtotg nsQumxofiivii vlxtgv nagi^u xal ivdaiftovlav. 

15. 
TzeUes zu Lye. 67Q hcA otKlvxavifOi tu^fiivxig um Btöö^Alag 



des Ptolemfieus .Cbeanus. SM 

PhoUus 1506 29 tag ot Kivtavqot q>&iyovTsg ^Hgankia d^ TvQöif- 
vlag Itfi^ Su(f^a(^avj d'skx&ivteg vno v^g Z$t^vmv '^ävipwvlag. 

16. 

Eustathius Prooem. zur Od. S. 1379, 62 g>a6l yiiQ Navv^Qaxr^ 
Uva^taxoQfiöatj &g aqa Oavraala yvv^ MBfig>hig^ aowlag inoqnjftigi^ 
Ni%ttQ%iyü dvyattiQy cwta^aca xov xb h^ ^kiddi TtoXeiiov mi r^v 
^Oövcaitog TtXavi^Vy ajtiSoxo xag ßißXovg slg xo iuxxa MijiAg>i.v xov 
Hqxdaxov advxov. Svd'a xov Ttotfjftriv Ü/&6vxa laßstv naqu xwog xäv 
tsQoyQciluficttiaiv avxfy(fagiaj xax€(^£v Cwxa^ac t^v Ihada xmI xi^v 
^OdvadEucv. 

Photius 151 a 37 oxi (^avxacUc xig Msftguxtg Nituc^ov d'vydxfjQ 
Cvvitcc^s TtQo 'Ofii^QOv XOV ^Ihaw}v TCoXefiov koI xijv ^sqI Oövöisstag 
dL'qyrfiiv %al äjtoxeta^ttl q>aai xag ßißkovg iv Mi(A(piäif"OfiiiiQOv dh 
naQotysvofiBvov xal xa avxly^aq)a laßovxa naqit Öavhov xov £e^o- 
y(fttiiL(Miximg övvxa^ai ixdvoig axolov^iDg. 

17. 

Bekkers Anecd. S; 381, 27 xal Mtovc^ dh o vofiod'krig vno 'lov- 
ialciv dicc xo^oXloig i%Biv aXqiOvg iv ro» nd^ati ovtag ixaXBPSO. uXXä 
xoiko NCwxQxog 6 xov Afiiiiovlov iv x^ tkqI ^ovdaimv tpXvaQBi. 

. Helladias bei Photius Cod. 279 S. 529, 27 oxi g>XvaQBi nccl ovxog 
rov Moxr^v clXq>cc kuXbiC^cu, imxt aXtpotg xo ö&iict %ccxa6xiKXog ^v 
^al xaXBt xov '^Bvdovg xov OlXmva fi^aqxvQa, Ptolemaeus hatte also 
in der Neuen Geschichte durch die Namen des Nicarchus und Philo 
für doppeltes Zeugnis gesorgt. 

Photius 1516 9 or^ g>XvaQmv ovxog 6 fw^oyQaq)ogj MoMS^g^ g>fi- 
ctvy 6 xmv ^EßQatmv vo^o&kr^ iXqw iwxXBixo dia xo aX^povg ixBiv 
i9tl xov 6Biu4)t%og. 

18. 

Helladias bei Phot. 279 S. 531, 31 Zu qytfil^ tov ßaö&Xiag Ko- 
^v^ov ri fi^i7P9. yvvii il ^Afig>lovogy noXoßaniqtp öTUi^ovöa rc» ixi^vt 
nodly Außiu htaXuxo^ 

Photius 1516 25 %al ii Kvi^f&M> 61 ^i^Vft^q xi^Xii ovaa Aaßöa 
i%Xii^ V7C0 xw nv^ihv. Vgl. oben S. 284. 

19. 

Eustathius zur Od. A S. 1696, 52 7"^^% ii icxoQBt übv^bciXbI^v 
ivBXuy Tov ^A%ilXia^ ulxvfiufiiv^g dk &isi6og xov Jlu, avac:ti^ut av- 
xoff xal uvxovbXhv iKBlvijv. "Aqbo äi ncnsBQa llBv^BßfMag öütipf Xa-' 
XBtv QhiSi. x^itijv Sk yBv6(Uyov UoCB^ömva wxxcchqivch 'i^^^i^v« . Ver- 
mutlich TiXfig oder TiXXig. 

Photius 1516 29 &g A%iXXByg im ÜBv^BCiXUag uvcctQB^Bigy dei;- 
^Bl(jf^ avxov xfjg fAfjxQog Skidog^ avfißtoi xal ivBXmv IIbv^'&SiXbUxv 
tlg/'AiJiov ndXiv vTtoöxQitpBi, 

Jahrb.* r. clMl. Philol. Sappl, N. P. Bd. I IIA. d! 21 



S98 R. Hercher: über ^e €ll&itbwürdiig^keit ^r Neuen Geschichte 

20. 

Eusl^thius zur Od. X S. 1696, 48 UwffTQuro^ 81 hroQu'AX^ecv- 
9(^v ^AfVoXXmvog i^tofiti/ov Hai (ux&r^^v Tö^iag, v(p^ ov rojoi; iXs- 
g>dwivov 6%6vTec ro^svücn 'AxtXXiec xcrra yotor^og, 

Photius 151 6 34 mg '^EXsvog 6 ngidfiov AnoXXmvog iQcifisvog yi" 
votxo xul iXaßs Ttag* avTOv zo^pv iXetpdvTtvoVy m ^A%iXXia xo^tvCBiB 
Kccca Tflg %si^g. 

UietM bemerkt Roulez S. 125: * vix dubium videtur quin alterutra 
narratio ad aiterius imilatiortem efficta sit, quartivis üliquis sine lemeri- 
tatis suspicione coniicere possit Alexandri mentionetn Eustathli errori 
deberi/ Dasz Eustathluö Notiz aus der Neuen Geschichte stammt, zei- 
gen die Excerpte aus demselben Werke , von denen bei ihm jene Notiz 
umgeben ist. ^AXi^avÖQog ist also ein Versehen des Eustalhius oder des 
Excerptors der Neuen Geschichte, dessen Auszüge jener benutzte. 

21. 

Eustathius zur II. « S. 748, 50 &Btov Sa Sita TiuXsT fivO'^xca^, ov o 
^AxtXXsvg Keifn^Xtov bI%s, dmQOv ovrcc Ntigicog ix rov navQixov ycc^iovj 
mg av, iav i^ ccvvov nataTtivvoL jj^cofta, rjövratov avro Ttoiij xal rov 
iv (uytctctig pvxa Ivnaig TceCd'ri (payeiv oyvoa kc(1 iv 06v(S<SÜ(f ij 
'EXivri g)dcQ^LaMv ti sxovda »al ^dayoiiaa reo KQotiJQi aXvTtovg iicola 
Tovg Ttlvovtccg. Kccl xov aXa yovv xov I^riQipg xovxov ^üav titva Bx^hv 
ävvafnv ^V'd'Qg tpri^iv iitl xolg io^toyCiv. 

Photius 152a 22 &g ütiXat iitl reo ^c^f&co g>a0l 6(OQYi(Sa(S&ui''H<päi^ 
Cxov (ABV [idxuiQav . . . JStiqia ob xotfg d'Biovg üXccg 7tuXov(iivovg iv 
%oixt.dr xovxovg äi dvvaiiiv b^b^v ufirixccvov %Qog%oXvfpayLav wu o^- 
^iv 9ial 7(i'il)iVy i| ov XvBXttl aoi xal xo.nieaB ä aXbg ^lou>, 

22. 
Tzetzes zu Lyc. 178 ^Ayecin^üTmQ 8b o OagaccXiog 'ni}ift^oov vcgi- 
'XBQOv XiyBi^AxtXÜa KtxXrjö^at iv xm x^g &Bi:t8og^E7ti9'aXctiilm, slxa 
xoiovxavQOJCmg ^xov*Ax^Xkiec nkri&^Mj a'g xi Sfevj xiyvxov caip&g Sti- 
Xmbu' 

ücciSvm 8 ovvoficc &iJ7iB üvQCüiSaov ^ aXX ^^iJUgwr 

ntjXsvg KUXrjaKBVj i^slXBog bivbxu [iiv 
%Bi^Bvov bIvI mvBi t^oit'^ iitl icvq MUfUi^B 
XBlXBog ald'Ofiivov a7tQog)dix(og bxbqov. 
Das Epigramm ist neuerlich behandelt von Schneidewin im Philol. I 
8. 155 ff. und Von G. Hermann ebend. V S. 742 f. 

Photius 152 & 29 (Sg ^Ax^XX^vg 8iä (ihv to i« itv^g avxov tfoi^^di 
%a6fABvov vno xifg (trjrQOg nvQt<t6oog iaaXsTxo^ Stoxi dh^V vwv xBtXimv 
avxov HtttttKocv^Btti, ^AxiXBvg vTto xov itoetQog (ovo(icc<s^* 

23. 

Suidas u. AtiSmitog. At(S(onog ]^i&0i8ccxov uvavvcSiSxrig fy'Qa'^^e 
jtBql^EXivrigf iv & fprfil Iläva Ix^vv KäUtC^ai %rp68riy'iv t&oxy di 



des Ptolemaeus Chennus. 293 

TOP aüxegittiv U^9v Bv^taxeö^cn, og imo reo riUff ivaTCX&cur noiei Si 
ngog (plXxQa. lyga^^ xul Mi^qidaxov iyxoifuov, 

Photias 1536 22 nävd fpuciv Ix&vv elvat &aXdcaiov »fpnodtj, 
Ofiotov t^ Uccvl Kcncc t^ otf;iv* iv zovxm Xl&ov ^glaaead^ai xov 
aoxs^xfjyy ov ilg t^Xiov xi&ivxa ivinxtaÖ'ai^ nomv 61 xal n^ 
q>llx(fov, 

24, 

Tzelzes Chil. VIII 195: 

'O n^ait^xiltig ki&ov^Hv vJtfjQxev ivöqtccvxagj 
ovnsQ TtoXlic iihv SxBQUy *kv 6e x€ov ^iüwv^movj 
xo iv x^ Kvlötp ayaXfAa^ yvi^vri fi ^Ag>Qoölxri 
Xl&fp Xiv%^ ßaadiKfpi xtS Kai IltvxBlrfil^' 
f^iSiUQ nolioi umI ifiLiiavmg i^aa^rficeu av^Qmitfovy 
%al Mccxaoeifg IlBQlv^wgj og ifiiAocvatxm tkoOgo 
^mgav id'iXmv xov vaov x^ fi^ xov jtad'ovg Xriysi^v^ 
x«'^' VTtvovg iptovösv avx^ XsyoviSi^g tec ^Ofn^^v 
aov vi^i^öig Tgoaug tucI iüiit^(ii6ag ^Ayjxiovg 
xoti^6^ aiKpl yvvainl noXvv %q6vov aXyea 7ia^%siv.)^ 
*IiS%a6a xiiv Kvtilav il noqvrpß 1% xctvxr^ i6%e. 
xovxo öi TtQog xt^v TiqxvXXay o UxoXsfiatog yQ€cg>€i^ 
ä nov xov 'Hg)aiöxi(ova yivioCKSig IIxoXsiuuov. 

Rudolsiadt. Rudolf Hercher. 



Lectiones Lysiacae. 

Scripsit 

Carolus Scheibe. 



Jahrb. f. eUts. Philol. Suppl. N. F. ßd. I Hft. 4. ^1 



6. 

Leptiones Lysiacae. 



Ex insUtulo editionumTeubnerianarum omnibus qui velere8scrtplo- 
res in lacem emiUunt ea lex scripta est, ut non tarn quibus ducli ralio- 
nibus verba vulgo recepta mutaverint, transposuerint , exlurbaverinl, 
copiosius subtiliusqae explicenl, quam quid scripsednt et ex quo quid- 
que fönte hauserint suminalim indicent. Eadem ego rcticentiae sive 
mavis conlinenliae lege lenebar, cum bis illo B. G. Teubneri consilio 
recognoscebam Lysiae oraliones. Ne tamen leviter in ea re aul temere 
versatus esse viderer, iam priori edilioni anno 1852 vulgatae tamquam 
pedisecum submittere piacuit Emendationum Ly siacarum fasci- 
culum (Slrelitiae novae 1852), quo mutationum a me faqtarum parti- 
culam aliquam seleclam proponerem earumque accuratius referrem ra- 
tiones. IlUc autem id egi , ut codicis Palatini sive Heidelbergensis X 
vestigia religiosius etiam, quam adhuc factum esset, insistenda ex eis- 
que quamvis obscuralis vei obrulis universam Lysiae emendalionem 
repetendam esse exempiis demonstrarem. Ex hoc enim codice ceteros 
quotquot exstant librosnnscr. quasi e communi fönte lluxisse inter omnea 
hodie constat, qul quidem Hermanni Sauppii, amici doclissimi, episto- 
Iam crilicam ad Godofredum Hermannum cognilam habent* Alteram 
vero Ly«iae editionem parans nihil anliquius habui quam ut circumspi- 
cerem qui quanta maxima posset fide ac diligentia incorruploque iu- 
diclo denuo excuterel eundem codicem ac pervestigaret, quem non 
modo exhauserat Immanuel Bekkerus, sed ne rede quidem ubique 
legerat. Cui negotio quem magis idoneum nanciscerer quam Ludovi- 
cum Kayserum, virum et ad quaevis ofßcia pro amicis obeunda promp- 
tissimum et in libris manuscriptis perscrutandis versatissimum et Ly- 
siacae dictionis tam gnarum quam qui maxime, eundemque versantem 
In ipsa codicis sede, ut mihi de scriptura aliqua dubilanti incertoque 
statim ipso codice inspecto succurrere posse videretur? Rogatus ille 
non moratus est quin susciperet hoc munus, susceptumque celeriter 
circumspecteque exegit, quin etiam quod aliis molestum accidisset one- 
rosumque, id summae sibi oblectationi esse affirmavil: nimirum tantum 
est in hoc viro ac tam candidum lilterarum amicorumque Studium. 

Heidelbergensis libri agnito semel principatu cum iam antea summa 
ope in eo elaborari oportere intellectum est, ut huius codicis auctori- 
tas, ubicumque per miseram eins condicionem fieri posset, in integrum 
restitueretur , expellerentur autem quae permulta invecta essent cor- 
rectoris Laurentiani commenta: tum Kayseri demum collatione luculen- 

21* 



298 C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 

ter edocti sumus quot quanlique «rrores ab omnibus sint interpretibus 
inscientibus quidem alque innoxiis propagaü, eoque exemplo denuo 
comprobatum illud, conquiescere arlem criticam numquam posse, prae- 
sertim in scriplore lurpUer corruplo , inlerpolalo , muUlato. Huius ego 
auclorilatem codicis non singulari virlule sua bonilaleque praestantis 
illius quidem, sed unius tarnen omnium fide dignissimi adeo secutus 
sum, ut 81 quae vilia in eo reperla essent manifesla, ex eis studerem 
veram ac genuinam eruere scripturam , in minutiis aulem orthograqjii- 
eis quae vocantur ab eo descisceie religioni ducerem. In posteriore 
igitur edilione quoniam tarn muUa vel ad codicis exemplum vel e mea 
aliorumve conieetura novavi , operae prelium , immo necessariam esse 
afbitratus sum huic quoque quasi quoddam supplementum subiungere 
eius modi, quäle fuit illud, quod in Emendationum Lysiacarum fasciculo 
ad priorem editionem exhibui, neque alienum fore putavi, si e scriptione 
illa scholasttca hoc loco repelissem quae etiam nunc mihi probanda 
esse viderentur, ita tarnen -ut alia mutarem, alia tiddilamenlis quibus- 
dam augerem. Ad quem libellum cum saepissime provocaverim in 
editionis meae praefatione, eiusdcm paginas in margine huius commen- 
tationis notare constitui. 

Sed prittsquam ad singulos locos examinandos perquirendosque 
transeo, de illis quas dixi minutiis, de quibus ante codicem nostrum 
accuralius exploratum nihil certi constabat, pauca praemonenda viden- 
lur : neque vereor ne quis me minutae et acriculae diligenliae incusel, 
si res viliorcs quidem, sed critico, ut opinor, non quantivis aestiman- 
das in uno quasi conspectu positas infra exprompsero, praesertim cum 
eae in editione ipsa suis quaeque locis dispersae legantur. De his 
. enim iniquius senlire puto Guil. Dindorfium in novissima editione De- 
mosthenis Teubneriana p. LXIII sq. 

Atque elisionem quidem vocalium e nostra collalione planum 
factum est in vocibus polissimum cStfre, di, iXXa saepius non admilti: 
in Sets or. 10 S 13 et 14, or. J13 $ 37, or. 19 S 4. 16. 44. 61, or. 25 
S 16, or. 30 § 18: in di or. 3 S 6, or. 4 S 7 et 8, or. 7 $ 7, or. 12 $ 61, 
ubi vox pone di requiescit, et S 75, or. 19 $ 3 et 47, or. 20 $ 8, or. 22 
$20, or. 25 S 18. 29 (utrobique ante iudicum allocutionem). 30: tum 
in aXXa or. 20 S 35, or. 26 S 6, or. 30 S 26. Nee magts in aliis voca- 
buiis vocales fide codicis nostri innixi elidendas putavimus, ut or. 3 
S 19 ndytote ivsnaXsiSBVj or. 12 $ 69 ravta a (tavta sine S habet 
Pal.) pro vulgato rorüd' S, or. 19 (quae omnium maxime hiatibas re- 
ferta est) $ 48 ulfAffficc avii^ or. 26 S 7 doxtficciS^ivTa avtov {SoTtiö^ivta 
avvov Pal.) , or. 29 S 9 vfiitBQa avrcov. Habet tarnen elisionem Palati- 
nus Kayseri duobus dumtaxat locis, in quibus libri ad hoc tempus 
editi hiatum tenebant, or. 1 $ 19 tot,' ijSfi et or. 20 $ 14 tmv d' el- 
fcowmv» 

Atque etiam in litteris finalibus vel addendis vel detrahen- 
dis codici obtemperandum existimavi , ut in ovrcag ante consonam po- 

r.lS^S ovtmg Ttif^ or. 3 S 43 ovtatg xal vfistg pro ovvmg vjABig, 
* 19 ovv€9g toX(iii^£y br. 10 S 13 ovTfng 6Vy or. 12 $ 70 ovtiog 



C. Scheibe : lectlones Lysiacae. 299 

<ovv; h. e. oSt&g Pal.) äi^ or. 25 S 10 avtwg yi^ % 14 otrrflog '^Evio- 
l^ivovgy S 23 ovtmg dtaxBifJiivovg, S 27 ovriog d friere, $ 31 ovtfog 
(adlmg, or. 27 S 13 ovxmg neld'Biv, or. ^ S 7 ovro)^ ^^cr^, S 8 ovroag rs- 
Xivti^iSagj or. 30 S 33 ovrag ticcI v(iäg. V. Schaeferus ad Demosth. 
p. 13, 21 , JFrotscherus ad Xen. Hier, p: 9, Weberus ad Arislocr. S 34 
p. 193- Cadit hoc etiam in vv ig>BXüv<srtx6v , quod in fine enuntiato- 
rum antehac additum secundum codicem nostrum delevi or. 12 S 42 
SitQatte, %al rovrmv iiuQvvQccg vfAtv na^i^onaij ubl scribebatur Sn^aT- 
xBVy eiusdem or. S 67 exlr. aTrooÄarc. niicSnevog^ vu%o «ntiXeaev^ or. 
13 S 82 Ttccrha^s. [ifjtSy vulgo xarrra|£v, or. 14 S 22 noti^dovat. ^av- 
fia^my ubi scribebatur TtotfjöovCiv ^ or. 31 S 5 extr. tmv äya^mv (le- 
xi%ov(Si* %al yccQ^ vulgo iieti%ov<siv. Ante leniorem quoque inlerductum 
vv i(psXK. ad libri principis fidem expunxi in or. 2 S 45 S^ovCt^ nsQi^ 
ubl vulgo edebatur ^ovtffv, or. 12 S 38 sl^ia[iivov i<frlj nQog^ ubi vulg^o 
erat icvtv. Quin eliam e continuis verbis, in quae irrepserat littera 
illa adducta, nunc Reihum eam auctoritale Palatini exterminavimus in 
or. 10 § 24 iXstjaBts Jtovvaiov pro iXsiqaeisvj or. 12 S 27 irvyxocvs nal 
pro itvy%ctvBV. Quod contra semel e codice addidi litleram ante vir- 
gulam %axuTCBVy n&ttqa. V. Bekkeri anecd. III p. 1400, Maetznerus 
ad Lycurgi $ 76 (p.210), Frankius ad Aeschinis Tim. $ 15, Weberus 
ad Aristocr. p. 146. 446 et quae observavil Voemelius in progr. Fran- 
cofurtano a. 1853 de v et g adductis littcris p. 10, cuius senis erudi- 
tissimi suavissimique cum voluptate semper recolo memoriam. Quid 
quod papyri etiam Hyperidei nihil invitrs codicibus hoc in genere 
temptandum esse testantur? V. Schneidewini scholia p. 68 ad p. 24, 
17, qui praelerea aifert p. 22 , 20 ina^ev to naidtov : ex addendis et 
corrigendis adde p. 9, 14 incoid^ovciv xor/, p. 10^ 1 htoirjftSBv TtSQiy 
p. 25, 18 iXafißavBv yvvaixa, p. 30, 12 iaxtv rotg, Denique littera pa- 
ragogica vv in to6o%kov vel roiovtov ante vocalem deest in codice 
nostro or. 3 S 34 Big roöoiko ifia^lag et or. 7 S 27 ovts voiovto ovrc 
&XXo ovSiv, comparet autem ante consonam or. 6 S 9 Big vo<fovxov dh 
roXiitig et S 33 Big roiSoikov di avausxwrlag^ omissa eadem ante con- 
sonam or. 14 § 2 Big xocovto %a%Ccig, Sic igitur scripsi : neqiie enim 
sententiae accedo Elmsiei ad Soph. Oed. R. 734 et ad Eur. Med. 252, 
qui formas xwsovxo et xotovxo a veteribus Atticis alienas esse iudicavit. 
V. Buttmanni gr. Gr. II p. 414, Maetznerus ad Lyc. p. 90, Voemelius 
I. d. p. 8.') Sed haec hactenus. lam transeo ad singulos locos copio- 



1) Sed continentur in Pal. etiam vitia aperta, quae quidem ad ortho* 
graphiam perliaeot, qualia suDt Icog (v. Cobeti var. leclt. p. 393 s^q.)? 
noXCxtaj Xvaai. in infinitivo Itemque %axaXvaiu et (£ipaty fi,ovvvxiaciv, 
noXoaxov alia. V. praef. ed. meae p. V. De pronomine reflexivo ayxov, 
avxav tenendum, id spiritu aspero adiecto nusqnam inveniri nisi bis septem 
locU or. 3 S 20. 36, or. 8 S 19, or. 24 $ 16, or. 25 $ 9, or. 28 S 16, 
or. 80 S 2. Ex qua fe perspicimr ia Lysiae orationibus emendandis noa 
solida quadam aacloriiate niti alterius utrius formae opiionem , »ed utra 
uiri praeferatar vel e cecUs lioguae praeceptis peadere, vel interdum etiam 
in solo positum esse criticorum ladicio. 



SOO C. Scheibe : lecliones Lysiacae. 

Bius perlractandos, atque inilio quidem de verbis disputabo, in quibiis 
cum nulluni depravationis indicium habeat codex Palatinus, de mendo 
De suspitio quidem orla est Sunt haec : 

oraiianis 26 conira Ewtndrum 
S S %al vvvl cnnov axovoiiiv inig xmv avtov TtattiyoQOviiivmv 8ut *) 
ßQa%i<»v oTtokoyilfiea^at j ini<fvQOvta xa nqiyiuna x«l ii«%kiniovza 
x\l anoXoytf xt^v »axfiyoQlavy Xi^nv de mg noXXi bIq xriv noXiv avxf- 
Xiixaai, tuxI ^iXoir/fio»^ X9Xeixi}V(fyi^ai> xtf. His praedieit orator et 
qua ratione sui defendendi et quibus argumentis usurus sit reus : stric- 
tim eum ac desullorie de ipsis criminationibus responsurum , ea autem 
in medium allalurum quae minus ad ipsam rem perüneant, sumptus in 
munera publica impensos et modestiam tota vila ezhibiiam. Patet igi- 
tur non modo illud anoXoyiqöea^ai verbo Xi^siv^ sed etiam enuntlatum 
alterum alteri respondere. Quod perspiciens Bekkerus in enunliatione 
priore requirit vniQ ^h, At dixerit quispiam : fUv coniunctlone non 
minus hie supersedere possumus quam in multis aliis .exemplis quae 
congesserunt Elmsleius ad Eur. Med. 940, Schoemannus ad Isaeum 
p. 202 et 343, Sintenis ad Flui. Per. 4 p. 73, Doberenzius observatt. 
Demosth. p. 14 sqq., Maetznerus ad Antiph. p« 171, Weberus ad 
Aristocr. p. 147. Verum tamen eorum qui ab his viris doctis affer un- 
tur locorum non plane eadem est alque huius nostri ratio. Iliic enim 
aingula oralionis membra sibi opposita per se constant, hie tarn arto 
inter se continentur vinculo, ut ex eodem ambo suspensa sint audiendl 
verbo. Sed fuerit levius hoc argumentum, certe, si quid video, plura- 
lis numerus dxovofiev ferri nequit. Ad quemnam enim referendum 
eum existimamus? Num forte eo una oratorem et senatores compre- 
hendi censemus? At probabile non est senatores ad unum omnes 
auditione accepisse quo modo Euander se defensurus esset et quas 
causas pro se prolaturus , ut eorum qui audiebant animos ab accusa- 
tione averterety ueque audiverintne senatores scire potuit is qui verba 
fecit, neque opus erat hoc dicere scientibus : saltem tum convenientius 
erat foficv quam aKovofUv, Relinquitur ut aKOvo^iv ad solum orato- 
rem referamus. Sed hie usus apud Latinos pervulgatus ut apud poe- 
tas Graecos, Euripidem potissimum, haud infrequens est, ila rarus apud 
Xenophontem (v. Kruegerus ad Anab. I 7, 7, G. A. Sauppius ad Comm. 
I 2, 46), rarior etiam apud oratores, siquidem Isbcratem excipias. At 
enim apud ipsum Lysiam or. 7 S 5 qui verba facil el yctQ fii], inquit, 
öl fn^dg bIöiv riq>avt(S(iivai^ ovdkv n(fo<SiqK€t juqI xmv uXXoxqIcdv a^Lag- 
xfiiittx<»v tig adiMOvvxag mvdvvevBiv. Hoc ioco videtur ilie quidem de 
se solo loqui, sed videtur dumtaxat. Etenim universe loquitur, ne<tue 
se neque alium quemquaip audientium pro alienis delictis petendum 



2) Sic e cei'ta Baiteri coniectura iam in proeedoM edidl pro eo quod 

in Pal. legtiur vnkg &v avzhv (non orvtrov, nt e Bekkeri silentio colligas) 

^qovykiv iv did et quod Laur. habet vnhff av txvtov naxrifoifovfuv 

Bekkerus et daumviri Turicenses scripserant vnhff Av 9tvxov na^ 

IBV^ did, . 



C# Saheibe; lecitiode« Lysia^e. Sftt. 

I{ esse dicensi nUi per se alitrmve sublatae eint oleae» Quod ita esse 

I apparet e plurali numero '^qxxvUfniuai ad pvqtai. relat6^ Soilicet ora« 

tor accusalus erat non quod plures^ a^d quod unam eseidissel oleam 
aaeram. Contra in ot« 4 S 7 et 10 et 15 prima nuniieri pluralis perstona 
dubUare non licet quin vices primae singularis sustineat, eiusdetn vero 
or. $ 4 ambig^üm certe est pronomina ^\iaXq et i^/unw passilitiie ad 
oratorem pariter atque ad Philinum et Diodem spectare^ OmniBo autem 
tenendum orationis quartae causam valde perplexam et dbsoutam esse, 
ut taceam eato a Falkio haud temere ab Lysia abiudicaiam« läm vero 
cum Lysiam fere abstinuisse ab hoe usu eonstat, tum :cei!tum est in- 
dubitatumque ubique eum prima singularis persona ull ih praemu* 
nitioiüe sive oceupatione, qua quae adversarium oppositurum esse au- 
divit diluere et elevare studet, et aaeovio quidem est in nostrae oräti 
S 16, on 10 S dO, or. 13.S 55. 11. 85, or. 31 $ 27^ nw^ivo^i^ in or. 6 
i 37, or. 13 S 889 or. 30 S 17. Cf. Anaximenfs ars rhet. e. 18 p^ 44 
edk Sp. ra di VTto vmv avTaymvtOTÄv ifdöo^a Xkyt^Qm jtaXivm^iä 
n(fO»€naXa(ißdvHv imodel^m' Haong'iovv odvQßüai mvxov niplavj i^g 
ovN iym aXÜ 6 tovtov tgittog visaitiog forcr«* ncd naliv niivd'i-^ 
vQ^ai amov to Hai vo (liHetv kiyetv. Ex quo effieitur oratorem ndn 
scripsisse «xovofMi/, sed a%oim (itivf qua etnendatione lucramur 
iliam ipsam particulam (ih^ quam si quis non suo ioco posilam esse 
arbitretur, cum ilia sedem sibi suam post vtcsq rmv vel post infiniti« 
vum unoXoytiasiS&ut requirere videatur, conferat is nosträ in observatti 
in oratores Atticos p. 22 et in Vindiciis Lys. p. 30 et quae süppedit^'^ 
Vit Maetznerus ad Lycur^um p. 270. ^) Est autem ea noslrl loci nalura^ 
ut in altero membro quod sequi debebat aTboiä) ie ki^tv pro Veloci- 
tate co^itandi Graecorum propria oontraolius et brevius diöatur k^ein 
iL Sunt igitur inooncinnae huius mddi transpositiones , si sola verba 
speetantur, sin sententia, non sunt. 

In eiusdem orationis S 6 extr. restitui iam iii pridre editione diiia- 
0V^^M>v di na^ tovg voftovg advvatov nkfjQm&tjvai, elfTtkfiQiö&^at qui- 
dem ex iibris cum Sauppio Baiteroque pro %XriQ<ä^vWj quod Marklando 
obsecutus suscepit Bekkerus. V« Dem. or. 21 in Mid. $ 209 iiHaatiJQtov 
TsatkfiQtBfiivovj or. 24 in Timocr. § 92 diicatftfJQUC Jtkijgovte^ or. 25 in 
Aristo^. A S 20 tor diTiaiSrriqia nktiqovc&aiy ubi ab ReiskiO item 9tXfi- 
Qova^cti praeferente recte dissensit Schaeferus, Isaei or. 6 de Philoct. 
her. S 37 xa dMaCnqqia iitXriQtii&ri y ubi Bekkerus inXrjQti&rij sed 
v^ Sehoemannus, qui eum quoque de quo quaeritur Lysiae locüm itt 
censum vocans Marklandi coniecturam refellit« üivvarov autem auc- 
tore Tayloro dedi pro dvvcnov, quod sententiae conlrarium legilur in 



3) In hoc genere dici vix potest quam saepe erratnm sit, reluii in Isael 
or. 1 J 34 vnigo scribitur tag pL^v 9ia9"i^%ag pro eo quod ex optimis Ubris 
recipjendnm erat xceg diad'ipucg ft^iv, et in or. 2 § 26 xal ov% ctliS%vvBzat 
«v«^ yikvxov voykov %qv ««9I T^g noirietmg noitov nvffiav, x^ 9\ xbv 
«^09 tayxov (lytcoi; anvifov not-^aat neglexerunt omnesr quod est in Ilbrir 
AB alaxvvsxcu. i^hv avx^ xov voftov. 



302 C. Seheibe: leeüones Lysiacae. 

X : oi dwatov correxit Ubrarias Laarentianus, cuius inventmn proba- 
verunt cum Bekkero Turicenses critici. ^) 

Tarn S 10 nuper reposui fl fiii/ ßovlivomv i^vl i8(nU(iuiinQ ex 
auctoritate cod. X, in quo pone lUv deest particula Stf^ quam addide- 
rant edilores post Reiskium omnes fallaci codicis C testimonio in frau- 
dem inducti. Particula enim , ubi a sententia communi ad rem propo- 
gitam transgreditur orator, etsi usurpatqr alibi, non tarnen desideratur. 
Male eadem in alia causa nescio quo consilio casuve intrusa est in 
or* 12 S 35 Tovrovg ih öii -^ av% aqtt %^ aitovg — xohiiea^at; ubi 
di{ nunc delevi propler omnium Ubrorum consensum. Saepius etiam in- 
vtto libro Pal. övv invexerunt vel librarii vel interpretes paxime post 
fi^, veluti or. 2 S 64 %a^* fxotffov /»^ ovv ov f^itov, or. 9 § 2 ov& 
Itkv ovv oim ifnov 9Unaq>ifoyi^€tvtsgf or, 15 S 62 sl (liv ovv ov noXlol 
iaavj ubi ovv a sentenlia k>CL abhorret, or. 14 S 3 ;w^l (iiv ovv rmv 
ulXtov^A^e^QaxUfig [xavmg nunvifyoqvflB, or. 17 S 10 ort ^v ovv^ m 
Svö^ig dtxainttl^ ov netQu xo iinatov a|uS fkoi ijniwüraa^at to SueSt^ 
maa^Mt. Omnibus bis locis nunc libro nostro duce wv resecui. Duum- 
viri autem Turicenses quod in Lysiae oralionibus neglexerunt, non 
idem commiserunt in Isocrateis : cautiore enim iudicio omnibus eis 
locis, quos enumerat Benselerus ad Isoer. Euagorae S 80 p. 100, se- 
cundum cod. Urbinatem ovi/ ex ordine verborum eiecerunt. Nimiruoi 
in transeundi formula non magis opus est particula conclusiva quam 
in concludendis per pronomina vel adverbia demonstrativa argumentis. 
V. quae Carolus Sintenis vir amicissimus bene observavit ad Plut Per. 
p. 181 sq. » , f 

Eittsdem orät. $ 13 cum Pal. habeat a^ ovv clteif^s avtovg %«>U- 
9t£g 6ta%6id^i xal v(Mcg avtmv ahlovg fiyt^aaü^Mj suspicatus est 
Paulus Ricardus Muellerus Philol. IX p. 556 scripsisse Lysiam aQ ov» 
Sv cXsiS&i — dioKBUfd'M xal — riyffiaa^w^ quam suspitionem pro- 
babilem mihi videri in calce detiium editibnis meae indicavi. Quae 
autem excipiunt verba otav yhmvtai iv ixdvotg xoig lu^ovotg , iv olg 



4) Alibi quoque littera A hausta est inseqaenti A, inprimis in voca- 
bulo ilubuiog, velmi or. 9 S 16, ubi e Marklandi coniectura scripsi ndvxa 
ve^l ilmovog noiovvttu tov adi%ov pro xöv 9i%aCov hoc sensu : 'omnia 
posthabent ioiuriae, 1. e. niliil antiquius haben! quam ut iniuriam exerceant.' 
SchottuB xo dCattioVy Emperius xä dUaia, denique xov Si%(UOvv cum Bo- 
braeo editores Turic. coli. Hesychio v. dmaimaaij Suida T. dtxaiotifteyos, 
Wesselingio ad Herod. V 02. Tale Vitium commissnm est etiam or. 12 
^ 57 TwUxQi xovxo n&ct drjlov ijy, Sxi bC (iiv hiBivoi 9iiuU»g itpevyovy 
v(i>Btg adCutog, bI 9* vfiBig adCutog^ ot XQidnovxa 9i%aCmgj quae commu- 
nis omnium Ubrorum scriptura, ut putida xavxoXoyCa evitaretur efficeretnr- 
que argumentum quod hie requiritur ex contrario, a Sluitero in Lectt. An- 
doc. p. 251 (p. 163 ed. Schiller.) reflcta^ est hoc modo : bI [liv hstvot 
ä9{%(ag i^Bvyov^ vfiBig duMtCtog^ ai 9* v(tBiig ddC%(og, ol x^iwMvzu di- 
ncUmg: quodsi priorem scripturam servare volueris, per me licet emendea 
si [thv hiBivoi SiTUcCmg itpsvyov^ vfiaig ädUmg, sl a vfjksig Sinaiagy ot 
tQid%ovxa ddCiMSig emendationemque hano meam iam in ed. priore proiatam 
secutus est Westerman^us. Utramcumque probaveris rationem, sententia ea> 
dem manebit. 



C. Sc&eibet lecUones Lysiacae. 80S 

wtävitolXol dg vo deffiMomi^iov in^otfvo futl &*ifitoi ifco twsmv 
amilkuwo %al ^yuv rffv iSg>etiQav ttitmv fivayitaiavto; idoneo 
oarent intellectu. Haec si eo qui solus ezcogitari potest modo inter- 
pretamur: ^quancLo in ilia tempora ^elabuhtur', sumimus aliquid et 
extorqttemus quod minime verbis illis continetur. lila enim sententia 
ut efficiatur scribendum est, ut nunc quidem opinor, aut orav av 
yivavxai iv ixetvotg xotg %qovoig y aut xal viiäg tmv avrcSIv al- 
tiovg '^yi^aü^ai ofSa yiyivfita$ iv ixslvotg xoig x^ovoig: ^cives 
yos putabunt earundem calamitatum auctores, quae acciderunt illis 
temporibus, quibus' et q. s. Marklandus quidem coniecit nivtwir al- 
%lovg iiyfi&sa^ai oiSa iyivovto^ Kayserus näwcnv akCovg ijyi^sc&w 
wSa yvyivTfiah^ in quibus coniecturis comparationis cum tempo- 
rum illorum indignitate institütae desideratur sig^nifieatio. Quae causa 
fuit cur in ed. mea mallem vfiäg ceitmv althvg i^y. otctv t€tvta ytinav- 
tat (vel yhfffcaC) inilvotg rotg XQOvoig. 

Paulo post xoxavo TCi^ev^fi/rfiäaiv vulgaris est scriptura pro 
»aKitvoi yti^Bv&vfiTfi'maiVy quod cum habeat Pal. nunc recepi: redit 
enim orator a multis civium, qui crudelitatem XXXvirorum ezperti 
erant (non ab orphanis, quemadmodum in annotattone ad h. 1. scripsi) 
ad omnes cives (S 12 tb aXXo TtX'^og tmv noXitmv)^ ad quos refe- 
runtur singulae enuntialiones condicionales orov tSc^mvtat — nal 
ytifog xovvoig tdmatv. Neque minore iure mihi videor in eis quae in- 
stant verbis oti b avtbg oixog avfuf Sqaavßovlog cSxiog ytyivrjitai 
AB<iiiia^utvxa (habet Aaodcifucvxa X Kaysero teste, ut $ 14) xa ano- 
öoütiiaöd'iivat xal xovxov doxifucö^vai Kayserum auctorem secutus 
nomen SQaCvßovXog seclusisse , quippe ab interprete male sedulo ad 
avtbg ovtog aviiQ appictum. 

Eadem S secuntur haec: vnlQ tovtov dh anoXoytiiSaa^at 9ra-31 
^(SKevaaa(isvo$y og m<og nqhg ri}v TtbXiv diaxetö^a^ xttl noiSwv 
attiog aity %a%mv ysyivfpiai — ij net^o^voi nmg av oü<s^b dta-* 
ßXrfit^ck. Ita codd. praeter Laur. C, in quo öUxbvco exstat, quod 
quamvis infinitivo dissimilius tarnen recepit Bekkerus ac ne Turi- 
censes quidem critici aspernati sunt. At non solum litterarum simi- 
litttdo *>, sed etiam sententiae quamvis lacuna interruptae conforma- 
tio me movit ut probarem Scaligeri emendalionem diaxtitau 
Orator enim Thrasybulo CoUytensi (non Stiriensi : v. Sieversii hist. 
Gr. a fine belli Pel. p. 106. Hoelscherus de Lysia p. 108 sq.) , qui 
effecerat ut Leodamas archon creatus in examine instituto reproba- 
retur, Euand^r autem examen probaret senatui ^), fidem derogaturus 



^ ö) Syllabne o^ai ti xai permixtae sunt etiam in or. 32 J 21 slg dh to 
pkv^fiM rov naxQOs^ovn avalaüccg nivts «al etttoci (i^väg i% nevtatuax^- 
X^av d^axiMOVy ro iihv ^fiurv avtoSv xC^ci tovxoig XeXoyia&aii 
quae cum iam ab Reiskio, Dobraeo, Emperio eertatim sie emendata essent 
to (ikv fifiiüv ttit^ t^&fi^i, ro $h tovtoig XeXoyictaif naperrime eaadem 
denno in medinm protulit coniecturam Cobetns in orat. de arte interpr. 
p. 163. 6) Euander archon eponymus sorte creatua est, non rex sacro- 
mm: ?. Schbemannus de com. Athen, p. 325. ^eierus Proc. Ati. p. 207 



S04 C. Seheibe t lecüoiies Lyslacae. 

Slnon dicit .quam' mala et iniqua voluntäte superiöre fempöife fuerit in 
rem pubUcam affectos nee dicere potent — Ulsan enim nequitiam 
igte nondum exuit — , sed quam infesto in rem publicam anlmo ait 
etiam nmic. Sceiera SS 23 ä 24 iiuic homini ejq^robrata superiöre 
quidem tempore conunissa sunt, voluntas eadein niansit. Cum igitur 
certissimum est Lysiam scripsisse dtaxsixaiy tum admodum ambi* 
guum, quo pacto sit resarcienda lacuna, qua pöst ysyivfßw perpe- 
tuiiatem orattonis interpeliari primus vidit Taylorus , sentenlia vero 
iiaud obscura : ^qui qua sit in rem publicam voluntäte et quot quam^- 
que atrocium malorum auctor exstiteril, omnibus notum est civibus : 
quare nolite ei fidem habere : alioquin ^) , siquidem fidem habebitis, 
quantam infamiam subituros esse vos existimatis?^ 

83 Obiler moneo in verbis S 14 toxB (ikv yuQ vinitg ^ovxo Offfia^iv- 
tag Aeoida(uinna aycodotufuctUu* iav dl avtov datufiiafitey sv ä- 
<Sowat ort av iinaiu yvcifiy ns^l avtov %ixQfio^i, cum avtov ne- 
cessario ad Euandrum referatur, avtov autem ad Leodamanltim re- 
deat, illud avtov vitiosum mihi esse videri scribendumque tovt^v^ 
praesertim cum pronomen oppositum sit ei quod proxime praecesstt 
nomini ABmU^tavta. Deinde S Id cum in cod. archetypo ceteris- 
que praeter C depravate scriptum esset mal to akoyov doKst elvai 
naffa tustVy hoc Turicenses non debebant cum cod* C et Bekkero 
mutare in »al to aXovov öoxovv slvat, sed potius Slephani erat 
ienior emendalio xal 6 akoyov doxH slvat amplexanda : id quod 
feci in editione mea« 
lam referamus nos ad 

oraiionem sextam^ 

quae corruptissima est. Duos tarnen locos in editione altera e Tay- 
lori Lobeckiiqüe el Cobeti coniecturis ita refinxi , ut quin reote emen- 
dati sint vix quisquam dubitare posse videatur. Unus est S 4 aXlo 
ti ^ imiq iifmv xal ^v(Sid<fB4> tUcI sixag sC^stai xata tu natQia 
xrl., ubi'Cobelus in comm. philol. I p. 25 e codtcum X et GK scrip- 
tura ^(Sia6ov6i verissimam emendationem eruit ^völag ^vatt 
(0YCIAGOYCI — 0YCIAC0YCEI) , qua quidem et forma non Attica 
exterminätur et membrorum aequabilitaÜ consulitar ab auctore huius 
orationis studiose observatae. ®) 



sq. Hoelscheras de Lysia p. 108. 7) Satis freqaentata est haee voculae 
{ VIS ac potestas. Cf. si tanti est Lys.-or. 3 S ^2, er. 25 § 14, Andoc. 
or. 1 S 23, Aesch. Tim. S 139, Cteftiph. % 44. De verbis Lys. or. 25 § 1, 
quae ex eädem tiotione aliquando expedienda esse putavi, infra slDgulatim 
explicabitur. 8)^ Quare in S 32 iv^iiov(iivov£ Btt ijfiiavg 6 ^^g ßuB- 
vtti %i^ü%T<av aXvnmg hzlv ij diTtldaiog Xvnoviiivq}, mansQ ovtog nunc 
Stephano auctore edidi äXvnqiy quod ad amnssim respondeat verbo Xv- 
novpbivip^ pro eo quod in libris est äXvn(og, Deinde S 39 ov ydff ivB*a 
Mg avdgog aXX' Bvs%a ruimv tmv ii äatsog^xal i% IlBi^auDg at aw- 
Jd^nai iyivovTO xal ot o^icot, J»£^ tot ÖBivbv av B^r^, s/ »£9! 'Avdonldov 
anodrjikovvtog avtol iv^BBig ovzsg ixsfteAij'O'ijftsy, OTtag i^aXBitp^Bi^ 



G. Scheibe : lectiones Lysiaeae; 905 

•''! Aller locus, cuius salas in libris edttis adhuc negleola iacebat^ le- 

^ gilur S 14 xalxot %al h ^AQaltp Ttuytp *-^ i^iioXofmv iilv adinuv ano^ 

ji i^vtflviu^ iav di tt(iqftaßrft^^ iXiyxttai^ nal noXkol ovö^ Sdo^ctv 

'- adiTcetv. Sic enim scribebatur secundum cod. Laur. € a Bekkero 

^ oinnibusque deinceps editoribus. At primum offendiculo est aorislus 

^ idol^av post tempora praesenlia ajto^vi^OKei^ iUyjjsiai. t)einde voce 

i* nokkol argumentationis vis et acumen infringitur, Opponitur enim ig 

^ qui factum confitetur ei qui negat. lUe capitis damnatur, de hoc dis* 

^ ceptatur vacetne culpa an non: si innocens inventus fuerit, absolvitur* 

B' Quorsum igitur multi? Nonne potius quisque, de cuius innocentia 

ii constabat, ab Areopago absolvebatur? Num Areopagus, cuius ab ora« 

tore exempli causa menlio inicitur, arbitrio suo multos absolvisse, alios 
f- non absolvisse dici potuit? Adde quod h. 1. eins modi absolvendi 

^ notio requiritur, quae definitius insigniusque opponatur verbo OTto^ 

^ Oi^tfxet quam formula ovd' Söo^av aöi%eiv, qua proprio iudicum de* 

Signatur sententia de innocentia rei facta. Exploso igitur isto libri 
, Laur. commento videamus quid auxilü afferat codex archetypus^ Ha* 

I bet is una cum G %al TtokXw ovöh öo^ccv adtnstv , in qua scriptura 

illam ipsam quae postulalur sententiam latere acutissime vidit et Tay* 



avt<S TOT cciMCQTijyMta noa solum propter Oppositionen! , sed etiam propter 
sententiae rationem e Marklandi et Kayseri couiectura scripsi ccvxol ivSr^- 
fkovvtsg, coli. § 44 rjyov^isvoi dnoS'qfiovvtsg filv d^^oi xttl inhbfioi 
do^siv etvaif iniSrifiovvtsg dh — novrjQol do^stv %al ptaeßsCg slvat» 
Tum § 49 %ul ixustufisvog iv noXXm aäXoj wd mvdvvtp tiiv noXiv ysvo- 
(iivrjv (sie praeter G etlam X Kaysero teste, non ytvoahfiv^ quod op«i^ae 
Lijjsienses ouamvis a me moniti tarnen non correxerunt) vav%XriQmv ov% 
tcoX(ii]aEv inccQ&slg aCtov sladyatv (X, sed slaccyaycov cum C editi) 
(oq)sX'^aaL vi^v TCocrgCda, äXXä fiitoi-Koi filv md ^ivoi ^vbticc trh yi,Btoi- 
%{ccg dfphXovv xiiv nöXtv sladyovtsg (X Blcocyayovteg)' üv oh x£ %al 
dycc&ov Ttoiijoccg (f. htoiriaag), m 'Av9o%Cd7i^ nota äfiecQfqfiattic ävanU' 
XBadfisvog, noia xqotpBia dvtanodovg — . Pro inaq^Big quod nuper pro- 
posuit Westermannus OLTCO^ovai cum per se habeat quod reprehendatur (re- 
quiritur enim xoig aTCOQOvai vel avroCg anoQOvai) , tum ferri non posse 
luculenter ostendunt quae sunt contra posita ^vB%a f^g fiBzoiTi^ccg, Itaqne 
aut ni^dBi ad incc^^B^g cum Reiskio addendum, aut ^l n^äaBi pr<r de- 
pravato Ina^Q'BCg seribendum mihi videtur. Sed quod § 31 idem concinni* 
tatis Studium in hac oratione conspicuum nimis premens vir eruditissimus 
apud Taylorum auctorem scripsisse opinatus est & xovxoi 6 ^Bog ov% inl 
coiXTiQia in IV ei V dCStaaiv^ aXXd xifi(OQOVfi,Bvog xmv yByBVTjfisvtov düB- 
ßtjiidxmv pro imvostv, nihil erat cur a codicum auctoritate reoederemus. 
Saue enim pronomen a quominus ad impietalem (düBßijfucxa) Andocidis 
referamus prohibent ea qnae continuo secuntur quaeque opposita sunt dXXa 
xifMOQOV(iEvog xmv yByBv, dcBßrjiidxmv. Spectat potius ad ea facinora, 
quae impietatem Andocidis insecota sunt, ad vitam vagam profugamque, ad 
reditum Athenas, alia. Haec enim consilia Ändocides a deo occaecatus et 
in ^BoßXdßBUcv et errorem diviuilus ex commnni veterum opinione (v, in- 
terpretes ad Dem. Phil. IJI § 54 p. 124, 26, inprimis lacobsius p. 304 sq. 
et ad Aesch. Ctes. $ 133, Maetzoerus ad Lycurgum p. 235, Naegelsbachius 
iheol. Hom. p. 66 sq. et p. 273) praeceps actus sibi quasi meditando ex- 
oogitaviSse perhibetur : inivoBiv igitur recte se habet , ut opposita sint inl 
amxTi^itf et xi\Mo^ovykBvog xmv yByBvrjfiivtov dceßrj(Mixav, 



306 C« Scheibe: lectiones Lysiacae. 

lorus (ut sero animadverti) in annotationibus posierioribu« ad Lys. ed. 
Reisk. vol. IV p, 64 et post illum Lobeckius Aglaoph. p. 1094. Scri- 
bendum enim perspexerunt %al inoXvetai, ovdiv io^ag adt>x€tv: 
et sie nuperrime dedi. 

lam de aliis quibusdam eiusdem orationis iocis disserere placeU 
S 4 ifiife yaiff av wvl ^AvdtnUöi^ i^^g OTtakXctyy rificiv ix tovÖB 
zav iyävog* Ita vuig^o edilur , quamquam in X ceterisque libris eai 
^(iMg {viiag in solo 6)^ quod ex iifimv natum esse persuadere mihi non 
possum. Praeterea alterutrum satis erat posuisse aut ^{möv aut ix 
vovde xov aymvogy ut praetermittam tum vfimv rectius scripturum fuisse 
oratorem: iudicum enim est absolvere reum, non actoris. Denique 
illud quod in proxima enuntiatione dictum est vneQ ^cSi/^ in hac op- 
positum habeat aliquid necesse est, id autem in ^fuov non inesse palet. 
Qua ratione ductus correxi dt^* ^fiäg^ ^nostra causa s. culpa' (i. e. et 
iudicum et nostra actorum) , de quo usu praeposilionis öui cum accu- ; 

sativo iunctae uberius exposui in Vindd. Lys. p. 60. Senlentia haec I 

est: *a^e vero, si Andocides absolutus discesserit ex hoc iudicio nostra | 

cidpa, — pro nobis isle sacra faciet, vota.persolvet* et q. s. — § 20 
ihtt^a ^hp ovv avtov xal Stocuv öUtiv^ ^avfuiöiov dh ovdev &v fio» 1 

yivoiTO. ovdh yicq (ita eg^o cum Reiskio scripsi pro ovxt yctg) o d-Bog I 

naQaxQvjfiu KoXa^si^ ik)! avtti fiiv itstiv av^qoMlvri öIkti, nolXa%6- 
&ev Si i%(0 rexfiaiQOiisvog elxatetv, oqmv xorl hiqovg rjaeßtiKOtag %^6vm 
dedoDXOtag dUriv xal rovg i^ iKslvayif öicc ta tmv nQOyovav aua^rij- 
(uxxa, iv de xovx^ xa XQOva öirj noXXa xal »ivövvovg o ^sog im- 
nifiutet xotg aimovatv^ &(fxe Tcoklovg ijÖi] im&vfiijaat xslsvxiqöavxag 
twv %a%mv aitfilXdx^oci^ o de &e6g xikog xovxaw (xiXog rovrc9 libri) 
Ivfiriva^vog x^ ßitp ^dvaxov i7tid"rixe. Haec si vera esset scriptura, j 

deus tandem aliquando miserlis angoribusque impiorum hominum morte 
immissa finem imponere diceretur. Qua re gratum faceret sceleratis 
hominibus, qui ipsi morte malis suis se liberari cupiunt, äcxs nolXov^ 
i^öti iTtt^fi^ai — antiXXdxd'at^ efficeretque ut poenam ipsam subter- 
fugerent: id quod adversa fronte repugnat ei quae supra prolata est 
sententiae, sceleratos quamvis lento et sero, aliquando tarnen dare 
poenas. Terrores enim. et discrimina divinitus immissa pro suppHciis 
ipsis habenda non esse cum per se intellegitur, tum id argumento est, 
quod illa mala interea (^v xovxcji rw xqovip) h. e. per illud tempus, 
quo sacrilegiorum nondum poenas subierunt rei, a deo plerumque im- 
mitti dicuntur. lam vero orator cum Andocidem aliquando a deo puni- 
tum iri ex muUis aliis documenlis coliigat, h. 1. dicere nuUo modo 
potest aiios nefarios homines antequam supplicio afficerentur moiestiis 
et terroribus diu muUumque temptatos, morte, quam subire ipsi maxinio 
desiderio cupivissent^ a deo poenae tandem subtractos esse: immo 
vero asservati ad meritam poenam dici debebant. Consequens est con- 
trarium scriptum fuisse antiquitus ätque quod nunc in libris circumfertur. 
Et ad sententiam quidem apte Reiskius voluit 6 Öi ^ebg ovdh xiXog: 
sed magis in promptu est corrigere ovde 6 &eog xiXog xovxmv Xv^ati- 



C. Scheibe : lecliones Lysiacae. 307 

vu^uvoq xm ßtm ^avterov kci^hnKB.^) — $29 TMttmtXsiiUig 61 ixtt^Bv 
ösvQO Big drffio»Q€cxi€tv elg t^v avtov^^^ noXiv *rL Haee 
inlerpretatur Reiskius slg r^v iavrov TtoXtv vvv rjöri öfHkOHqocvovfUvqv» 
AI ne absurdior quidem scripior quam qaalem se praestat auclor huius 
oralionis composuisset KcnaTtXetv elg öfunoxQciTlav^ cuius dietionis sta- 
biliendae causa comparari non possunt quae supra leguntur $ 19 tvu 
äq>i%6(ievog elg xit afia^'^fiaxa istl x^ ^/4^ nqogMei dtpri (in Lysiae 
oratione öolri necessarium fuisset) öUtpf. Nam haec in obscuritate rei 
num ipsa quoque vitiö careant, et, si carent, quem habeant intellec- 
tum '^) dubium est. Sed esto: dixeril nominis Lysiaci aemulator xora- 
7tXev<Sccg elg irKioKQarlav, ne iste omni um iheptissimus fuisset, si elg 
8rj(ioxQ€ixlav elg xr^» avxov mXiv consarcinare animum induxisset: 
illud enim elg dri(ioxqctxlav condicionem rei publicae indicat , hoc elg 
xf^v avxov mXiv ipsam rem publicam sive locum. Quare Taylorus 
correxil elg drj(iOKQtxxovfiivriv xiiv iavxov noXiv^ Kayserus ovOrig iri- 
fioxQoxlag elg xi^v ßavxov TtoXiv coli, or, 7 $ 27 idque recte ad seilten- 
tiam. Proclivior tamen emendaüo est, quam ego adhibui iitl dfnno-- 
XQccxlag elg xi^v avxov tcoXiv. Praepositiones enim' htl et elg Inter- 
dum permutatas esse nemo est quin sciat : v. annot. in apparatu crit. 
ad Demoslh. p. 1099, 22 et p. 1100, 14. Atque eadem ralione de priore* 
Andocidis reditu locutüs est personatus Lysias S 27 xaxiitXevoev elg 
xriv iavxov mXtv inl xmv xexQaxoalmv. IIa enim hunc locum e 
Taylori coniectura correxi, cum iit et habeatX, ceteri vel IttcI vel 
ineiSri ; tum post eadem verba lacunam esse statui sie fere complendam 
ircl xmv xexQaxofSlcüv. xotsavxviv öh avxm xmv äceßri(iaxf»v (vel 
aSixrifiaxaiv) ^eog Xtid^v Idcaxev, äöxe %xL Critici aulem Turicenses 
scripserunt naxbtXevcev elg xr^v iavxov jcoXiv^ inel xmvxexQanoclatv^eog 
Xiqd'viv iöomiev. AI ut alia omlttam, nihil aliud designare potest Xiq^v di- 
öovai xtvogy nisi oblivionem alicuius rei hominisve inicere i. e. efQcere 
ul aliquis obliviscatur alicuius rei vel hominis. Quäle fere illud est Iso- 
cratis or. 5 S 37 crf yag iv xotg TtaqoviSt xatqoig eve(fyeölai Xfj^tjv i(i- 
fcoiovisi xmv TCQoxeqov vfiiv elg aXXi^Xovg TrcTtXi^fiftfAi^fili/ov. — $ 42 
f^atog ovv 9tal Kr^picLov avxixaxriyoQriaeiy x«l ^ei o xi Xiyeiv ^*) xa yccQ 



9) Hanc tamen emendationem in ordine verboram non magis expressi 
quam quod § 6 saspicatus sum scripsisse auciorem orationis ßaatliag.noXlovg 
7ie%oXd'Kev7isVy Sxm ovv ^vyyeydvi^xai, nXrjv xov 21vQa%ovcCov (si Lj- 
siae orationem esse putassem, correxissem Zvqa^oüiov) jdiowelov pro 9» av 
^vyydvrjraiy in qua scriptura primus, quod quidem sciam» offendit Rauchen- 
steinius, qui yoluit offotg ivyyeyevrjxai» 10) Ita pro vulg. xijv iavtov 
emendavi in ed. altera, quod in X Kayserus invenit xriv avxov. 11) V. 
quae ad fa. 1. in ed. alt. annotavi« Illic oommemorare poteram conieciurauk 
Marklandi i«l xifi'^g nQoq>dasL coli. Andoc. or. 2 $ 13 naxinlevüa (ihv yäff 
mg iytatvs^ijaSfiksvog vnb xmv iv&dds ngo&vfUag xe Svsna %al hufke^ 
XeCag xAv vfiexi^iav xQoyfmtmv, 12) Sic edidi cum Baitero Saupploqne 
ex emendatione God. Hermann! de part. av p. 130 pro Xiysiy quod libri 
obtinent, et Xeyijj quod scripsit Bekkerus. Ad eandem ego normam e Pal. 
nuper reatitui in or. 81 $ 9 ovd' iaxiv onov iavxov vfUv xä^ai naqa* 
üxetv pro Yulgato naqea%B, 





Ol««» *. «*•»••»»• 



1 



U j- 



C. Scheibe: lecUones Lysiacae. 309 

OPMitoms sepHmae 
$ 18 fl tolvw xal ravta vBd^stSnmwoififiVj tcag av olog x ^ navtuq 
lufksai [tovg naQiowag, ^] '^) zaig y^rwag^ oS ov ^vov iXXfiXav 
Totfr taaCiv a naüiv o^av ^tattv^ iÜM nuAnBQi &v «9to%Qvxt6i$i^a 
^rfiha ildipai, xal neijl inalvmv yntv&dvovtm; Cum Graecom noa sil 
asvoKfv^rtofi^d« iifiiiva üShwi^ 6. A.Hir8chigia8 conieeit seripsisse Ly- 
siam cnrox^vyvroixe^a wA oU^u iirfi. sli.y quae coniectura a Rauchen- 
steinio probata ut a ^entt^tiae ratione admodum commendaliur, ita minus 
commendatur a facilitate emendationis. Accedit quod perquam dura 
molestaqne prodit sermonis structura. Nam si verba ns^l wv iatwifjvn" 
i0(i^a posita esse slatuimus pro ntffl iMslvmv S iataatqfmtti^a^ illud 
quod post exi^am intercapedinem sequitur xai m^l inelvnv otiose ac 
prope importune infertur. Ut praetermittam illo Hirschigii remedio 
diifu9iorem evadere Lysiae orationem. Mihi quidem dubium non est 
quin Lysiae manum repraesentaverim, cum ex uno verbö depravato 
effecerim duo, ita scribens TtB^l mv uTCOXQvntofievoi olofAi&a 
IM^ihw sldivat. Librarius enim sive visu oculorum ab uno verbo ad 
alterüm aberrans seu eompendiorum parum ouriosus aut gnarus ambo 
oon^lutinavH. IJLac emendatione vid^s duriliem iliam structurae et im- 
portunitatem supra a nobis notatam commodissime removeri : neql äv 
enim cum verbis (ifidiva BlShui coniungendum est. 

Breviter et carptim moneo in aliis ^eiusdem orationis lo^is simili- 
bas.litterarum ductibus Vocabula quaedam per seatentiam neoessaria 
absdrpta esse, ve}uti S 2 wvt (i^ aipiov [q>aai>v] a^^v/^cfv, ol6fUvo§ 
Ifiol -^ tt9SsX^|or«, ubi in ed. alt. prfieterquam quod edidi olofisvoi pro 
^yoviuvoiy quod supra illud verbum a secunda manu exaratum habet 
Xy atque aneHy^cd, e coniectura Rauohensteinii et Westermanni (Comm. 
erit. IV p. 4) pro intodet^M frustra olim a me in Vindd. Lys. p. 9 sq. 
defense, etiam ante atpavlt^Biv secundum Marldandi suspitionem inse- 
rui q>a0iv^^)^ quod ante ffifxov coUocari voiebat Kaysems. — Deinde 
$ 14 ä XI vovtav Ingawovy [av] nfoXlag Sv xal (/tsvilag i(uiw^ ifi- 
fUag yevoiUvag ijcoqyqfifuifu interponendum conieci £v in Vindd. Lys, 
p. 90. Quae coniectura ita forsitan perficiatur, ut etiam crvro; adiciatur 
pon,e ^toXlag Sv (*ilie non faciie possit demonsttare me eorum perieu* 
lorum fuisse ignarum, quae a vobis mihi imminerent, si tale facinus 
ausus essem, ex quo ipse demonstrare possem multa et magna in 
me redundatura detrimenta ')• Alii aliter lacunam resarciendam arbi- 
trati suQt; iym dl tovvmnhv nolXag ifv Hamakerus , iym ie noKXug 
&v Kayserus , noXkiig d' av Emperius , noXXicg yaq av Baiterus Saup^ 
piusque. -^ Non minus S 95 S^nef^ [nt/aVx^v xav^lda] xal t^v aXkriv 
ov^iitv nunc ml tiiv nonqtda de coniectura Kayseri , qui tarnen %al 



H) Haec in ed. alt. Dobnieo et Kaysero auotoribas seclnsa: v. Hama- 
keri qnaestt. de Lysia p. 14, qai tarnen %ovg nB^iovnQvvxag yBdtovag scri^ 
bendum proposuit coli, f 2^. 15) Similem simiii modo eomplevi aermo- 
nla hiatnm in or. 6 § 31, ubi cum iibri teneant x6 xov §£oVj in obaervatt. 
in oratorea Att. p. 50 addendnm ceoaui ^ifivv^ quod exoidit ob similitudinem 
proximi voeabult piov. 



t 
310 C. Scheibe: lecttones Lysiacae. 

omisit, addidi cum Westermanno coli. or. 3 S 32. 38. — Tum $ 30 

pro ittql mv €tvtol civuttB suspicatus sum scribendum esse itB(A mv 

mnol ovdlv tsvvu^i ifuivt^ post Kayserum , qui 9tSQl mv «vtol ov- 

dhv ifiol ^vvufts coli. S 22 et or. 13 S 18- -— Mos $ 35 reposui nunc 

doxat iuvQv tlvai e codice Yeneto, cuius librarium, cum describe- 

bat codicem Palatinum, non fugiebat quid involutum lateret in manca 

seu' potius contracta exempli sui scriptura doKUv efm» , uM fere 

per eundem errorem, quem supra in oTUniifumofb^^t igperuisse et 

sustulisse nobis videmur, duo vocabula in unum coaluerunt. Nam 

quae de eodem loco olim commentatus seu potius commentus sum 

Vindd. Lys. p. 29 sq., ut vulg^atam lectionem i(iol dh tonet elva$ 

3 tuerer , ea nunc ipse improbo* — Denique in $ 39 iym (lip vfiäg 

^ovfuit oti Nt9i6(ia%og im x&v i%^qmv nsiO^dg z&v l^^v rovrov 

xov iymva ayandt^my quemadmodum exstat in X, infinitivum de- 

esse manifestum est: sed quem cod. Laur. C post rjyovfikai additum 

habet vonJ^uv^ eum neque sententiae neque syntaxis rationi con- 

venire praeclare vidit H. 6. Hamakerus in quaestt. de nonnullis 

Lysiae orat. p. 22 (cf, quae annotavi Vindd, Lys. praef. p. XIV) ^cri- 

bendumque coniecit iyii [liv iyva7tivcc$ ifuig r/yoüfiuii Sr» xrl., 

quod in editione mea reponendum curavi. Kayserus tamen in nun- 

tiis doct. Monac. imoutx&iuvy in annalibus litt. Heidelb. (1854. 15 

p. 234) jfi^aQai post i/CD. {liv subici voluit. 

At sententiam de $ 37 neql ifMV iaIv ya(f d iXsyovy ovi* Sv 
iatoloyrflctMul fioi l^eyivevo' rovty i* el fMi mfioXdyovv S ovxog 
ißovlnoy ovÖBf/^i^ in¥*^ Svo%og ^v a me propositam nunc retracto. 
Ostendit reus, qui servos suos torquendos öbtulerat Nicomacho ac- 
tori, dispar fuisse sibi et adversario in quaestione per tormenta pe- 
riculum. De se enim si quid edixissent, quod culpam suam argue- 
ret, ne se defendere quidem sibi licere. Haec vero sententia non 
inest in simplici verbo iXsyov. Etenim cum Uye^v neqi uvog nihil 
aliud valeat quam dicere de aliquo, perspicuum est mente addi non 
posse xaxov vel dvö%S()ig^ quod nescio quo iure addendum esse 
sumpserunt Reiskiiis et Rauchensteinius. V. Kayserus ann. Heidelb. 
1854. 15 p. 233, qui tale quid excidisse suspicatur, quäle (Isyov 
Tuxl Ttagcc xipf ältj&suiv r«, quod si certiore fundamento quam sola 
sententiae opportunitate niteretur, probare non dubitarem. lam vero 
quia mera opinatio est quamvis ingeniosa, in librorum fide nihil ful- 
ori habeas, equidem pro Skeyov reponere conatus sum i^leyxov hoc 
sensu: *de me enim^si servi in quaestione arguissent sive convicis- 
senty i. e. me si torti in culpa esse edixissent.' Sed cum neque is 
quem contuli locus Lycurgi Leoer. $ 33 o? t' i^sXiyxovxsg x^ l(fy^ 
cum hoc nostro prorsus congruat, et verborum constructio durior 
esse videatur, fateor me festinationis nunc paenitere, qua iiley%ov 
in ordinem verborum recepi. ^^) Nihilo minus de certa emendatione 



16) Per hanc oocasionem alios quosdam errores a me admiasos per» 
stringam. Or. 29 $ 7 acts GqccavßovXov CTQatrjyovvxog xal *EQyo%Xiovg 



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C. Schei be : lectiones Lysiacae. 311 

!=■• ,, ^ 

f^^ mihi non constat. Bekkeri quidem ratio, qui verba a ovrog IßovXsto 

,^ post SXsyov transponi voiuil, probabilior videtur, praeserüm cum pro- 

-^, nomen rovrp — ovrog lam parvo repelilum inlervallo ingrate ad aures 

.^ accidat. 

De oratione octava, 

mm 

^ . Octava oratiqne cum nuUa sit mendis lacunisque inquinatior, nulla 

^ salebrosior, nulla intricatiore atque obscuriore contineatur argumento, 

q; j in singulis paene enuntialionibus oifensus haesi. Ac multorum quidem 

jjUj emendalio iocorum vel omnino non cessit vel dubia fuit atque incerta. *'') 

Ulcus tamen S 17 insidens nisi failor sanari polest : xonra rl öfj, inquit 
orationis scriptor, rctvra ovx igwlovroiiriv; evrid'ig u Stccc^ov, äfAipf yccQ 
uTßod'exog vfiiv slvat q>lkog tov (iridsv aiiov0at xaxov öt^ ainb rovroy 
öidxmQog i^ii xovg aXiovg iXiy^rs, naoaxccrad'iixfiv i'x<ov vfiäv 
naQ exäcrov loyovg rcovriQOvg nsQl aklrilcDv. Ita Bekkerus et critici 
Tur. , nisi quod hi e Laur. C inilio scripserunt Oiarcc xC iri rcore {»atcc 
%l öfi XI X). Cum autem ikiysxs simpliciter cum accusalivo personae 
coniungi nequeat, ei qui istam scripluram relineri volunt e superiori- 
bus verbis a^iavcai Tutnov necesse est ad iXiysxe apud animum repe- 
tant xffxov, ut ea eonficiatur senlentia, quam flagilari nemo non videt: 
^opinabar me amicum vobis esse quasi sacrosanclum, ita ut numquam 
male a vobis auditurus essem, propterea quod coram nie vos aliia 
saepe maledicentes audissem.' At vero ex negativis iliis lAfjdhv xanov 
fieri non potesl ut ad iXiysts soium tiutiov affirmativum intellegatur. 



k 

% 

t avTO» SucfpsQOiiivov id'sXovtijv VTCOOf^vcci TQi7}Q0CQX^^9 temere oboe- 

f divi Tayloro, qui pro XQi^TjQaQXOv maluit TQLTjQUQxiav , quemadmodum 

^ Bupra dictum est § 4 i&sXovrijg vnsütrj xavxriv f^v Xsnovgy^av. At 

xiftrjifaifxov vnoax'^vat *ae sistere trierarcham (sich als Trierarch stellen)' 

\ satis tiietur pemosthenes in Mid. ^ 68 et 69 X^QW^S vniüxriv, idemque or. 

i 37 S 57 ov6h TtQccf^Qa jjä^oaatxg vnocxrivai, V. Schaeferus ad p. 536, 20. 

— Tum or. 34 § 7 pro lav ii,\v ns^d-co festinantius scripsi me malle iäv 
pirj TCSi^oifisG'cc: volebam iocv filv TtsiQ'tofisd'a *6i persnaderi nobis a Phor- 
.misio patimur': iav (iri ns£9(o Stephanus: iäv nsiad'iofisv Marklandus. 
Subiade calidiore studio correxi OQm oh xal 'AqysCovg — ovdh zqiaxi'Xiovg 
ovxag, in quibus %al particula certe non opus est. — De or. 19 $ 50 infra 
dicetur. 17) Sed aut iam probavl viris doctis aut fortasse probabo has 
emendationes , quas simpliciter enuraeraturus sum hoc loco rationibus non 
adiunctis : § 1 conieci iy%aXo5 pro ijtsynaXm et xoig (ilv yag ovdlv ofyai 

' fisXnCHv pro Totg fihv yccQ ovShv olfiai xi^iTJasiv (xovg filv yä(f naq' 

ovdsv olftat xifiTJcsiv Emperius, xoCg filv yccQ ovSlv olfiai dioloBiv 
'V^esterm.). § 3 xdxo^ Sri ßoi^&oSv xovxoig (incusalis), olg (quibus rebus) 
iirjiidgxTjiiS Tcqowaaiv nOQ^arjxai xijg ccfiaQXLag, § 4 scripsi ovd' Sv 
v(iCv STCLTtccXtSv o XI iXsysxs xar ifiov, xctvxct Xi^ccifii, § 7 ovd* av 
vfiäg filv nXovxovvxag, ibd. noG'sv av ovv sttiOTOos "bfiocg vnoinxsvoVy 
auam correction^m meam in ed. sec. proeoptavi alteri^ *qna pronomine 
vfidg omisso avvovxag scribendum esse suspicatus sum. Neque enim qnis- 
quam, quod ipse consuetudinem cum aliquo habet, gravate ferre dicitur, 
sed quod alii secum.' § 11 dvxtXi^siv. § 13 insixa (quod cum indigna- 
tione interrogantis est) TtigSog ijv. §^ 19 dXX' oSg svvoovvxfg (v, Bense- 
lerus de hiatu p. 183) pro (og svvoi ovxsg, Libri enim mg evvovg ovtsg. 
De forma v. quae ad h. 1. animadverli. 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. N. F. Bd. I Hft. 4. 22 



S12 C* Scheibe : Icctiones Ly8iaea<?. 

Deinde cum vix usquam alibi legatur %a»6v liyEtv uva, tum hac in 
oratione, quae ipsa versatur in maledictorum exprobratione, vulgaris 
loeutio el usitala »a^cSg liyBiv riva deciens repetitur SS 3. 6. 14 (ter). 
16. 19 (ler). 20. Facile igilur suspicere hoc quoque loco eadem locu- 
lione usum fuisse scriplorem, modo in speclalae fidei codice vestigium 
reperiatur, quo iila suffulciatur suspitio. lam vero in ipso librorum 
Lysiacorum principe sie exstal scriptum : dioti TCQog ifii tovg &kkovg 
iHyete, %al naqaxcna^iMfiv M%oiv: quod quid aliud est quam iiott 
rCQog ifih tovg allovg ikiyBte »ccKcSg^ Trcr^xcrra^xi^v H^0V9 ^^ sie 
edidi* Codicis autem Laur. auctor, qui particuia »cd constructionem 
turbari videret neque haberet quo eam aut explicaret aut ad originem 
revocaret suam, omnino eam omisit, iliiusque exemplum secuti sunt 
inlerpretes omnes. ^ 

De orationibus decima et undecima. 

Quoniam undecimam orationem, siquidem eo nomine digna est, e 
decima excerptam esse constat , alteram alteri lucem afferre consenta- 
neum est. Quare ego or. 10 S 4 e coniectura £. Zielii in diurnis antiq. 
a. 184* p. 415 prolala primus correxi xavxrpf dl f%wv xriv iihxtctv ovre 
xl BiSxw oXiyaq%La rptiaxiiMfifv pro eo quod iibros omnes occupaverat 
otir' bI Scxtv cum propter ip.sius sententiae rationem tum vero etiam 
propler verba or. 11 $ 2 ex hoc loco expressa ovd' o xt 6ltycc(fxla ^ 
^ösiv, — Deinceps or. 10 S 7 Rauchensteinii nionitu nuper öeiv post 
olfiai interposui in his verbis iym d^ olfiaivfiägj od avÖQeg imaüxal^ 
ov Tuql xmv ovoftarcov Öuxfpiqaa^ai aXkcc xi\g xovxoyv diavolagj xorl 
mivxag Bldivai oxi^ oam [ansTixovaal xivotg^ xai avöf^oqtovoi xmv ov- 
xap Blciy xal ocot] ivÖQO(p6voi sialj xccl ajtBTixovaal xivag, cum or. 11 
S 3 legantur haec : iym d' olfia^ öbiv ov jvbqI xmv ovo^axtav jSiag>i' 
QBC^ai^ iXka rCBifl xrjg xav iQyoov dtavolag — »al änBKXOvaöi xovxqv 
(übri xovxovC), e quibus quidem non solum ad or. 10 S 7 omnia ea 
accesserunl, quae uncis sunt et a criticis Tur. et a me circumdala 
oTtBTixovacl xivag — xal oöoiy sed etiam conicere forsitan quis possil 
pro xijg xovxcav öiavolag scripsisse Lysiam xi^g xoav sgycov öiavoiag, 
praeserlim cum § 10 verbis subtililer luculenterque xa iqya opponan- 
tur, quorum causa homines nomina usurpenl: süneQ fiaxy xotg ov6(icc- 
atVj ciXXcc (iri xoig l^oig xov vovv ngoai^SLg^ av SvBxa xa ovo^axu 
navxBg xl&Bvxat^ quamquam hanc certam esse coniecturam minime 
praestiterim. — Itenique nuper or. 10 S 13 per interrogationem edi(li 
ovx ovv ÖBivov '■^ ov» cc^totg ölxriv; pro ovaovv öbivov — öl»rjy.y 
quod in libris editis hucusque vulgalum est. Nam et Pal. Kayseri ov» 
ovv divisim exaratum exhibet ^^) et in epitomes S 6 nianifestius etiam 
interrogationem indicandam sibi putavit rhetor ita scribens : nmg ovv 
ov ÖBIVOV, — Non minus in or. 10 S 26 secundum geminum locum or. 



18) Recte in eodem ovx ovv legitur eti«m or. 12 § 36 et or. 13 $87, 
atque ego or. 33 $ 11 de meo scripsi hoc modo. His locis Bekkerus ovxovv 
dedit. 



C. Scheibe: lecliones Lysiacae. 313 

11 S 9 subslilui /ii^d' ißgi^ovrl re xai kfyovri vulg^atae scriplurae xai 
ißgi^avTi xai Ifyovn, quam meam emendationem in ed. priore propo- 
siiam assensu suo Kayserus proDavit, seeutus est in editione sua Wesler- 
mannus. — Mox in or. 10 ^ 27 meo quidem iudicio ex epitomes S 9 
sv&vvav, quod solum Alticum est, praeoplari oportet formae alteri 
iv^vvtjv in libris aeque repertae vulgpoque receptae , atque in or. 25 
§30, quo et ipso loco ev^wav reponi malitn. V. Boeckhius oecon. 
pubi. Alh. I p. 266 e, Schaeferus ad Dem. p. 17, 15. Contra statuit 
' Gocttlingius ad Aristoteiis Polit. p. 359. — Paulo post illa S 28 iam 
in ed. priore ex or. 11 $ 10 avrfQfj<s9cei subiunxi verbis alxtav exeiv 
imo vmv mddmv, et in § 31 vvv yaq öiciTim »axriyoQtccg , rjj d* avT$ 
'^g>m (povov tpBvym rov navQog post dtciKm inserui (liv ex or. 11 
i 12. — Atque etlam ipsius ^itomes verba ad exemplum oralionis 
Lysiacae interdum castig^anda esse duxi, veluti $ 8, ubi pro uXIl mg 
ßsXtlovog ovTog; — aciaccvu dixd^ofiai; quod in omnibus libris et mscr. 
et edilis legitur, ex or. 10 S 23 cum Sluitero correxi aU' mg ßeXtl<ov 
ovrog; praetereaque articulum ante aciaavti^ qui quamvis necessarius 
Sil tarnen omittitur ab omnibus , ex eodem iilo loco ascivi. — Denique 
in or. 11 S 10 t/ yoiQ av xovvov aviciQotsQov icxovösiev, bI rsdvtiKmg 
VTCO tmv ix'O'Qmv uhiav S^^i vno rmv r^tvwv avrjg^öd'ai; verbis drs- 
&v7piiig particulam vj praefixi ex or. 10 S 28 coli. Marklando p. 370 ed. 
Reisk., indice Reiskiano v. i]^ or. 2 § 73, or. 25 S 23, Isaeo or. 1 $ 20, 
Heindorfio ad Fiat. Gorg. § 183, Schaefero ad Dem. p. 191, 22, Schoe- 
manno ad Isaeum p. 1S6. 

Hae emendationes omnes quoniam ex eo genere sunt, ut facili 
ne^otio possint ex alterutra harum oralionum repeli, quarum quae e 
superiore in epitomes formam redacta est haud dubie in ipsa antiqui- 
tate originem invenit etproinde aetatem fidemque librorum mscr. long^e 
antecedit, universe eas significare quam fusius exponere et argumen- 
tis stabilire malui. Omnia autem ea praeterii, quae iam ab aliis criticis 
ad emendandam alleram oralionem ex altera erula sunt. De uno loco 
explicatius dicam qui est 

or. 10 S 9 fjdi&g yccQ av fSov nvd'oliiriv (negl rovto yuQ östvbg 
sl Kai iiE(AeXitriKag Kai noulv %al Xiysiv *•)) ' st xtg <S€ efhtoi ^v^ai ri)v 
acrUöa^ iv 6h rc5 v6(ia) sUgrivo ^), idv xig fpatsuri aTtoßeßkrixivai^ ino- 
öixov elvai^ ovk av iöixd^ov «vreo, dkÜ i^i^QXSi av (Sot iqqt(pivai xi};» 
aOTclöa liyovxi ovöiv 6oi (liksi; ovSi yag vb avxo iaxi ^tijfai 
%al anoßeßXrixivai. Palalinus habet Xiyovxi avdiv aoi {lillßi (trita 
verborum (likeiv et fiiXleiv confusione, v. ad or. 12 § 74 et 80, Dorvil- 
lius ad Char. p. 512, Berglerus ad Alciphr. I 38, 8, Boissonadius ad 
Babr. 84, 5 et ad Choric. Gaz. p. 14 et 95), quam lectionem manifestum 
est non magis ferri posse quam iilud Xiyovxi ovöiv öoniilst\ quod a 
Scalig^ero excogitatum posteaque in cod. Laur. C repertum Reiskio et 



10) Leiinepius ad Phalar. ep. p. 180 suspicatus est scripsisse Lysiam 
näv noiBtv xal Xiysiv, An forte ndvta noistv aal Xiysiv? 20) Malim 
BtgTjxai cum Dobraeo vel stgi^xai td. Lex enim valebat etiam tiinc. 

22* 



316 C. Scheibe: leetiones Lysiacae. 

stitui codicis X scripturam tovto to (ilv iniOQ%ffiuvta onoaavta (ex 
Harpocr. p. 81 v. imogxflöavxa pro oiMöai) iaxi pro tovtoiv xo (ikv 
buoQKiiaavta^ quod est in Laur. C. Ulud enim idem valet quod xo 
idv intOQW^avxa tovto Ofioaavxa iaxiv , cf. $ 18 to 6xa6iiiov tovto 
iaxiv xtI. — Denique quae in libris mendose scribebantur o^x^og nal 
ßXaßrig xifu dovlrfv tlvai otpdksiVy ea ex sententia Schotli alque Heraidi 
animadv. in Salmas. V 8 iam in ed. priore ila transposui et mutavi, 
ut reponerem o^x^o^ %al dovltig xijfv ßlaßtiv tlvai oq>elXew. Quae qui- 
deni legis particula quoniam longiorem exigit indagationem, alias for- 
tasse pluribus a nobis de ea explicabilur. 

Orationis duodecitnae 

S 27 inal to**') x^ fiaoov eUog t^v itQOiftax^iivM ^ ocvig ivxemmv 
ya hvyxavs (sie Pal. Kayserianus pro vulg. irvyxavev) xai yvdfii^v 
anodedeiyfiivog; Argumentalur Lysias hoc modo: ^firatoslhenes 
sui purgandi causa contendit non se sua sponte, sed iussum, et qui- 
dem posteaquam in senatu consilium istud dissuaserit, occidisse Pole- 
marchum. Atqui eccui minus hanc caedem demandalam esse proba- 
biie est quam ei qui consilio isti refragatus erat et sententiam dixerat?* 
Haec omnia bene procedunt excepto illo yvci^irjy inoSaSuyi/iivog. Con- 
tinuo enim qualem ille dixerit sententiam quaerimus: nimirum non qui 
qualemcumque sententiam in senatu dixit, ideo iudignus erat qui illud 
consilium perageret, sed solus qui conlrariam. Qua causa ductus ante 
yvm^riy inserui ivavxlccv. Sed rectius forsitan colloces pone ccnoöe- 
dstyiiivogy ubi ob similitudinem proximae vocis xlva facüius potuit 
excidere. 

Similiter in eiusdem orat. § 91 verbis %(^ß8ipf xfiv'tfffig>ov simili- 
tudinis litterarum proximarum causa elvai pone nqvßöriv interpo- 
sui **) , ad Dem. or. 19 § 239 provocans , qui eadem usus est verbo- 
rum coliocatione. Gorrector igitur Laurentianus, cui obsecundaverunt 
Bekkerus criticique Turicenses , cum dedit HQvßdriv xi^v ily^q>ov dvatj 
sensit quidem elvai oblltteratum esse, quo autem id loco inseri 
oporteret non perspexit. — Verba autem eiusdem orat. § 20 all* 
ovxdog elg rjiiag Öia xa %Q'q(Mcxa i^rificcQxavov , üans^ av exsQOi (is- 
ycilfov adiTUfiiAccxcav OQyfiv l%ovxsg non vicinia vocabulorum sono 
consimilium, sed sola sententiae natura molus Sauppius nuper in 
ed. Rauchenstein i an a egregia medicina persanavit ita, ut ovx post 
&ö7tSQ insereret. — Eiusdem orat. § 81 KaxriyoQBixs de ^£^a- 



23) Ita Tayloro praeeuote correxi quod in libris est inetra: non eoim 
alterum argumentum affertur, sed illud quod initio posuit argumentum con- 
firmatur, ut recte observavit Rauchensteinius , qui tarnen simpliciter scripsit 
inst, 24) Eadem de causa elvcei^ periit in Isaei or. 7 J 43 iy(o jihv 
(a^nS) — ^xsiv za dod'svra xal ft^ snl xo^totg i^SQT^iiiSacci xoif oHov 
xov insivov, Scribetidum videtur nal |Ur)} bIvcci inl xovtoig: verbum 
enim slvai probabiUus est ante ixt, quippe quod illi simile sit, elapsum 
esse quam post xovzoig^ sicutl Reiskio visum est, quem secuti sunt Schoe- 
mannus et cditores Tur. 



C. Scheibe: lecüones Lysiacac. 317 

xoa^ivovg Kai riav rovvov q>ll<av^ olg tag anoXoylag ivoUsH xa2l8 
fte^ 001/ avT^ ravra n&tQccnxcii, o (Aivroi ayav ovk i^ taov Ttj no- 
Ae« xai EQcmoad'ivet * ovzog (isv yciQ Kciri^OQog xal öiKaaxfjg avxog 
71V Tcov yivo(iivG)Vj rifieig 6s vvvl elg naxtjyoqictv nal ijcoXoyUtv xa- 
^iaxctfuv. ludicum est aut condemDare aut absolvere, acousare 
acloris. Exhortari igilur iudices ut accusent reum, esset id pro- 
feclo insiplenlis acloris. ^ Ex quo perspicuum est wxtu^oqBlxB^ quod 
omnes ad hunc diein libros occupavit editos, ab Lysia proficisci non 
poluisse. Bene perspexit hoc quidem Emperius observv. in Lysiam 
p. 31 , redarguens idem eam vulgatae scripturae tuendae rationem, 
qua Lysias hoc dicere existimatur : ^condemnalione vestra quasi ar- 
guite eos et accusate': sed quod ipse proposuit xaxayvtoxe (quod 
idem iam Dobraeus suspicalus erat) aut Kaxanqlvsxe ^ videlur id fe- 
cisse non quo verilatem scripturae repraesenlaret, sed ut scnsum 
aiiquo qualicumque modo suslentaret. Al hac medella ne sensui 
quidem consuUum puto, nedum satisraclum. Primum enira orator 
superioribus iam exhortatus erat iudices ut punirent Eratosthenem 
eosque qui cum eo fecerant (S 79 ^xft d' i^uv iKeivog 6 KaiQog — 
öIktiv Xa(Aßdvuv)j exhorlalionis autem iteralio putida esset ac te- 
mere institula. Deinde non concinit condemnationis poslulatio cum 
opposila enunliatione : 6 fiivxot ayciv — i}f*f*ff 6i wvl elg xccxtiyO' 
qlav %(u anoXoylav Had-icxa^isv, Sic enim haece evadit sententia : 
^condemnate Eratosthenem eiusque amicos. Sed dispar est condicio 
noslra. Isle accusator erat idemque iudex. Nobis autem licet tan- 
tummodo accusare aut nos defendere/ '^) Haec conciliari nequeunt, 
Non enim in condemnando dissimiiitudo causae et contentionis 
iniquilas conspicua est, sed in accusando, cum ille idem accusa- 
torque atque iudex fuisset, Lysias esset accusator dumtaxat. Ex 
quo efficitur accusandi verbum inilio servandum esse , modo impe- 
rativus removealur. Non praeteriit hoc Bakium, qui in schol. hy- 
pomn. II p. 263 simplicissime lenissimeque ulcus illud sanavit re- 
scribens HuxriyoQrixatj quocum apposite comparavil or. 27 ini- 
tlum: TiaxriyoQrixai fiev ^Eatvaqixovg txava, sive haec devxsqoXoyla 
est, ut vulgo exislimant (Hoelscherus de Lysia p. 110, nos in vindd. 
Lys. p. 94 sqq.), sive pars ipsius orationis primariae initio suo trun- 19 
calae, quac est Hamakeri sententia. Non lamen consummavit cmen- 
dalionem Bakius. Etenim ii cum nihil habeat cui obiciatur, com* 
mulandum est cum Sfj parlicula conclusiva, quae ad indicandum 
opilogum, quem ab his verbis ordiri rede obscr va vi t Bakius, est 



25) Sic enim verba 7j(iBtg ^^ vvvl fts ytcctrjyoQ^uv nal dicoXoyiav 
Tiad'eaxafiev accipienda mihi videntur. Universalis senieiitia est: nos hoc 
tempore (yvvC^ quod opponitur tempori dominatiunis XXXvirorum) ea 
sumus condicioue, ut aut accusemus aul nos defendamus. Non igiliir eidem 
et iudices sumus, quod illo*, tempore Eratostheni contigerat. Unde Rciskiuni 
interpretantem: 'cum accnsnmns eum, tum nos purgamits' errasse perspi- 
cuum est, praesertim cum nuUum per totam orationem defensionis appareut 
vestigium. 



318 C.Scheibe: lectiones Lysiacae. 

19 accommodatissima (cf. Weberus ad Dem. Aristocr. $ 215 p. 543 et 
ad S 102 P- 337). Ipsi autem peroralioni per illa rpiei i^ i{uv i^Bt- 
vog KaiQog iam via tamquam munilur et paratur. Hie est enim 
sententiaTum nexus: venire tandem tempus quo poenae sint ab Era- 
tosthene sumendae, qui Theramenis ut cl^menüsslmi tyrannorum so- 
cietate se defendere tuerique conetar. *Accusatus est igitur mea 
oratione Eratosthenes — sie pergit orator — : sed dispar est civium 
et Eratoslhenis certamen, prorsus dissimilis utrorumque condicio.* 
Nihilo minus illius Emperii coniecturae Kcerayvcats öi rursum palro- 
nus exstiüt Kaysetus ann. Heidelb. 1. d. p. ^9. 

Ulam autem emendatlonem cxpeditissimam esse fatebuntur qui 
vocales rj ei et^ s et ai innumerabilibus in locis confundi memine- 
rint. Quae cum tarn trita observatio sit, ul eam exemplis aliunde 
petitis comprobare supervacaneum esse videatur , tum Lysiae ali- 
quot locos, in quibus primum litterarum ai et £ permixUo vitiorum 
causa exstilit, recensere haud abs re esse arbitror. Iam dudum cor- 
recta sunt duo menda, quorum alterum insederat in or. 13 S55 xal 
svqiöKmv ts avt(p xaia xo 'tl;rjg>iafia xovxl aösiav^ ubi scriptor Laur. 
cod. male svQlßnovai : verum est evQlaaovxai monstralum a Reiskio, 
ab editoribus iure receptum omnibus: alterum in or. 19 §11 ort 
Sv viitv aqißxov Tcal svoQXOxarov voiil^sxat bIvccl: quod in Aldina 
invenlum et in eodiceX, quem vo(il^exe habere falsum est, idem 
Reiskius profeclum esse vidit ex vofit^rixSy idque et ipse dedit 
et dedimus Turicenses egoque. Vero verius hie quoque quaesivil 
auctor Laurentiani C, cum correxit voiiltSrjfte assentiente Bekkero 
pro constanti suo h^iius codicis obsequio. — Nee minus temere 
scriptor ille Laurenlianus correcloris partes egit in or. 25 § 1 exhi- 
bens haec : vfttv ^iv Tcokkriv (Svyyvcifirjv Ij^oo, co avöqeg dtxccßxaly — 
el ojxo/cog ccTtaöiv oQyC^eöd'S xoig iv &(Sx£i iislvaßi pro eo quod est 
in ceteris omnibus oiiottag ajtaöiv oqyC^BG^ai particula ei omissa. 
Eamque archetypi scripturam a Bekkero atque adeo a Turicensibus 
repudialam ego nunc amplexatus sum haud ignarus infinitivum a 
voce fSvyyvdfiri suspensum aliis exemplis fulciri, veluti ipsius Lysiae 
or. 18 § 19 Tcalxot jtXeloiv avyyydiiri fivriaiKccKStv vsaaxl xcrceXi^Xv- 
^^oöiVy Herod. 1 39 avyyvdfM] (ihv — gwAax^v k'xsiv, Thuc. V 88 
ehog fiEv Kai (Svyyvci[i7i — XQejtscd'ai. Dem. or. 19 § 238 (p. 415, 
17) 6vyyv(6iii] aöeXgxp ßorjd'stv^ quae est proverbialis loculio. V. 
Schaeferus ad Dem. "p. 1443, 27. — Eandem liUerarura s et ««per-'. 
21mutationem agnoscere mihi visus sum in Lysiae frag-mento 240' 
ed. Saupp-, 80 meae, ex oratione xara OiklitTtov initQOTC'^g a Zonara 
in lex. V. aTCOXQtjv kcu anoxQ&v servato, in qua quod olim in lahnii 
ann. philol. XXXI p. 384 scribendum esse conieci 0M7t7t(p öh (tri 
oYsöd'S xccvx ccTtoxQav ^To oVsdd'cit iam Sauppius dignum habuit 
quod reciperet. 

AI non audiendus est Reiskius qui dteß&ai in oha&e mutatum 
ivil in or. 19 § 29 %aks7t6v^ co avögeg ötKaarccl^ xQay&Sotg .te digp- 
%0Qriy^(SaL — yijg XE nXiov ^ XQtaaoiSLcc Ttki^Qa axrjaaad'ai. m äl 



C. Scheibe: lecliones Lysiacae. 819 

n(^g rovtoig ote<f&ai %Q^vat ^jtmXa noklie KcctcilsXomivai^aXX 21 
ovtf' ot Ttalcii ütXov6ioi öoKOvvTSg elvat ü^ut Xoyov^^} i%oiev av i^- 
Bv&y%Biv, Sane oXbü^cci perquam durum esse et ambig^uum nemo est 
quin scnliat. Minus oifendil quod infinitivi definita personae nola- 
tione destituti sunt, de quo usu ipsc exposui observv. in oratt. Att. 
p. 52 et vindd. Lys. p. 35 sq. Al illud molestissimum est atque cius 
modi, vix ut simile deprehendas exemplum, quod cum ad infinilivos 
priores xo^i/yi}tfa4 — xQiriqaqirßai — eiaevrivoxivat — nqiaG&cci — 
%xrfitL(S^ui Aristophanes mente Intel legatur, a^ dlBiSQ'cti subiccto 
praeter exspectationem taciteque mulato homines intellegendi sunt. 
* Durum est* inquit orator *bis choregia perfunctum esse, per trien- 
nium conlinuum trierarchiam subisse, contributiones multas in rem 
publicam contulisse, domum et agrum emisse: praelerea vero putarc 
(homines) fieri non potuisse quin muita sit (ab eo) relicta supellex.' 
Hanc argumentationis seriem necessario flagitalam quoniam interro- 
gatione, cuius signum pone naxaXeXovjtivcii collocavit Reiskius, et 
verbo finilo oXb6%b interrumpi inlellexi, nihil sollicilandum, sed illud 
oXsö^ai liberiori et dissoluliori dicendi rationi condonandum esse 
mihi persuasi. 

Sed mendo laborabal locus or. 13 § 52^^) aXi iccog qyriaet Sxcdv 
t06avxa xaxar iqyi(5oi(S%'ai, iyco ö ovk olficct — ov tovrov evsaa ov 
8sXv Vfiäg ä(ivv€a^at, elra 6e aal IxaVov*®) fiEfivijö^hct^ oxi i^ijv 
^AyoQclxG) xovxo) kxL Haec Bekkerus et crilici Turicenses. At infi- 
nilivus fAEftv^cy'O'Oft, quem ex oliiai aptum esse dlcunt, si quid video,22 
lolerari non potest. Ut non offendare defeclu pronominis personalis 
«uficrg, tamen sententia non fert hanc dicendi ralionem : * deinde vos 
hoc quoque meminisse arbitror, Agorato isli licuisse incolumi abire.' 
Neque enim iudicibus incerla fuit neque esse potuit recordatio illius 
rei, quam paulo ante %% 25 et 26 explicaveral : unde pulandi verbum 



2ß) a^iM Xoyov dedi e C: d^LoXoyov enim X, noo ä^tov Xoyov, ut 
memorat Bekkerus. Item paulo infra $ 31 Dota Bekkeri in ^fraudem in- 
ductiis in ed. priore dederam (foXatiagi at non hoc sed (pvXwKOC habet X 
Kays. Permiscuit ille fortasse notas codicum suorura C et X. 27) In 
S 51, quae bis verbis proxime praemissa est, cum atia mihi Tideor in 
veram speciem redegisse, tum quem geuetivum xovxov in his dXX' oTiiai 
noXv xovvavxCov xovxov libri tuentur omnes, eura cum Turr. 'relioui 
pro accusativo xovxov , quem de suo dedit Bekkerus. Praeivit Foerischius 
observv. p. 27 sq. , qui multa ad hoc genus loquendi confirniandum exempla 
prolulit (adde Aristot. Polit, II 5 p. 50, 29 ed. Goeitling. eiusque observ. 
p. 330). Quo magis miror nondum emendata esse quae or. 6 § 36 leguntnr: 
ov äiJTeovd'eVj cUX* ccvxb xovxo xovvavxCov hdqa^B filv ovxög x'qv noXiv, 
naxeaxijaaxB d* vfisig. Hie Bekkerus et Turr, Reiskii snasu secluserunt 
TOVTO, quod equidem tamen ita servavi, ut mutaiione perexigua ac prope 
nulle genelivnm reponerem xovxov i. e. ipsum Imic re.i contrarlum factum 
est. Haud rara autem est locutio avxo xovvavxCov , y. Dem. or. 45 § 12 
et or. 55 § 17. Simili modo usurpatnr näv xovvavxCov ab eodem Dem, 
de f. leg. S 252. 28) i%BCv(ov revocavi e X, quem non habere ineivOy 
ut narrat Bekkerus, Kayserus testis est. De plurativo numero ad uuam rem 
relato v. vindd. Lys. p. 39. 59. 69. 



320 C. Scheibe : leeliones Lysiacac. 

22alienum esse apparet Immo exhorlaüone opus est, ut iUud memoria 
teneanl iudices secumque repulent, iu islo situm fuisse servarine vo- 
luerit an non. Quod autem Reiskius infinilivum pro imperalivo ac< 
cipi posse opinalur, hie usus cum natura sua oratorio dicendi generi 
idoneus non est, tum non pertinet ad exhorlationes , sed sennonis 
finibus circumscriptus voluntalem aul iussum eius qui loquitur indi- 
caL Quare fidenter dedi imperalivum fiifivi^G'&f, ducem secutus 

29Taylorum. — Tum scripsi ^Ayogaza xovxtpi Cobelo auctore oraU 
de arte inlerpr. p. 95 pro ^Ayo^axtp tovto), quod est in libris Omni- 
bus. Ipsa articiili absenlia inlerpretes de viüo monere debebat. 
Nam ut nemo Graecorum scriptorum huius aelatis dixit ivriq (}vxog 
aut ovrog <^W^9 ^^ ^^^ JwiroOiog ovxog aut ovxoq Jiovvaiog dicere 
cuiquam iicuit. Res autem transigitur asu Aristophanis quippe 
melro astricli, qui pcrmuUis locis ab Elmsieio ad Acharn. 1062 
(1049 Br.) congeslis ad ovxocl articulum omiserit, numquam item ad 
ovTO^ (cf. eliam Blumii animadv. in progr. Sundensi 1825 p. 5). 
Quare ubi quis ab oralore oculis vel digilo designatur (v. Apollon. 

30Dysc. p. 75 Bk.) omittilurque arliculus, ibi ovxoal in iocum prono- 
minis ovxog sufficere non dubitavi, praeserlim cum nusquam in con- 
trariam partem ita peccatum sil, ul absens aliquis sine arliculo dice- 
relur (or, 13 § 55 6 Mevisxqaxog ovxog) : itaque correxi or. 3 S 4, 
or. 8 S 10, 4M-. 13 S 52, or. 23 § 1, fragm. 1 S 2, fr. 8 meae ed. (19 
ed. Saupp.). Non rede igitur fecisse videnlur Turr. , quod in Dem. 
or. 18 S 114 e codd. quamvis optimts dederunl ovro^ Neonxokefwg 
pro ovxoal iVeowr., quod libri deleriores habent receperuntque Reis- 
kius et Bekkerus. Neque ipse sibi conslitit Sauppius in fragm. or. 
contra Tisidem 232, noslrae ed. 75 § 1 rede quidem scribens 'L^^- 
%mnog yicQ ovxoci, cum cod. Dionysii (VI p. 983 ed. R.) vitiose 
habeat ov xovq^ Reiskius et Sylburgius ovTog ediderint. Nominibus 
igilur propriis non addilur articuius, quotiens aut praecedit aut se- 
quitur ovxoal^ v. quae idem Sauppius congessit ad Isaei or. 9 S 2, 
ubi unus Isaei locus omissus est or. 5 S 16 exlr.: nominibus autem 
appellaüvis haud raro praefigitur articuius , veluti Lys. or. 24 S 1, 

• or. 13 § 55, Isaei or. 6 S 6 et 9. Contra in Lys. or. 13 §55 Do- 
braeus ovxog ovv pro ovxoal ovv et Bekkerus in or. 11 § 3 oTtsxxo^ 



vaai xovxov pro xovxovl recte correxisse videnlur. lUic enim Crilias l 

designatur dudum occisus , hie definitio affertur , in qua i demon- 
stralivum usurpari non potesl. Celerum ovxoal dici eliam non prae- 
sentem recte observavit Weberus ad Dem. Aristocr. p. 152. Sed 
quod vir doclissimus att tum nolum significari hominem, id ut 
verum esse non infilier, tarnen non satisfacil definiendo usui. Ora- 
tores enim quolienscumque hac forma de homine vel (Je re absente 
ulebanlur, cogiiandi sunt intendisse digitum, lamquam homo aut res 
adesset. Dem. de f. leg. S 229 ingiaßeviuiv xivsg mg Ollntitov xov- 
xovl: *zu dem Philippos da drüben.' Eodemque modo explicandum 
■lod in Arislocr. § 107 legitur ^OXvv^'Lovg xovxoval, CT.- eliam 
ius in specimine novac edit. Aeschinis p.' 21. 



C. Scheibe: lecUones Lysiacae. 321 

Permutalae sunt lilterae e et ai eliam in or. 25 § 20 ov tolvvv 
agioi/ XQfia&ai rovroig — ouöe a mia%ovreg ccömu ij/oft/ffte ncioxs^v^ 
otav higovg noirjrs^ dUaia fiy^siad-ai. Sic enim necessario scriben- 
dum erat e cod. C pro ijy«tf0fi, quod quamvis legalur in Pai., tarnen 
soloecum est, cum praecedat ovdi, non firiöL Quare hoc receplurn 
noUem a Westermanno. 

Restat ut tnaculam confusione lillerarum rj et si susceptam22 
eluam ex or. 14 § 43 ov ifisi^ ort ^iv oväevog S^iog iauv, inatSav 
anoXoy^aiy tiüead^e, oxi öl novriQog ioxtv^ i% tcoi; aXlfov litixriÖBv- 
furroov eideö^E, ubi in locum alterius fuluri male ilerati etCead's, 
quod frustra tueri conalus est Foerlschius comm. cril. p. 23 (v. 
vindd. Lys. p. 83 n.) , de conieclura Boissonadii ad Philoslr. epist. 
p. 98 subslilui ^a^i^a&s^ quod verbum propius ad simililudinem 
scripturae iibrorum accedit, quam quod Reiskius proposuit quodque 
amplexi sunt crilici Turicenses Vate. Stabiiiendae emendationis 
suae causa Boissonadius affert Suidae glossam ya^rja^aiy xorr«- 

Orationis tertiae decimae 

S 53 et 54 ovxovv tovvov fvexa Sei as tcocq rj^av avyyvci^irig nvog 9 
tvxstv^ insl ovöe iiistvoi TtaQcc öov ovdefitäg Srvxov^ ovg av dniKxst- 
vag. xal Ircnlag iiiv o &aGiog xal S£vog>av o KaQtevg, dl iitl 
TJ ofVT^ alxLa rovtco vno rijg ßovkrig ii6Te7tiiiq>^ri(Sav ^ ovtoi fiiv 
iniO'avov 6 (lev axQsßka^elgj lSevoq>^v, 6 ds'lTtnlag ovrm^^)^ öioxi 
ovx 5|tOA i86%ovv TOig tQiaKOVta OcotrjQiag dvai {oväiva yciQ A^rj- 
valüDv anoikXvaav)' ^AyoQarog 6s cicpMri , öloxi iöoKSi i%üvoi>g 
xa iqöiaxa yieTtotrjKivai, Hoc loco error explodendus est alque e 
Lysia expellendus, quem ab longo inde tempore foverunt interpre- 
tes atque ad hunc diem propagaverunl, omnes unanimo consensu 
probantes speciosissimam Palmerii coniecluram Ssvog>av 6 ^Ikcc- 
Qisvg i. e. pago Attico, cui nomen fuit 'Ixa^^cr, ascriplus (v. 
ßoeckhius C. I. G. I n. 646 p. 501, Leakius de demis Alt. p. 227 ed. 
W., R. Ungeri elecla crit. p. 35 sqq.) ideoque civis Alheniensis, 
cum libri mscr. ad unum omnes conspirent in lectione lSevog>mv 6 
KaqtBvg. Sed posteaquam ego iam in libro quem hiscripsi ^die oli- 
garchische Umwälzung zu Athen' p. 52 suspicatus sum Hippiam et 
Xenophontem i n q u i i i n o s fuisse, non cives : primus Th. Bergkius* 
vidit istum Palmerii Icariensem, qui nostrum locum tarn diu obsedil, 
tandem aliquando exterminandum esse scribendumquc coniecit aut 
Kagiöevg aut Ku^iq&ig aut Kaqvevg. Haec amicus. Iam videamus 
quid rei sit. Ambo ilii Hippias et Xenophon in senatum acciti sunt 
ut, cum pariter atque Agoratus coniurationis conscii essent, nomina 
coniuratorum indicarent: quod cum facere constanter recusarcnl 
cumque noUent quemquam Atheniensium indicio suo morli dare ^^), 



^ 29) ovrco, quod superiore tempore defendi, Westermannus mutari vo- 
luit in ovn(Oy coniecit ovxmg, <og taxs Raucheasteinius. 30) ov8iva ya^ 



322 C. Scheibe : lecUones Lysiacae. 

lOoccisi sunt. Atque Hippias quidem^ cum Thasius vocetur, dubium 
esse non polest quin fiiroMog fuerit. Xenophon vero antequam in- 
vestigetur cuias fulsse yideatur, necesse est quo iure quoque con- 
silio ante supplicium lormentis Iradilus sit inquiratur. Notae sunt 
quaesliones de servis per tormenia habilae (cf. Schoemanni Proc. 
All. p. 680 el Anliq. iuris publ. Gr. p. 280, Hermanni Anliq. publ. 
S 141, 15), quibus tunc quidem locum non fuisse salis apparet cum 
ex ipso Xenophontis nomine, quod non erat servi, tum ex eo quod 
servus in coniu^alorum numerum vix est receptus: Agoratus 
enim, quem quis huius rei probandae causa afferre possit, non iam 
servus eral, sed civem se esse iactabat. Sumamus igitur ing^enuum 
eum fuisse civem Alheniensem : qui si fuil, num iicuit tormentum 
ei admovere, ut quidquid sciret ediceret? Minime vero. Nam lege 
a Scamandrio rogata cautum erat, ne liberis civibus tormenia adhi- 
berentur (Andoc. de myst, § 43, Lys. or. 13 § 27 n^mov filv yccQ 
^Ad^vatot riaav^ &<Sxb ov% iSeöleCav ßaaavtad-ijvaL) ^ atque etiamsi 
Pisander conlendit ut abrogala ea lege Hermocopidae in lormenla 
darenlur, rei tarnen, quamvis aegre, impetraverunt, hoc ut non fie- 
rel. Nee magis Arislophanes Chollldes videlur lormentis cruciatus 
esse, lamelsi exsliterunl qui rogarent ut lormenlis subicerelur, quippe 
de cuius civilale AUica non plane liquerel: v. noslrae orat. §59 
TOvrov (livTOi (og ov xaXmg (de hoc voc. infra seorsum dicam)'^'9"»y- 
1/arov ovra ißovXovro rtvsg ßa(Savc(Sd^vai ^ xal tovtl xo tl}ri<pi<S^a 
tov öiiiiov avanei&ovat iprig)lt6(i^ccL^^) Volunlalis verbum ijSov- 
Xovro lormenla adhibila non esse subsignificare videlur, nee, si 
factum id esset, commemorare neglexissel orator. Cerle eliamsi 
quidam decrelum apud populum perlulerunl ut tormenlis afficerelur 
Arislophanes, tarnen in eo haud dubie perscriplum fuil, id ut tum 
demum fierel, cum hie in peregrinilaüs iudicium vocalus civem se 
esse ingenuum probare non potuissel. Hoc aperlissime cernitur e 
§ 60, ubi ei, penes quos tum summa rerum erat, Arislophanem adisse 
narranlur roganles ut nomina coniuralorum indicaret horlanlesque 
ne periculum supplicii subirel, ubi peregrinilaüs causam di- 
cere coactus esset (kccI firi KivdvvevsLv aycoviaaiiBvov tijg |f- 

llvlag xa e<y%ara %oiQ^bIv),^^) Deinde Arislophanes cum nomina indi- 



'A^Tivaifov ändXXvaaVy non dTttoXsaav, quod postniavit Hamakerus 1. d. 
p. 50. Imperfectnm enim hie posilum de conalii: 'noiebant quemquam 
pessumdare.' Uoc ut satis perspiciuim est, ita non dilucide aliquando a me 
explauaiura viudd. Lys. p. 76. Cf. or. 12 § 27 ibique Rauehensteinius , et 
eiusdem or. § 88. 31) Hoc restitui e cod. X pro t/;??g)t'<ra(y^at, quod est 
in Laur. C quodqne probaveruut post Bekkerum editores omnes. 32) At 
idclrco non putaudus est ob id ipsum, quod per fraudem in numerum civium 
surrepserat , morte multalus esse*: qui enim in yQciq>y ^sviag reperti essent 
peregrini, eos veuditos esse scimus, sl per diaipjjffiaiv tav Srjiiotav eiecti 
ad iudices provocasscnt atque nb bis quoque convicti essent: v. Schoeman- 
nus de comitiis Athen, p. 380 et ad Isaeum p. 478 sq., Meienis de bouis 
damri. p. 78 sq. et in Froc. Alt. p. 348 sq., Sintenis ad Flut. Per. c. 37 
p, 254 sqq., C. F. Hermannus Anliq. Gr. § 121 et quos laudat. Aristopha- 



/ 

1 



C. Scheibe: Iccliones Lysiacae. 323 

cando salulem suam redimere nollet, capile damnatus esse perhibe-11 
lur, lormentis Iradilus esse non perhibelur. Quidquid fuit, illud cer- 
lum est indubilalumque, ne istos quidem homines, qui omnia ad arbi- 
Irium suum moderabaiUur, ausos esse lormenta admovere ei qui civis 
Atticus vere esset et optimo iure. Consectarium est Xenophontem, 
si tormenlis eo consilio affectus fuisset, ut indicium in senalu vei 
in contione faceret, civem non fuisse nee Icaricnsem dici poluisse. 

At enim, inquiunt, Xeuophon non ut nomina coniuratorum in- 
dicaret tormentis laceralus est, sed poenae supplicii ag^gravandae 
causa. ^') In qua ego quoque senlenlia suni: neque oniin argeßlm- 
^ivta ccTto^avstv aliud quicquam vaiere polest quam simpiiciter tor- 
menlis crucialum occidi s. posl lormenla lolcrala supplicio affici, 
plane ut est apud Dem. de cor. § 133 vvv ^' viistg (STQeßXdaavreg 
avTOV ansTitelvaxB y et apud Piut. Phoc. 35 oncDg xal arQsßXoid'slg 
0G)Ki(ov anod-dvoi j ubi eliam quae verho axQeßkoi>&£lg adiecta est 
parlicula xa/ supplicium tormenlis aggravatum designari satis pla- 
num facil, simililerque in Dinarchi oral. 1 § 63 iaxQißXmaav^Avxi- 
tp^vxa xal aniursivav ovxoi ty ttjg ßovk^g cmoq>a(5H TCEKSd^ivreg, 
Quoniam autem supra demonstravimus per legem Scamandrii inge- 
nuum civem in lormenta dare omnino non licuisse, superest hoc 
loco ut quaeramus umquamne fuerit ab illa lege discessum adhibi- 
tumque in cive genuino tale supplicii addilamenlum, et si est adhi- 
bilum, qua id licitum fuerit condlcione: quo facto omnis de civitate 
Xenophontis deque emendationis Palmerianae verilale quaestio pro- 
fligabilur. Ac mihi quidem duo tantum huius rei exempla praeter 
hoc Xenophontis innoluerunt: unum Antiphontis a Dem. de cor. 
S 133 eiusque adversario Dinarcho contra Dem. § 63 (cf. Plut. 
Demoslh. c. 14) memoriae prodilum, allerum Phocionis a Plutarcho 
in eins vila c. 35 narratum. Tenendum est autem Anliphontem per 
fraudem in album civium irrepsisse ideoque postea nomen eius el2 
curialium tabulis expunctum esse (Dem. de cor. § 132 tov imot^- 
(piad-ivta^ ubi vid. Dissenius p. 305: cf. Maetznerus ad Dinarchum 
p. 126, Slechowius de Aeschinis oratoris vila p. 73 sqq.). Atqui si 
quis e civium numero expunctus est, eum ipsa res declarat non 
posse pro cive haberi. Neque vero Phocion, qui quidem civis 
optimo iure erat, cum capite damnatus esset atque quidam postulas- 
senl adderetur ut ante supplicium cruciarelur tormentis, hanccrude- 
litatem, quam Agnonides barbaris dignam ac taetram iudicavit ac 
vcl Clilus repudiavit, perpessus est. Comprobato enim ab universo • 
populo plebiscilo, quo capite condemnatus est Phocion, et populo in 



nes potius supplicium subiit, cum nollet coniurationis socios indicare: et qui 
tuDc Imperium teuebaot, ei yQa(p-^v ^svi'ag minitati suut, quo potestatem 
nanc^scereutnr eum tormentis cruciandi. Sed litem illam Aristophani mofam 
non -esse ex eo apparere videtur, quod cruciatus' non est. 33) De tor- 
mentis expositum est a Boeckhiu in Oecon. publ. Ath. I p. 252 sq. ed. alt., 
a Schoemanno in Proc. Att. p. 684 sq., ab Hermannu in Antiq. Gr. publ. 
§ 141, 15, a Wachsmuthio in Antiq. Gr. II p. 266 sq. ed. alt. 



324 C. Scheibe: lecUones Lysiaeae. 

12 »ufTragia misso non tarnen comprobalum est illud additamenluin. E 
qua narratione id quoque inlellegitur certe plebiscito opus fuisse, si 
qui«) illa crudclitale in civem aniinadverti velleL 

Cum igitur nullam inveniatur exempium civis (onnentis ante sup- 
plicium lacerati, lum solum illius Xenophontis ex omni antiquitate 
Graecorum reliquum est, siquidem lile demo Icariae ascriptiis fuiL 
Quod et per sese admodum incredibile est et refelütur eo quod le- 
f^em Scamandrii non abrogalam, neque plebiscito aut senatuscon- 
flulto, quo opus esse supra diximus et doeuit Schoemannus Proe. 
Alt. p. 685 n. 90 (coli. Dem. or. 25 c. Aristog^. I S 47 navt ivn %£ 
xal xata notmv iv xatg inulrfilaig mg dhv tnQeßlovv), confirma- 
tam videmus hanc poenae accessionem, deinde, quod obiter tantum 
atque quasi in Iranscursu et ipsorum tormentorum et universi sup- 
plicii de Hippia et Xenophonte sumpli menlio fit, cum tamen de 
Menestrato (S 55 sqq.) et de Aristophane Chollida (S 58 sqq.) satis 
copiose Sit expositum, ut de civibus, qui in eadem culpa essent 
eodemque modo evocali ut quidquid de coniuralis compertum habe- 
rent aperirent. Levius illud est, sed tamen non nullius momenti, 
quod Xenophon una cum Hippia Thasio, quem inquilinum Tuisse 
supra observavimus , occisus est unaque Agorato ita opponitur, ul 
inde aliquam inter utrumque rationem intercessisse conti nuo coni- 
cias.'*) 

13 Ilaque si neque servus neque civis esse polest Xenophon , sequi- 
tur cum aui laorsl^ aul, ul Hippiam, inquilinum fuisse. lam vero 
neque UsoxtUlg neque fiitoixoi Iribubus pagisque assignabantur 



84) Ad nostram rem facere posse videantur verba $ 61 i^Bivog likv 
xo£wv aal vno aov anoXXviisvog roiovtoal iyivBxOj %xcl SsvoqxSv 6' 
atQsßXto^slg %al 'innCag 6 Odaiog* ffv S' ovd^v rotg ävigdaiv 
itieivoig avvBiS(6g, XBiff&slg d^ mg ffv ye, av i%sCvoi dnolfovxaiy (iB^d- 
^si^g T^ff rote noXns^ag Had-iatafievrig , dnsyQatpBg xal aTeiittBivcig 'A^- 
va{(ov TtoXXovg %ai aya^ovg. At hiiic ioco nihil quicquam tribuendum. 
Verba enim xal ffsvotpcSv 6 ati^BßX, xal *ImtCag o Gdaiog ab interprete 
imperito et male feriato e $ 54 repetita sunt et illuc intnisa, proptereaqae 
in mea editione canceliis saepta. Etenim interpolator iste offendens in pla- 
rali To£g dvägdaiv i%BCvoig^ quo Aristophanem designari opinabatnr, huic 
XenophoDtem et Hippiam addendos esse pntayit, qaippe qui et ipsl ad ladU 
dicium conluratorum provocati se prodituros esse illos negassent. At vero 
ot avSQBg IkbCvoi intellegeudi suut viri illi bonl et libertatis rei publicae 
nmnntes . quos indicio sno suppücio dederal Agoratus. Interpolatorem pro- 
sit additamentum o atQBßXcad'Big, quo nihil ab hoc Ioco alienius est aut infi- 
cetins: quid illud, quaeso, ad rem? quasi vero sibi invicem opponantur 6 azQS' 
pX(o&BCg et 6 Qdaio^i prodit etiam vonxoiovxoffC, qua dicitur Aristophanes talis 
fuisse, qualis eis quae proxime praecesserunt descriptus est : num vero etiam 
Xenophontis et HIppiae virtutes verbis praegressis praedicantur? num igitur 
toiovxoaC ita ad insequentia irahi potest, ac si scriptum esset %al Sbvo^ 
tptiv o avQsßX, nal ^InnCctg 6 &da. toiovrod iyivovto^ Nihil minus, 
«rbis inB^vog fiBV et av ds elucet Aristophanem sölum Ago- 
Hippiam et Xenophontem non item. Vides igitur quam im- 
snipestive sint ista xal Sbv, — @daiog in orationcm invecta 
re ea secluserim. 



C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 325 

(cf. Boeckhius Oecon. publ. Alh. I p. 697 ed. alt.), itaque tie Xeno- 13 
phon quidem Icariae, qui pag^us fuil tribua Aegeidis , ascriptus esse 
potuit. Quotquot autem civitatis participes non eranl, eos, quemad- 
niodum puerum illum Plataeensem (Lys. or. 3 S 53 extr.) , tormen- 
lis crueiare licuisse inter omnes constat (cf. Boeckhius i. d. I p. 253 
c, Schoemannus Proc. All. p. 685 n. 92 et 93, Wachsmiilhius Antiq. 
Gr. II p. 267 n. 77). Reprobalo ig^itur Palmerü invento 'liucQieug 
circumspicieadum est nomen civis peregrinae aiicuius terrae : inqui- 
lini enim a patria sua cognominari solebant (cf. Schoemannus ad 
Isaeum p. 296). Atque KceQievg quidem nomen nullum fuit: Cariae 
enim incolae KaQsg dicebantur. Quare Th. Bergkius proposuit vei 
KaQtSsvg vel KocfiiQSvg (s. KafisiQevg) vel Ka^Evg, e quibus pri- 
mum KccQiSsvg elegi, non quod certissima mihi emendatio visa es- 
set et de qua nulla oriri possei dubilatio, sed quod neque nihil dare 
volui scribens KciQisvgj neque ut falsum illud et commenticium Ixa- 
^61;^ propagarem a me impetrare potui. V. Stephanus Byz. v. Ka- 
qla I p. 359, 16 ed. Mein, fort %al Ogvylag ytokig KaQlg Mcl Ka^ 
glösg. ro i^vmbv Kagiösvg tag ^Agxaöevg , %o am t^g x^vtig 
Kaqixfig. ••) (Cf. Weslermanni Comm. crit. IV p. 8.) 

Disputatio nostra supra delala est in or. 13 S 59 rovrov ft/v- 
roi mg <yv Tialmg^Adi^vcciov ovra ißovlovto rivsg ßaücevcCdijvatj 
Kccl rovrl ro ^Y/^tcffta top drjfiov avaTCsC^ovöi 'ipfjg>C^s6&cci, Non 
memini me usquam legere de ppurio cive ov Hakmg ^Ad-ipfatog sive 
Tcolitfig äv: num forte igilur haec locutio notat Aristophanem non 
honest e Atheniensem fuisse? Quodjfanc vim haberei, ut ille non 
dignum se civitate Allica praestilisse dicerelur. AI non quaeriturl4 
utrum honestam an turpem vitam degerit: id tanlum agitur civisne 
fueril genuinus, cui tormenla adhibere non licueril. Aüoquin inepte 
fecissent qui ei causam peregrinitalis minilati sunt, Forsitan igilur 
quis per analogiam defensurus illam locutionem afferat tamquam si- 
mile quiddam bv sive »almg y/yvetf-ö-crt, veluti in Pseudo-Dem. epi- 
taph. S 60 et conlrarium naxmg ylyvead'aiy veluti in Lys. or. 19 S 15 
et in Aristoph. Equ. 218 (ubi yiyovctg nanAg^ iyoqctiog elRavennas 
pro XGfxo^), quibus locis KaXmg yiyv, est nobili loco nasci, Kctumg 
ignobili. Cf. nunc Cobeli Var. LecU. p. 157 sq., Schoemannus ad 
Plut. Agid. p. 89. Quodsi hanc nolionem in nostrum locum Iranstu- 
lerimus, haec iam insipida exibit senlenUa: ^nonnulll eum tormentis 
cruciari volebant utpote AÜieniensem loco haud nobili natum.' Quasi 
vero ignobilitas generis quamvis g^enuini civis quaestionem per tor- 



35) £ contrario nomina peregrinorum incolarum longum per tempus pro 
nominibus curialium occiipabant libros editos et apud Demosfh. de cor. $ 73 
p. 249, 13 EvßovXog MvrjaL&sov Kvnqiog et apud Isaeum or. 3 de Pyrrhi 
liered. $ 2 l8iBvo%Xrlq Kvnqiogt nunc autem in illo.loco ex optimis codd.^ 
in hoc de Meieri coniectura Kongtog repositum, cum ex inscriptionibus 
Hippothontidis pagus nomine KouQog innotult: v. Boeckhius G. I. G. I p. 
216. 903. tit. naval. X d 107 (cf. quae a Boeckhio observantur p. 384), X 
e 100, XIV a 6. Schoemanmis ad Isaeum p. 229. 



S26 C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 

14menta perniisisset, ut praeteream eam perversitatem, qua tum homo ( 

igDobili genere orlus diceretur propter pere^initatem potuisse in 
iudicium vocari (aywvici\uv(}v xrj^ ^tvlag). Civitatis simulalio culpa 
esl, ignobilitas originis, credo, non est. Haec tarn dilucida sunt, vix . 
ut egeant demonstratione. An igitur ita accipiamus illa verba, ut , 

inlerprelemur Athenienseni qui non pulchro , i. e. honeslo iustoque 
modo Alheniensis sit? Est speciosa sane ista explicandi ratio, in 
qua quidem acquicsceremus, si is qui verba facit per irnsionem vel - 
indignationem adversario dubiam generis originem opprobrio . 

V er t er et. Verum neque irrisio neque indignatio inest in verbis, I 

sed simpliciter causa cur quaestionem per tormenta habere liceat 
affertur, deinde dubia origo Aristophani non exprobratur, sed 
certo affirmalur et affirmari debet subleslam esse eius civitatem. 
Etenim si quis non pulchre sive honeste Atheniensis esse dicilur, 
is non praefracte negatur origine Atheniensis esse et civitatis iure 
excludi, nedum ut inde colligi possit, in eum tamquam in peregri- 
num animadvertendum esse. Hequiritur poüus vocabulum in hac 
re legilimum, ex quo statim eum non vere et oplimo iure civem 
fuisse intcliegatur. Non eßt illud ovx ijifi&agj quod Dobraeus ex- 
cogUavit quodque cuipiam forsitan ab emendandi facilitate commen- 
dari videatur, sed ov Tiad'aQag^ quod recte coniecit Taylor us (cf. 
Cobeti.orat. de arte interpr. p. 94), quamvis oblocutus sit Reiskius. 
Hanc enim formulam apud AUicos J^i hac re constantem fuisse et 
soUemnem maniresto teslatur Libanilkn vita Demosth. p* 5, 6 Bekk. 
xo (livtoi (iritQmov yivog ovk ^v, »g <pa(Sij Kad^ctg^g ^Amtiov, 
Cf. Dem. or. 57 c. Eubul. § 55 tcov %l noii^ßag wv , öaoi /tij xcrOa- 
Qc5g ^0ocv %olixcci^ TtSTtOLTiKOTsg g>alvovrai; Luciani Tim. 52 (vol. 
I p. 69 ed. lacobilz.) xal rvTtuig rovg ilevd^igovg ov »cc&ttQc5g 
(Gorlic. Tia^aQog) ilevd'SQog ovd^ aaxog äv; eiusdem Rhet. praec. 
24 (vol. III p. 189 ed. lac.) OQccg ifii, og noTQog (ihv aq>avovg %ccl 
ovöe Mid'aQü^ ilBv^iQOv eysvo^riy. 

30 Eiusdem or. § 92 aTCO^viJtfxovreg yicq i^uv hUcKrj^^av nal v{uv 
Kai votg aXkoig mtaiSi uficDQUV vtcIq aq>&v avxmv ^Ayo^axov tovrovi 
(ög (fovia ovxuy xofi xaxcag jtoietv xa^ öaov av ßQ^xv Sxaaxog 
dvvffcai. In locum vocis ßQocxv, quae legitur in libris omnibus, e 
sentenlia Schneiden ad Aeiiani N. A. VII 41 et Dobraei subslitui 
Ifißgaiv: expedire enim non polui quid vellet inaudita ista diclio: 
quantum quisque breviter polest. An forte valet: pro brevibus 
sive minutis cuiusque viribus, pro sua cuiusque quamvis minima 
facultale? At quis landem breves umquam vires dixil? Alibi ad- 
verbium ßQcc%v interprelantur aliquantum, paulum, quin eliam inler- 
dum parum, ut in Pseudo-Dem. or. 17 S 4 ßQcc%v tpqovxCcag v(iav 
xal xrjg xotv-^g o(ioXoylccg. Quae quidem significationes minus eliam 
in senlenUam nostri loci quadrant quam illa quae iam est a nubis 
exagitala. Nihil igilur relinquilur, nisi ut amplectamur emendatio- 
nem satis facilem IftjS^azv, ut hoc dicat oralor: *demandarunt illi 
nobis ut ulcisceremur Agoralum , quantum omnino quisque noslrum 



C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 327 

posset, i. 6. quantumcumque quisque posset sive pro virili parte/ Ita 30 
idem voc. legitur usurpatum in Piatonis Gorgia p. 457 A dwatog 
fkhv yaq ngog anawag i^iv o ^ifrco^ xal nsQl navrhg liysiv, &6xs 
%t^avwtBqog elvai iv xotg nXti&saiv Mikßqap} %B(^l otov av ßovXri' 
tai. Theag^. p. 127 C iym yaq^ tfoi %xoi^g e^i &g dia ß^aximv bI" 
nstv %al iiil Tial xa ifia Ag clov xb ohnBiOxaxa naq^Biv^ orov av öiy 
IfißQap). Ad quae v. schoi. p. 383 ed. Bekk. sive p. 17 ed. Tur. 
min., ul)i per (Swxoiimg xal ankcSg expiicatur eiusque significationis 
testes citantur Hyperides (v. Sauppius in fragm. p. 283), Aristopha- 
nes (Thesm. 390), Cratinus in Horis. 

Oraiionis quartae decimae 

S 18 avü ovv SbivoVj co avi^g dt%a6xai^ xovxovg (uv ovxiog Bvxvxstg 
slvat^ &Cx huiSav i^afiaqvävovxBg Xipp^mCty dia xo avxmv yivog am- 
^BC^aij 'qiiag iiy bI idvüxvxi^iSaiup dia xovg ovrcog axa»xovvxag, ^n- 
diva av övvaa^ai na^a xtSv TtolBfämv i^aix'^aaad'at firidi öia xag 
Tov nifoyivmv aqttag. Ita Scaliger et interpolator Laur. correxerunt, 
correctionem suam persuaserunt Bekkero et criticis Tur. In qua scrip- 
Iura merito offendit Cobetus erat, de arte interpr. p. 87, av aeque 
alienum esse existimans atque iiffii^ diä autem verum esse non posse. 
Nimirum isia scriptura mera opinatio est : in Pal. enim. legitur /tiijd' av 
xagxäv TtQoyovmv aQBxag ^ quae lectio varie temptata est a Stephano 
et Reiskio, quorum hie Xiyri de suo addidit, ille vel n^oßaXhovxai vel 
na(/ix<ovxai vel TtQoßakXmiud'a vel jcaQBXoifiB&a addendum esse suspi- 
catus est. Haec vero omnia non modo incerti ac lubrici sunt iudicii, 
verum etiam declarant interpretes dubitasse subiectumne esset (itßiva 
an obiectum. Quodsi neutram rationem probari posse d^monstraveri- 
mus, elucebit neque ambages illas Stephanianas Reiskiana^que neque 
scripturam vulgatam probari posse. Si obiectum est iitidiva^ hoc dicit 
orator: ^iniquum est, si illi in flagilio aliquo deprehensi per generis 
nobilitatem servantur, nos autem clade per illorum neglegentiam dlsci- 
plinae militaris accepta non possemus quemquam ab hoslibus depre- 
cari.' Quidni sodes? Cur hoc fieri nequeat? Unum aut alterum cap> 
tivorum ab hostibus dimitli cur tam incredibile sit? Si non precibus 
liberias captivorum impelrari potest, nonne potest impetrari pecunia 
soluta? Num vero universos Athenienses pro wiius alteriusve captivi 
libertate deprecatos esse credibile est, idque merita maiorum suorum 
iaudando? Quod autem non minus grave est, non recte et ordine sin- 
gula membra sibi opponuntur. Praegressae enim huic sententiae: ^gens 
Aicibiadea si in delicto deprehenditur, servatur generis nobilitate', non 
tam hoc oportebat opponi : nos neminem possemus servare virtutibus 
maiorum noslrorum, quam tale aliquid: nos ipsi servari non possemus. 
Neque enim cum gente Aicibiadea nescio quis captivus, sed ipsi Athe- 
nienses contendi debebant. Ex quo apparet iirfibfa obiectum esse non 
posse. Sumamus' igitur subiectum esse. Quid?' Num Lacedaemonios 
umquam a cive Attico, qui praedicaret praeclara maiorum suorum faci- 
nora, perductos esse arbitramur ut captivos missos facerent? Gerte si 

Jahrb. f. class. Philol. Sappl. N. F. Bd. 1. Hft. 4. 23 



328 C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 

quis Atheniensium ut captivos liberaret maiorum merila apud Lacedae- 
monios illusbrare animam induxisset, hi credo aut exacerbati essent aut 
risissent. Credibiliiu esset hostes ultro admiralione Diagnoram faciao- 
rum a maioribus edUorum molos esse. Quod si verum est, efficilar illa 
Stephan! Reiskiique additamenta vera non esse, ut omittam vel sie vio- 
lari membrorum opposilorum coacinniialem. Quid scripseril Lysias per- 
spezitTaylorus, qui una litlera deleta loi^um ila correxit: (ATfSkvav dv- 
vaa^ai TtaQa r£v nokefUcov i^aLW^ac^ai (ii^d^ av rag xmv n^oyovmp 
aQevägj ut subiecta sint (itidiv elra^a^ercr^ eademque vocabula ambo op- 
posita ei quod praecessit xa yivei. Quodomninonulla re servari potuisse 
dicunlur Alhenienses , id luculentius etiam atque accuratius illustratur 
angustiore ac definiliore notione zag i^txag^ ut ne virlutibus quidem ma- 
iorum, quae res multo est generis nobilitate gravior, id fieri potuisse de* 
signetur. Persentisces iam quam arguta sit membrorum orationis contra 
positorum ratio {hcBidav i^afiuqftavovtsg Xritp^wn — bI idvarvxtiaafuv 
iia xovg ovTio^ axaxxovvxag: yivog — uffiiv et i/irfil xitg xmv ^QOfovav 
if^ag: aciisa^ai — ivvcus^ai na^cc xmv nolsfäaw IgorttijdaaOort), 
quamque ad indignationem actoris accommodata. Videtur autem fiijdev 
in fii^ii/a mulatum esse'^) sive per scribendi errorem sivequod inter- 
preti cuidam offensui erat quod praeter consuetudinem res dici videren- 
tur deprecari aliquem, non homines. Hoc tarnen Idquendi genus a Grae- 
corum usu minime ali^orret Insignis est locus Lycurgi in Leoer. S 150 
voiUSirifxtg ovv, m^A^fjvatöi, EviSxevHv Vfimv xi^v xd^anf xai xa öivÖQcc^ 
i&Mai tcvg lifiivagy xk v&iqw %al xa xd%7i x^g noUtog^ a^iovv öi 
x€cl xovg vtmg xal xa Uqcc ßori^nv avxotg, ita^adatyiAa notri^azB Asm- 
XQaxfi (ubi in ed. mea corrigendum dixi aut tov$ lijiivag xal xic ved- 
Qia xal xa xil%ri aut xoig kifiivag, xa vsti^ucj xa xdx^'- polysyndeton 
tarnen h. 1. praestare puto). Itemque Dinarchi or. 1 § 108 noXv av 
dtxatoxsQov iXsrjcsxs xiiv xfOQav, ij xaig i^ eavx'^g yByetnri(iivovg vfiucg 
ixinvei^ naQaaxrfiafiivfi xic viiit£(fa xixva xal ywaixag^ xifKo^ca" 
a&ai xbv Tt^oxr^v xxL Cf. eiusdem or. 3 $ 13. Persimilia autem sunt 
iUa Ciceronis , unum de lege agr. II 36 § 100 : quemadmodum , cum 
peiebam^ nullt me vohis anctores generis mei commendartuU, sic^ $i 
quid deliquero^ nuUae mmi imägines, quae me a vobis depreceniur: 
aiterum in or. adQuiriles post red. 3 $ 7: me autem — C. Pisoms 
generis mei divina quaedam et inaudita aucioritas atque virtus fra- 
triste mei miBerrimi et optimi cotidianae lacrimae sordesque lugu- 
bres a t>obi» deprecatae sunt. Hoc pacto ne (itidi quidem quiequam 
habet in quo oifendas. Particulam av autem post (iffdiv positam, quam 
ego Cobeto auctore in proecdosi cancelUs saepseram , nunc ita probo. 



36) Neutrum ov9sv restitui ex libris mscr. cum editoribus Tur. in or, 
1 § 22 eidmg d' iym ort xrjpiyiavta atpiyfisvog ovdhv av xofraAif'^otTO 
ol'yioi, xmv inixjjdiCiov pro O'ddiva av sive ovdsv' av, quod Marklandus voluit, 
vel ovdsva, quod edidiv Bekkerus. Neutrum enim ioterdum veteres scriptores 
usurpant, ubi locuntur de hominibus, pariier ac nostrates: v. Schaeferus ad 
Demosth. p. 42, 21 et ad Plutarch. V p. 52. Ceterum Imnc locum cum eo de 
quo didputavinius uuUam habere necessUudiuem vix est quod commemorem. 



C. Scheibe: lectiohes Lysiacae. 329 

ut ^am paene necessariam esse conlendam. In ea enim expeditione, 
in^ qua Aleibiades minor se stio arbitrio ex hoplitarum , inter quos re- 
cetisilus erat, numero exemit) ut eqaestrem subiret militiani) proelium 
commissum esse nullufn aperle docemur S 5 fA«%i^ yap ovdefilccv ysyo- 
viifat. Unde intellef^itur il iiv0tv%ri0a(isv et fitidiv ccv övvatf^at de 
re dici non facta sed ita posita, uti non est: ^si tunc (cum expeditio- 
nem faciebamus) cladem accepi98emus ^ nihil nos posset ab hostibus 
deprecari^ ne maiorum quidem virtutes.' In oratione non suspensa 
dictum foret rnuig diy el iövörifxiljda(A€v , (Mjöiv av idvvmo i^am^cc- 
Od'ai^ (ifjöh ai T(ov Jt(f(yy6.vmv igeraL Seilicet clade accepta libertatem 
amissuri erant Athenienses. Denique in av particula iterata non est 
quod quis haereat : prius enim av additum est vocabuio firfih^ ut sta- 
lim ab initio quae ratio esset huius enuntiationis appareret (cf. Fran- 
kius ad Dem. or. 1 $ 10), alterum autem voci ^di perspicuitatis causa 
subiunctum, quia fi)}^' av tag x^ 7cq<yy6vtov agstag novum est et 
ipsum per se constans enuntiatum : v. Hermannüs de part. av IV c. 6, 
Hartungius de particc. II p. 324, Kiotzius quaestt crit. p. 106. Exem- 
plis in re trita non opus : nostri tarnen similia sunt Aeschinis or. 1 S 122 
olfiai d^ ftV, sl itgog akhyvg uvag rjv 6 kiyog fiot TtSQl tijg alxlag r^g 
xQlvofiaij tatg ifietiQaig fia^vglatg ^dltog av dnoXv6a0^ai tovg rov 
TioxriyOQOv Xoyovg^ et or. 2 S 103 %uv sl rovg wttiQhag fm^'ipBv I7 no- 
Xig nBQi&susa fUcttv avtoXg^ anavi avnqa%^vai vo^l^m. Quare ne 
Marklandi quidem coniectura inrid* dvxag xag xmv ngoyovav iqtxag 
corrigi volentis necessaria videtur. 

Quoniam autem ad verbum deprecandi i^ait'qiSaiSQ'ai forte 
delati sumus, qua illud vi ac potestate ifi orationibus Lysiacis usurpari 
soleat inquiramus. Atque activum quidem verbum i^aiteZv semel 
exslal or. 7 S 36, ubi (item ut apud Dem. or. 49 S 52 et Antiph. or. 6 
S 27) valet servos deposcere ad quaestionem sive torquendos. *Me- 
dium autem cum accusativo personae copulatum omnino est traden- 
dum sibi aliquem postuiare ^ or. 2 S 12 in. , et ad poenam quidem de- 
poscere or« 12 S 9ä extr. Deinde cum accusativo eins personae quae 
rogatar coniunctum est enixe aliquem rogare, obsecrare, exorare, quo 
quidem significatu semel legitur or. 14 $ 16 avaßalvovxBg vfiäg i^ai- 
xi^öovtai xal avxißoXfiOovCiv, Denique ea notione usurpatur, quae 
cum omnium frequentissime celebrätur, tum ad cum locum pertinet, ex 
quo omnis haec profecta est quaestio, ut sit veniam pro reo petere, 
vehementer petere ut poena delicti remittatur, sive deprecari : ac pri- 
mum quidem casu non adiecto sive absolute, ut aiunt, or. 20 S 19 av- 
igl l^aix<^(iivip et $ 31 i^aixov(Uvoi naq v^mv xiiv a^Cav %aQiv ano- 
Idßöifuv ^deprecantes poenam^ (cf. Lycurgi Leoer. §20 xag dnrfieig 
tmv i^aixovfiivmv) : sie enim interpretari malo quam passive : * depre- 
cationibus amicorum vestrae poenae erepti', etsi probe, scio passivum- 
eadem significatione esse in eadem or. 20 S 15 i^titruiivoi sMv intb 
xmv ifitv 7tQO^(A(ov, Hac autem notione plerumque cum accusativo 
conslruitur, et quidem vel criminis, ut est apud Aeschinem in Ctes. 
S 196 et apud Eurip. Androm. 54, nusquam item apud Lysiam, vel reo- 

23* 



SSO C. Scheibe : Iccliones Lysiacae. 

rum, quorum absoluüoncm ab iudicibus petunt cognaü, amici, ( 
or. 14 S 90 liiv {itv uvig xw Cvyyevav »vriv iJ^jUixavtai, or. 21 S tZ 
&at ovx üv slKOtcog ?T£Qo/ 118 i|a»Ti}tfa»yro (sie nuperrime Emperio 
auclore acripsi pro eo quod Ubri obünenl ISyr^tfamro) na^ «fwi^ or. 
27 S 19 xal vvv fooog noi/ilfiovaiv Sitif^ nal tcqouqov ffiav dO^iOfuimä 
xai öfiiiotm nul (plkoij nktnCovxig iiicixBl0^M avxovg na^ v|i«v, nba 
niBi cum Kaysero corrirere velis fial tplloi^ %a\ klalovtsg igamjtfoiw 
(cum C) avxi^ifg naff v^iäv^ aut statuere infinitivum iiaixoMmj qm 
libri oplimi auctoritate munitur, negleg;entiu8 auspensum esse ex veiiio 
noii^awiSij nihil aliud relinquitur quam ut aliquod conandi verbum vel 
excidissc vel in noi/f^aovaw delitescere existimes. (Praeierea ef. Ly- 
curgi Lcocr. S 135. 139, Maelznerus ad Lycurg. p. 304 sq. el de re 
Cic. oral. 38 S 131, Weberus ad Aristocr. p. &23 sq.) 

lam vero unus reslat Lysiae quamvis ementiti locus, qui mea qai- 
dem sentenlia manu emendalrice eget. Est is or. 20 S 35 Tcessov^^tsv 
di xovvavxlov xotg aklotg iv^Qwtotg. ol \iihf yitQ aXloi xovg lud^ag 
7ta(f€iaxfitftt(iBvot iiatxovvxM v(i&gj ii(Uig öi xov naxiqa xovxovl %al 
ri^tig iiaixovfu&aj fi^ fifiSg ivxl ftiv hti,xljuov ixliuyvg itonjötite^ ayxl 
ih noUxäv iinolidag. akXi (sie Pal. noster pro akk*) Ike^iSaxs %al 
xov naxt((a ylf^ovxa ovxa xal fnuig. Haec verba qaomodo accipienda 
sint dubitari polest. Pieraque interpretum pars ita existimaty ad xw 
natiqa xovxovl %ctl iifiäg e superiore membro eliciendum esse ttaqa- 
tfxrfiäfievoif explicans hoc modo : alii liberis produclis vos exorant, nos 
vcro el palrem nostrum et nosmet ipsos producentes rogamus ne nos 
iure civili, quo olim integro usi eramus, privetis civilateque excludaüs. 
Alque i^aixovvxat quidem p^r loquendi usum hoc designare posse 
conspicuum est ex loco quem supra altulimus or. 14 §16, siquidem 
illic verum est i^mxiqöovxM^ quod cum simpUci verbo alxiq(Sovxtti com- 
mutari voluit 6. A. Hirschigius. Cerle rarissima est haec significalio 
ac nescioan praeter illum locum nusquam reperiatur. Huc accedii 
quod ita ad alterum i^MXOViu^a obieclum deest. Denique illa iuter- 
pretatione admissa non rede constabit oppositio, immo omnino nulla 
est inier i^aixovvxai v(iag el i^aixovfu^a, Elenim haec, ni fallor, 
sentenlia inest: ^ceteri liberis productis pro se precantur, nos palrem 
hunce el nos producentes precamur simul pro palre et pro nobis 
filiis: alii se solos deprecantur / nos el palrem el nos ipsos ülios.' 
Itaque correxi i^aixovvxat <Sq>agj ut accusativi xov naxi^ xovxovl 
nal fifucg posili sint äno hoivovj quippe qui el e Ttaqaöxffiafuvoi et 
ex verbo i^aixov(i8d'a pendeant. Haud raro enim rei semet ipsos de- 
precari dicuntur: v. Dem. in Mid. $ 99 naidla yiiq na^iSxvfietui xai 
vXairfiei 9uxl xovxoig 4xvxov i^uix^qaecm el $ 151 iSxojtsi öii (i^ xovxoig 
ctvxov i^aixi^öficau Voces autem vfAccg el öq>ag el quae eodem perli- 
nenl saepius permixtae sunt in libris mscr., veluti or. 12 S 94, ubi pro 
Cq>sxiQagy quod conieclura assecutus est Marklandus, in libris legitur 
vfASxi^g, 

Ac ne quid desideretur in hac quaeslione, de duobus locis disse- 
•-am , in quibus i^aixBia^i praeter necessitatem flagitalum est a viris 



C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 331 

doclis. Unus est or. 12 $ 86 aHa tuxI rmv ^wsQOvvtfov (ikka xal 
rovro tav ^vvsQfyuvtmv Kayserus coniecit, nqque id temere) avtotg 
S^iov OttVficr^e^v, itoreQOvmg xaXol %ayci9ol alnquovrai t^v avräv 
aQeetlv Tclelovog a^av anoqxdvovxig r^g xovtatv TtovtjQlag • '^) — ij mg 
dsivol Xiyeiv inokayffiovxai. De vilio suspectum habens ahriaovtcii 
Canterus maluit aTCoXoytjiSovTM, quo putida exsisteret ileraüo. Bergkius, 
cui ego olim quamvis dubitantius suffragatus sum in Emendd. Lys. 
fäsc p. 9 n., expunctum voluit istud verbum: denique in l^a irid- 
is ovrai mulandum esse censet Kayserus addito pronomine ctvvovg. 
Mihi vero nunc quidem ahrfiQvtm defendi posse videlur verbis or. 14 
S 22 of Xtyovxzg %al ahdvfuvot vtcIq [dXTußiadov. Nostro aulem loco 
e ^vvtQOvvtmv avxotg facili negotio apud änimum repetitur vniQ av- 
toiVy ut nulla sübnascalur ambiguitas (de quo Graecorum usu exposui 
vindd. Lys. p. 9 n.). 

In alte/o loco , qui est or. 30 S 35 fifAtiig filv xolwv ov% ii^'BX'q- 
Cafisv imo tovtfov ä\tovfievot Tcsufd^^vaiy rä 31 ovro Toi;ro na- 
QuxaXovfievy fi^ n^ trig »glöecog (itömcovtiQSiv , äXX* iv x^ KQltsst 
Ufitogetd^at tovg r^v ifittigccv vofio^söCav afpavliovtag ^ Sauppius 
i^airovfisvpi reponi voluit pro €f^uyv(Aevoi, Sed illud rede vindicatur 
a Koenio ad Greg. Cor. p. 157 (cf. Bekkeri anecd. p. 80), praeserlim 
cum i^aireid^ai significatione exorandi vix usquam a Lysia in passivo 
genere usurpetur: v. quae. supra observavimus. — Sed cum a^iov- 
lievoi vitio vacat, tum non vacant reliqua verba, in quae per hanc oc- 
casionem inquirere Übet. Desideratur primum eorum mentio quos ex- 
hortantur accusatores, quam quidem mentionem flagitat etiam mem- 
brorum oppositorum ratio : *ut nos qu^vis ab reis magnopere rogali 
noluimus exorari (cf. S 34 in. bv d' eldivat xqri ravg avtovg rovxovg, 
ort noXXa ötrfiivxsg rd>v natriyoqtav fniäg (ikv ovdafiwg STtsiöav)^ ita 
vos ut idem faciatis exhortamur.' Unde emergit alicubi deesse vfiäg^ 
quod quia insigni aliquo loco poni oportebat, ut pronomini '^fieig op- 
positum esse eluceret , extremo hoc enuntiato post nagaTtaXovfisv cum 
Baitero Sauppioque inserui idque eo üdenlius feci , quod propter simi- 
litudinem exitus verbi 7caQaKciXov(isv omitli facile poterat pronomen 
vfiSg. Possis etiam idque ad oppositionis vim efferendam efficacius : 
TtttffanaXavfUv 9ud vi^g. Sed ne hac quidem curalione adhibila Om- 
nibus parlibus sincerus locus est , qül ut vulgo scribilur hunc sensum 
fundit: *ut nos noluimus precibus amicorum Nicomachi obtemperare, 
ita vos idem illud exhortamur, ut ne ante iudicium maleficos deleste- 
mini , sed in ipso iudicio in eos animadvertatis qui leges vestras tollere 
animum indncunt.' Verum non idem est, credo, precibus deprecan- 
tinm morem non gerere atque quem quisque animum ante iudicium in 
maleficos declaraverit infestum, cundem in ipso iudicio non probare. 
Immo vero actor cum iudices horlatur ut idem faciant quod fecerinl 
ipsi accusatores, hortatur ut ne precibus deprecatorum fleclantur neve 



37) Libri t^g novrofiagsint xovteovy quod postiilat oppoaitio corum 
quae antecessernnt Ti}ir avxiSv dqsxjiv. 



332 C. Scheibe: lecUones Lysiacae. 

86 alios anle iudicium , alios in ipsö ludicio esse veliat. Hinc apparel 
wd particulam ante ^^ ab Lysia addilam esse , id quod vidil Marklau- 
dos. Proinde scripsi ro il €tvto rovTOs^^analovfiBvvtiäg^ Hai fi^ 
TtQO tilg %ql0^0g inöwtovvn^kv, 

Oraiionis septimae decimae^) 

15 § 4 ort (ilv ta ^axsivog öiital(OQ av fniivsQcc äri^ in xovxtüv 
§^Siov döivat^ ozi öh nävta dri^v^teciy i^ ^vxcjv aTCoygidqxx}* 
tQStg yccQ Kccl xizwQEg aTCoyeyQiigHxOi. nuixoi xovxo ^ejtavxl av- 
yvmaxov^ oxi ovn av jtaQalt^Tcdvxeg ei xl ukko x6v ^B^axtovog 
otov xs fiv öriuevEiv t riv nayxa xa'^ElQa^XGn/Qg ifciyqatpov aft«» 
Xiytm jtülvv ijdij ju^qvqv xixT^jticr». Haec viliose legunlur in. cod 
X {Xiyta leslibus Sauppio et Kaysero, non liy^^ ut.rettulit Bekke- 
rus, illudque habet etiam Vindob. omnium fidelissimus archelypi 
seclalor in Reiskii var, lect. p« 697). Et certa quidem est Reiskii 
emendatio i| avxav rcav omoyi^ag>ü9v ^e% ipsis indlcibus'. SchoUus 
aulem in öbservv. hum. IV 10 reclius scribi posse autumans xgetg 
yaq ^ xixxaqeg vehementer falsus est. Instar omnium appello C. 
Wexium in prolegg. ad Taciti Agr. p. 30 sq. Sed quae subsecuntur 
nctlxot xovxo ys — »ixxijfiai» dubium non est quin graviorem coh- 

. traxerint lab^m, cui corrector I^aurentianus hanc incredibilem ac 
(emerariam adhibebat medicinam , ut scribaret : &g ovit av nagiXi- 
Tcov^ et XL allo xmv^EQdxcavog otov xe-r^v drifievstVy ot navxa x^ 
^EQaxmvog aTtoyQccfpovxsg* ^yci ölnoXifv ^'dij xqovov ninxiniai^ eam- 
que correctionem persuasit Bekkero. Sed unde tandem et quomodo 
tarn facile intellectu est , recensores, nihil praetermissuros fuisse , si 
quid aliud bonorum Eratonis pnblicari potuisset? Mihi quidem i^ 
promptu non est, Immo vero . demonstrandum hoc erat, nee pro- 
fecto Lysias, quod insigne fuit eiüs singula quaeque ralionibus 
comprobandi confirmandique Studium, illud tarn nude posqisset 
quin aliquo astruxisset argumento, Deinde haec verba iy&> dh — 
xiKXfifiai quorsum spectent aut quo sint adlecta consilio vix intell?* 
gas,: neque enim quid fuerit illud quod possedit actor ostendunt et 
argumentationis seriem mirifice turbant. Orator uniyersa Eratonis 
bona, quae sua sint de iure, pubücata aerarioqiie addicia esse dicit: 
id conspici posse ex eo, quod non unus, sed Qomplures bona in in- 
dicem rettulerint : iam vero illos in recensendis Eratonis bonis nihil 
quod publicare potuissent praetermissuros fuisse, sed universa in 
^ tabulas retlulisse ex eo apparere, quod etiam ea in indicem 
redegerint, quae ipse iam ex longo usque tempore 
possederit. Quibus verbis significat agrum Sphettium , quem ex 
hereditate acceperat aliquando Erasistratus (S6), sed qui patri acto- 



38) loscribitur Srjiiocioov aSiyirifidxcav in Pal. nostro. Uegl Srifio- 
gCüüv adiytrjfidxmv ceterl libri. UeQl drifioaioiv XQTjiidtmv cum Sohotto 
Bekkerus et edltores Tur. Inscriptio utique falsa est, slve a9i%7iii>dx(ov 
sive X9Vi''dt(ov ponitur. 



C^ Scheibe : . iecüones Lysiacae. 333 

ris in lite naQaßa6$mg öv(ißokäi<ov (of. Meierus Proc. AtL p. 610) 16 
Hoelsoherus de Lysia p. 86), tribus ante annis ab iudicibas assigna- 
lus erat ideoque post mortem patris. de iure et sine uUa contWer- 
sia ab actore ocGnpatus obtincbatur. Hac argumenlatione usum 
esse oratorera ex parle sensit Reiskius, pro sagacitate sua plane 
perspexit Saupphis in epist. crit. ad G. Hermannum p. 15. ^*) Sed 
qaod ille suspicatus est Lysiam dedisse: on oim Sv vtagaXmovtsg^ 
^,xi alh^ xmv '£^wrot^g oUv re 4^ dtifiiveiv, a7toyQaq>ovreg toi" 
VW nivta r« ^Egattavoq in^qatpov %»l ä iym itoXvv i^öri %gavQv 
KixxruMti, ididem Saüppius cum vctvtoliyov esse viderel {*qui om- , 
nia in indicem rettulerunt, eos patei nihil praetermisisse')» ferri posse 
negavit. Ipse igitur adulterina illa codicis C lectione repudiata lo- 
cum ita correxit: nalroi tavto yt navtl tvyvmoxov^ oxt ov% av na-* 
gc^movxeg^ s^ xi &kko xmv ^Bi^xmvog olov xe riv (intell. unaygi* 
tpeiv) y oidfffiBvovxBs ndvxu xce ^E^xmvog aniy gag>ov , bI nal 
S iym noXw ^17 %q6vov Ki^xrifiBiii, Praetermitto quam sit dura 
vel, ut rectius dicam, ambigua infinitivi anoygcifpetv ad Mv xe ipt 
omissio : qaivis enim potius yecigaXiTCUv e superioribus mente r^pe- 
tierit quam anoygaipuv ex eo quod sequifur iidygacpov. illud vero 
grävissimum est, quod ot öfi(ievavx€g ab hoc loco sunt alieni. Nam 
aut ipsi accusatores aut aliqui ex eorum amicis , quibus demanda-« 
tum erat id negotium, aut nonnumquam «Ciam demarchi (cf. Meierus 
de bonis damn. p. 203 sqq., Boeckhius oecon. civ. Ath. I p« 665) 
anoygafpovöi s\ye unoygiqiovxai bona publicanda, publicantur 
autem iam aTtoygwphxu. Discrimen hoc, quo öiihuvhv actionem 
publicationis universe designat a senatu vel populo vel iudicibus 
decretam , Moygaq>€iv autem rationem , qua ötjfievöLg efficitur (das 
Inventar aufnehmen), accurate observatnm videmus, velut ap<ud 
Dem. or. 40 S 22 xijg ovüUcg aniyyqe^ÜiSr^ Hai öfi(isv9elififjg et in 
Androt. $ 54 mpslg x6 xa %mqia örjiie^siv nal xitg olvUag koi xfxm 
U7toyQag)siv ^ apud Pollucem VIII 95 xag a7tayQaq>ag xmv iSfi(Uvoiii^ 
vmv avayiyvmöftovei. Sequitur xoifg Srj^Bvovx&gj siquidem usquam 
dicti sunt, non potuisse ä7SoyQdq>sLv dici. Hoc noii videtur prae- 
terisse Sauppiam, qui dri(isvovxsg Latjne Uilerpretatus sit: ^qui pu- 
blicationem curarent', non recte mea qiiidem senlentia: bona enim 
in indicem relata nmX'^ccig tradebanlur vendenda (er. Hermanqi 
Ant. p^bl. Gr. $ 151 , 2). Quod autem duo haec vocabula drifievBiv 
xijfv a libris submtnistrantur , quibus conflatis Sauppios .effecit ol 
irjfiBvovtBgy non magni id (kciq. Etenim xrjv ex öixxoyQag)la supe< 
riorum vocularum r' ^ natum videtur. Cum igitur ne Sauppii qui- 
dem coniectura corruptela tollatur , vide meliusne tibi placeat mea 
ratio, qua leniore medella adhibiia ita scripsi : Tialxoi, xovxo ye navxl 17 
Bvyvaxsxovj oxi ovk Sv Tt^igaXimvxBg, si xt &XXo xmv ^Egaxmvog 



39) Quae ipse ante hos vigtuti aunos de eodem loco commentatus 
sum in observv. quas scripsi in oratores Att. p. 8, ea nunc satius duco 
ailentio praeterire. 



334 C* Scheibe : lecüones Lysiacae. 

17 olov tt 7^ äfiiiBvetv , ncivta ra ^E^atavog mtiyQaijpov , [ccftoyQti- 
g>ovxEg] »al a iym noXvv i^dti %(f6vov aiKttifuai. In quibus quod 
ego de coniectura inserui aytoy^a^potrcsg ipsam causam continet, 
ex qua cognosci possit recensores nihil quicquam praetermissuros I 

fuisse, sed universa bona Eralonis in indicem rettulisse. Deinde 
particulam Sv ad solum participium itagaXutovteg referendam recte 
tuetur Sauppius conferens sioiiJem locum or. 21 S 20, ubi quod in 
cod. X scriptum est ovx Sv dvvdiuvoi d' vTtiff xm itq>Bti^»v ifta^ | 

TfjfurtoDv UTtoloyri^aa^at hi^iov iMxvrjyoqBiv xolfiwsi ou|n dispiicuis- 
.sei scribae Laurentiano, particulam av proscripsit, proscriptam cri- I 

lici Tur. et ego revocavimus. lam vero erunt fortasse qui offen- { 

dant ad iterationem eiusdem nominis ^gavmvog in enuntiatis pro- 
xime sese excipientibus institutam. Nimirum significanter altere 
loco nomen iterum posuit , ut iudicibus cum vi inculcaret opposiüo- 
nem quae inlercedit inter ra ^Egdtawog et tt iym — ntnirnual 
^perspicuum est eos omnla Eratonis bona in indicem rettulisse, 
, cum eliam mea rettulerint, quae aliquando iudicum sententüs ex 
Eratonis bonis mihi (vel potius patri meo) adiudicata sunt.' Cuius 
repetitionis si quis exempla requirat, congesta ame reperiat vindd« 
Lys. p. 75 et 82 sq. , quae nosiro sunt ex parle insolentiora et du- 
riora, veiut illud Aeschinis de f. leg. $ 18 et in Ctes. % 134 ipsius- 
que Lysiae or. 13 $ 46 extr. Quibus adde Aesch. in Ctes. $57 et 
160 extr. 

Ceterum S 5 extr. quoniam öuxyf^i^Mxi omnes et antiquorum 
scriptorum et grammaticorum loci fiysiiovog öiiuxürtuflov j SiMyqi" 
tffaö^ai autem actoris fuisse testantur (cf. Meierus Proc. Att. 
p. 27 n. 3), Meieri et Dobraei emendationem iisyQa^avto re- 
cipere non dubitavi, licet in libris mscr. omnibus activum legatur. 
Harpocratio quidem p. 57 , 3 Bekk. verbum öiayifa'^aöd'oci ex ora- 
tione in Nicidam affert, nostrae orationis mentionem non faciens, 
ex quo silentio forsitan quis coUigat lexlcographum non novisse me- 
dium hoc loco posilum. At id non continuo sequitur. Nam ne in- 
fra quidem 1. 10, ubi activum ÖMcyqci^ecvtog^ quam vis insolentiore 
vi a Dinarcho usurpatum, expUcat, nostri loci meminit. Nihil au- 
tem egit Bremius, qui öiiyQailHuv retinendum esse censens sub- 
ijßctum mente supplendum arbitratus est o£ '^ysfiovsgtov Sutaörti^ 
QloVf quo facto pro M(utoqoi g>diSKOvt€g elvat eorrigendum ei fuit 
ilinoQixag fpdcnovttg elvai, Rei obscurae lucem affexunt quae mo- 
nita sunt et a Boeckhio in oecon. publ. Ath. I p. 72 ed. alt et a 

Bergkio in diurnis antiq. a. 1845 p. 948 sq. 

» 

Orationis undevicesimae 

4S 25 Jijfiog yccQ o üvQilccfiTcavgj XQttiQaQX/Sv slg KvnQOv, id&i- 
Ol} fiov TCQoCekd'stv CK VT 9, Xiyfov ort Slaßs övfißokov %ciqa ßa- 
atXitng xov luydlov g>tdXrig (liv XQvö^g, mg '^Aqiüxofpi' 
vr^v laße IV iTiwxidena yi,vag in avx^ Sy Ix^i avaXlc^iStv elgxag 
x(fi7i(fa^Xlccg' iiteiöfi de slg Kv7t^ ifplKoixo , XvCaC^ai inoioifg 



C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 3^ 

ceiv öia vo CvfißoXov iv ytaaji rrj tinelg^^ Dedi haec , quemadmo- 
dum in cod. X leguntur, quae tarnen partim corrupta partim turbala 
esse senserunt interpretes omnes. Ac primum quidem cevrw ad 
Aristophanem. referendum esse elucet e verbis $ 26 ^AguCxofpaw^ 
vUwv axovov fiii/ xavttt Jrifiov liac sententia : ^Demus , Pyrilam- 
pis filius , pelitt a me ut Aristophanem convenirem.' Qua cum 
sententia quomodo cohaereant quae secuntur tig ^AQiCtwpivri Xaßuv 
ixnatdsita fivag iit ctix^ sanequam obscurum est. Infiniüvum Aa- 
(ktv quominus ab id&^&fi aptum esse credamus, quae est Bremii 
opinio, primum impedit vincientis particulae ante cogdefectus, ut 
recte observavit Foertschius in observv. crit. in Lysiae oralt. p. 44: 
asyndeto enim hie locus est nulius. At, inquiat quispiam, reperies 
particulam istam a te desideratam in cod. C, qui habet xal mg ^Aqi- 
cxfHpivri Xaßeiv. Sed admissa iiia particula quae tandem exit sen- 
tentia? ^Demus petiit a me ut adirem Aristophanem eumque roga- 
rem ut pro phiala aurea ac.cipere vellet sedecim minas.' Immo 
vero ipsum contrarium requiritur. Demus enim per actorem huius 
orationis rögavit ut ilie sibi suppeditarei sedecim minas. Quod 
sentiens etiam Bremius Xaßeiv generali notione accipiehdum sibi vi* 
deri dicit, ut valeat ^capere quod des alteri, h. 1. pecuniam 
sive ex suis ipsius opibus stve ex aiiorum mutuo sumptam.' Est 
sane nova ista et, ut opinor, inaudita huius verbi notio. Sed con- 
cedamus eam , quam non concedimus : num Demus , siquidem sana 
mente erat, rogare actorem poterat ut Aristophanes sibi (i. e. Demo) 
procuraret pecuniam? Poterat hoc tantum eum rogare, ut id per- 
siiaderet Aristophani. Nempe rogamus aliquem ütipse, non ut 
alius quid faciat. Hoc quoque subodoratus Bremius iilam persua- 
dendi notionem sententiae obtrustt interpretans : ^eumque rogabat ut 
Aristophani, sub cuius auspiciis subsidia miiterentur , persuaderet 
ut sedecim sibi minas procuraret': quod per leges linguae fieri 
nullo modo potest. Tum haud facile quisquam eruat quamnam 
Bremius inesse voluerit vim in particula log^ quam aut abesse opor- 
tebät aut, si aderat, pro infinitivo optativum poni (cf. Foertschius 
1. d.). Denique, quod argumentum nolim minimi aestimari, in 
priore locp eiusdem enuntiationis ab eodem verbo iöe'q^ aptae 
Aristophanes, utpote quem intellegendum esse nemini obsCurum 
esse possit, pronomine avr^ insignitus est, in posteriore » tamquam 5 
eiusdem nondum mentio facta esset, nominatim appellatus : c»g ^Aqi- 
cxotpivviy Xaßsiv, Profecto exspectabatur potius inversus ordo: 
nQOöeX^etv Aqusxoqxivei — dg ainov laßstv. Quoquo igitur te 
verterisy nihil cernes quo vulgatam scripturam suffulcias. A con- 
iectura igitur salus petenda est. Ac Marklandus quidem pro Xaßetv 
scribendum censet ßcclsiv, quod xataßaXeTv ^ deponere, tradere 
interpretatur. At primum is ad quem huius notionis probandae 
causa provocat locus Diogenis Laertii Socr. 20 (tov SmxQaxrj) xk- 
9ivxa yoyv vo ßaXXofUvov (i. e. xo dcßaXXofUvov) xi^fMx u^ifol^st^v 



r 



8S6 C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 

5 slv avaktiöavta nahv ti^ivai parum idoneas est, omninoqae du- 
bito num apud scriplores aetatis Lysiacae ita usorpatom sit ßilXaiß- 
Ac licet vice fungatur verbi nociaßiXXuv^ hoc ipsum tameo noa id 
desi^at, quod eo designari vult Marklandus qnodqoe loci ratio ef- 
ilagilal : nam nataßaküvv, cum aut persolvendi significatam obü- 
neat aut idem ferc sil quod ncnait^ivai^ is demum dici potest, qni 
aliquid servandum custodiendumque deponit, non tarnen ab altere 
rogatus, neque eo consiUo ut inde usaras Incretur, velot apod 
Dem. or. 34 S 46 bI (ihp yoif ij fia(ftvQla ^ tov Aaiuudog funtßaX" 
Ino ivrav^cc (in tabulario publico), et or. 18 de corona $ 65 ^pev6&!s 
yqatpag slg rcc öfifioöia ygafifiara xdcvaßdkXtö&cei. Eadem insoper 
in hac coniectura ofFensioni sunt, quae in vulgata scriptura repre- 
hendimus. Neque vero Retskii suspitione öaväaavta post laße^v 
ingerendum putanlis illae molestiae amoventur. Quod cum mioinie 
fugisset Foertschium, ipse in observv. crit. p. 44 pericülam fecil 
loci huius in integrum restituendi, sie scripsisse Lysiam ratus: li- 
yav on iXaße av(ißoXov %aqa ßaevXitoq tov ^i&yaXov q>ucltiv xqiu- 
erjfv xcrl flog ^Aqiaroq>ivfiq Xaß^v ixTuxldena fivag hc avt^ na- 
^i%oi avaXlaxuv €lg rag tQirjQaQxlag. Correctionem tucl <og petiit e 
cod. Laur. C , ad Xaßw cogitatione addendum censuit iptaXipf x^' 
tf^v, denique ace^ixBiv de suppedilanda et mutuo danda pecunia 
accepit. Sunt haec omnia pro egregia Foertschü diligentia el 
doctrina usu exempltsque testata, non nego: Lysiana essepace viri 
eruditissimi negaverim. Primum enim ambiguitas, quae inde ori- 
tur quod participium Xaßmv excipilur verbis i%%ctiÖB%u fii^ag, qui- 
buscum illud ipsum Xnßtav in legendo copulatur, offendiculo est: 
quam ambiguitatem facili negotio evitare potuit orator hoce ordine 
«sus : Xaßmv Tca^ixot ixKatSBua (iväg, Deinde etsl non moror va- 
riatam orationem, qua post verbum dicendi in priore membro con- 
iunctionem on, in allero parliculam tag positam vult correctionis 
auctoT (coli, nostrae orat. SS 41. 56, or. 17 S 2, or. 26 S 3 al.), ta- 
men quod sententia primaria, quae utique inest in bis xal ag ^A^- 
ctwpivr^ Xaßmf — nccQt%oi quaque id ipsum contineatur neces^e 

6 est,^ quod ab Aristophane peti vult Demus , cum secundaria 8n IXaße 
Cv(ißoXov ita conglulinatur , ul ex eodem verbo Xiymv pendeat, id 
vero adduci non possum ut probem. Huc accedit quod haec xal 
mg ^AqifSxoqwvfig — ytaqi%oi cum a dicendi verbo apta sinl, pos- 
sint etiam in hanc senlenliam accipi: ^dicens — Aristophanem 
suppeditare sedecim minas% non necessario admixta voluntatts 
significatione , quam Foertschius intrusit expücans : ^dicens se ac- 
eeptsse a rege Persarum pateram auream pignoris loco , quam v e 1- 
lel accipere Arislophanes ipsique suppeditare sedecim minas'. — 

Alberltis Dry ander, amicus Halensis, in comm. de Anti- 
EhatTiiiusJi vita et scriptis (Hai. 1838) p. 69 sq. de Demo, 
]>is filio, cöpiose accuraleque disputans et nostrum quoque 
jxauiinans 'AQiarog>dv7i eiciendum esse arbitratur, utpote 
^A^tfSvofpdpit expUcandi causa ad praeceden^ ctvrfp ascripto 



C. Sche]l)e: lecUanes Lyslaca«. 537 

ortum.et falso in or^inem vcrborum ill;älun:i $U. At pe diesen de 6 
ceteris incotnmodis, neglegeiis exsistit el hprrida oratio, qua vereor 
ul usus sit oralor ad inconipiarn familiaris vitae sermonem .^ignifi- 
candum.^) — Tum Kays^us voluil r- XQV^riv, ^v vTtod^riCuv eu- . 
^ifog ^^^vatotpcciiei laß^v.ms., quae emendatio ut s€nlentiae npn 
contraria sit, tam^ jongius dfstat a scriptura codicis. — Postremo 
Rauchei^steinius,. qui rationes loci sanandi superiore tempore a se 
adhibitas nunc ipse repudiat,.quodnupernme de conie,etura Sauppii 
r^cepit or^ elctßs firlv — XQfvarjv^ öciaBi d' ^Qidro^avH Xccßmv Ixx. 
fumg ijt uvv^ !v Ijj^oa, in eo-verbum dwtfe» 4^ oppignevatione iis^ir- 
piSLiiUQ) jiisplicel. — BaJiii vero coniecturam in scholicorum hypo- 
nipem» voU III p. 239 ezpromptam seien» pfactermitto. . 

Ego yero cogilans, quod eadem enunüalione idem homo prius 
pronomine avcK^o^fX^ (a^Tco), dein ip&p nomine (ca^ ^^Qicxoqxivrf) 
dicitur, id et a loquendi, consuetudine el yero etiam ab omi|i rat^one 
vehementer abhorrere, verba &g ^AQiavoqxxvri expungenda ess^7 
persuasum habeo: avt^' enim cum ad quem pertinerel inter- 
prfiti cuidam ambiguum viderctur, nimirum hoc ne cuiquam obs- 
curum esset, addidit ille og ^A^LaxoipavTq sive per heieroclitum 
accusativum, qui reperitur in cod. X, c^ Aqustotpivriv' ^äd Aris- 
tpphanem'. Deinde ante XaßBtv adiciendam duxi . part« > xa/^ u]t 
non Aristophane^,. sed iam actor .huius oralionis dipatur. rpgatus 
esse ut ipse pro patera ab Aristophane Demi, nomine sedecim mi- 
nas acciperet. Th. Bergkius mens , qiii in similem se serttenliam 
incidisse mecum communicavit, parifer xor/ ante XorjServ inserendum, 
«ruTco yero secludendum esse iudicavit verbis ag AQiötogxivi/j ser- 
vatis. Cui' suspitioni et inconcinna verborum collocatio obstat et id, 
qüöd Verisimilius est ad orvr« interpretätionis causa assuisse queri- 
däm cS$ ^Aqicxotpcivriv quam yieissim. In e^dem sententia ellam 
nunc perslo, quoniam mihi quod verisimilius esset nondum contigit 
ul exqulrerem. Westermannum quidem certe nactus. sum assen- 
lienlem. 



40) In 'eis quae § 26 secuntur: icXX' äfivvs nal ttQOöjSB&oHfetad^ai 6 
totg ^ivoig äXXo&sv, insidii, 'qäi.av' dv&gionaiv ayslv tb äüd'tfg 
ifitsivo \rg avfißolöv %€il %aQ(^cp09'oii i^uv a ld£Off£>9'a'cod..Lfattr. ,C 
poue insLÖ^ laciiDam refert daodeclm lilterarum, credo, quad scriptor 
eius verbuitt, ex quo iofioitivl penderent, desideravit. Huic codicis fäl- 
lacis notae nierito nihil tribuens idem Dryatider 1. d. p. 60, nt sentenliam 
in intcgrurti reBtiiueret, suspicatiis est scribendum esse insi ij&iav' e^v 
uyBuir deieto vocabulo äv^gtonrnv^ Frustra. Qmnia sarta tecta sunt, 
dunxmodo &v pari, cum Marklando inseras ante dvd'ffmxmv, qni genetl^ 
vus ad superlationem augendam superlaüvis haud raro subiungitur: y. 
Schaeferus ad Demosth. p. 356, 22 el p. SiO, 7 et Boissonadius ad Philostr. 
He'röica p. 571* Deinde ixHSTJ, quod hac vi fortasse rectius divisim scri- 
bhnr i^rsl <^?j, interdnm Ticem sustinet parlicnlae simplicia ^£^, yeldii 
apud Thuc. VII 13 inBidri — oq^etv , similiterque inBidq ye saepius 
valet quoniam quiUem, de quasigniQcatu y. Webenis ad Dem. Aristocr. 
p. 446. De iüfiuitiyis cf. Dry ander 1. d. 



338 C. Scheibe: leetiones Lysiacae. 

7 Praelerea pro tputltig pip z^vtf$?) qaod est in cod. archetypo, 
cam Bekkero Turicensibusqae editoribus e Laur. C reposui ipiahfv 
X^vtfqfv, non auctoritate huius codicis addactus neque qaod repre- 

• hend^rim genetivum — Rebkio enim interprete öviißoXov g>takfig 
est qnalff dtöoiUvti xivl bd xm tUvui Cviißolov — , sed qaod fiiv 
neque in oratione neque in sententia qmcqoam habet qao pertineal 
(non enim ea ratione defendi polest particala, qua defenditur in eis 
oratorum iocis , de quibus exposui obseryy. in oratt Att. p. 19 sqq.), 
idqae ipsom nihil aliud esse videtur nist vestigiom residuum aceu- 
sativi obliterati gualtip. Tum codieem X, in qao scriptum le^^tur 
av i%oiy voloisse «g ^JPh qnod Aldina exhtbet, scriptaram aatem 
codicis Qf&gaq iioi inde natam esse, quod scriptor eins Sg per ig 
explicaturus ambo vocabula iuxla posuerit, facile intellegitur. 

Sed mtror quid sit cur plurali tag tQttiQaQxlag utatur 
orator, cum procul dubio unam trierarchiam, non plures suscepe- 
rit Demus. Id enim nee factum est umquam, quod quidem sciam,^) 
nee potuit fieri ab homine, qui ut sedecim minas acciperet pateram 
auream oppignerare coactus est. Quod cum ita sit, equldem vix 
dubito quin Lysiae mentem assecuturus sim, si levi mutatione cor- 
rexero: ttg va tfjg tgirigtc(f%l[ag i. e. ad ea quae ad trierarchiam 
pertinent : quae quaiia fuerint explicat Boeckbtus oecon. publ. Ath. 
I p. 712 sqq. ed. alt. idemque in titulis naval. p. 194 sqq. In X qui- 
dem exaratum est alg ^ag rQivfQaQxT'^, in quibus signis Sauppius 
nuper delitescere existimavit slg triv tqi7iQccq%lctv ^ idque reposuit 
Rauchensteinius. 

Mox praeeuntibus Baitero Sauppioque suscepi correcliones H. 
Stephani XvCBiS^ai pro Xv<Sa6^ai, et TtoXXmv yiiq ayaO-^v xai.aA- 

8 loav Kai XQfiiuiraw pro TtoXXav yaq ayaO-civ nal aXkoyu %^(iatmv. 
'Sunt enim xQi^fueza* ut Reiskii verbis utar ^etiam in numero bono- 
rum, verum tarnen non sunt sola bona*. Nee vereor ne cui in men- 
tem veniat ita tueri vulgatam scripturam, ut aXXtov ad sentenltam 
supervacaneum esse statuat, uti est in or. 7 S 30 iv^fJU>v(Aivovg xal 
in xmv elgrifiivaiv xal ix x^g aXXtjg nohxeCagj eiusdem or. $ 32 ovr' 
av 9t€Ql qwyrjg ovx^ av neQl x^g aXXrig ovatag '^awi^Ofitiv (ubi G. 
A. Hirschigius in miscell. phiiol. et paed. fasc. II [Amstei. 1850] 
p. 131 collala $ 3 perperam delendum censuit aXXrig), or. 18 S 11> 
or. 24 § 3 (ubi e cod. X cum Turicensibus restitui tuxI riyv diavouxv 
?|a> Kai xov aXXov ßtov öia^io pro eo quod Bekkerus e cod. C de- 
derat aal xov ßlov omissa voce alXov) , or. 26 S 9 et in eis Iocis 
quos ego praeterea congessi in observv. in oratU Att. p. 9 sq. et in 
Schneidewini Phiiologo III p. 543 sq. Nam hoc dictionis genus 
admilli non polest , si species (xav xQrifiaxoov) subiungitur generi 
(aya/^äv)^ sed tum demum, cum novum quiddam, quod ipsnm est 
de alio genere quam quod praecessil, addilur praegressis. Usilatius 



41) Gerte nemo binas eodem anno liturgias praesiare cogebatur: cf. Her- 
•oi Aul. publ. Gr. § 162, 15, Schoemanni Ant. iurit» publ. Gr. p. 329. 



C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 339 

erat itoXlmv tb ya^ aXXoDi/ aycc^civ ital x^fMcvcinfj id tarnen ita va- 8 
riavit orator ut diceret noXXmv yoiQ iya^mv %al SlXatv »eil xqvi- 

Quod in inaudilo isto tag XQiifiQuq%Cag alterum articulum altero 
absorptum esse vidimus, idem factum animadvertere licet in or. 33 
Olymp. S 7 iiyB^oveg ovtBg vwv^EXXwmv ovx idUiag xal^) dtu vriv 
Sfiqyurw a^£ri)v Kai dta t^v Ttqog rov TtoXBfiov htiaxf^^nriv ^ ubi mihi 
cum Reiskio scribendum esse videbatur öim xriv xmv TtQog noXsfAOv 
hciöt^fiifv. Graecos enim tj itqpg ti inKmifMj dicere potuisse nego. 
Westermannus dta v^v nsQl tov TtoXsfiov htustr^ii/qv ^ non male. — 
Simili modo in or. 25 S 33 pro his öiarovg i% neigauSg nivdv- 
vovg Baiterus Sauppiusque correxerunt dw zovg tmv i%^ Uetgamg 
Kivdvvovg, Tamen in editione mea me malle dixi öia vovg ix IIbi- 
Qatmg mvSwevaavtag vel öuc vovg i» ÜBtqai&g voce luvivvovg 
propter oppositum dt ivBQOvg e medio pulsa : in quam coniecturam 
etiam Cobetum incidisse Var. Lectt. p. 374 sero cognovi eamque tarn 
gravi confirmari aucioritate vehementer laelor. 

Or. 19 $ 34 BÜ rtg v(tmv hv%B öovg TiitoO-ioi ttp Kovmvog xi^ 
^vyaxiqa ^ xi^v adBXqyfffVj %al iKBivov aTtodrun/qiSavtog xal iv dtajJoX^ 
yBvofiivov idfifi^^ ii ohüCa^ aal fti/ ivivBvo xij TtoXBt ycQad'ivxüDv 
aTcavxav xixxaqa xaXavxa aqyvqlov, iia xovxo rj^tovxB av^) xövg 
iKstvov nal xovg ycQOöiqKovxttg ajtoXiö&ai, oxi ovdh noXXo- 
axov (liQOg xijg Sortis tilg naq V(uv itpavri xa x^fiara; Ita Bckke- 
rus. Aristophanis bona publicata cum opinione vulgi minora inventa 
essent, Aristophanis socer in suspitionem de surrepta summotaque 
fortunarum generi parte aliqua adductus et in iudicium vocatus est* 
Hie cum ante iudicium decessisset, filius eins causam patris hac ora- 
tione defendendam suscepit. Atque hoc quidem loco ut suspitionem 
statim in cognatos conicere iniquum esse ostendat, si opes alicuius 
publicatae non tantae esse videantur , quantas eas fore homines opinati 
sint, fingit aliquem audientium sororem suam filiamve Timotheo, Co- 
nonis filio , nuptum dedisse , cuius bona si forte publicata essent eorum- 
que e sectione ne quattuor quidem talenta redacta: ideone, inquit, 
aequum censeretis necessarios atque propinquos amittere bona sive 
eis esse spoliandos , quod longe inrra spem vestram inventae essent 
illius facultates? Ex quo primum illud perspicuum est pro anoXhQ-ai 
cum Bergkio levi mutatione corrigendum esse ajtoXiöai*^), prae- 



42) jG. A. Hirsch igius l. d. p. 144 speciose coniciens ovn aS£%iag 
aXXa dia tarnen fnistra est. Verbis enim xal 8ta — • intaxijfifjp causa 
indicatur quare non iniuria sint Lacedaemonii Graecorum principes. Quodsi 
pro ov% äd£%toq ponatur Sina^mg, nihil iam fuerit cuiquam offendiculo: 
'qui principes sunt Graecorum non iniuria (sive: idque iure) cum propter 
virtuteni insitam tum propter rerum bellicarum sclentiam*. 43) Sic mrsus 
scripsi secundum C cum Bekkero pro ^^lovre, quod cum Turr. in ed. 
priore dederam : in ipso enim X particulae av utlque necessariae vestigium 
e^se videtur, jsam is mendose exaratum habeat t^^iOvv. 44) dnoXdeai 
cum anoXsüd-tti permutatum etiam $ 54 ^ovlBad-e '^(läg diTux^mg amaai 
(läXlov ^ oidUtog dnoXiaai^ ubi quod libros occupavit dnoXia&ai vix ac 



S40 C. Scheibe: lediones Lysiacae. 

serlim com eodetn vcrbo usus sil Lysias In !oco gemino $ 88 tovrov 
ivBxa ri^tovre (scr. av a^töhe^ nisi forte in stiperioribus lSri(Uv6areei 
hie Sv ^^tovze praeferas) rovg ivayuatovg rovg ixdvov xa (fq>ivsQ* ai-- 
rav inoXiifai; Qaae enim sunl $ 45 iym (liv ov% a^ia — ovno 
TtoXXic xal fityaXa Texi$i]Qut naq€t6%0fiivijvq f](Mtg inoXis^ui iilwog 
huc non faciunl. Sed haec qaasi in transcursu. Id agimus ut qua 
possit ratione sanari vel resareiri scriptura vulgaris tov^ ixslvov aal 
rovg ngoarpcowag perscralemur. Nam ferri eam non posse consen- 
tiunt interpretes omnes. Stephano qoidem, quocam faciunt Marklan- 
das et Reiskius, delenda videntur verba xal rovg ante ^goifi^xovTcig: 
Sauppius, quem ego secutus sum in ed. pr., sie illa transposuit: xeel 
rovg nQ06fi%ovrcig roifg ixelvov. Age vero; quid codex nostert Ha- 
bet iHe rovg Ixslvov wxl rovg nqodrpiovrceg laeuna inter 
rovg et ixelvov relicta , ut vocabulum , quod scriba in exemplo suo le- 
gere non potuerit, omissum esse appareat. Quod quidem vocabulum, 
ut expleretur hiatus , ex altero qui nostrum egregie iliustrat loco $ 38 
repelii alque verbis inserui in hunc modum: Tj^iovrB Sv rovg avay- 
nalovg rovg ImIvov hcA rovg ^goai^xovrag : 'necessarios illhis et 
propinquos'. Ilidem ab Isaeo or. 1 $ 2 coniunguntur ololxeiot xal oi 
nQWJtjxovrsg, 

Eodem modo S 55 nsQl (ihv ovv aifrrjg rifg yQag)7Jg xal ö5 t^ottco 
xtfitoral iifiZv iyivovro — aTCtjxoare xal (iSfiaQrvQijrai vi^iv' 
itB^l d' ^funnrotf ßi(a%ia ßovXofMU^ ifitv (pron. addil Pal.) eljtsiv In 
cod. a:rchetypo spatium vacuum est post (ieiia^vgrp;ai vfiiv, quod 
vide ne ila reconcinnandum sit, ut txavmg intericiatur. Nam etsi 
hoc incertius esse non diffileor, tarnen quoniam spatium casu aut for- 
tuito vacuefaclum esse credibile non est, illa accessio si non omnes 
veritalis numeros at certe aliquid habet probabililatis. 

At praepropere me de lacuna cogitasse confiteor S 50 avrol ya^ 
fvayxog rjnovne iv ry IxxXriaia^ &g Jiori^og ixot raXavra rerra^a- 
xovxa^ nXelm rj o(Sa avrog mfioXoyst naqa rav vavxXi^Q(ov xalj^mo- 
QCüv, Sic X, nisi quod ^ deest. Sed quod librarius Laur. addit Xa- 
ßsiVj eo non minus faciie supersedemus quam coniectura in ed. altera 



ue vix quidem probari polest, vel qaod cum amacu arte cohaeret unoque 
cuiistructiouis viuculo conexum est, vel quod rjiiäg non potest simul et ob- 
iectum et subiectum esse. — Contra $ 51 cctzioi ovv slal nal viiiv nolXdSv 
V^n '^fva^vM xofl dri (sie ego in observv. iu oratt. Att. p. 40 de meo 
emendnvi Übrorum •eripturam nal.lSia) aÖCfuag ys xivag (re xivag Pal., 
f« om. 0) i^^ita^ anoXio^ai ot roXftdivxsg 'tfuvSsa&ai xal av- 
noifavuCv av^^novg hci^vfkOvvTsg , ubi Bekkeras iu Add., scilicet ut 
oüUoinnUatl saliifaocret , satis »peoiose suspicatas erat scribendum esse aito- 
Xitakf Foortscbius observv. p, 47 iure suo medium tuilus ess«^ videtur, 
uuamquam ae sie quidem ab omni parte integra verba sunt. Quis enim 
(traovui, U0 dioam Auious, iunxisset dS£%mg Q^öiatg aicoXia&ai^ Et 
iiuid valt»i't)t (^fudi'ca^ infdic^a^^ Ne roulta, verum vidit Kayserus, qui com- 
liaiau« verba almiUa $ 40 ot» (^9i^g xtvlg •üoX(t4S9i XiyBiw ^ illa ab Lysia 

JU'ui'eotu uuMt) jimiipexU hoo ordiue: «^i'xos yi xivag anoXsts^ai. ot ^a^ 
h'(O0 ToA^MfT«ff V9pde«^«rf. 



C. Scheibe: Icctiones Lysiacae. 341 

. a me prolala, quam vellem reticuisseni. Cogilalione eniin o superio- 
ribus repelendum verbum Sxetv, 

Or. 19 S 48 KaXJJcig xoivyv o^lmtovliiov ^ OftBVBWSzl he^v'qxei 
Q TtavtiQ, nXeusta^) x&v ^EXirivGiv eionu x£xr^aOa&, funl &g gniöt 
(i. e. Callias. fpaai Taylorus) , öiawasUov Tcckccvroav hifA'q^ono ctvrov o 
ytaftTtog * xo rovvov xolvvv xifitnju* ov6a övolv xaXavxoiv iöxL 
Sic verba extrema auctoriiate Laur. C dederunt Bekkerus et Wesler- 
inannus. In qua scriptura nescio quid incommodi inest in altero xot- 
wy, Nam cum prius iUud xolvvv in verbis KalUag xolwv perinde 
(levaßccxinbv sit atque quod legitur § 47 o xolvvv NmIov ol»og (cf. 
Schaeferus ad Dem. p. 16, 13.. 142> 6. 209» 4 al., Weberus ad Aristocr. 
p. 280 et 450), hoc alterum post intercapedinem qua interrupta oratio 
erat illatum eam vim habere necesse est , ut periodum continuet (*igi- 
tur, inquam', v. Schaeferus ad Dem. p. 310, 11 et 1168, 23). At num 
xolwv tarn exiguo spalio interiecto ab Lysia diversa significaiione usur- 
patum esse credimus? Gerte molestum hoc: illud vero suspilionem 
villi äuget, quod non x6 xovxov xolwv in cud. X legitur, sed xoxa 
xovxov xolvvv^ in quibus cum rore, quippe quod ad praeteritum 
tempus respiciat, cum praesenti ^(fr/ conciiiari hon posse manifestum 
sit, ad superiorem enuntiationem trahatur necesse est, ut haec efficia- 
tur sententia : - ^avus ducentis talentis aestimabat rem suam familiärem 
tum, cum id fiebat^ i.e. cum censum ipse suum. apud censores tanlum 
esse profitebatur^. Quod si verum est, xoxe üeri non potest quin ha-« 
beat aliquid oppositum , ex quo quam tenuis sit in praesentia Caliiae 
census clare appareat. Quid autem aliud est quod vocabulo xoxe op- 
ponatur quam yvvl Atque eam quidem vocuiam non meo arbitratu 
inculcavi , sed ex ipsa codicis scriplura una liltera sublata eruendam 
putavi , ita k>cum refingens : diaxoolcDv xaXcivxGiv ixifii^cccxo avxov o 
Ttaitnog xoxb^ xovxov xo vvv xl(iri(ia (sie Pal. nosler pro r/ftijft') 
ov6s övotv xctlMvxoiv iaxL Pronomen xovxov initio coiloca^tum est, ut 
interruptam structurae seriem redintegrari statim perspicuum fiat, id 
quod eo magts necessarium fuisse videtur , quod post parenthesin su- 
bito inflectitur oratio avawXovdvg : ita enim exorsus orator KuXllag 
xolwv, proinde quasi pergere voluisset vvv ovdh dvoiv xaXavxoiv n- 
fiaxaij non iam memor nominativi deinceps aliam init constructionis 
viam. Verbum iviiiriöaxo accusativo carens eins rei quae aestimata 
est fortasse interpretari licet : s e aesl'unavit (er schätzte sich) , ut eins 
modi additamentis , qualia desideravit Marklandus xä %^(Mtxay x^ 
ovalcevy xa ovxa opus non esse videatur. Si tarnen cui videatur com- 
paranti or. 3 § 24 xtpf yocQ ovautv i^v ictvxov aitaisav ytevxiqxovxa mal 
ducTioöUav dgcixficiv htfii^accxo y facili negotio corrigat is ktijkTficao xä 
avxov ndnnog, 

Orationis vicesimae 
§ 33 ioag fiiv yuQ dqr^ ffv, iifiiv tpavBqä ovala, xal riv o orcrr^^ 

45) Libri Sg nXstata, unde Reiskius og ote — o tcccxiJq, nX^i^ata, 
Foertschius observv. p. 46 mg nXsiaxci scriptum yoluerunt. 



342 C. Scheibe: lecttones Lysiacae'. 

äya^og ysmgyog' inetSii dh st<fißaXov ot noliiuoi, nivtmv tovrav 
lauQ^i^lisv. acte avtmv xavrtov hfevux nQo^ftol iöfuv elg Vfucg, d- 
ioTBg Ott xQfiiuna (liv '^(liv ovx etri no^sv i%%löofi.Bv^ avtol de 
fCifo^vfioi ovTig elg vfucg a^ioviiev ev(^%eiS^ai %a^iv, Statim ini- 
tium huias incisi inconditum refert atque fragosum sermonem. Nemo 
enim negabit aptius structuram verborum et commodius comparatam 
Tore, st legeretur vel quod Reiskius proposuit slQtivfi {v, ^v ffiuv tpa- 
viQci avcUcy vel quod Scaliger ^ ^Iv ri^uv gtavsQa ovöla. Verum ta- 
rnen talis asperitas ut in tali scriplore — Lysiam enim huius orationis 
auctorem non fuisse persuasissimum habeo — toierari forsitan possit. 
Alio de genere est quod sequitur ovx äti nod'sv ixxlaofuv : nam quis- 
quts fuit qui nostram orattonem contexuit , eius aetatem ad tempus Ly- 
siae finitimum referendam esse e multis indiciis haud obscure cemitur^ 
Incomposile igitur scripserit auctor isie atque iueleganler, modo ne 
soloece. Eo autem modo quo illa verba in libris mscr. scripta exstant, 
neque locutus est veterum Atticorum quisquam neque loqui potult, qua 
re perspecta Marklandus ov» Sv Sri scribendum coniecit. At iv par- 
ticula quomodo inter ovx et elri exciderit difficile dictu est. Praeter ea- 
que ei ambiguitati iudicii, quae inest in verbis ovx av Bttiy reluctantur 
praegressa navxmv vovvav Icxs^^^fuv, quae omnem- de Polystrati 
eiusque filiorum re familiari tollunt dubitationem. Hae me causae per- 
moverunt ut Cobeü or. de arte interpr. p. lOO rationi calculum adice- 
rem meum scrlberemque '^(uv ovk in vi, Subinde no&ev in ImoQ'ev 
mntatum ivit idem ille Batavus erudilissimus; quam emendationem nunc 
item probo. Cum enim XQ^iAceca antecedat, pronomen relativum requi- 
ritur, quod ad illud referatur: ^facuUates nobis suppetere nuUas, unde 
i. e. quibus multam solvamus.' Plane eodem modo Piato Socratem 
loquentem facit in Apol. p. 37 C ov yiiQ Eon fioi xQTJfucva onod-sv ix- 
xlön. Vocabulo autem %^|iiara opponilur pronomen insequens avrol : 
* ipsi nos noslris corporibus noslraque opera.' Fortunis enim suis pri- 
vati cum non iam re familiari In rem publicam operam suam conferre 
possent, ipsi corporibus personisque suis Studium suum voluntatemque 
populo probare studebant. Mox futurum tempus iKzlaofuv posthabui 
coniunctivo aor. inttamfisv^ quamquam ne futurum quidem ab hac 
iunctura prorsus alienum est: v. Astius ad Plat. Gorg. p. 465 C et 
Baeumlinus de modis Graec. p. 108 sqq., Kruegerus gr. Gr. S 54, 7 n. 1. 
Addo Aeschinis or. 3 S 209 ovn Sanv wtoi avanvi]iSofuxi>, Sed in or. 
18 S 24 idem Cobetus nuper Var. Lectl. p. 29 propter formam verbi suo 
iure correxisse videtur ovx ixm^ a> avÖQBg Ömaeralj ovöxivag derfio^ 
fUvovg vTtiq ^(lav avaßißci<Smfiai pro avccßißaöofiai. 

N09 minus foedam labem contraxerunt quae instant. Verbo enim 
a^iovi»£v nihil ineptius, siquidem iliud pendet ex slöoteg orc. Atque 
hoc ita esse particulae fiiv et öi manifesto arguunt. Ita vero PoJystra- 
tus eijusque älius dicerentur nosse se sui in populum sludii poscere 
remunerationem. Absurdum hoc profeclo. An quis poscens remune- 
ralionem non novit se id facere? ne isle insanus esset. Absurdiorem 
eliam ralionem iniret qui a^toviuv putandi, exislimandi significalu 



C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 843 

usurpalum esse opinarelur, quam opinionem refutare ne operae quidem 
pretium est. Bepravatum est igitur yerbum a^iovfiBv^ quod Cobetus 
pro sagacilate sua perspiciens correxit a^iol iafiev. Atque in hac ego 
emendatione acquievissem , nisi quod propius ad vulgatam scripturam 
accederet sententiaeque magis congrueret inveniri posse credidissem. 
£o enim quod propensam in popuium voluntatem tunc ipsum proba- 
bant (TCQO&vfiol iöfisv)^ Polystratus eiusqne iilius se non tarn esse, 
quam fieri dignos quibus gralia a populo deberetur intellegebant. 
Quapropter a^i^ovusQ-a scripsi. Verbum ic^iovad'at infinitivo iunctum 
habes or. 19 § 57 &Qxeiv vg>^ vfiwv a^ino^vreg, 

Mox S 34 Kairot OQmfAiv y i) flieg ^ m avÖQeg dmaüzai^ iav xtg 
naUag avtov avaßißaöccfievog nAa/]/ xa2 ologru^firai^ tovg ve natdag 
fittl avrov d atmtiDd'riOovTai iksovvrtxg^ xal a<pUv%(xg zitg xmv na- 
tiQcav iiiuQvUcg ötcc tovg natÖag pro xal ixvtav e certissima 6. A. 
Hirsehigii emendatione edidi dt^ avtov ^ quod nisi probaveris, nihil 
aliud oratorem in priore enuntiatione rovg xb Ttaidag — iXsovvxag di- 
centem Facies atque in altera nal atpUvxag — dice xovg naiÖag: palet 
cnim xovg jcaxiqag esse qui liberos suos misericordiae movendae causa 
in iudicium adduxerunt, ergo eosdem quos per ei xig significari vult 
orator. Quo pacto haec insipida evadet sententia: ^et liberis patribus- 
que parcitis et patribus parcitis liberorum gralia.' Verba igitur not 
avxov aliena.esse elucet. Atque illud ipsum ötit xovg natdag arguere 
poterat ae debebat oppositum esse in superiore enuntiato dia xovg na- 
xiqag sive, cum ei xig anlecessisset , ^i avxov. Habet aliquam cum 
nostro cognationem locus, quo ulitur Hirschigius, or. 14 $ 17 btBtdii 
61 itQog xoig ineivGi (Alcibiadi palri) Tt^tgay^iivoig helaxaa^s Ttal xr^v 
tovxov %ovriqlav^ diu xov naxiga ilsstv avxov a^iaüsxe; quamquam 
illic actor non loquitur de filio a patre reo in iudicium ideo adducto, ut 
iudicum animis misericordiam iniceret. 

Orationis vicesimae quartae 

S 10 %bqI dl xiig ifiiig tnmnijg^ ^g ovxog hoXfMffiB (ivtiö&ijvai 2 
xjffog vfiffg, ovxB X7(v xi%wiv ÖBlcag ovxb vfiäg aUs%w^Big^ oi itoXvg 
o loyog. iym yaq^ cd jSovA^, navxag xovg ixovxac xi dvcxvxrnna 
xoiovxov xt liTjitBlv xal xovsco tpiXocotpBiv ^ OTtüDg'aig aXvnoxaxa 
liSta%BiQiovvxai xo avfißBßriKog Tca&og. £v slg iydy 9ial TtBQmsTnO' 
xmg xoiavxiQ Cvfig>0Qa xavxrj^ ifiavx^ §€^<Sxiivriv i^svQOv Big rag 
odovg xäg fiaxQOXBQag xmv avayxalcov. Hiis, ut scripta sunt 
in libris excepto Laur. G , ad integritatem patet tale verbum deesse, 
ex quo sint infinitivi ^rfCBiv et q)iXoao(pEiv suspensi. Id cum intel- 
lexisset auctor cod. C, sententiae consultum fore arbitratus est, si 
post navxag insereret olfiat, post xoioikov autem intruderet verba 
^öxdvriv xtva 9 quae petiit ex insequentibus ravri^v i^iavx^ fttöxm- 
vupf i^BVQOv* Sunt tarnen hae merae conieclurae acciditque incom- 
moda eiusdem pronominis iyd iteratio iyoi yccQ olfiat — mv slg 
iyd : in priore enim enuntiatione causa exstat nuUa cur pronomen 
efferatur, in altera id etiam necessarium est. Hinc oratorem scrip- 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. N. F. Bd. I Uft. 4. 24 



844 C. Scheibe: lecliones Lysiacae. 

2 sisse suspicatus sum Syvav yaQ, m ßovXriy navtag toig {%Qinuq 
XI dv^xvxfi^ touwvov ti ^ricstv vuxl rovro (ptloaofpetv ^ in quibus 
^doöog>siv ironice dictum (auscalcuUeren, austifteln) lepori faceüis- 
que hominis invalidi bene respondeL Kayseras tarnen maluit stxog 
yag^ ä ßovXff^ Sauppius apud Rauchensteinium fya yicQ o^cui, co 
ßoviiq. Ceterum v. Westermanni Comro. cht. IV p. 10. 

Deinde verborum €lg tag oöovg rag fucxQOvigctg wv ivcty%ctltov 
falsam esse quae ad nostram usque aetatem propagala est inter- 
pretalionem me evtcturum esse confido. Reiskius in inlerprelatione 
3Lat. (Or. Graec. VI p. 588) ita: 'mihi machinam excof^ilavi , qua 
molestias itinerum allevarem quae suscipienda mihi sunt paulo Ion- 
giora, quam sunt illa cotidiana et inevitabilia (in forum et ad fami^ 
liares in urbc, quo pedibus ligneis fultus commeare soleo).' Reis- 
kimn secutus Falkius in interpret. German. p. 279 ' für weitere als 
die gewöhnlichen Wege'. Putaverunt igitur genetivuni rc5v avay- 
xo/oDV ita pendere e comparativo (lax^fcniQag^ ut esset pro rj at 
avayKatai, Atqui invalidus si longiora itinera fecrssel , quam quae 
sunt necessaria, fecisset ille itinera etiam non ncccssaria. Num 
vero eum qui.tam pauper est, ut stipem ex aerario accipiat, quam 
ne amittat enixe contendit, num eum, quaeso, credibile est ad itinera 
non necessaria facienda equis uti, aut, si voluptatis causa usus est, 
id apud eos, a quibus propter paupertatem suam Stipendium petit, 
eonfiteri? Hoc cum per se absonum est, tum repugnat ipsis inva> 
lidi verbis, qui iiegat § 11 se dii r'^v vßqiv in equos ascendere, di- 
citque se saepe cogi alienls equis uti preeario sumptis ($11 extr. 
xolg alXor(fü)ig titnotg avayxa^ofiai XQtia^at noXXamg). Expiosa 
igitur hac vulgari Interprelatione sie potius statuamus, genetivuin 
zwv avaynalonv esse eum quem vocant partitivum : * ad longinquio- 
rcs necessaviarum viarum/ Usitatius erat iig tag (UCKQOviQag twv 
avctynalav odcov. A consuelo aulem dicendi ordine deflexit orator 
propterea quod, quoniam initio commemoravit quas debebat ante 
omnia commemorare, longinquiores vias, cavere voiuil ne forte qui 
audiebant eas vohiptatis deiectatiohisque causa sascipi crederent« 
Est haec quidem paulo insoientior coUocatio verborum , sed ut con- 
structiö qua genetivus partitivus cum positivis vel superlalivis eius- 
dem generis iungitur in vulgus nota est (v. Bernhardy synt. Gr. .p. 
154 sq. Kruegeri gr. Gr. § 47, 28), ita ipsum comparalivum cum 
genetivo quemadmodum in nostro loco coniunctum habes apud 
Thucydidem I 73 extr. tw TtXiovi rov örQctTov, VIII 48 rov kcciqi- 
Kov TCO TtXiovu 

Eiusdem or. § 11 o de fiiyiCTOV^ m ßovXri^ rsKiitj^tov m dia riiv 
avfMpoQccv iXX^ ov öia r^v vßqw^ wg ovrog qyrjiSiv^ inl xovg ^imavg 
avaßalvm ^ccöiov i(Sxi fiad'etv, Verba postrema ^adiov iöxi fia- 
&eiv ego meo, ut aiunt, Marte seclusi, ut ab imperito nata interprete, 
qui usus particulae yscQ post o ^or^ (liy^axov x67i(irJQiov pervuJgali igna- 
rus esset: me secutus est Rauchensteinius. 

Praeterea g 12 correxi xa/roi Jtmg ovk axojtov iax^Vf m ßovX'^^ d 



C. Scheibe : iecliones Lysiaeae. 345 

ftiv i«' iargeißrig oxovfisvav lo»^ (la, Himnäv &v^) (zl yaq Sv ncA 
iXsysvi), ou d' inl rovg '^Trifuvovg iTmovg uvußaivto^ miqaa&ai jtel^siv 
V (lag tag dwcetog sl(it; Parüculae enim av accessionem postulat con- 
struclio verborum, iil perspexit Kayserus , qui tarnen illam reiecit post 

46) Omuiiio &v parlicula multarum turbarum causa exstitit, ut mihi a 
libris et mscr. et editis plus viginli locis discedendum esset. Pauca exempla 




suetudine usus esset.' Kcquid e condicione hoc pendebat et iucertum erat 
aut dubium? Immo vero actor certo asseverat Aristophanem nullum cum 
patre suo usum habuisse: quod nisi ita se haberet, causas nou exposuis- 
set, quae obstitissent qirominus artior inter utrumque Intercederet neces-28 
situdo et familiaritas : ^ ts yag rjUTi^a, inquit, tcoXv didq>OQog, H rs 
tpvatg izi, nlsov "hiBivcti fihv yag yv — nifiäa&ai, Atque condicionali 
illa sententia probata potius aoristo ^pijcraro locus esset. Forsitan igltur 
av consuetudinem factique repetitionem significet. Verum id ita demum 
fieri inter omues constat, si non certo qnodam aut continuo tempore, sed 
fortuito et quotienscumque occasio ita tulerit (allemal, wenn es sich so 
traf) aliquid factum esse dicitur: v. Hermannus de part. av p. 20 sqq., 
Bernbardy synt. Gr. p« 373, Eruegeri gr. Gr. $ 53, 10 n. 3. Lysiae 
sunt ex eo genere duo exempla, quorum i^num est in or. 7 $ 12, alterum 
in or. 20 § 9, ubi Reiskius perperam mälebat av %aQ'{GTavxo, lam con- 
sidera nostrum locum , quem si ad illam legem attenderis, ita interpre- 
tari debebis : ' Aristophanes , quotienscumque occasio ita ferebat , multo- 
rum quam patris mei consuetudine Uli raalebat.' Immo semper et per- 
petuo malebat. Itaque quoniam ne haec quidem expediendae part. av 
ratio quicquam expedit, in ed. priore Reiskio auctore scripsi noXXoig 
aXXoig iiäXXov ixQV'^^o rj ro9 i^^ naxgC. Sed cum a scrlptura co- 
dicis propius absit quod nuperrime in editione Ranchensteinii coniecit 
Sanppius noXXotg ürj iiäXXov ixQ'^to optimeque oonveniat nsui loquendi 
et loci rationi (^dasz er eben mit vielen lieber umzugehen pflegte' Rau- . 
chenst.), hanc emendationem in ed, alt. praeoptavi. AN et z/H saepe 27 
confusa esse docuit Schaeferus ad Dem. p. 262, 23, confusionis causam 
palaeograpbicam indicavit Porsonns in miscell. p. 182. Eadem permuta- 
tio facta est, ut videlur, or. 29 §9 et 11. Ütrobique enim pro xal 
yäg av nal Ssivbv stri Cobetus in or. de arte interpr. p. 06 scriben- 
dum esse vidit xal yocQ di} dsivov av strji nam et alterum xa^, cuius 
originem facile dispicias, cum omnino nihil valeat, importune intrusum 
esse patet , et constans est locutio Lysiae restituta. — Contrarium errorem 
fexemit Dobraeus ex Isaei or. 9 $ 16 scribens äats noXv av %'axzov di^a- 
&sfi0€vov iiTjSsva noxh xAv iavxov ol%Biaiv BiaXB%Q"flvai KXicovt pro (oaxs 
TCoXv Srj &äxxoVj quod obtinent libri. Editores Tur. conferri iubent Isoer. 
or. 21 S^^i 1-ycurgi § 30. — In or. 30 S 33 XQ^ xo^wv , JoansQ av 
Tovxovg OQaxs 3rpo'9't7fi.09g afo^ovxag xovg q>£Xovg, ovxcag (X, ovxoo Bekk.) 
%al vii,äg xovg ix^Q^'^S xt.iKOQsta&ai cum av cum ogäxs coniungi non 
posse manifestum sit, (SanSQ Srj xovxovg corrlgi voluit Cobetus 1. d. p. 98, 
(SansQ xal xovxovg scripserunt Baiterus et Sauppius (ac de parlicula naiC 
quidem in comparationibus usiirpata cf. Lys. or. 19 § 36, or. 27 $ 12, 
Xeii, Cyrop. 16, 12, Anab. 1 1, 22, Heindorftus ad Plat. Phaed. p. 36, 
BornemannuB ad Xen. Conv. p. 193): mihi in ed. pr. placuit SansQ atf- 
xovg xovxovg (cf. Emend. Lys. fasc. p. 26 sq.). At nunc intellexi vocu- 
lam av attrectari non oportere, quippe quae cum aoi^ovxag coniuncta sit, 
ne deprecatores illi vere Nicomachum servaturi esse videantur. Itaque in 

24* 



S46 C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 

Toüfrov. Mox dvvmog bI(ai reposui cum eodem Kaysero pro dvvarog 
cTi^v coli, eiusdem S verbis extremis et S 14 et 18. 

Oraiionis vicesitnae quiniae 

S 9 öK^lfau^s yaQ, od avSQsg SiiUxötal, tovg n^tavrag äfigxy- 
teQmv tav TCoXnsuhf, iaaxtg öif fuzeßäkovro (furaßaXXovio Vindob. 
non male), ov O^vi%og (ihv xccl IlslaavÖQog xal ot fur^ ixslveov dij' 
fMxytnyoly iicetdii noXka elg v^äg i^i^fia^ov, rig tcsqI tovrcav dslaarreg 
Ti(imQlag tipf n^tqav oXiyaQ%Ucv naxhxrfiuv^ fColXoi öh vmv xezqa- 
TWöimv fier« täv ix IlHqaimg iSvy%axiikbov ^ iviot öa xwv indvovg 
ixßaXovxcav ncvxol avd'tg x&v xqianovxa iyivovxo ;, eiöl öl oixivsg 
Tc5v EXivatvädB aTtoyQaifwiiivciiVj i^eX&ovxeg (ie&' vftcov, inoXioQr 
xovvxo ficr' avxäv. Sic vulgo locus scribi solet. av&ig e con- 
iectura Reiskü edilum est pro avxotg, quod habet Palatinus. Nam av-- 
xcivy quod in Laur. C invenitur, soli suspitioni debetur, in quam ean- 
dem ante hunc librum collatum et excussum Taylorus et Marklandus 
inciderant» Mihi quidem in ccixotg, quod non temere a librario codi- 
eis archetypi exaratum esse puto, latere videtur av xijg^), ita ut oXi- 
yaq%lag e superioribus verbis ti/v TCQOxiQuv oXiyuq%Utv menle inlelle- 
gatur. Prior enim oXiyaq'jKia est Quadringentorum, altera iUi opposila 
XXXvirorum ^ av rcov xqtaotovxa, Sed hoc levius est, graviores mo- 
lestias facessunt illa quae haud multo post secuntur inoXiOQXOvvxo 
fiev' avxav. Demonstraturus est orator quam saepe suam quisque 
factionem mutata volunlate deseruerit et ad contrarias transierit partes. 
Testari hoc in his arüictis temporibus cum alios tum eos qui cum no^ 
men mililiae ad expedilionem ad versus Eleusinem suscipiendam dedi»- 
sent, postmodum ad XXXviros in ilJo oppido conclusos transfugerint 
cum eisque obsidionem perpessi sint. Nam sie vulgo accipi et expla- 
nari solent illa verba. Animorum rgilur mutatio et inconstantia in eo 
conspicua erat, quod initto popularis imperii studiosi erant, mox au- 
tem cum eisdem tyrannis fecerunt, ad quos impugnandos profecli 
erant. Huic interpretationi muUa reluctantur. Primum cum XXXviri 
Athenis Eleusinem fugissent, tarn desperata eorum res futt, ut multos 
ex popularibus partibus ad eos confugisse vix credi posse videatur. 



27 ed. alt. Teiiiinl ^manSQ av rovtovg, — Sed sustuli stribliginem qnne 

verba vitlaverat or. 19 $ 44 oaats (X pro caGx') ovx av siyioTatg ijfiäg 

alxiäaO'B eo quod Dobraeum secutus correxi alxidaaiaO'B ^ a quo pro- 

nior erat in ttlxiaß%-B mutatio, quam ab alxKßaO'By quod idem Dobraeus 

propoBuit commendavitqne Kayserus. 47) Lltteras enim ri et ot per 

iotacismum saepe a librarüs Graecis inter se permutatas esse in vnlgus no^ 

tum est: cf. Boissonadius ad Choric. Gaz. p. 211. Quod non tenentes in- 

terpretes in Pseudo-Andoc. or. 4 § H ediderunt cv.i^aaQ's 9h ncSg av xig 

MOfXtt 116^00 xovxoav naxaGY^vaanev y bI — xbv tpoQOv Bnacxat SinXa- 

eidcBiBv: meliores enim libri AB cum habeant ^xacrn/ff, editores Tur. recte 

emendaverunt i'ndaxoiq, quod ego quoque coniectura assecutus eram. At- 

que iß. Dem. Mid. § 144 itqog dh fnjxQog xov^Initov^Y.ov %al xavxrig v^g 

ol%£ag^ ^g vnaQxovoi noXXal ytai iisydlai ngog xov ö'qfiov BvSQysaiai e 

solo 21 eidem Turr. bene reposuerunt olg vndqxovai coli. $ 145. 



C. Scheibe: lecliones Lysiacae. 347 

Adde quod inoXwQTiovvro obscure neque ad sentenliam oraloris appo- 
site dictum^ est. Non enim quid tolerassenl una cum iyrannis comme- 
morari oporluit, sed quid fecissent, quemadmodum factum videmus 
supra : t^v nqoxtqav oXtyciqilav natiaxrfittv et avynctxiik^ov et twv 
xqiaiKOvt& iyivovxo. Itaque transisse ad XXXvirorum partes dicendi 
erant, id quod non inest in iTtoXioquovvxo, Praetereaque cum % 10 ex 
illis exemplis facile perspici narretur non de forma rei publicae inter 
se dissidere cives, sed de eo quod cuiusque maxime intersil, sequitur 
illos existimasse obsidionem sibi esse utililali: quae paene perversa 
«st senlentia. Nimirum utrarumque partium principes (pt itqoaxivxBQ 
a(ig>oxiq(av xmv Ttohxet&v) ad eam rei publicae formam, in qua salutem 
suam tuto coitocatam existimarent, studia sua conferebant, ut Pbryni- 
chus et Pisander cum plebi multa et gravia inflixissent vulnera, metu 
ne suorum scelerum poenas dareht priorem optimatium dominatum in- 
fitituerunt, muUi e Quadringentorum numero cum optimatium causam 
perisse intellexissent, cum exulibus ex Piraeo in urbem redierunt, rur- 
sus nonnulli ex popularis imperii studiosis, qui ilios expulerant, cum 
plebts potentiam eversam esse vidissent, ad XXXvirorum se domina- 
tionem applicaverunt. Quid igitur? Num inter eos qui populari civi- 
tali inserviebant, post optimatium causam a Thrasybulo victam restitu- 
tosque in patriam exules , exstitisse credibile est qui se suum in illo- 
rum optimatium imperio commodum pelere et consequi posse opina* 
rentur? Scilicet stuiti isti fuissenl aut certe temerarii. Hac igitur ra- 
iione explanari verba, de quibus quaeritur, nullo modo possunt. Aliam 
sententiam nuper protulit H. Sauppius in ed. Rauchensieiniana. Is 
provocans ad or. 12 § 52 et or. 13 § 44 ita statuit, inteUegendos esse 
eos, qui a XXXviris ex urbe in agros relegati (coli. or. 31 S 8) 
ex parte Eleusinem habitatum concesserint, tum aulem cum XXXviri 
ipsi eodem profugissent , una cum illis se obsideri passi nee quie- 
quam contra illos moliti sint. At ne haec quidem ratio, ut opinor, 
rei difficultates expedit. Primum enim huc non prorsus faeiunt loci 
a Sauppio adhibiti: in eis enim nihil aliud memoriac proditur nisi 
niultos cives, qui Eleusine commorati eranl, a XXXviris trucidatos 
esse, ex quo illud quidem eßicitur cives eo tempore ibi fuisse, 
non tamen efiicitur partem eorum ex agris in hoc oppidum se habi- 
tatum contulisse, cuius rei memoriam nusquam litteris consignatam 
scio, ut Sauppius hoc sibi sumpsisse videatur. Sed fuerit haec con- 
iectura probabilis, num quod seditionem contra inimicos suos movere 
conati non sunt plebis studiosi, num, quaeso, in eo voluntatum eerni- 
tur mutatio, quam praedixerat actor in rei publicae conversionibus ab 
utrarumque partium principibus factam esse (<t7ii'tlfcc<f^s — oaamg Sri 
(lexißdkovxo)! Num quis inde collegerit eos haud dubie ad partes 
optimatium transfugisse? Nonne cum obsidionem cum tyrannis tolera- 
rent, quamvis tacentes, propensam in populum voluntatem servare po- 
terant? Atque ne hoc quidem ego concedo, verbo iitoktOQKavvxo signi- 
ficationem nihil moliendi tacendique involvi; valet enim *obsi- 
debantur', nihil ultra. Emergit opinor hanc qu que loci interpreta- 



S48 C Scheibe : lecUones Lysiacae. 

üonem improbabilem esse. Tertiam autem qaam iogrediar viam noir 
iaveoio neque investi{g^re opus est, eum ea quae vulgo ferlur ieeüo 
nullam habeat a codicis prineipis tesümonio eommendalioaem. Quam 
eniin Bckkerus scripluram auUa codicis Pal. discrepanlia in mar^ine 
notata recepil in ordinem verborum fieT* uvt&Vj eam in archelypo 
inveniri falsum esU Secundum Kayserum enim, coius e collatione 
mullis saepe locis quam Tallax sil de Bekkeri silenlio iudicium cogni- 
tum est, in codice scriptum exstat fis^' uvrmv, idque eo minus sper- 
nendum, quod, ul supra vidimus, pronomen reflexivum ovrov celL 
praeterea niisquam nisi sex locis exaravit scriptor libri Pal. , in ceteris 
Omnibus, ubicumque illud roquirilur, usurpavll formas pronominis aya- 
ipoQixov €tvxov cetU De calami autem lapsu suspicari vetat praegressa 
Utlera ^. Quin eliam in apographo Laur. legitur fieO' lovrcSv, cutus 
quidem librarius, ut fuit Graecis litleris haud leviter linctus et ad sen- 
tentiam aiiquam qualemcumque e scrip Iuris codicis Pal. depravatis ex* 
lundendam pronus, si in exemplo suo scriptum vidisset fAcr' ovrov, 
hoc ut sensu non prorsus deslitulum sine dubio cupide amplexus esset 
Quodsi probalur [u%'* amav, in ceteris Vitium aliquod insidere ne- 
cesse est. Atque ego quidem ita verba sanasse mihi visus sum, ul 
levi mulatione vel polius addilione scriberem sufl de ottiveg xäv ^EJUv- 
aivaÖB ifCoyQa'^aiAivaiv , i^sX^ivreg ficO' vficov, iTtoXtogxovv %ovg 
fLed"^ airav: ^nonnuUi autem eorum, qui nomen XXXviris £leusi- 
nem dederant, egressi vobiscum eos obsidebant qui suae faclionis 
erant.' Haec ipsa sententia est, quam flagitari vidimus: 'nonnulli 
oplimalium suis desertis ad plebis partes Iransierunt, quacum ex urbe 
ad obsidendam Eleusinem egressi oppugnabanl eosdem, quorum aii- 
quando partes ipsi secuti erant.' Ita concinne et aequabiliter descri- 
buntur conversa ea aetate et inclinata nonnullorum in rem publicaoi 
studia: nonnulli e Quadrlngentis populäres facti, rursus ex optima'* 
tium illorum adversariis XXXviri, ex eorum amicis populäres eidem- 
que XXXvirorum hostes infeslissimi. Nam of ^ElsvaiviÖB iitoyqcif^fa'- 
lisvot mea quidem sententia ei intellegunlur, qui post decemviros Athe- 
nis inslitutos XXXviris nomen dederunt, ut una cum eis Eleusinem 
discederent ibique causam oplimalium tuerentur : v. Xen. Hell. II 4, 24 
Illud quidem cerle opinor dubitari nequit, quin tyrannorum adiutores 
admlnistrique fuerint, qui poslea cum plebe obsidebant xovg (ab^^ crv-^ 
rav, i. e. suae ipsorum faclioni ascriptos. Tales enim xovg (uta r4,vog 
diel e locutione fiertt uvog elvai haud infrequenti planum est: cf. 
Thuc« VII 33 ovzot d* oidi (le^'* hiQmv f^oav. Arisloph. pacis v. 766 
itdhg tavva %Qeav bIvm ^bx* ifAov xckI xovg avÖQag »al xovg Ttaiöag. 
Isoer. paneg. $ 22 tiyoviicci xal xavxovg slvai (isd'^ rui&v^ cf. S ^ 
neque dissimile est quod attulil Hermannus ad Vig. p. 859 ex Kur. HeL 
895 fA€^' ''HQccg axäöa , a partibus lunonis slans. 

AUa quaedam, quae in eadem oratione vel emendavi vel suspi- 
catus 8um, perstringere iuvat hoc loco. Atque 

S 1 QQyliea^ai post cvyyvoifiifu S%m posilum iam supra tuitus sum» 
^'^ecuntur haec : xäv dh KCixi^OQiov ^«vf^afco , o% ifiBJiovvxsg xmv o2- 



C. Scheibe: lecliones Lysiacae. 349 

9tsim¥ TcSv illor^lcav inifiekovvrm * o^ öag^mg eUovsg tovg iirfisv adi- 
Kovvtag oiai rovg noXka i^rniagtriKOTag ^rirovöi xegöatveiv, if Vfiag 
Ttei&Biv Ttsgl aitavxoav rifiSv rijv yvwfiriv tavxrjfv ixBiv. Allerulrum pro- 
nominum o¥ corruplum videbatur plerisque omnibus inlerpretibus , ut 
aut pro priore aul pro altero ei scribi mallent, Westermannus autem 
ow 6ag>mg corrigendum esse suspicarelur. Verum cuni enunlialiones 
singulae singuHs pronominibus relalivis introductae non slnt slbi sub- 
iectae, sed ila conexae, ut- ambabus quid sit quod oralor mirelur 
contineatur, Kayserus in ann. Heidelb. I. d. p. 231 rectam vlam in- 
^essus mihi videtur, qui prius oH intactum relinquens alterum cum 
parlicula xa/ commulandum censuerit. Lenius tarnen corrigas meo 
iudicio intfukovvTtttj xal o? aag)mg eidoteg xrl. Particuia enim xal 
cum ultima verbi iitifiekovvrcci syllaba coaluit, sicuti infra S 25 &^i>ov 
idi fivfia^vat Tcov fiera tovg tSTQaxoaiovg nqay^ixtav pone fAVija^- 
vai eandem particulam xal oppressam esse vidit Bailerus, itemque or. 
16 S 3 iav 6h q>€clv<afiai negl xa Slla (lex^iag ßsßicDxag pone qxxivüH' 
(Aat interponendam necl iam Reiskius inlellexeraU Nee minus or. 14 
$ 2 ootfr' iTt^ ivioig (htivi%loig libri) ov ovxog g)tkoxt,(ietxai xovg 
ixd-Qoifg ala%vve6d'€ci mihi persuasum est eam particulam pone g>tXoxt' 
fisixcct excidisse. 

Sed iam ad or. 25 revertamur. Verba MQÖalvstv ij licet ea ra- 
tione quodam modo explicari defendique possint, quam in ed. pr. et 
in Emendd. Lys. fasc. p. 31 n. inii C lucrum facere sive mercedem ac- 
ciperc, aut alioquin, i. e. nisi eam mercedem acceperint, vobis 
persuadere student ut hanc opinionem de omnibus nobis concipiatis'), 
tamen cum lucrum quaerere omnium sit delatorum (S 3 et 32) maxime 
proprium , ila ut neminl mtrum accidere possit hoc negotium (xmv dl 
KaxTiyoQOJv d-avficiito), omninoque mercedis mentio ad hunc quidem 
toeum nihil pertineat : nescio an recte idem Kayserus verba xSQÖalvnv 
fl pro glossemate habeal. Taylorus correxerat Mqdatvuv xal, quod 
ut susciperem monuit me C. Halmius. Neque vero quicquam de verbis 
Ti)v yvüifiriv xavxf^v mutare ausus sum. Etenim quamvis speciosae 
sinl Taylori et Rauchensie inii coniecturae, quorum ille r^v ywoyiviv 
xfiv avxT^Vj hie xt^v avt^v yvei(Afiv scriptum voluit, tamen librorum 
scripturäm ita tuendam esse puto, ut cum Reiskio interpreler hoc 
esse animo, quod respiciat ad illa OfAolmg aitadiv o^lt^s^d'ai. 

In S 2 bI ^iv Qivv olovxat, S vno xmv XQiaxovxa ysyivfjftai xy 
nolet, iliov »axifyoQrinivai, aö'wixovg cevxovg '^yavfiai Xiystv pro- 
nomine ifiov argumentatio mirum quantum duabus de causis turbatut 
ac potius pervertitur. Unum hoc est, quod quae subsequilur ratio 
ovöh yitq TtolloiSxov iiiqog roSv lnüvoig 7t&tqay^iv(ov slgi^xceCiv non 
spectat ad rei malefacta, sed ad XXXvirorum scelera: alterum, quod 
reus de se ipso in ea demum enuntiatione loquitur, quae huic opposita 
est criminalionemque qua communicalorum cum XXXviris consiliorum 
ac facinorum ab accusatoribus insimulabalur , diluit his verbis: sl de 
ig i^oC xt fiQoailTiov ne^l avxmv noiovvxM xoig loyovg anaSei^tü 
xwxovg iilv oTtavxa (ila cum Stephano. pro afcatnag) ^fsvSoi/^havg. 



SSO C. Scheibe: lecUones Lysiacae. 

Vulgatam eoim iiuw si servatur, haec prodil inepta sententia: *si kli 
se accusavisse arbUrantur me propter omnia XXXviromm facioora, 
eos indisertos duco, quod ne minimam quidem partem scelerum al- 
tigerunt, sio vero ad me perünere illoram scelera conteaduiit, haee 
eos mentiri oslendam: L e. si me scelerum a tyrannis commissonun 
accusanl — sin vero me scelerum a tyramiis commissonun accusanU' 
Has nugas noli Lysiae nomine dignas habere, praeserüm In tarn de- 
ganti luculentaque oratione, qualis haec noslra est. Nlminim scripsit 
ille el fiiv ovv ohtrtai — Of^ov xtafiyoQipUvaij ut oplime vidil Mark- 
landus. ^Quodsi isti' inquit ofator ^quaecumque sunt a XXXvlris rei 
publicae allata incommoda se omnia slmul in accusaüone enarrasse 
arbitrantur, dicendi rüdes eos duco: nam ne minimam quidem partem 
faeinorum ab illis commissorum persecuU sunt: sin vero de iis ita 
verba faciunt, tamquam ad me quicquam eorum spectel, ea mera men- 
dacia esse demonstrabo.' Prior igitur enuntialio eaque generalis de 
XXXvirorum maiefieiis est, altera Uli subiecta versatur in ea quae in- 
tercessit inter reum ^t iilos ratione et coniunclione. 

Levius illud est quod S 4 suspicatus sum dedisse Lysiam iccw 
q>uvm pro iav iatoqHitvm a^^fpoqaq ficv (iridsfuag aSttog yeyevfifiivog i 
verbum enim aTCoqxdvtad^at apparendi significatu usurpalum legere me 
non memini. 

In verbis S 6 lnavol yaq ot wta^ovtsg ixd'Qol t§ nikei %al (liyei 
xi^dog voiUiovxeg elvat rovg adlnrng iv xalg diaßolatg xa^eövipiorceg 
primus, quantum scio, offendit C. Halmius, ut mihi per litteras signi- 
ficavit, in vicem parlieulae lud subslituens o£: ac sane quales esseat 
isti inimici explicari debebat. At vero, nisi me falUt, hoc ipsum inest 
in vulgala scriptura: quod enim generatim dictum erat, id deinceps 
accuratius separatim explicatur per particulam Kai hane vim haben- 
tem: et tales quidem sive eique tales, de qua vi cum nola sunt omnia, 
tum diligentissime exposuit doctus amicus Albertus Doberenzius ob- 
serw. Demosth. p. 7 sqq. ; adde Foertschii observv. crit. in Lys. p. ö8y 
Fritzschii quaestt. Lucian. p. 9 sq., Weberum ad Aristocr. p. 193.*^) 

Tum S 10 priorem manum Palalini ^rivovvtag de ^ ng aimotg 
restitui pro eo quod superne scriptum est elxig^ proximeque ex eodeni 
iibro iyiyveto (non iylvsxo, ut narrat Bekkerus) (oq>iXeM pro mq)ir 




, 48) 
ntanora 

drjts xal . _, , , 

Tiad'' haatinv a Bekkero ceterisque interpretibus omissam nuperrime e X 
revocavi. Plcne enim sie explananda verba sunt: de bis rebus ut vos quo- 
que siÜB oertiores , non satts est haec munera universe indicasse, sed scriba 
pablicuf etiam sinffulatim omnia recensebit. Geterum ad xa<9'' B%(xa%riVy 
quod male in %u&* E%a€tov mutatum voluit Marklandus, non solum slatpo- 
Qav cogitatione assumendum est, qnemadmodum Reiskius existimavit , sed 
etiam %OQriyCav et tQtrjQaQX^av , omnes denique intellegendae sunt XsiTOvq- 
ylaif qnibus fUnctus est pater oratoris. — Einsdem codicls auctoritate nuxl 
ioserut er. 14 S 10 CnKSvaavteg Sh nccl xov aXXov xQOvov, ubi parti- 
cula a Bekkero neglecta est, agnita a Eaysero. 



C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 851 

kua iylvsto, quod habet C: nam in formis yfyv€(f^ai el ylvBa^ai, yt" 
yvoiaxuv el y^vmaxsiv promiscue usurpatis ubique codicis aaclorllatem 
sequendam duxi. 

Sed medicina quae quidem probabiiis sU non possunt sanari quae 
in eiusdem or. S 33 leguntur : itaque de his nolo hoc ioco expiicare, 
sed si qui volent Ingenium suum exercere, singulis sententiis, quarum 
varietaföm cognoäcere licet ex editione mea posteriore, examinatis 
ponderatisque videant quid ipsi rimari et in medium proferre possint. 
lüud meo quidem iudieio cerlum est, initium verborum S 32 xal rov- 
Tcov fiev ov» a^tov d'ccvfidtsiv, iSficov Ji, ou oteöd'B fiiv drifio^ 
nqaxiav elvaty ylyvetat 61 o r« av ovxoi ßovXannai iusta reprehen* 
sione carere. Quod enim S 30 de eisdem hominibus dicatur xovxmv d* 
Sil^unf ^av^iatuvy o u av iTColrfiav, sV tig avxovg staCe xmv XQtanovxa 
ysviö^at^ id adversa fronte cum illis pugnare opinatus Kayserus 
ann. Heidelb. 1854. 15 p. ^1 aut inscio invitoque excidisse oralori re- 
pugnantiam istam putavit, aut, quae senlentia ipsi probabiiior videatur, 
per interrogationem scribendum esse ij xovxmv iilv ovk a^iov &av(ia* 
iuv , v(iav öl xrl. , quibus superiora illa corrigantur. Quod nollem in 
mentem venisset viro sagacissimo. Scilicet haec cum illis tantum ab- 
est ut discrepent, ut optime accuralissimeque concinere videantur. 
Priori enim membro %al xovxatv (iihv ovk ul^tov ^aviid^siv, quod nega- 
tione proprie carere debebat, eo consilio addita est negatio, ut vis 
eorumquae illis opposita sunt magis iliuslretur aug^aturque: quod est 
correctionis quod dam genus cum gradalione Graecis quidem valde 
frequentatum (cf. Vindd. Lys. p« 44 sq.)* Enarrari sententia polest 
hoc fere modo: nal xovxtav filv ov» a^iov '^ovfux^^tv, ncdn^Q a^iov 
ov, vfimv di: ^atque hos quidem lales esse mirandum non est, quam- 
quam profecto mirandum est, sed vos potius.' Eaque ipsa dilucidiore 
et fusiore loquendi forma ulitur Demosthenes or. Phil. III $ 55 %al ovxl 
XQvxo nm ÖHVoVy iMtLneQ ov öuvov ItkXa xai ftera jcXelovog ioq>a'- 
Xslag nohxiviiS^at dedfOKccxa xovxoig iq xoZg wiIq v(ic9v IfyovtStv. V. 
Weberus ad Aristocr. p. 459 » Heindorfius ad Plat. Gorg. $ 144 et ad 
Hör. sat. II 7, 109, Foertschius comm. de locis nonn. Lysiae et Dem. 
p. 40, C. F. Hermannus de protasi parataetica p. 4 n. 10* Nunc licet 
comparare duos locos oralionis Hyperideae quae est pro Euxenippo 
luculentissimos, quorum unus legitur p. 12, 15 sqq. ed. Schneidewin. 
ov yaq dmcov ^OXvfMuadi (ilv xa A^vrnsiv kga isuKOöfietv S^süxiVj 
fifuv öh xa iv Jmömvv ov% i^iöxM, nal xavxa xov ^sov TtQo&ta^av*' 
xogy alter p. 13, 3 nai ov 0h (kiv ovxmg oioiiat (scrib. ol(Aai coli. 6. 
Dindorfio ad Demosth. praef. p. XIII ed. III) dstv nqaxxBw^ avxog d\ 
alkov xiva xqoicov x^ jtoXixd^ iU%qirniai. 

OraUonis Iricesimae 

S 19 ncSg d^ av xig eiasßioxsQOg ytvoixo i^iov y ocxig al^tm nQm- 
xov iiiv Koxa xic nax(fuz ^etVy Ineixa a fiäXXov av^upiqu x^ no- 
Utj Sxi dl a d^iiog iijnifpliSaxo xal dvvffi6(ie&a öanaväv ix rcSv 
TtQOöiovxfov %(fri(iaxmv ; Cum non tria sacrorum genera distinguat ori^- 



S52 C. Seheibe : lectiones Lysiacae. 

tor , sed duo , in verbis imtxa a (läXXov Vitium latere perspicuum esU 
Qaare ixd tavva iiäXXov scribi voluit Weste rmannus, ego seculus suin 
in editione mea Rauchensteinium , qui Insixa cancellis saepsit. At 
in utraque ratione comparativus quemnam intelleclum habeat vix qais- 
quam dicat. In eodem merito offendens Bergkius in lahnii ann. philol. 
LXV p. 392 sie iocum constitutt: iml x« (lälusta uviupi^et vj noksiy 
Imixa di a 6 dfi(tog iflnj<ptaato, d dwrfio^a dmuxvav. Equidem 
nescio an iila minore molimine refingi possint hoc modo : novit xu icct- 
€Qia ^Hv (inel xlva fAaAlov avfMpiQei x^ Ttokii;), hiöh a b d^ 
(iog %xL * qui censeam sacra esse primum e ritu pairio facienda (nam 
quae magis prosunt rei publicae?), praeterea vero ea' et q. s. In cod. 
iPal. est httix a, ut Kayserus lestalur. 

S 22 %al xavxa oqmv vvxifv iitoqovtSav XQfi(jLccxo9V — Botmxiwg 
di avXa Tcoioviihfovg^ cxiov Swafis^a Svo xikavxa aitoSovifai. Sic 
libri post Reiskium ediü^ ante Reiskium öKvka vulgaris lectio erat. At 
in cod. X non avioc legilur Kaysero quidem teste, sed avl«, qui ac- 
centtts indicio mihi esse videlur dedistte Lysiam cvXag, Sic enim 
Harpocralio v. övkag p. 171 ed. Bekk. (281 Dind.) Jfi^oa^ivrig iv to 
yte^l xov atBqxivov r% xqh^quqx^S' ^v xm rc^g xijy AuxqIxov na^ 
4fayQtt<piqv < i^ekofievog onoxav fiti ovXm wSiv ^A^tp/aloig. » iv dh xocg 
l|^ff äiSTCSQ i^riyovfisvog tivxo qnfiiv mifeavli^fii^a Si xa r^fihsQa av- 
%mv VTto Öa^rikixmv äfffCBQ ösdoiiivtov avk^v OaörjUxaig nctx* 'A^- 
viäiov. iTCStöcev yig fiii ^iXcaaiv aTSodovvat a SXaßov, xi av xtg M%oi 
£Uo ovOfMr ^is&ui x^ xoiovxca ^ oxi ivtuQOvvrai xa aXXovQia;^ dvxX 
«ocf xiig CvX^Big avXag SXiyov» Atque fere eadem reperiuntur in 
Phoiii lex. p. 473 Pors. Sed hanc interpretalionem iibrariorum culpa 
depravalam esse persuasum habeo. Scholl a quidem Demoslhenis ad 
or. 35 S 13 (p. 124 ed. Tur.) habent avXai (sie) övXXipIfSig^ ilemque 
ad or. 51 S 13 (p. 125) avXag Sh Xiyet xag avXXfjilfSig. Neque aliter 
£tym. M. p. 665 ed. Sylb. övXai , al övXXi^^s^g Ttaqu Jrifioa^ivei xrl. 
et Suidas p. 943 ed. Bernh. övXag. xag avXX'^ilJHg ei (post allata iila 
Demosthenis exempla) crinrl xov xag avXXi^ijfStg avXag iXeyov, ubi Sal- 
üiasius et post hunc Yalesius ad Harpocr. pro crvXXi^tf;^^ scribi volu- 
erunt övX^asig^), quod probavit Bernhardyus. Mihi secus videtur. 
Per vocabuium enim avX'^etg spoiialiones denotans non expiicatur iiiud 
tftüiUri, cum alterum altero non nolius usitaliusque sil aul dilucidius. 
Immo vero Harpocraüonis, ut arbitror, librarii peccaverunt, ipse autem 
item ut illi, qui sua ex Harpocratione muluati sunt, avXag interpreta- 
tus est övXXfi'^sig (Besitznahme, Beschlagnahme, Pfandergreifung), 
qua quidem glossa sane illuslratur notio. Quapropter ita exislimo , ev- 
Xov valere praedam ipsam, cvXtcg autem pignora quae ob pecuniam 
debitam auferantur (fere i. q. ^vöux). Ex quo apparet in Dem. or. 35 
§ 26 (SvXmv esse cum Schaefero et editU Tur. reponendum pro librorum 
«criptura ävX<ov, quod perspicuum est etiam ex or. 51 S 13 Sta xag 



49) Valesius quidem prodenter addens: * tarnen nil temere» p, 427 ed. 
Dind. 



C. Scheibe : Iccliones Lysiacsue. $58 

vwotovrcav avö^okriipCag nal avkag Turv&fxevaafihag (Besehlagnahme). 
i Nam quod in Bekkeri Anecd. p. d03, 27 afferlur övka ödovcci, id vel 

ipsum viliosum videtur. Ceterum cf. Boeckhii oecon. pubL Alh. I 
p. 763. 

Ut huius loci, ita permultorum aliorum ouration«m repelii e ood. 
Palatini indiciis quamvis errore scribenlis lapsuve obscuratls : ex qao 
numero pauca exempla expromam. 

Oral. 12 S 89 vulgo scribebalur xal (nkv d^ noXv ^^ovfjyav-^ 
ficcc, At non ^ttoi/, sed ^aötov exslat in codice, cui cum editoribus 
Tur. übsecutus sum: nam hanc quoque formam pro comparaUvo. usu 
venisse conslat, veluü in Isocratis or. 5 § 115 et or. 8 S 50 (in ed. 
mea per calami lapsum scripsi Isaei or. 8 S 50), quibus ^uobus locis 
cum Bailerus Sauppiusque recte ex oplinio cod. Urbinali edidiesent ^ce- 
diov pro §äov, ad prislinam rationem reverli non dubilavit Benselerus. 
Cf. Lobeckius ad Phryn. p. 403. Neque vero TtoXv scripsit Lysias , elsi 
in hoc vocabulo nihil per se esset quod reprehenderes, sed TtoXkm^ 
quod liquido latet in ea scriptura, quam repperit in codice nostro Kay- 
serus noXloli unde reposui noXka §a3u}v. 

Oral. 12 S 30 perperam adhuc vulgabalur iTtetöti de ilg ri^v ßov^ 

Xrjtf iKOfiicd'fij inoyqicpu^Ayoqinog ^qmov fiev rmv ccvtov fyyvij- 

rmv roc oi/OftaT«: si enim rede se baberet sing^ularis numerus inoiilad^, 

non in apodosi demum posilum esset nomen ^AyOQcctog^ sed iara in 

I protasi* Quare ita probavi quem Kayserus in Pal. esse animadverlit 

i pluralem numerum ixofiiad'fioavy ut praeter Ag^ratum ipsum stra- 

( leg'os taxiarchosque inteliegendos esse arbiträrer. Eiusdem libri ope 

I refingendus est locus 

I Or. 13 S 32 Kccl lioi anoKQivai, to ^AyoqaxB' oi yitq olfiaC üe 

i^aQvov ysvic^at: sie enim ediderunt interpretes ad unum omnes 
secundum Laur. G , ego vero in ed. pr. scripseram ov yag Sv olficcl ae 
l^ccQvov ysviad'at, At Pal. aXX^ otfial as i^aqvov yeviad'aiy in qua 
scriptura et negatio deesl et fuluri temporis significatio requirilur: pa- 
tet igilur ovx inserendum esse, quod ego feci eo ioco, quo facillime 
opprimi negatio polerat, i. e. ante ol^ai (ante quod verbum oppressa 
est'etiam or. 13 S 86, ubi v. annoL). Deinde post B^agpov subieci par- 
ticulam av, quod nisi placuerit , corrigendum erit cum Cobeto ytvrfiB^ 
a^cct ad simiiitudinem verborum S 30 antegressorum oHfiat (lev %al 
avTov OfAoXoyrlasiv. Denique voculam uXX^ in codice inventam tuen- 
dam mihi suscipiendamque duxi hoc sensu : ^ iam mihi responde , Ago- 
rate : at quamvis impudentissimus sis , lamen non puto te negaturum 
esse — '. Integra igitur verba partim ad fidem archetypi revocata par- 
tim e conieclura suppleta ita se habebunt: aXi* ovn olfial ce I^uQ" 
vov UV ysvia^aL xti. Nee minus quid verum esset in 

eiusdem orat. § 53 ovr' Sv ficoiv oir' Sxaw toaovtovg^Adi]'- 
vulovg aTtixrsivccg ad hoc tempus latebat, cum nihil de discrepantia 
archetypi memoriae proditum esset. Iam vero in hoc quoniam non 
^Advrpfalovg^ sed ^A^rivalmg esse a Raysero accepimus, certum est 
Lysiam scripsisse ^A^tivcclmv^ qui quidem genetivus cum ab ralione 



S54 C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 

commendatur, tum mertto eomprobalur a scriplore codicis Yindob., 
quem unum omnium fidelissime ad exempiar Palalinum expressum esse 
iam supra diximus. 

Eiusdem orat S 63 vulgo legitur g>vy6vTBg vag xo;l ov Ovlkij- 
g>&ivreg ovdk wtoiislvaweg t^v HQlaiv — Ttiiavzai vq>^ vymv mg ivÖQeg 
aya^l ovtsg. In Pal. Kayseri post ifvlXritp&iwBg addilur 6 s, quod 
mutavi in ys: ^posteaquam enim' inquil Lysias *hinc aufugerunt, si- 
quidetn noa sunt comprehensi neque iudicü sorlem exspeetaverunt, 
post reditum suum honorantur a vobis', proprie: et quidem non com- 
prehensi. Cf. Hartungii doctr. de partico. Linguae Gr. 1 p. 397 sq., 
Klotzius ad Devar. 11 p. 316. 

Eiusdem oral. S 71 iam in ed. pr. quod in X legitur akkce tovvfp 
XQUvyii ylvncci sie sanavi, ut scriberem o^a xovxfp, Veram hanc, 
ut mihi quidem persuasum est, scripturam depravavit corrector Lau* 
rentianus commento suo akV iv vovt^j quod tamen palienter tuieruni 
qui ediderunt Lysiam. 

Oral. 14 S 26 Alcibiades natu minor perhibetur prodidisse oppi* 
dum ^Ogsovgy ut Bekkero scribere placuit nescio qua innixo Uli aucto- 
ritate, yel^SlQSovg, ut legitur in Laur. C. At neque oppidum aller- 
utro nomine appellatum memoralur ullum —> Euboeae enim urbs ^^Qsog 
dicebalur — neque sie in X, sed^ÖQvaovg scriptum vidit Kayserus. 
Quod nomen cum ne ipsum quidem, quod sciam, ab ullo scriplore an- 
tiquo memoriae proditum sit, haud cunclanter emendavi'O^veag, etsi 
rem ipsam hoc loco narratam perobscuram esse non ignoravi. Sed 
nunc demum hanc emendationem a Marklando occupalam esse ani- 
madverti. V. Steph. Byz. I p, 496 ed. Mein. 'OQveial ^ ^O^ealy %ti(iii 
^A(^u(xg. l0u 9ial higa mkig fisra^v Koglv^v xa2 Si%vmvog (arli- 
culum hunc ex Euslathio ad Hom. p. 291, 6 addidit Meinekius coli. 
Slrabone VIII p. 376 et 382). Thuc. VI 7, Paus. II 25, 5, ad quem v. 
Siebeiis (I p. 225). 

In oral. 19 § 24 x&v (liv ^utqtvqtov aKovers, ov fiovov Zu 1^^^* 
4;Sav ludvov Ssti&ivrog X habet i^QT^dccvro^ ex quo fortasse eliciendum 
aul sxQfiCav tovro aul exgrjaav xoxb. 

Eiusdem orat. S 28 iXV inetvo ivd'vfteta&e , oxi n^lv xijv vav- 
lMJt%lav vtx^Uat, y^ (lav ovx rfv ilX^ ij %(oaqidiov (iixQoy 'Pafi- 
vovvxi scripseram in ed. pr. praeeunlibus crilicis Turicensibus pro vi- 
%rfi!DLij Qvöhv f(v akV rj, quod in cod. C invenlum edidit Bekkerus. At 
ne illud quidem agnoscit cod. Pal., quem habere vinrficit ye (liiv ovx 
f^v teslis est Kayserus. Iam vero ad vtKfjüca victoris victorumve signl- 
.ficatio desideralur, ut probe perspexit Bekkerus, qui- nomen Kovcava 
excidisse suspicatus senlenliae suae faulorem nactus est Sauppium. 
Is hoc ipso ys fA^v nomen illud reconditum latere ratus persuasit Rau- 
ch^nsleinio , qui vMtfiai Kovmva , ov7t t^v in orationis seriem recepit. 
Verum quis est qui ys (irpf ex Kovmva a librario depravatum esse cre- 
dat? Immo magis in promptu fuil permutatio vocabulorum ys fnifv et 
'^(lagy Idque ipsum in vices inquinatae scripturae substitui. Hie mihi 
obiciet quispiam Athenienses pugnae ad Gnidum commissae publice 



C. Scheibe : lecUones Lysiacae. 355 

tion inlerfuisse. Scio: sed posteriore tempore iilam vicloriam Alhe^ 
niensibus iure quodam suo suam dicere licebat, vei quod ipse dux 
Persarum victorque Conon genere Atheniensis erat magisque patriae 
quam Persis studebat, quos cum viclores faciebat, restituturu» erat pa^ 
triam (cf. lustinus VI 2) , vel quod multi exules et voiuntarii Athenien- 
sium privalo consiiio tunc in ciasse Persarum fuerunl , ut narrant Plato 
Menex. p. 245 ipvydöccg dh xcil id-slovrag iaiSaacc (^ nolig) fiivov ßor^ 
^Yflai oiioJioyov(iiviog IfSmöSj et Isocrates paneg. S 142 iv Sh rm noXifim 
tm neql ^Podov (i* e* in pugna Cnidia) — xQ€i(Uvog 6h taig imi^laig 
tatg naq ijficov (v. Sieversii bist. Gr. inde a fine belli Pelop. p. 77), 
quin etiam Athenienses Hieronymus et Nicodemus a Conone ante pug- 
nam Cnidiam ad regem Persarum profecto iuterim classi praefecti 
sunt (v. Diodorus XIV 81). Denique per victoriam illam multa oppida 
insulasque recuperaverunt Athenienses non secus ac si ipsi publice La* 
cedaemoniis superiores exstitissent. Cf. Boeckhii oecon. publ. Athen. 
I p. 546. 

Orat. 20 S 17 wy^Ag xoivw av Btnoi ontog xi tmv iiutiqtov 
i^H vulgo edebatur e C. In X autem legitur stnoi tig mcDg, ex qua 
scriplura nuper effeci tünoi o tl fcag. Sed propius abest a litlerarum 
Palatinarum ductibus sficoi tt ontog vav viieviQOiv S%£i, quod e 
consuetudine admodum contrita explicandum erit, ut quod subiectum 
in enuntiatione secundaria est, id in primariam reiciatur obiectum- 
que fiat. 

Aliquotiens vero criticum adiuvat codex etiam in citationibus 
t e s t i u m orationi interiectis, quales sunt (lUQXvQla^ (laQzvg^ (laQxvQsg^ 
quo in genere quam saepe sit a übrariis interpretibusque erratum, non 
Ignorant qui in studio oratorum Alticorum diligentius versantur. Atque 
hi quidem tituli interdum omittuntur in codice; quotienscumque autem 
inveniuntur, non inveniuntur in continuatione verborum, sed sunt in 
margine appicti. Cum testes in una atque eadem causa complures ab 
oralore vel advocantur vel advocari iubentur vel adductum iri dicuntur 
(nal fioi ivdßtjre xovxmv (la^xv^sg: xal ifislg avdßijcs^ oiccl fioi ösvqo 
Ixs (laQxvQeg: xaixtav (idq^v^ag nagi^ofuei: (iccQxvQccg vfiiv nagi^oiun : 
oidXu (lot fJUiQXVQag: %aL fioi ncekst fidifxvQag^): xaAci fiQi xov xal xov 
et huius generis alia), titulus subicitur iidqxvgeg, non (iuqxvqImj vel- 
uti or. 1 S 29, ubi codicem nostrum non fiagxvglaiy quod recepit Bek- 
kerus, sed (laQtvQBg habere , quod iam in ed. pr. auctoribus Turr. pro- 
bavi, testatur Kayserus. — Or. 7 S 10 in eodem libro legitur xal (loi 
ÖBVQQ ksy lacuna octo fere litterarum post ixe relicta , quae in margine 

sie explelur fc , quod significat fidqxvgeg^ alque hoc quidem recte in 
continuatione sermonis. Contra tilulus ficc^vglai, qui reperitur in X, 
falsus est. Scribendum de sententia Marklandi Ticd fioi öevQO Vxe (uScq- 



50) In hac formnla articulum plaoe necessarium esse putans Schoeman- 
DU8 ad Isaeam p. 190 redarguitur locis a criticis Turr. ad Isaei or. 1 $ 16 
allatis. Nisi vero praeter exempla Lysiaca sex etiam illa Isaei et Isocraiis 
Übrarionim culpa corrapta esse putamus. 



856 C. Scheibe : lecUones Lysiacae. 

cvffip. Mtt^Tv^« — Quando vero unus tesüs vel unus Primarius cum 
aliis quibusdam ciialur, ^qftvgla tiiulus est , veluU or. 22 S 9 » ubi 
Cttm Anytus ad tesümonium adhibeatur, Maf^vQia e cod. Pal. primus 
restiUii. Q^iod fere cadit in or. 31 S 16, ubi Diotimus cum pa^anis de- 
leclis teslimonium dicere iubelur. Hie enim cum codex in marglne 
habeat furfw^^ rcSv atgi^ivtmv (Uta dio^ Sauppius in epist. crit. 
p. 81 bene eruil veram hanc scripturam (laffzvQia %^ atqs&ivxmv 
fura jdtovliMv, Bekkerus autem noUs iilis neu recte intellectis dedit 
Manftvffla xw mal Jtotiitov» Interdum lamen nullum a codice peti 
polest auxiliom, veluU or. 3 S 14, ubi post verba ov iym (sie neces- 
sario «cribendum mihi videbatur pro vulg« ig iym) tovg naf^yevofjU- 
vitvg vfitv 9Mrfi|offtai (uiqitvQag vulgo perperam inserebalur tUulus 
Mafftvqlat pro eo quod ego primus dedi Md^itvffBg* In codice nihil 
est nisi tolidem fere litterarum lacuna. Similiter non corrigendum, 
sed de conieclura complendum putavi tituium or. 13 S 28 post haec 
verba &g öl naQeöxeväad^ anavxa a iym liym, %al iiaQVVQeg 
8lai nal avTO to ^rj^piöiat cov ro f% ßovkijg xcctafux^vQ^B^. Ibi 
enim non modo ^^itffta, quod in ora codieis ascriptum iegitur sie: 
^« (sicuti § 29), sed ante ^goitffnx etiam (ia(ftvQsg interponendum 
esse persuasum habeo , quod et ipsum interposui in or. 22 S 12 pone 
verba »al xovxwv v(itv fta^v^a^ na^t^Ofiai (naQi%0(uxi libri) Mark- 
lando obsecutus. 

öraiioms tricesimae secundae 

23 S 24 ovtog yaq avvtQifiQaq%cov ^AXifiiSi t^ ^AQiOtoSlnov^ q>a- 

anmv dvoXv ö&yvöag fuvxr^novxn fiväg i*ilva> cviißaXie^cii , to 
i^fuav tovxmv xolg 6Qg>€ivotg oiai Xaloyiifxaiy ovg ^ Tsolig ov 
ftovov naidag ovxag ixiXeig hcoltfiiv^ iiku nuä butiav doxigia- 
^wsiv ivutvxav a(p^ev mtacmv xmv Xnxovifyiw. Ex his verba 
toig oqmavolg ovöi neque ad praecepta Hnguae accommodata sunt, 
quae ovtft additum respuit , neque congruunt cum eis quae insecun- 
tur ov^ ri noktg kxL Sic enim soU Diogitonis pupilli dicerentur 
immunes , non , ut lege sancitum erat , omnes omnino orbi. Eadem 
reprehensio cadit in Cobeti (de arte interpr. p. 153) eoniecturam, in 
ot;<r» latere existimantis rl^öi, cui apposita fuerit interpretatio ki^ 
XoynSxai. Verum non in participio corruptela inesse putanda est, 
sed in articulo xotg^ quem si mecum mutaveris in avxoi^g, istud 
oviSiy quod molestias facessivit, idoneum habebit.expeditumque ex- 
plicatum: ^dimidiam huius aeris partem in ratione tutelae gestae eis 

24utpote orbis rettulit, quos res publica non modo donec sub tu- 
lela sunt, sed etiam proximo post tutelam anno immunes reddidil.' 
De re v. Boeckhii oecon. publ. Alh. I p. 704, Hermanni AnU Gr. publ. 
S 162 n. 12, Schoemanni Ant. iuris pubi. Gr. p. 329. 

üt hoc loco ex articulo pronomen avaq>0Qt7tov eruendum erat, 
ita vicissim in or. 14 § 37 pronomine quasi obvolutus latebat arli- 
culus: a ftJi/ ycig ^öst xmv vfUxiQiov naKmg ixovrcc, (ifprvxrig av- 
rotg AcMBÖai^ovloig iyivsxo, Neque quas res Lacedaemoniis 



C. Scheibe: lectiones Lysiacae. 857 

«peruerit Alcibiades indieatum est, neque avvotg vim habet et 6ig^i'24 
ficanliam. Quibusnam enim Laeedaemonii oppositi sunt? Qui si 
nescio quibus oppositi essent , articulus tarnen rotg aegre desidera- 
retur. Verba iffitur depravata esse cum non fugeret Marklandt 
aeumen , pro avtotg ille scribi posse aatumavit vel totg vel avtog 
vel ttvtmv* Data inier has correctiones optione Reiskius praetulit 
avtog j ut Alcibiades ipse uJtro Lacedaemoniis ulcera civitatis ape-- 
ruisse diceretur. Quam ego suspitionem improbandam puto , non 
quod sententiam ab loci ratione abhorrere arbitrer, aut quod illam 
vocabuli avtog notionem reprehendam (cf. Lys. or. 12 § 61 , Aesch. 
Ctesiph. § 116, Dem. de f. leg. $275), sed quia sie quoque ad fiij- 
wtrlg nemo non desiderabit genetivum pronominis demonstrativ!, 
quod ad relativum a respiciat (^eorum deiator factus est'). Hac 
de causa Turicenses praeoplaverunt avrcSi/ AaTtsdaifiovlo^g» Sed 
avtav haud facile, opinor, ab librariis in avTOtg immutatum esset. 
Tu repone firiwtiig avtmv totg jiaxsöaifAOvlotg. Si quis autem 
Sit qui moretur pronomen avtmv ad relativum respiciens, ubi ex- 
speetabatur demonstrati vum genus , conferat is exempla , quäe plu- 
rima congesserunt Foei^chius observv. crit. p. 74 sq. et Maetzne- 
rus ad Atitiph. p. 254. ^' 

Peccatum est, ut mihi quidem videtur« a codicum scriptoribus 
in eadem voce in or. 12 $ 55 tovtmv tolvvv Osldaw o rav tgia- 
novta yevo^vog %ai 'IitTtoxXijg xal ^Ean,%aqrig o AofuJttQSvg xal he- 
QOt ot öoKOvvtsg glvai ivavttmaxoi XaQtTiku xal KQttCa %al tjj 
ixalv<Dv haiqeia^ htstdri avtovg slg tipf cIqxH'^ xatiati^öav, noXv 
fiel^m ctaatv nal 7t6ke(iov inl tovg iv IleiQauP^) totg i^ aöteog 
htolrfiav. Reiskius pro avxovg vel avtoig^ quod libri habcnt, sine 25 
Ulla dubitatione avtiq in ipsam orationem invexit. At summo cri- 
tico sie opinanti, decemviros denuo principatum adeptos esse, 
aliquid humani accidit. Neque enim Hippocles neque Epicharcs 
Lamptrensis neque Rhinon (qui quidem et ab Isocrate or. 18 S 6 et 
ab Heraclide de polit. p. 5 ed. Schneide win. in numoro Xvirorum 
refertur)^), sed soii Phidon et Eralosthenes dominalionis XXXvi- 
rorjum socii fuerant, ut e catalogo iiiorum tyrannorum a Xenophonte 
memoriae prodito conspicitur, in quo quidem illorum nomina non 
comparent (v. Sieversii comm. hist. de Xen. Hellen, p. 46 sqq. et 
94 sqq.)- Sed ne avtovg quidem probum videtur, quod e sqIo 
cod. C asciverunt editores nuperrimi , quamquam vel id dubitalio- 



51) Quae pone IleiQaui etiam in Bekkerlana ed. interposita lege- 
batur vocula ^, ea primus Reiskius in var. lect. p. 686 intellexit per- 
verti sententiam : itaque Turicenses et ego eam delevimus. 52) In ver- 
bis Heraclidis zovzcov 9h (zdov zQiocHOvta) yuxtaXv^ivzoav SQOcavßovXog 
neel *P^v(DV nQOBOt'^yisiaav , quod Thrasybulus inepte cum Rhinoiie con- 
inngitur, morosius olim et ego haesi (die oligarch. Umwälzung p. 119) 
et alii offenderunt; nos tändem Schneidewinus excerptonim istornm con- 
dicione dilucide exposita docnit in oomm. ad Heraclidis polit. p. 41 no- 
mina integra quidem esse, sed ab excerptore ex politits Aristotelis im- 
perite coatamlnata. 



358 C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 

85 nem movere debebat, quod X supra avvovg superscTip.lum habet av- 
toigf idque solum in Veneto a se repertum narrai Reiskius. Aecu- 
sativo enim avrovg probato ad nctxiaxrfiav necesse est intelleganlur 
e superioribus 0/ Big xo iatv ik&ovug. Qua ratione discissus orilur 
et saiebrosus sermo , cum media perpetuitas enunliationis primariae 
secundaria enuntiatione iiteid'^ avvovg — %axiax7fiav ita interrum- 
patur, ut subiecta Oslömv — &e^ot a verbo suo inoLr^aav dispes- 
cantur et quae subiecta in primaria sunt, ea in iutercalala htBiöri 
— %cnimrfiav in obiectum avxovg ex inopinato inverlantur. Ita- 
que Th. Bergkio ctvxovg exterminandum videtur. Qua ratione licet 
inconclnnitas a me notata removealur, credibiie tamen non est orv- 
xovg ab interprete appictum esse , cum vei inscitissimo Big xfiv ccq^ 
xihf xcttttfSxijvat nota locutio esset. Minus etiam alteram scripluram 
cevxoig ex interpretatione aut casu aliquo orig^inem invenisse appa- 
ret, ita ut, cum sensu cassa sit, eam depravatam esse sequi videa- 
tur. Perspexit hoc Marklandus , qui hanc corruptelam sustulit ita 
verba refingens: iitBiSri ctvxol Big xijy iq%iiv »axiöxriöav: quo> 
rum quidem haec vis est: Crilias eiusque sodales crudelissimi fue- 

26rant ac saevissimi: quare post eorum interjtum adversarii Ulis infes- 
tissimi electi sunt qui lenius rem publicam moderarentur. Hi autem 
cum primum ipsi summam potestatem adierunt, tantum afuit ut 
clementiores se mansuetioresque exhiberent quam «Hli, ut urbanis 
acriores etiam eoncitarent turbas. Sunt igitur avxol oppositi Criliae, 
Charicli eorumque sodalicio. Sic non solum plane placideque pro- 
fluit oratio , sed etiam singulare ei acumen accedit. 

Haud procul ab hoc loco $ 52 slyccQ^) vniQ xav aSixaviiivaw 
iaxaala^Qv, nov Kcikliov riv avdql aq%ovxi, ij SQccCvßovlov Ov 
Xf^v %atBili^(p6xog, xox httÖBl^aa&ai xi^v ccvxov cvvovalavi 
eodem Marklando auctore correxi Bvvoiav, quod vocabulum cum 
prope eandem atque illud in libris mscr. refert formam, tum hoc 
loco propter similem praecedentis vocis avxov exitum facilis con- 
fusio erat. Interprelatio enim ea, qua 6vvov6la Studium esse di- 
citur, quo quis alicui parti tamquam <fvvB6xt sive praesto est cum 
eaque facit, nescio an subtilior quam rectior sit: nusquam enim 
hoc vocabulum ita usurpatum inveneris, sed ubique locorum est de 
praesenti communione, ponsuetudine familiari, coUoquio, con- 
vivio. Si vero quis verba § 64 xovg r' ixBlvtfi iBri^cefiivBi) iSwov- 
xccg scriplurae tfvvovtf/av patrocinari existimet, is fallatur, ut recte 
animadverlit Reiskius. lUic enim Theramenis coUegas intellegi pa- 
tet. Deinde habere quidem possumus ßvvovalav^ desiderare etiam, 
num vero praebere possimus vehementer dubito : contra siivouxv 
exhibemus etiam absentes, Alqui Thrasybulus Phylen occupaverat, 
Eratoslhenes vero XXXvirorum collega erat in urbe , alter ab altero 



53) Sic nuper scripsi ex emendatione Schott! et Siatenis pro nccl ydQ, 
quod in libris est, et pro ncd yäq sl, quod vulgo edebatur de Canteri 
coniectura. 



• C. Scheibe: Icctiones Lysiacae. 359 

seiunctus. Quibus ego argumenlis duclus putidulo isto awovatav, 26 
quod omnes ediliones obetdet, reieclo reposui evvoiccv, Loculio- 
nem aulem ivvouxv intösUvva^ai habes apud Lys. or. 18 S 3 et 4, 
Dem. de cor. S 10, ubi tarnen le^iinr ivöelxwa^cci t^v svvoiav. 
Comparetur Lys. or. 12 S 49 onoiSoi d* svvol qxxav dvai^ nmg 
oi» ivtav^a {öst^av. — Persimilis est confusio vocabulorum ovöla 
et oliUcc commissa in or. 19 S 42 ^Aqi6xoq>ivrig zoLwv yrjv {liv »al 
ovölav Imxrficno nXhv ^ ttci/tc taXavxuiv^ ubi interpreles ne verbo 
quidem altigerunt certissimam Markiandi emendationem yi^ ftiv 
%al ol%laVy quam cum ipsa ralione a Marklando luculenter ex- 
plicata, tum comparatione loci buic nostro germani S 29 xalmov 
— olniav ta %Bvx'q%ovxu (ivoov TCQiccöd'mj y^g xb nXiov rj tqmxo- 
tsut nXi^qa mrfiafsbat commendatam probavit Boeckhius oecon. 
publ. Ath. I p. 89 , ego primus Lysiae restitui. Atque in fragmento 
78 S 3 meae edil. (46 Bekk. 233 Saupp.) &(Sxt firjdiva yv^vai xmv 
Mlöiovxmv, el fiiq xiq TtQoxs^v rptUsxaxo^ ojtoxiQog iJficSv ixixxrfco 
xf^v ovalav nescio an propter slaiovxaw reponendum sit olxlav. 
Alterum cum aitero permutatum est etlam apud Isaeum or. 6 S 39 
in cod. Z deteriore illo quidem , qui oialccv pro oliUav habet. 

Extrema hac scriptione aliquol Lysiae fr a gm en ta partim trac- 32 
tabo partim retractabo, et primum quidem dicam defragmentoora> 
tionis xorra Ttöidog^) § 3 servato a Dionysio HaL de admir. vi 
Dem. c. 11 (voL VI p. 983 R.) et loanne Siceliota in cod. Barocc. 
175 foi. 83: nBiiS^Blg dk xavxa nal inaXXayelg luA %Qdfisvog xorl 
TtQOöTtotoviievog inixt^detog slvai sie xovxo (lavtag xrihxovxog äv 
ag>laxaxaij &öxe hvy%avB (liv ovaa [mto8QO(Ua ^AvaTcslmv^ löa^v 
.J' ovTOv fter' ifiov Ttaga xtjv ^qccv aitiovxa (yahoveg yaq aX- 
Xi^Xo^c xvy%ivov6iv ovxtg) xo (ihv itQmov avvöeatvsiv i%iXivsvy 
htBidfi d' ovH ii&iXrfiaVy iSerfiri iq%Biv avxov iitl »miiovy X^fov 
oxi ft^' avxov fud xav oIkbx&v mixm. Cum S 2 dixisset actor 
Tisidi a tutore eodemque amatore Pythea persuasum esse, ut in 
praesentia cum Archippo in gratiam rediret opperiens 'sicubi solum 
eum deprehenderet (hciXavösv ofuxov — iv fihv xm Jtaqovxt JictA -33 
Xayijvcci, axoTtstv ih oTtmg €tvx6v (lovov Ttov Xiq^sxcci): pro aTtccX- 
Xayslg observv. in oratt. Att. p. 46 scribendum esse conieci itaX- 
Xccyslg, ut Tisis tulori dicto audiens cum Archippo in speciem se 
reconciliasse eiusque consuetudine usus esse perhiberetur , idque 
ita probavi Hoelschero et Sauppio, ut hl non cunctarentur iiaXXayetg 
in ordinem verborum recipere. Nunc vero mihi denuo haec verba 
rimanti tametsi eadem sententia necessaria visa est, tamen muUo 
lenior medella succurrit quaeque non tantum distaret a scriptura 
Godicum: xaxaXXayelgy quod quamvis aliquante rarius tamen si 



54) In causa al%£ag habitae: v. Reiskius ad Dion. Hai. VI p. 1154 
eztr., MeieruB Proc. Att. p. 547 sq., HoeUcheras de Lysia p. 205. Cf. 
C. F. Hermanni symbolae ad doctrinam iuris Attici de iniuriarum actioni- 
bns p. 10. 

Jahrb. r. class. Phüol. Snppl. N. F. Bd. I Ilft. 4. 25 



360 C. Scheibe : lecliones Lysiacae. , 

d3scntcnUa spcctatur pcrinde est atque iialXayslg, V. Xen. Anab. 
16,1 xai nQoC^BV Teolsiiffiagy funaXXayslg 6i Plat. CiviL VIII 
p. 566 E orav xolg fiiv %cctaXlay§» Thuc. IV 59 xal vvv TCQog al- 
Xi^Xavg dl* ivuloyuav TUiQiiiu^a %ataXlayfjvai. Soph. Ai. 744 
^ioidiv ig xwaUiax^ %6lov, El funaXXayal sunt apud Dem. 
Olynlh. I S 4. Voculas aulem %ata et aisoj cum simillimis com- 
pendiis exararcnlur, sexcenücns in libris calamo scripüs permulalas 
esse pcrvagalum est: v. Reiskius ad Dem. contra Boeol. p. 1017, 
28, Schaercrus ad Dionys. Hai. de comp. verb. p. 242 et in MeieU 
crit. p. 20, Cobeli var. lectl. p. 277. — Deinde verbum iq>iaxaxa& 
mcrito notatum est a Cobeto, qui in or. de arte interpr. p. 96 ^risis* 
8cnt' inquit ^Altici ita loquentcm, qui non aliter quam ulg tovxo 
(rotfovTo) futvlag iX&iiVj iqiui.v et iq>i%ia^ai dicebant. Scriptum 
est in antiquioribus editionibus ag>lct€CTO, in quo agi/xrro lalebaU' 
Polerat addere Batavus doctissimus in 6 Grosii reperiri ag>iaT^ 
atpCctatOy in qua lectione ag>ia%av errori scribae deberi videtur, 
qui oculos ab itplcvaxo ad supcriorem vocem av retorquens utrum- 
que male conglulinaverit et post barbarum illud monstrum id posue- 
ril quod pone &v invenissel in exemplo suo iqdiStcejo. Ac iure 
quidem Cobetus miratur illam dictionem cum onmi loquendi consue- 
ludini contrariam tum minime congruam nolioni verbi aq>laxaa^aij 
quod abscedendi , desciscendi , abstinendi , se removendi vim con- 
slaiiter oblinet, quarum signifiealionum nulla cum illa dictione con* 
ciliari polest. Sed quod Baiavus ipse tralaticium verbum substi- 
tuendum iudicavit ig>lxstOf librariis opinor magls in promptu 
erat mirum istud afplaxaxo mulare in äg>CxBto quam retrorsum: 
clenim ag>lKeTO elg roaovxo ^vlag cum cuivis ac vel indoclissimo 
librario obvia esset cognitaque formula, vix estcredibile quemquaui 
in devium vocabulum atque ab hoc nexu plane alienum itplctaxo 
aberrasse. Quod apud animum meum repulans ag>laxaxo transfor- 
mandum esse censui in »a&laxaxo, i. e. eo isle insaniae redige- 
batur, coniciebalur, perducebatur. Quam ipsam Tormulam etsi alibi 
legere me non memini, tamen rede et ordine usurpalam esse non 
est quod dubitemus: est enim ad slmilitudinem iocutionum eins modi 
34compo$ila, quaies sunt frequentissimae illae Tia&iCxcivaiy Tta&laxa- 
C^ai^ KaxaaxipfCLi dg Sx&gav, elglXsyxov, sig ayäva^ elg vdvdvvovj 
Big OfiovoiaVf elg TtoXe^iov^ elg Cxaaeigy elg xa^ax^v, elg aviyxrpf^ 
alia id genus, quae omnia conquirere nihil ^ItineL — Deinde in 
observv. in oratl. Alt. p. 46 suspicatus dedisse Lysiam &oxe ox* 
ixvy%avBf quod abrupta oratio mihi esse videretur, assensum tuli 
et Frankü et Hoelscheri, non item Sauppii. Atque ego quoque 
nunc inlerposila coniunctione oxe supersederi posse puto , dummodo 
haec hvyxave ftiv ovaa — amivxaj yelxoveg yccQ alXi^Xoig xvyxu- 
vovaiv ovxeg tamquam in parenthesi interiecta e^se statuatur. — 
Tum aniovxcc istud mirum est quod tam diu patienler lulerunt ho- 
mines eritici. Num quis praeter ianuam abit vel exit? immo 
aut ex ianua exeundum est, quae sententia non quadrat in locum 



C« Scheibe : Jecliones Lysiacae. 361 

noslrum ,* aul praeter ianuiära praetereundum , quod hie solum est 34 
idoneum. Quapropter in lahnii ann. philol. XXXI p. 382 correxi 
TtaQiovra^ cui correctioni id quoque commendalioni est, quod in 
ed. Rciskiana, incertum an e codd., scriptum exstat naQiovtGw- — 
Tum mihi convenit nunc cum Coboto, qui in var. lectt. p. 378 sq. 
verba liycov Ott (ud"^ avrov »al rav oixercoi; Ttiitto sie emen- 
danda esse vidit nal xmv olxeltov nletaij quam emendationem, 
si liber ille mihi admanus fuisset, sine haesilatione suscepissem. — 
Denique § 4 quae verba aliquando in lahnii annalibus 1. d. ab eo 
quo posita sunt loco aüena esse demonslrare conatus sum aXX^ i^rf- 
XcDKo^g (ikv rcSv vsaniQfov xovg novriQOTcitovg iv r'^TColei, vetoarl de 
rit, TCvetQ^cc 7taQBtXrig>Ag xal Ttqoajtoiovfisvog viog 9uxl nXovawg el- 
vm^ eorum contra me patrocinium suscepit Sauppius, cuius rationi- 
bus nunc facere non possum quin assentiar. Attamen crilicos 
omnes praeter volavil mendum quamvis minutulum in verbis xovg 
novtiQOTccxovg iv t^ tcoXh residens , quod ita removendum erat ut 
scriberetur xovg TtovtiQoraxovg xovg iv x'^-TtoXai: iuvenum enim 
pessimos, qui quidem in urbe erant, aemulatus est, non cum ipse 
in urbe esset. Eandem maculam elui or. 13 $ 20 of yaq TtoXXol i^ 
i»Blvfig tflg ßovX'^g x^v vaxiqav ßovXiiv x^v iTcl x&v xquckovxu 
ißovXevov^ ubi pone noXXol interposui articulum ot, Atque etiam 
or. 13 S 72 xoc (i{vxot ov6(icexci duxnQccxxovxat ag>äv avxciv neces- 
saria est Sauppii emendatio xa 6(päv avxav» 

Praeterea de duobus locis , qui simili labecula aspersi sunt , ac- 
curalius explicandum videtur. In fragmento 14 ed. meae (41 ed. 
Saupp.), quod exstat apud Aristidem or. 49 p. 518 Bind., si id tamen 
Lysiae est, haec leguntur: vfieig (ihv oha&s^ (oavdqsg ^A^vaioi, naQ 
i(imf xavxa^ioi yga^ifiaxa %al xi^v axiqXriv elval r» aB(iv6vj ifiol 
öl (SxriXri ovQavoiwJKTig icxriMv iv x^ IleXoTtowiqacii fucQXVQOvöa xr^v 
aqvtrpf, Ibi articuUis circa yqa^L^axct quin desil dubilari nequit: y^a^n- 
(icijcc enim praedicatum esse non potest. Sed quod in superiore edi- 
tione scripsL nag' vfimv xccvxa fioi xic yQCcii(Actx(x (Emend. Lys. fasc. 
p. 35), cum TCdQ^ vfimv hoc pacto non haberet quorsum referretur, id 
fieri non posse ipse perspexi nuperque de coniectura dedi xa 7t aq^ 
Vfiav xavxi (loi yqainiaxax cuius articuli ante pronomen demon- 
strativum collocatio si quem offendat, conferatur illud Demosthenis a 
Kruegero in gr. Gr. S 50 , 11 n. 20 expromptum cct ytqog xovg xvgav- 
vovg ccixcct Xlav ofiiXUci, Interpretor autem xa naq VficSv ygafifucxa 
inscriptiones s. titulos ab Atheniensibus Iphicrati honoris causa do- 
natos dicatosque. Ceterum pro tifv iQSXfjv^ cum Iphicrates rem in 35 
Peloponneso gestam (i. e. moram deletam , v. Sleversü bist. Gr. a 
fine belli Pelop. p. 123 , Hoelscherus de Lysia p. 140) tamquam co- 
lumnam esse glorietur sibi positam, testem illam suae virtutis, ne- 
«cio an requiratur t^v ^(»^v iQt$'qv vel tijv a^cr^v r^ v ifii^v^). 



55) Itidem pronomen posflesslvnm mihi quidem videtur excidisse or. 
10 S 8 wvl 9i oclaxQQv ßQi bIvw dQ%Bt n^ql xov naxQog^ ovta noX^ 

25* 



S62 C. Scheibe : lectiones Lysiacae. 

35 — Aller locus est or. 31 S 4 i^im ii %al vnmv (Xuvig Svyoctmiqoi 
ifiov ilül^ loyto aTtOfpijvai ful^m ovta avtov ra afiaqv'q^icnay 
xal l| ckiv av iym wtoUnm (ita nuper dedi auctore G. A. Hirschigio 
pro vitoUxm^i)j %iUv airavg ftiQl iv föaöi KuvfiyoQ^öai OUc»- 
vog. Sic scripserunt et distinxerant ad unum omnes: quod si fit, 
voc. 6vvtnmiQ0t nude positum nescto an alio sig^nifkatu aecipi ne- 
qiieat, nisi utpotentioren designet: potentiores vero cur rog-eri- 
tur ut maiora gravioraque PhHonis delicla esse demonstrent, quam 
quorom magnitudinem et alrocitatem sua oratione assequi possit 
orator, non intellegitur. Sed fac dwoTioW^ov^ dicendo yalen- 
tiores designare posse**), intellecto scilicet nescio unde dicendi 

36 verbo: quamnam, quaeso, vlm toytfi habere credimus ad arnnprlvcet. 
adtectum? Num dwcertoTSQOi tsli alio modo Philonis crimina aperire 
poterant quam verbis? Non credo equidem, sed illud Xoya in me- 
dio positum vacillansque ad SwcnciteQOi pertinere certum esse 
puto. At enim, inquH Retskius, si cum hoc cohaereret, non laytp 
conveniret, sed XiyBiv, Esset hoc sane usu tritius et vulgarius. 
Sed cum r^ xe nQOTtstv xal elmh^ dvvafuvoi a Demosthene or. 49 
S 9 et a quovis scriptore xQiq[ia0i dvvarog sive dwafisvog et huius 
generis alia dicantur, non video cur non liceat dwcnog rcS Ao^»>, 
modo articulus praeponalur , qui hac in iunctura videtnr necessariust 
nam Xoyta dvvoctog esset oratione quadam valens. Scripsi igitur 
de mea coniectura et distinxi ita : o7xiveg dwarats^i ifuw zl6t rci 
Xoytpj aico^^ai (is^S^ ovta avtov ta &iia(^iq(iava. Atque virgala 
pone loym est eüam in Palatino , ut (estatur Kayserus. 

34 Ceteros locos ptopter articulum Talso aut omissum aot additum 

corruptos, ne omnia perlustrando longus sim, summatim enume- 
rabo. Or. I S 17. 30 , ubi Westermanmis probabiliter proponit rov 
vofiov Tov i% xrig <>ri}li;ff, or. 2 S 43. 45. 79, or. 6 S 38, ubi pro 
xal xwtov rjfimv oTtolavifai suspicatus sum scripstsse oratorem 
fuel xovxov xiov avxäv 'qfiiv aTtolccvaai vel xal xovxov xav fifie- 
xiQfov aitolavaai coli, or. 28 S 6 instdii xa^iCxa ivbtXrpno (sie 

Xov a%Cov Ysyevfffkivov xal i^vnudx^ noXu^ fiii xiumifijaaiFd'ai xor 
zavx* eiprinota. Qaae entm his opposita sunt § 2 fym 9\ sl (ihv tov 
iavtov fie dnentovivta ^läto, evyjini^riv av ttzov avx^ tmv sC- 
QT^fiivmv ^commoüainni aut nsgl tov ifiov ncctgos aut nsgl tov na- 
tQog tov i(iavTOv ab Lysia dictum esse. 56) Haue sigDificatioDem 
si quis analogiae ratione conftrmare yelh, noo sine aliqua probabilitatis 
specie afferre posse videatnr nomen dvvaJHg^ qood apud Dem. or. 19 de 
f. leg. S 339 (p. 450, 11) tantandem est ae daivotfjg^ eloqaentia, ut 
animadvertit Schaeferus conferii iubens sua ad Dionys. Hai. de comp, 
verb. p. 410. Verum illa notio non per se in Ipso yocabulo &vvafiiß 
inest, sed ex orationiit demum nexu intellegitur: eteoim otav fihv tdrjTSy 
inquit Demosthenes, dstvotrjra ^ t^q>(»p^a9 ^ ti tmv aXXmv tmv 
tOLOvtmv aya^mv ixt x^ffotov %al (ptlot^iiov yeysvrffiivov av^^mnov, 
ovyxa^QBiv aal owaoüsi^v ndvtag ^er* — ortay 9' £tl dmQod6%ov xal 
novr^i^ov aal navtog fjttovog lijfkfuctoe, anoxXs/eiv — , mg wovtjgia 
9vvanemg 96iav svifopLivri na^* vpuBv inl ti^v noXiv iatCv, Cf. in- 
fra § 340 at [thv roivw aXXai dvvdfisig — , ^ dl tov Xiysiv %t§. 



C. Scheibe : lecliones Lysiacae. 363 

dedi pro barbaro ivsninXtivTO) »cd %mv vfisti^üov iitUctvGuv. — 34 
Or, 7 S6 6 niOiUfiO^, quia bellum Peloponnesiacum dicilur, queniad- 
modum infra xo juoaqlov ivtm TtoXifua dtifisv^iv, eiusdem or. § 23, 
or, 9 S 1. 3. 7 7 ubi perinde ac $ 22, cum arliculus tolerabili careat 
inlelleclu, cum Bakio schol. hvpomnem. II p. 247 leni mulalione 
scripsi dt* lölag ^x^Qctg pro dia rag Sx^Q^S- or. 9 S 16. 19 , or. 12 
S 12 elg ta tov id£lq)QV tov ifiovj ubi eliminandum esse ra iam 
dixi Vindd. Lys. p. 41 , coUato quod infra legilur e^ /dafiviTCTtov el 
S 16 dg ^AQxivea tov vavxXi^i^v. Eiusdem or. $64, ubi de meo 
dedi tovg g>lXovg rovg Stigafiivovg pro rov GriQafiivovg y praeser- 
tim cum in nullo huius oralionis loco QriQa^vifjg arliculo insignialur 
(cf. or. 30 S 2 tovg vofiovg tovg IJolowogj quod rede rescripsil35 
Reiskius pro tov ZoXmvog ei or. 32 S 26, ubi ^AQiatodixov tov aösl- 
yjov tov *Ali^töog ex AB Grosii reposilum est a criticis Tur. pro 
tov ^AXi^töog), or. 12 $ 100, or. 13 S 77, ubi nunc avyxat'^k^e aTto 
0vX^g auctoritale codicis X reslilui pro vulgalo övyxat^Xd'e totg 
ano ^vXijg: quidni enim breviter dixeril Lysias: ^una rediit a 
Phylc', elsi populäres non recla ab illo caslello in urbem redisse 
constat, scd posl occupalam demum Munychiam viclosque optima- 
les. Or. 13 S 80, ubi Dobraeo auclore voci d^aAila^'a/ praefigendum 
duxi articulum af , quod de nota illa saepeque commemorata con- 
cordiae reconciliatione Piraeenses inier et oppidanos facta loquilur 
oralor. Or. 14 $ 17* 18. 23 tov^AXKißtaöriVy ubi malim aul delelum 
arliculum, cui cerle locus nullus est. aul tovtovl ^AXxißiadriv. Or. 18 
S 3. 4 , or. 19 S 7 Seivr^ ij cvfig>OQa cum Reiskio , $ 14 of iv fiXixlcc 
pro o£ iv ty fiXixic^ cum Cobelo de arte inlerpr. p. 93, eiusdem or. 
S 19 , ubi quod in Pal. scriptum exhibetur tmv iv IleiQaut tmv na- 
Qaysvoiiivfov iam supra a me defeusum est , eiusdem or. S 26 S^siv 
to %(^<slov cum Sauppio , nisi forte praestare putamus a^Hv ^vüiovy 
quod Bergkio placuit. Eiusdem or. $28, or. 20 S 32, or. 21 S 17, 
ubi dovvat tavtriv xccqiv correxi Kayseri suasu pro dovvm tijy x^' 
Qiv^ or. 21 S 28, or. 22 S 1, ubi Ttotovfilvovg tovg Xoyovg dedi 
auclore G. A. Hirschigio pro noiov^iivovg Xo^oi;g, quod constanü 
U3ui adversatur. Or. 25 § 2. 9. 10 dinaiotatriv ti^v tlnjg>ov cum 
Rauchensleinio , or. 30 S 22. Denique in fragm. 82 meae ed. (245 
ed. Saupp.) 6 OiX&vl8rig 6'* iqav qnfilv articulum o abicere non 
dubitavi : quippe Philonides reus est. 

Fragm. jtQog KXsivlav dia^iaQtVQla 54 ed. meae (144 cd. 
Saupp.) a Suida v. v7to (uiXiig servatum: ijtsM itivtig Katida^&ovj 
iöKBvaöfiivog t&v xf^Xxmfiatmv oaa olog t i^v nXstörcc vno fia^ 
Xfig Xaßmv i^iqyciye g/^og ?%o>v. Per noclem cum omnes dor- 
miebant, Ciinias dicilur quam polerat plurima vasa sibi confecissc 
sive parasse : nihil enim aliud verbo simplici iatuvaaiiivog significalur. 
AI hoc absurdum esse per se palet. Scribendum erat avaxevaaa- 
fievog: ille vasa ahenca per noctis silentium collegit, collecla ar- 
reptaque extuül sub ala gladium lenens. itv<SKevaf;ea^ai enim de colli- 
geadis vasis alque illnere parando usurpari nola quidem res est , sed 



364 C. Scheibe : lecüones Lysiacae. 

iUud minus notum , valere etiam compilare et auferre dicique de furibud 
qui furla raplim auferunt festinanles: quae quidem notio illustrala a 
Tayloro et Reiskio ad Demosth. de f. le^. p. 458, 13 huic noslro loco 
vel maxime videtur consentanea. Quae exlremo fragmento posila sunt 
verba aliquanlum perturbata esse alque sie in ordineni redigenda , ut 
scriberetur laßav i^i^yaye ilg>og ixfov vito iiaXtiQ oslendi in 
lahnü ann. philol. XXXI p. 378 , eaque correctio eo magis videlur ne- 
cessaria, quod xalxmiiata sub ala gestari vix ac ne vix quidem recte 
dicuntur. Cf. Xen. Hell. II 3, 23 xai naQoyyelXavrsg vtavUsxoiq o? 
idoxovv avxolg ^qaavxaxoi eiva$, ^tgddia wco fialrig {%<yyxag naqa^ 
yivia^tti , |vviXc|av rijv ßovXvfy. 

Fragm. itqog SevoKQdtriv (vel SevotpmvzcO 72 ed. meae (206 ed. 
Saupp.) Photil lex. p. 546 (coli. 767) el Suidas v. avy^o^ndr^ : (Svy%0' 
ludfi* mg iiil %cc(fitav. Oovxvdtdrig iv y* %a\ Iv avynofuSy Ka(fjtov 
«tfov. xal AvaCag iv x^ ngog Sevog>mvxa' avyxoiiiiSag 6 h di&Qa^xal 
ajtodoiiivog to agyvQiov. Cum avyxo(ii8riv coUeclionem fru- 
gum ((u; htl naifnmv) interprelenlur Photius el Suidas, cui interpre- 
tationi accommodatum est exemplum Thuc. III 15 iv avyxofiiö'j xa^^ 
novj consentaneum est iu Lysiae quoque loco eiusdem usus confir- 
mandi causa allato Truges commemoratas esse. AI has num vocabuio 
dcoi^ significari censemus? Crederem equidem facilius, si dicta essent 
va dmga xov aygov vel xrjg yrjgj ut quaiia dona inlellegerenlur non 
esset ambiguum. AI hoc, quod conveniret orationi poeticae allius 
assurgenli, nonconvenit sedato oratorrs, nedum tenui Lysiae sermoni. 
Itaque dedi quod scripsisse Lysiam cerlissimum est cvyw}\U6ctg 61 
ontoQav (v. Philol. I p. 185) meque secutus est Sauppius. övyTio- 
(uSfi xrjg OTcdgag legitur etiam apüd Pol. IV 66, 7. Vilii sedem emen- 
dationisque vlam monslravit L. Dindorßus ad Diodorum IV p. 285 sq. 
suspicalus corrigendum esse iSvyK0[ii6ag dl xa cigata. Nee minus 
falsum est quod deinceps scriptum est anodofuvog x6 igyvgtov, £te- 
nim aitodoa^at apud scriptores melioris nolae omnes valet vendere, 
ut docuerunt Boissonadius ad Philostr. Heroica p. 288 sq. et L. Dindor* 
fius 1. d. lam vero qui glossani iilam exscripsit auctor Etym. M. sub- 
odoratus haec per Graecilalem sentenliamque iungi non posse dedit 
inodovg xov iygoVj quod esset: posleaquam reddidit agrum. Atque 
aygov rede ille quidem , anodovg non item rede. Non enim de red- 
dito agro , sed de vendilo locutum esse oralorem probabile est. Cor- 
rige igilur ijcoöofievog xov ayqov^ habebis integram sententiani 
germanamque, ut arbilror, Lysiae manum. 

Obiter moneo nie in fragm. 7 ed. m. (15 Spp.) cog av dvvaivxo cor- 
rexisse i ro ag av övvavxai, in fr. 16 S l ed. m. (44 Spp.) formani 
AUicam xgiag resliluisse pro xgiovg^ denique fragmenluni 79 ed. m. (234 
Spp.) de coniedura mea observv. in oralt. Alt. p. 46 sq. prolala ila re- 
finxisse : sl fclv yoig aygovg naxiXvjtBV ^Avögoxleßtig ^ aXkiriv g>avBQCcv 
ovaläv, i'g^v av shcBiv rw ßovXo(iiv(py Zxi ovxog fiev ij^evÖexat, 
avx^ 08 öidoxaL, negl de agyvgtov xal y^vc^/ov xai ag>avovg oitslag 
d^Xov oxiy o<Sxig ixav avxa g>aiv6xaiy xovxg) didmxevy pro oxe ovdhv 



C. Scheibe : lecliones Lysiacae. 365 

(isv iffevdetai, ixvto öidiSotai. Ttsgl uQyvQlov xts, hac scntentia: si 
eniiii AndrocUdes agros reliquisset, cum Pherenico quivis possct de 
possessione horum agrorum conlendere eosque sibi vindicare, aide 
auro argenloque controversia oriri potest nuUa. ovrog Phercnicus in- 
tellcgilur, avvm redil ad ßavXofiivtp. 



7 ^E7t£iieTQ0v. 

^ Vehemenler doleo quod pro lardilate rei librariae noslrae serius 

ad me pervencruni C. G. Cobeli ßalavi sagacissinü erudUissiiiiique 

ft' Variae Lecliones, quam ul eas ad Lysiam expoliendum adhibere 

i^ possem. In quo opere tarn mulla conUnenlur cum ad celeros oraleres 

i^ eme n dandos ^'') lum ad Lysiam sordibus purgantlum ulilia, ul facere 

:>' non possim quin in calce huius iibelli ea omnia in conspcclu ponam, 

:': curalurus ul quae videanlur probanda esse, In meam edilionem posl- 

r liminio recipianlur. Meum autem hoc loco qualecumque iudicium 

7 quam brevissime polero inlerponam. 

: P. 3. Or. 9 §* 2 et fiivtoi viiäg otovxai 8t evvotccv vno tcJv 

L. ötaßoXoiv nsKS&ivrag xaTutln]g)ma^al (lov ovic av d-aviidaaiiii, Con- 

io iccil Cobetus di* evi^d'etccvj Torlasse rede, sed huius conicclurae 

:., laus praerepla esl ab lacobsio et Dobraeo. Reiskius suspicalus eral 

a scripsisse Lysiam avoiciv, ßergkius avlav^ Emperius övßr^oiav vel sV" 

i xigeiav, Vulg. ita luilus esl Franzius, ul iudicum in aclores benevolcii- 

\i liam inlellegerel. 

t P. 29. De or. 18 § 24 iam supra menlio incidit. 

t P. 37. Or. 13 S 31 correxil Cobelus ovx iöonst avxoTg aitavxu 

zalrjl^ %fo TiCczeLQfiKivcci pro xairiyogriKivat coli. S 50, quod 

^ Agoralus non fueril üan^yogog^ sed fitivvrrig. Rede id quidem. Sed 

f xazriyoQHv universe indicandi, declarandi, palam diceudi, proiilendi 

(aussagen) significalum oblinel plane ul or. 1 S 20 el or. 7 S 36, quos 

f quidem locos el ipsos corrigere conalur Cobelus. Ulis vero accedit 

^ Anliphon, qui in eadem causa or. 1 $ 10 el da anctqvoi ylvoivro tj Xi' 

. yoiev (lii OfioloyovfiBva ^ ^ öiKti dvayxaiot rcc yeyovoxa xccvriyoQSiv. 

^ Haud mullum absimilia sunt illa Plalonls Phaed. p. 73 6 ivrcivba fSoi-- 

f q)i(Sx(xxa xavrjyoQBi (^arguil, declaral' Heindorfius) on rovxo ovxcjc 

, txet, coli. Alcib. I p. 105 A, Demoslh. or. 45 S 20 löxi 6e xovx* uvxo 

^ xb driXovv Kai xccxrjyoQOVv j oxt näv xo nqay^na xccceöTtevanaöi. Quid? 

quod poelae quoque hunc usum norunl, velul Soph. Ai. 907 iv yaQ 

j ot xd'ovl nri%xov xoö^ By%og rce^ucexig xaztiyoQeL — Conlra veri si- 

^ milc est quod per hanc occasionem suspicalur Cobelus in or. 1 S 20 

t scribcndum esse xal xccg ehoöavg olg XQorcoig Tcoiotxo pro TtQOOiot. 

In eandem tamen senlenliam incidcral iam Reiskius, jiisi quod is 



57) Aeschinis tamen Codices ehkl quod pro optimis habuit Cobetns, in cu 
faUus est, iit cognoscere poterat ex editione Tiiricensi. 



366 C. Scheibe: leclioncs Lysiacae. 

noMlti voluil. An forle Lysias edidit »ul rag elcoSovg olg TQonotg i 
ttogCcaitol 

P. 49. Or. 1 § 14 elr' ix x&v yevtovmv ivin>a(5^ai (i. e. 
ajcoaßiCd'ivta xov Xv%vov) pro ivailßaö&ai^ quod Codices habent, iam 
Reiskius dederat, sed necessariutn non pulo. 

P. 68. Or. 32 S 14 iv yaq r^ i^otxlasc, oV ix KoXkvrov i^co- 
x/^ero elg xriv Oalöqov olulav pro ötomlösi et öifKl^exo, Salis pro- 
babiliter. 

P. 84. Or. 1 S 9 kovad'at pro Aovetf^crt. Recte. Cf. Lobeckius 
ad Phryn. p. 189. 

P. 111. Or. 31 S 17 xoxB fili/ avxog [(lovog] , xoxl tf ' hiqoig tiyov- 
fievog eieclo iiovog posl aixog. Non opus. 

P. 153. Fragm. 56 Bekk. 88 meae ed.^(Stob. flor. 46, 110) ov6ev 
Sv idu xovg g>svyovxag anoloyetad^aij ccll^ ixqlxovg inoQ'vrfixBiv 
pro anqtxl inod'viia^eLV. Recte. 

P. 158. Or. 19 S 12 6 Je oqöSv avxovg vn insCvov xe TteTtiaxsv- 
fiivovg yeyovoxag xs iniBtxag xy xe Ttokei, IV ye x(p xoxe %qov(p aqS- 
OKOvxag inela^rj öovvat (coli. § 15, ubi in ed. altera restilui ovx i'öca- 
%Bv pro OV 6ida)KBv) cerlissima emendalione pro yeyovoxag xe in ist- 
»Big. 'Speclavit igitur in genero genus primum eique filiam in matri- 
monium dedil, quia honesto loco nalus erat.' De locutionibus 
£v, xaAcog, üa%6og yeyovevai ad generis nobililatem aut ignobililalem 
pertinentibus v. quae supra obiler annolavimus ad or. 13 § 59. 

P. 177. Or. 12 S 44 OTtag (ii^x^ ayad'ov (iriöev t\>riq>i,el(S&B noX- 
AcSv XB ivÖBBig idBöd-e recte fortasse pro t\)ri(pC(Sai,a9^B^ quod de senlen- 
tia Bekkeri reposuimus. In X non est i\>7i(pC(Sea9^B ^ ut narral Cobelus, 
sed '^riq)lcri(S^e* 

P. 187. Or. 6 S 26 OV ^ovov xov ^avaxov ifpoßBixo akXa %a\ xa 
xaö"' ii^iqav ahla^axa otofievog xa aKQOOX'^Qia f c5v ajtoxfirjd'riasa^ai 
pro i^vxog. Probabiliter. 

P. 206 alque iterum 336. Or. 4 S 15 tvovbqov TtqoxBQog iitlri-- 
yr^v ij inaxa%a ixBlvri (lälkov ytiet pro TCQoxeqov — av yöei. Illud 
nqoxeqog ego iam in ed. altera post Marklandum edidi: av aulem par- 
ticulam equidem non expunxerim. Dicit ehim orator : illa magis scie- 
bat, et professa esset, si tormenlis esset cruciala. 

P. 210. Or. 25 S 8 ivd'Vfi'qd^iivat, %Qri öxi ovdelg iöxtv av&Qcincov 
gyvaec oOxb 6Xiya0xiKog ovxb örj^ioxiKogs aXX^ ijttg av iKdöxco jcoXi- 
xela <Sviig)iQy^ xavxriv Ttgod-viiehai xa^idxavai pro drunoxqaxi^xog , nam 
apud Athenienses perpetuo usu opponi inter se xovg öri(ioxL7iovg et 
xovg oXiyagiixovg, non xovg örnionQaxiTiovg , quod de rebus dicatur, 
non de hominibus. Aristoteles tarnen Elh. Nie. V 6 xriv fiivxoc a^lav 
ov xY^v avxriv Xiyovöi ndvxeg vnaqiBiv^ aXX* ot ftii; J?yfAOx^aTtxol 
iXev^Bqiav, 

P. 213. Or. 12 §12 BlgxaSBX(pov xov ifiov pro Big xa xov dö, 
xov ifjLOv iam dudum a me correctum est Vindd. Lys. p. 41 et in ed. 
alt. repositum Big xov ddBXg>ov. 

P. 251. Or. 2 S 35 Oi iiiXXovxBg vavfiaxiiaBiv imhq xmv fpiXtd- 



C. Scheibe: lecliones Lysiacae. 367 

Tflov (pfo carissimis capiUbus) tav iv JSaXa(uv$ pro vnsQ r^g 
(piXotrpiog vTciQ rmv Sd-ltov xmv iv HalaiiXvi, Ingeniöse atquo, ut 
opinor, vere. 

P. 258. Or. 3 S 17 totaikcc Ttctgevoiiow pro 7tai^v6(AOvv, V. 
Butlmanni gr. Gr. I p. 345, Schaeferus ad Dem. p. 217, 25 (or. 17 S 
22, ubi ex optimis codd. naQSvoiiovv reslitutum) , interpretes ad Aesch. 
Cles. S 77. . 

P. 261. Or. 24 S 1 oX/^^oi; Sim %aqiv i%Hv zip KaxrjyoQm pro ov 
nolXov dim^ quod cum omnibus placuil inlerpretibus , tum mihi quoque 
probatum est. Nam formula oUyov öia> ut constanler omnes in ea re 
utantur Alhenienses, lamen cum nolXov Sem non minus crebro dicatur 
(Plat. Apol. p. 30 D et 37 B, Menone p. 92, Alcib. I p. 131), non in- 
tellego cur non aliquando per negalionem dici licuerit ov TtoXkov öia). 
Neque alio ducere videlur exemplar Palatinum, cjijus auctor cum 
scripsit oAiloi; öito (non itolXov öi(o^ ul tradit Bekkerus), haud dubie 
voluit non oUyov dia, ul videri cuipiam possit, sed itokkovj cum lit- 
tera initialis in eodem vocabulo etiam alio loco omissa sit, or. 19 
inilio. 

P. 262. Or. 2 S 21 ilnt^atv öovXmaea&ai pro 6ovXciaaa&ai> 
nunc etiam in cod. X invenlum atque a me iam reslitutum. Praeterea 
or. 12 § 19 ^ovTO xrriasa&ai pro KZ'qaciad^at el or. 13 S 6 vofil^ovzsg xo^ 
taCtiiasod'ai pro xccxaaf^aaa&M iani Marklandus coniecerat. Ibd. S 15 
et 47 iTCix^itj^eiv pro iniTQiijjai iam Stephanus , S 53 dioatQa^Ba&ai pro 
SioTtQa^aö^at iam idem ille Marklandus, qui cum et ipse eins modi 
infinitivos aorisli suspeclos habuisset, cautius modestiusque iocutus est 
in notis ad Maximi Tyrii dissert. XVIII p. 686. Eruditissime omnem 
hunc de infinitivo aorisli pro futuro posilo locum perlraclavit Lobeckius 
ad Phryn. p. 749 sqq., cuius non videlur rationem habuisse doctus 
Leidensis. Cf. praelerea Frankius ad Dem. or. 1 S 14 extr. el Webe- 
rus ad Aristocr. p. 343. 

P. 263. Or. 21 § 10 Oivxtav pro Octvxtav. Mihi quidem Oavluv 
scribendum videlur: cf. Athen. XII 551 C, Xenoph. Hell. V 1, 26. 

P. 374. Or. 25 S 33 iiyovfitsvoi vvv filv diii tovg in TIstQamg 
[nivdvvovg] avtotg i^sivai fcotstv o xi iv ßovXoavxaij iav d^ vCxs^v 
ÖL hiqovg aoxriQla yivrftai »xi, Idem remedium a me in ed. mea 
proposilum esse iam supra dixi. 

P. 376 sqq. emblemata quaedam aperiunlur. Or. 1 S 26 6 xijg reo- 
XsfXig vo^iog^ ov Ov [nciQaßatvtov] TtSQl iXdxxovog xäv rjöovmv inot'^aca. 
Non omnino opus. Sententia: *quam tu legem migrando declarasti te 
eam libidinibus postposuisse.' — S 49 of v6fio$ xsX&iovaiv idv xig fioi-- 
%ov Xaßy xi Sv [ovv] ßovXritcci x^a&at, ut iam dederunt Reiskius 
et Bekkerus in ed. Berolinensi , ille quidem lectore de discrepanüa 
scriplurae non ailmonilo. AI vero ovv archetypi auctoritate munitum 
sollicilandum non est. Pronomen enim oxiovv compositum per parti- 
culamav dissecare licet, plane ut Latinum voc. qmcumque: quam dis- 
seclionem plerumque per irptoxB fieri salis conslat, v. Lobeckius ad 
Phryn. p. 373 sq., Kruegeri gr. Gr. $ 25, 9, 2. Pro co aulem quod 



368 C. Scheibe: lecüoncs Lysiacae. 

pervul^alum est iav rig fioixov laßri ortovv xQrja^eci, verbum ßov- 
Isc^ai interposilum est, quo arbitrü vis in otiovv conspicua magis ef- 
feratur. Simulier övvaöd'ai superlativis cum parliculis 37, 09 9 oaog^ 
onoiog iunctis subicitur, quem usum ad Latinum quoque sermonem perli- 
iiere nemo est quin sciat. — Or. 3 S 10 löo^i fioi XQauöxov elvat ano- 
dfifAfjdw [in T^g noXatog]. laßwv dti xo iieigccKtov — ipx6(irjy in rijg 
noletog. At v. Vindd. Lys. p. 83, ubi mulla huius iteralionis vulgarem 
sermonem imitanlis exempla congessi. — Or. 6 $ 7 vovg fiiv i%&QOvg 
firiSlv noutv xcckov, tovg Sh q>llovg tt av dvvrjtai [xaxdv], Sic iam 
Taylorus. Prius xaxov tollebat Valckenarius. — Or. 12 S 99 ov ra 
fiiXkovra l(Sec&w ßovXo(iM Xiysiv^ ra TCQOfjfihxcL tmo xovxmv ov Sv- 
vafisvog [slnstv]. Non assenlior. — Or. 12 S 22 i^KOvatv anoloytiao- 
.(isvoi [kuI Isyovaiv] mg ovöhv kukov slgyaöftivoi daCv. Recte for- 
lasse. — Ibd. S,29 TtaQcc xov [itoxh] »al Xi^rl)e(S&s dinrjy; ^non enim' 
inquit * coniungunlur tcoxs et xa/, alterulro utuntur/ Temere: v. 
Xen. Hell. II 3, 47 xovxov — xl noxe xai nakiaai xqyi; Hoc sI 
vel ipsum corrigere animum induxerit Cobelud , num locupleliores 
quaeril auclores quam poetas? Cerle Arisloph. pacis v. 1288 xov 
»a£ «ot' el; Soph. Ai, 1290 tcoI ßlbtmv tcox* avxä nccl ^Qostg; — 
Or. 12 S 53 [xdip] ötaXXayiav el or. 13 S 5 [xtjg] elqi^vfig. Non opus, 
etsi arliculi defectus de pace non certa exploralaque, sed facienda de- 
tnum usitatior. — Or. 13 S 62 of axQoxriyrfiavxig vfiiv TCoXXaxig fiel^ca 
xriv %6Xvv xoig diaösxofiivoig [avQoxifyotg] TCctqBÖlöoaav. Gerte cooi- 
modius hoc. — Ibd. S 90 ovdevcc yaq oqnov ol iv Ileiqotist [fji\ xotg iv 
a(Sxu äfioöav. Sic iam dudum emendatum. — Or. 16 S 2 e^ T£$ nQog 
lie xvyxccvei aridmg [fj xaxcSg] duxKei^evog. IIa iam Reiskius , vereor 
ne recte. — Or. 18 S 5 iv xowvxto xa^^co, iv co ot TtXetaxoi rwv cJv- 
^Qimmv Kai (isxaßdXXovxai ngog xa TtccQOvxa Xttl , rafg xvxaig efnovot 
[övaxvxovvxog xov di^^ov]. Jure, ut opinor. — Or. 20 § 14 ciXX* av- 
xov fivayna^ov iitcßoXag imßdXXovxsg [xai SrjfAiovvxsg]. IIa iam Reis- 
kius. — Or. 21 S 19 dia xiXovg [xov Snavxa x^vov]. Non moror. 
Vulgala defendi vix possit hoc modo: * uno tenore s. conlinuo per 
omne tempus: ununlerbrochen die ganze Zeil hindurch.' Tum illucl 
dia xiXovg ad conti nualionem aclionis referendum esset. Ulique non 
placet Reiskii. ratio pone öid xiXovg interpungenlis. — Or. 22 S 2 cSg 
anqixovg avxovg XQV ^^^S bvöskcc naqadovvcti, [&avcixm ^i/^^coffai J . 
Non rede mea quidem senlenlia. Verba enim a critico nostro pro- 
scripta salvo sensu abesse nequeunt, quae si omillerentur, ambiguuni 
esset ulrum eo consilio, ut supplicio afhcerenlur an ut carcere conll-^ 
nerenlur, frumenlariüs illos Undecemviris Iradendos censuerinl qu idain 
de senaloribus. Iam vero hos ut capitis isli damnarentur auclores fuissc 
ex eis apparet quae secuntur el iiiv elatv a^ia &ctvaxov sl^a0(i€vot et . 
axgCxovg anoXaXiuai, At, inquit, iudiccs dicunlur'&av<nro) ^i;fi&(0(faf, 
non Undecini viri. Hoc si verum est, quod verum esse nemo nega- 
bit, mendum alicubi latere palet. Non ila magno moÜmine corrigo : mg 
aoiqlxovg avxovg XQV ^^^^ Svöbku TtaQccöovvm x or 2 ^avdxtp ir^fumtSat, 
couiparans Xen. Hell. I 7> 10 av öh öo^mGiv aÖMSiv^ ^avdxtp ^7i(um- 



C. Scheibe : lecliones Lysiacae. 369 

Cat Tucl Toig Svdsita naQadovvai xai ta ^^/üora dfjfioaisvaai. Atque 
idem video iam Tayloro in mentem venisse. — Or. 26 S 9 [neQl] tcov 
iv oXiyaQxl^ ccQ^avtmv Svsxa. Iam Bekkerus seclusit 7ce(^ in ed. ßcrol. 
Sed V. Bernhardy synt. Gr. p. 200. — Or. 28 S 17 ccfia toig g>lloig aito- 
öovvai ifjiqiv xorl itaqit xmv admovvvfav [t^v] dUriv kaßeiv. Omisit 
articulum iam Bekkerus in ed. Berol. secunduih €. At sie defendi 
polest, ul intellegatur debita poena: cf. Lycurgi Leoer. lll ikdfißa- 
vov xrpf rififOQiav, ubi v. Maetznerus p. 271. Cr. inprimis Foertschii 
observv. crit. p. 54 sq. — Or. 29 S 1 Tcoklol y«^ ^aav ot aTteilovvteg 
[xal o[ q)ci(SxovTeg] ÖiXoxQcctovg xatifyoQfjasiv. Placet. Y. supra ad 
or. 12 S 22. — Ibd. S 11 Seivov Sv sTri d — i&Xoc laßot t^v in 
ixeivov %cnaleig>^etdav ovalav [avzl] xyiq cevvov Ttovr^giag, Praeter 
necessitalem. — Or. 31 S 27 si [u] fjfv adCxrifia ro ftij Ttagayerio^cct 
iv inelvm rra xaiQfp, vo^iog av Ixetro tisqI avvov duxqqiqdriv, Ne hoc 
quidem necesüarium. Nee magis illud in fragm. 18 ed. Bekk. 34 ed. 
meae bI (aIv dUatov Sksyi zi ij (ih^iov pro iUysv ij (ihgiov. — Fragm. 
2 Bk. (1 ed. m.) § 2 olofuvog xoinov [Al<s%iv7iv\ UoDXQcitovg yeyo^ 
voxa fia&rictiv ncel tvsqI öixaioövvrig Kai ccQexijg TColXovg aal Cefivwg 
Xiyopxa kiyovg ovx av Tcoxe inixstgrlaac xrl. Participiani ysyovoxa 
pro yeyovivat iam a me auctore Sauppio restitutum. Contra nomen 
Alöxlvfiv eÜminandum esse Itego, modo scribalur xovxovl Aia%lvriVj 
ut ego de meo correxi. — Fragm. 4 Bk. (7 ed. m.) ov Tt|ii% xexayfiivfis 
jtmlovaiv akl^ ag av Övvaivxo (sie iam pridem pro soloeeo dvvavxat 
scripsi) nXBifSxfiQiafSavx^g [Ttkelaxov aTcidovxo]. Bene. ^— Fragm. 46 
Bk. (78 ed. m.) TtiQl xrjg q>iXlag xr^g iiiijg xa! [x^g] OeqsvUov. Iure. — 
Fragm. 33 Bk. (55 ed. m.) w6l bI xvo €l(STtolrjtog na&oi pro ovös et 
xig elCTeoiijxog na^og (TlACOl Monac. Spengelii). Rede, ut nunc 
pulo: na^oi iam ego dedi de Krehlii coniectura. — . Fragm. 45 Bk. (75 
ed. m.) "Af^iitnog ya(f ovrotfl anedvsxo fiev slg xiiv aixiiv nalai- 
axQav ov7t£Q TUcl Tlöig pro aTtsdvöaxo. Assentior. De ceteris eius- 
dem Tragmenli verbis supra exposui. 

P. 387. Or. 12 S 38 n6Xe$g Tioksfilag oSaag (piklag iitottfiav pro 
tpikag, Recte. 

Scribebam Strelitiac novae mense lanuario anni MDCCCLVI. 

Carolus Schübe. 



INDEX LOCORUM. 



Andocidis S 14 p. 305 sq. 

or. 4 S II p. 34d n. 47 S W P- 307 n. 11 

Demsthenis ||2 S'^m'"'' 

or.l8S114 p. 320 5 »7 d 307 

or. 19 S 229 p. 320 2 «q S' ^7 

or. 23 S 107 p. 320 | oT S" ^ar „ « 

or.25| 20 p.301 \% ^^^. °- 1 

Harpocralionis S 38 p. 362 

T. avXag p. 352 S 39 p. 304 n. 8 

Isaei S42 p. 307 sq. 

or.lS34 p.301 ,r 7 V! ^ 3^^ " ' 

or. 2S26 p.301 f 5 S*^„„ 

or. 6S37 p.301 | ^ SiS^"^* 

or.7 543 p.316n.24 | ^^ P' ^ 

or.9516 p.345n.46 | J^ Pj^ 

^y*»«« S 18 p. 309 

■ or. 1 J 9 p. 366 § 25 p. 309 sq. 

§14 p. 366 § 30 p. 310 

§20 p. 365 §32 p. 338 

§ 22 p. 328 n. 36 § 35 p. 310 

§ 26 p. 367 § 37 p. 310 

§ 29 p. 355 § 39 p. 310 

§ 30 p. 362 or. 8 p. 311 n. 17 

§49 p.367 §17 p. 311 sq. 

or. 2 p. 368 n. 13 or. 9 § 2 p. 302 et 365 

§ 13 p. 308 § 7 p. 363 

§ 21 p. 308 n. 13 et p. 367 § 16 p. 302 

§ 35 p. 366 § 22 p. 363 

§ 54 p. 302 or. 10 § 3 p. 361 n. 55 

op. 3 § 10 p. 368 § 4 p. 312 

§14 p.356 § 7 p. 312 

§17 p.367 . § 9 p. 313 sq. 

or. 4 § 4 p. 301 § 13 p. 312 

§ 7 p. 301 § 16 p. 315 

§ 10 p. 301 § 17 p. 315 

§ 15 p. 301 et 366 § 26 p. 312 sq. 

or. 6 § 4 p. 304 et 306 § 27 p. 313 

§ 6 p. 307 n. 9 § 28 p. 313 

§ 7 p. 368 §31 p. 313 



* Index loconun. 371 

or. 11 S 3 p. 320 or. 17 inscr. p. 332 n. 38 

S 8 p. 313 $4 p. 332 sq. 

S 10 p. 313 $5 p. 334 

or. 12 S 12 p. 363 et 366 .^ S ^2 P' ?2o 

I20 p. 316 oi^iÖ S 5 p.368 

I22 p.368 Sil p.338 

5 27 p.316 «24 p.342 

I29 ^.368 or.19 | 7 p. 363 

S 30 p. 353 S 11 P- 31f 

U ^.302 S12 p.366 

S 38 p. 369 S 14 P- 363 

$44 p.36« $18 p.346n.46 

$52 p.358 «24 p. 354 

« 53 p. 368 S 25 p. 334 sq. 

S 55 p. 357 S 2« p. 337 n. 40 etp.363 

«57 p. 302n. 4 5 28 p. 364 

8 64 p.363 S2? P?J2'">- 

S81 p.316 sq. S31 P-319 

S86 p. 331 S 34 p.339sq. 

5 89 p.353 «38 p. 340 

$91 p.316 $42 p.359 

5 94 p. 330 $44 p.346n.46 

S 99 p.368 $48 p. 341 

«r 13 S 5 l^ S50^p.3408q. 

«20 SiftI $" P-340n.44 

$20 P-361 g54 p.339„.44 

$28 P- 356 $55 p. 340 

$31 P- 3^ g57 p.350n.48 

Ifl l:n9n.27 -20 $14 p.|68 

$52 p. 319 sq. 113 Pg 

$ 53 et 54 p. 321 sq. et 353 | iS l' ST? .„ 

$55 p.320 fg pilä ^* 

Vm Si2"'32'' '•'''''• sU P-'^ 

I ^ "^^ ^l 9? «»•• 21 $ 10 p. 367 

fftt SlS $19 P-3e8 

15? P-|*f $20 ^ 334 

lll S'^t «'-22 $ 1 p.363 

f'2 P-^1 $ 2 p.368 

I" P-^ $ 9 p. 356 

f^ P|^ $12 p. 356 

f S2 "^^ S22 or. 24 $ 1 p. 367 

$92 p. 326 sq. »,o p. 343 sq. 

or. 14 $ 2 p. 349 $ u 'r.. 344 

$ 3 p. 302 $ 12 ' p. 344 sq. 

$10 p. 36011.48 or.25 $ 1 p. 318 et 348 sq. 

$18 P- 330 $ 2 p.349 

$ 18 p. 327 $ 4 p. 350 

$ 20 p. 330 . • $ 6 p. 360 

$23 p.363 $ 8 p.366 

$ 26 p. 354 $ 9 p. 346 

$ 37 p. 3668q. $ 10 p. 350 et 363 

$ 43 p. 321 $ 20 p. 321 

or. 16 $ 2 p. 368 $ 25 p. 349 

$ 3 p. 349 $ 32 p. 351 

$ 6 p. 315 D. 22 $ 33 p. 339 et 367 



S72 



lodex locoinm. ' 



or. 26 



or. 27 
or. 28 

or. 29 



or. 30 



or. 31 



$ 3 
S 6 
S 9 
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S ö 

S n 
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S 2 
S 19 
S 22 
S 33 
S 4 
S 9 
S 16 



p. 300 sq. 

p. 301 

p. 309 

p. 302 

p. 302 sq. 

p. 304 

p. 304 

p. 330 

p. 302 

p. 369 

p. 369 

p. 310 n. 16 

p. 345 n. 46 

p. 345 n. 46 et p. 369 

p.363 

p. 351 sq. 

p. 352 

p. 345 n. 46 

p. 362 

p. 307 n. 12 

p.356 



or. 31 
or. 32 



or. 33 
fragm. 



S 17 p. 366 
S 27 p. 369 
S 14 p. 366 
S 2; p. 303 n. 5 
S 24 p. 356 
$ 26 p. 363 
$7 p. 339 

edit. meae p. 369 

p. 364 et 369 

p. 361 

p. 364 

p. 369 

p. 363 

p. 369 

p. 364 

p. 320. 359 sq. 369 

p. 359 et 369 

p. 364 

p. 318 

p.363 

p. 366 



1 

7 
14 
16 
34 
54 
55 
72 
75 
78 
79 
80 
82 



Die 

Vögel des Aristophanes. 



Von 

Carl Kock. 



7. 

Die Vogel des Aristophanes. 



Wer heute darangeht den Plan der Vögel des Arietophaiies zu 
entwickeln, kann sich die Schwierigkeil des Unternehmens nicht wol 
verhelen. Er darf nicht darauf rechnen ein herrenloses Gut mit leiditem 
Griff in Besitz zu nehmen, sondern er hat anerkannt tüchtigen Männern 
ein wolerworbenes Besitzlhum streitig zu machen. Und ist ihm dies 
gelungen, so bleibt das schwerste übrig: er muaz es sich versagen 
neue , überraschende Gesicht^unkte zu eröffnen ; das Resultat seiner 
Mühe bleibt eine nüchterne, unscheinbare Wahrheit. 

Aufgeführt wurden die Vögel an den groszen, städtischen Diony- 
sien, also Ende März oder Anfang April des J. 414 (Arg, 11 iiiöiix^ 
M Xkcßolov a^ovto^ ä$ Söw. Arg. III bA XetßqUy» vo iqüiia Ncr^- 
Tttv elg atfr«!.) Die Zeit der Abfassung des Stückes ist begreiflicher- 
weise nicht bekannt. Gleichwol ist es für den vorliegenden Zweck 
von Wichtigkeit, den Zeitpunkt, in welchem Ar. spätestens den Plan 
der Komoedie entworfen haben muste, annäherungsweise festzustellen. 

Ehe ein Stück aufgeführt werden konnte, muste es von Chor 
und Schauspielern gründlich einstudiert und wiederholt geübt sein« l>ie 
Zeit welche diese Vorbereitungen in Anspruch nahmen läszt sich nicht 
auf Tag und Stunde berechnen , doch machen mancherlei Gründe rath- 
sam sich dieselbe nicht zu kurz zit denken. Die Gesänge und Tänze 
eines Chors von S4 Tänzern bedurAen langwieriger Einübung, ehe sie 
den Grad von kunstgemäszer Vollendung errekthten , den ein atheni- 
sches Publicum verlangte. Die Anfertigung von 24 meist verschiedenen 
Masken, die Herrichtung der Scene war auch nicht das Ges<^äfl eines 
Tages. War doch überhaupt die technische Ausstattung eines Stückes 
gewis nicht der leichteste Theil an der Arbeil des dramatischen Dich- 
ters , und wenn hier eine unerwiesene Behauptung gestattet ist (wahr<- 
scheinlich machen liesze sie sich zur Noth), so war die Schwierigkeit 
und Mühseligkeit der Technik der Grund , weshalb Ar. seine ersten 
drei Stücke nicht selbst zur Aufführung brachte. Sein frühreifes Genie, 
seine fruchtbare Phantasie hatte Komoedien geschaffen, ehe er die 
Kenntntsse, die Kraft und die Ausdauer besasz, die dazu gekörten den 
dichterischen Gedanken zu angemessener äuszerer Erscheinung zu 
bringen. — Wir greifen wol nicht zu weit, wenn wir die Zeil von 
mindestens einem Monat für sämtliche Vorbereitungen zur Aufführung 



374 C. Kock: die Vögel des Artslophanes. 

in Anspruch nehmen. Sind also die Vög^el Ende März oder Anfangs 
April aurgeführty so muste die Einübung derselben im Februar be- 
ginnen. 

Nun war aber Aufführung und Einübung eines Drama an die vor- 
herige Genehmigung des Archon geknöpft. Der Dichter muste sich 
einen Chor erbitten , der Archon wies ihm denselben zu. Gewis aber 
that er dies nicht aufs gerathewol, seine Genehmigung schlosz offenbar 
eine Verantwortlichkeit für die aufgeführten Stöcke in sich. Ehe er 
also sein ja oder nein sprach, pauste er den Inhalt der Stöcke geprüft 
haben. Auch das Stadium dieser Prüfung musz einige Zeit gewährt 
haben. Es. handelte sich nicht um ein Stück; tragische, komische, 
dithyrambische Dichter wollten an demselben Feste (namentlich an den 
städtiseheo Diohysien) ihre Diahtuagen zur AaffiQiirung bringen, und 
zwar nicht ein Dtehler von jeder Gattung, sondern mehrere, von den 
Komikern mindestens drei. Bringen wir für das Geschäft der Bewerbung 
und Prüfung, das bei einer Behörde wol auch mit einigeQ Förmlich- 
keiten und Weitläufigkeiten verbunden sein mochte (möglicherweise 
wurde geradezu ein Termin festgesetzt, bis zu welchem alle Bewer- 
bungen eingegangen sein musten) einen halben Monat in Rechnung, 
nehmen wir ferner an dasz die Einübung unmittelbar auf die Genehmi* 
gung folgt«, 80 ergibt sich dasz die Vögel etwa in der ersten Hälfte 
des Februar vollendet und dem Archon übergeben waren. 

Es bleibt noch die ^ine Frage zu beantworten: war das Drama 
Anfang Februar beendet, wann mochte Ar. den Plan dazu entworfeii 
haben? Ein Gedicht, zumal ein Drama läszt sich nicht auf Zeit arbei- 
ten , auch ist mit nichts zu erweisen dasz Ar. seine Komoedien an einem 
lustigen Tage wie ein Geldstück mit einem Schlage prägte. Leichte» 
flieszende Sprache deutet nicht auf eilfertige Produetion« Es ist be- 
kannt das:rBürger8 Verse, deren leichter, natürlicher Flusz (von andern 
Eigenschaften schwelge ich) fast nur von Goelheschen Gedichten über-: 
troffen wird, em Resultat mühseliger Arbeit,, fast pedantischer Cor- 
rectur sind. Ar. nun sagt von den Wolken selbst (V. 6S4), dies Stück 
habe ihm die meiste Mühe gemacht, ein Beweis dasz das dichten füc 
ihn überhaupt kein bloszes Spiel , sondern eine Arbeit war. An den 
Rittern hat ihm Eupolis geholfen , also war der ganze Plan und die 
einzelne Anlage Sache der Ueberlegung; selbst gegenseitiger Mitthei- 
lung. In demselben Stücke erklärt der Dichter (V. 516) , wenn auch 
mit üebertreibung, dasz Komoedien dichten das schwerste Geschäft 
auf der Welt sei ; entnehmen wir hieraus nur die Wahrheit , dasz es 
seine. Schwierigkeiten halte. 

Dies sind äuszere 'Beweise , die sich vermehren lieszen, wenn es 
dessen bedürfte. D^ unwlderleglichste innere Beweis ist der Charakter 
der Stücke selbst* Mag ihr Plan oft mangelhaft angelegt und ohne 
Consequenz durchgeführt sein, so weist ihr kunstvoller Versbau, die 
Vollendung des einzelnen Amdrucks auf ausdauernden Fleisz, selbst 
auf wiederholte Feile. Die musicalisehe Composilion der Chorlieder, 
so wenig wir auch von ihr wissen, kann auch kein müheloses Werk 



C« Kock : die Vdg^el des Arislophanes. 375 

g^ewesen sein. Die FQlie von Witz endlich, die Manigfalligkeit und 
Groszartigkeil der einzelnen Einfälle konnte g^ewis nicht aus dem Misch-» 
kessei eines Festgelages geschöpft werden. Das Bild der emsigen 
Biene , das Ar. von einem andern Dichter gebraucht (Vögel 749), wird 
gewis auch auf ihn selbst gepasst haben. Wol ist auch er von Blume 
zu Blume geflogen und hat aus ihnen in kleinen Tropren den Nektar 
der Poesie gesogen , den er dann in den Zeilen seiner Komoedie in 
kunstvoller Anordnung niedergelegt hat. 

Doch gesetzt auch, Ar. hätte wie ein säumiger Handwerker seine 
Stücke auf den letzten Termin gearbeitet , so könnte er den Plan der 
Vögel sehr wol lange vor dem Februar 414 gefaszt haben. Die Vögel 
sind anerkannt das vollendetste Werk des Dichters , der Entwurf ist 
von ungewöhnlicher Klarheit und Consequenz, sie machen den Ein- 
druck als ob sie in Ruhe aus der Phantasie hervorgewachsen wären. 
Man wird uns deshalb nicht den Vorwurf der Masziosigkeit machen 
können, wenn wir behaupten dasz Ar* vor dem Ende des Jahres 416 
an die Ausarbeitung der Vögel gegangen sei. Unzweifelhaft wird diea 
Resultat durch Gründe, die sich, wie später gezeigt wird, aus dem 
Stücke selbst ergeben. 

Unter welchen politischen Constellationen ist nun dies wunder-» 
bare Dichtwerk geboren ? Denn auf den Zuständen der Gegenwart ba^ 
siert alle komische Poesie des alten Athen, mag das Band zwischen 
Wirkltclikeit und Dichtung auch bald fester bald lockerer sein. — Nach 
zehnjähriger Dauer war der peloponnesische Krieg durch einen Frieden 
unterbrochen, der, auf 50 Jahre geschlossen, 7 Jahre währte und in 
allem dem Kriege ähnlich war, auszer dasz sich Athener und Lakedae* 
imonier nicht in offener Feldschlacht entgegentraten. Keine von beiden 
Parteien hatte auch nur die Friedensbedingungen erfüllt, beide warteten 
nur den günstigen Moment ab, um aus einer vorlheilhafteren Stellung 
den Vernichtungskampf zu erneuern. Manche vergebliche Versuche 
ihre Macht zu vermehren waren von den Athenern gemacht , da tauchte 
im J« 416 das verwegene Project auf mit Syrakus Sicilien und Unter- 
itaiien zu unterwerfen, vielleicht auch auf der Nordküsle Africas festen 
Fusz zu fassen und dann von allea Seilen mit ungeheuren Hilfsmitteln 
gegen den Peloponnes und Sparla loszugehn. *) Das Fieber der Ruhm- 
sucht ergriff den Staat und seine Leiter, freudige Begeisterung galt für 
nachhaltige Thatkraft, die Bedenklichkeit des Nikias erlag dem Un* 
gestüm des Alkibiades, und schon im Sommer des nächsten Jahres 
{ührte die schönste Flotte den Kern der kriegstüchligen Mannschaft in 
prächtigem Schaumanöver dem kühnen Wagnis entgegen. 

Es ist nothwendig zu untersuchen, wie weit die Unternehmungen 
des Heeres und der Flotte gediehen , wie weit die Kunde davon nach 
Athen-gelangt sein mochte, als Ar. die Vögel schrieb. Um die Mitte 
des Sommers 415 hatte der Abgang von Athen stattgefunden (Thuk. VI 



^) Hiermit soll nicht geleugnet werden dasz derartige Ideen nicht schon 
früher in einigen Köpfen spukten. 

Jahrb. f. clast. Philol. Suppl. N. F. Bd. I Hft. 4. 26 



876 C. Kock : die V5gel de» ArUlophanes. 

lO). Die Fahr! nach Kerkyra wird man sieh bei der Menge der Schiffe 
imd der wegen der Menge nftthigen strengen Ordnung niehl als eine 
schnelle vorsteilen dflrren. In Rerkyra Tand die Vereinigung der 
Athener mit den Bundesgenossen und demnächst erst die eigentliche 
Constituierung des Heeres statt (Thuk. VI 42). Gesetzt alle Bundes- 
genossen seien bei Ankunft der Athener schon versammelt gewesen, 
einiger Aufenthalt war nicht zu vermeiden. Von hier werden drei 
Schiffe auf Recognoscierung vorausgeschickt, um die Stimmung der 
sicilischen Städte zu erforschen , mit der ausdrücklichen Bestimmung 
noeh während der Hinabfahrt der ganzen Armee nach Sicilien wieder 
zur Flotte zu stoszen. Also sollte die Fahrt nach Sicilien beträchtliche 
Zeit erfordern. (Sie vereinigen sich in Rhegion wieder mit der Flotte«) 
Wirklieh geht das Gros der FloUe auch erst nach Tarent Aber, fahrt 
an der Küste entlang, und mit allen Städten die es passiert werden 
vergebliche Unterhandlungen gepflogen. In Rhegion wird Halt ge- 
macht, das Heer landet und selbst die Schiffe werden auf das Land 
gezogen, ein Beweis dasz die Unterhandlungen mit den Rheginern ein 
zeitraul>endes Geschäft waren. Gleichwol bleiben sie erfolglos, und 
Alkibiades fährt allein nach Messana, um dort seine Ueberredungs- 
kfinste zu versuchen , musz aber unverrichleter Sache nach Rhegion 
zurückkehren. Jetzt gehen die Feldherren mit 60 Schiffen in gleicher 
Absicht nach Naxos , nach Katane , unternehmen eine Recognoscierung 
gegen Syrakus , wenden sich dann wieder nach Katane und nach Rhe- 
gion zurück , um endlich von hier aus mit der ganzen Macht nach Ka^ 
tane zu ziehn. Von hier findet eine neue, gro^zere Recognoscierung 
gegen Syrakus statt, es folgt eine Fahrt nach Kamarina und zuletzt 
die Rückkehr nach Katane. Erst jetzt treffen sie hier die Salaminia^ 
die Alkibiades und seine Genossen nach Athen vor Gericht laden soll. 

Wer aus eigner Erfahrung Kenntnis von milllärischen Unterneh« 
mungen hat, wird 'zugel>en dasz alle diese Begebenheiten mit ihren 
unvermeidlichen Zögerungen und Stockungen einen Zeitraum von drei 
Monaten wol ausfüllen konnten. Wirklich erwähnt Thukydides ztem-* 
lieh unmittelbar nach dem eintreffen der Salaminia den Anbruch des 
Winters (VI 65). Diese Zeitbestimmung ist leider sehr allgemein, denn 
es ist bekannt dasz der Historiker mit Frühlings- oder Winters -An- 
fang nicht immer genau die Zeit der Tag- und Nachtgleiehe meint, 
sondern gegen dieselbe sogar um einen vollen Monat differiert. Ich 
bin geneigt, aus dem Umstände dasz Thuk. Für dieses Jahr nur noch 
wenig Vorfälle erwähnt zu schlleszen, dasz selbst die Ankunft der 
Salaminia schon in den Beginn des Winters falle. Völlig ungerecht« 
fertigt und unbegreiflich Ist die Ansicht Droysens (Rhein. Mus. III [1835] 
S. 174), dasz zwischen dem Abgang der Expedition von Athen und der 
Ankunft der Salaminia in Katane nur 30 Tage lägen. Ich berufe mich 
auf Thukydides und das Urlbeil von sachverständigen. 

Zu gleichem Resultat in Bezug auf die Zeit der Abberufung des 
Alkibiades kommt man noch durch eine andere Berechnung. Alki- 
biades folgt der Salaminia bis Thurii, dort verbirgt er sich und flieht 



C. Koek: die Vdg^el des Arislophanes. 377 

nach Kyliene, von wo er nach Sparta g^ehl* Hier kann er erst g^egcn Ende 
des Winters eingetroffen sein. Bald nach seiner Ankunft nemlich (Thuk. 
VI 88) ündet die Berathung über die Untersiatzung der Syrakuser ge^en 
die Athener statt, und fast unmittelbar nach dieser Berathung erwähnt 
'Ji'hukydides den Anfang des Frühjahrs (VI 94). Ein halbes Jahr kann 
zwischen der Flucht und der Ankunft in Sparta nicht füglich liegen. 

Wir haben im vorhergehenden auf das zweite bedeutsame Ereignis 
des J. 415 bereits hingedeutet. Hatte die Zurüstung der sicilischen Ex- 
pedition während der ersten Hälfte des Jahres Athen in freudiger Aufre- 
gung gehalten, so wurden die Gemüter der demokratischen Bürger« 
Schaft noch vor Abgang des Heeres plötzlich in tiefe Bestürzung ver- 
setzt In einer Nacht waren viele steinerne Hermenseulen die in den 
Straszen Athens standen verstümmelt; bald verlautete dasz auch die 
Mysterien in geheimen Zusammenkünften von jungen Leuten entweiht 
seien« Der Verdacht wandte sich sofort gegen Alkibiades, und mit 
dem Unwillen über den Frevel erwachte zugleich bei dem argwöhni- 
schen Volke die Furcht vor oligarchischen Umtrieben , vor dem Ge- 
spenst der Tyrannis. Die Gegner des Alkibiades hatten eine Gelegen- 
heit gefunden, den Günstling des Volkes zu stürzen. Dieser drang 
zwar auf sofortige Untersuchung, doch daran war jenen wenig geie- 
gen, da sie bei der Anwesenheit des für den Feldherrn begeisterten 
Heeres auf gerichtliche Verurtheiiung desselben nicht rechnen konnten. 
Alkibiades gieng also mit dem Heere ab, und erst als die Wut der 
Menge gegen andere verdächtige lange Zeit gerast hatte, wurde die 
Salaminia nach Alkibiades abgesandt. Das vorrücken eines spartani- 
schen Heeres nach dem Isthmos, das man mit der beabsichtigten Ein* 
Setzung der Tyrannis in Verbindung brachte, hatte den Zorn des Volkes 
bis zu dem Grade gesteigert, dasz man sich der Verurtheiiung des 
Alkibiades gewis glaubte. 

Die Ladung vor Gericht traf Alk. etwa beim Einbruch des Win- 
ters. Er heuchelte Ergebung in den Willen des Volkes und folgte der 
Salaminia auf seinem eignen Schiffe, doch schon inXhurii verschwand 
er mit seinen Genossen. Die Nachforschungen nach ihm verzögerten 
die Rückkehr der Salaminia ; sie mag nicht viel vor Schlusz des Jahries 
in Athen eingetroffen sein. Sie wurde jedenfalls noch erwartet, als 
Ar. seine Koinoedie verfaszte. In dem Stücke nemlich antwortet Eu- 
elpides auf den Vorschlag des Epops , sie sollten sich am rothen Meere 
ansiedeln, Vs. 145 : otf/toi^ (ifiiafimg tifuv ye naqu ^aXattav, iv ivu- 
m/^^ai xXfji^^if ayo/vQ !a^ev ^ £alafuvla. Diese Worte haben nur 
dann einen passenden Sinn, wenn der Dichter, als er sie schrieb, noch 
nicht wüste dasz Alk. entkommen sei, also die Salaminia noch nicht 
zurück war (man beachte das Futurum ivaxv^itai, das dann einen 
witzigen Doppelsinn enthält). War das entkommen des angeklagten 
bekannt, so war der Schreck vor der Salaminia unbegründet« Sicher- 
lich wäre dann der Witz sehr matt. 

Sind die erlangten Resultate richtig, so ergeben sich aus ihnen 
bedeutende Folgerungen. Erstens ist es alsdann sehr unwajirschein- 

26* 



378' C. Kock : die Vögel des Aristophanes. 

ftch, dasz der Dichter das Unternehmen geg^en Sicilien habe verspotteit 
wollen. Wollte er seine Mitbürger davon abhalten, so kam er zu spät; 
es liegt nicht im Charakter des Ar. , einer vollendeten Thatsache nach- 
2ugreinen, Wollte er aber dem Volke beweisen , dasz seine Besorg- 
nisse wegen des Feldzuges, die er möglicherweise in einer verloren 
gegangenen Komoedie konnte ausgesprochen haben, begründet seien, 
so kam er hiermit viel zu früh : denn noch befand sich das Unterneh- 
men selbst im Stadium der Einleitung, und wenn dies6 auch den küh- 
nen Erwartungen der Athener nicht entsprechen mochte, so rechtfer- 
tigte sie doch in keinem Fall die Annahme des mislingens. Der Theil 
von Süverns Ansicht, welcher eine solche Verspottung voraussetzt, 
hat also von vorn herein die Wahrscheinlichkeit gegen sich. Aber 
auch nur dieser Theil; denn dasz die Vögel in einer Beziehung zu 
dem sicilischen Feldzug stehen kann nicht geleugnet werden. Wäh- 
rend das Volk in blinder Ueberschälzung seiner Kräfte der Idee einer 
athenischen Weltherschafl hingegeben ist und mit Aufgabe des realen 
Bodens seiner Existenz nach einem phantastischen Traumbild greift, 
läszt der Dichter zwei Athener zu dem leichlbeschwingten Volke der 
Vögel aufsteigen und mit kühnem hinwegsetzen über die prosaische 
Möglichkeit dem Gesetze der Schwere zum Trotz eine Stadt zwischen 
Himmel und Erde gründen und von hier aus sowol Götter als auch 
Menschen in Abhängigkeit bringen. Und dieser Parallelismus sollte 
zufällig sein? Schwerlich. Selbst bei geringerer Aehnlichkert der 
Handlung des Stücks mit der Wirklichkeit könnte man aus der Natur 
der aristophanischen Komoedie schlieszen, dasz ein zur Zeit der sici- 
lischen Expedition geschriebenes Drama auf diese Begebenheil wof 
irgend eine Beziehung werde gehabt haben. Alles daher was uns Süvern 
mit unermüdlichem Fleisze gesammelt hat, um diesen Zusammenhang 
nachzuweisen, ist unwiderleglich, nur hat er sieh über die Art des Zu* 
sammenhanges getäuscht. 

Als zweite Folgerung aus den oben begründeten Praemissen er- 
gibt sich dies. Wüste Ar. bei Abfassung des Stückes nicht , dasz Alki- 
biades entkommen und nach Sparta geÜohn sei , so konnte er nur er- 
warten denselben in kurzem nach Alhen gebracht, vor Gericht gestellt, 
vielleicht zum Tode verurlhcilt zu sehen. Ist nun Ar. ein edler und 
groszherziger Charakter, hat er auszerdem, wie sein Urtheil in den 
Fröschen zeigt (Vs. 1431), in Alkibiades nicht einen verächtlichen De- 
magogen des gemeinsten Schlages gesehn, so konnte er es jetzt sieher 
nicht für eine seiner würdige Aufgabe hallen , dem unglücklichen und 
bei allen Verirrungen edlen Mann wie einem gehetzten Wild den Todes- 
stosz zu geben. Gesetzt er hielt ihn für einen Feind des Staates, so 
hätte er doch jetzt nicht mit den auf ihr Opfer lauernden Sykophanten 
gemeinsame Sache gemacht. Vollends unter diesen Umständen gegen 
den gefallenen die Anklage schleudern (Süvern S. 88), er wolle die 
Spartaner unterwerfen, um sich hinterher mit Hilfe derselben die 
Tyrannis in Athen zu verschaffen, hätte geheiszen, sieh selbst in den 
Augen der Gegner des Alk. lächerlich machen. Ja was mehr ist,^das 



C. Koekc die V^^l des AnslophaDes. 379 

Volk, das den Alkibiädes schon halb für vertiichlet hallen und sich ihm 
^egen&ber jeizt ziemlich sicher fühlen muste, häde eine solche An- 
klage, in dunklen Andeutungen hingeworfen, überhaupt nicht ver« 
standen. 

Noch ein drittes folgt aus einer Zusammenstellung des Inhalts 
der Vögel mit den damaligen Zeitverhältnissen. Die Demokratie war 
seit dem Beginn des peloponnesischen Krieges schnell bis zu ihren 
auszersten Consequenzen entwickelt , sie war zuletzt in Ochlokratie aus* 
geartet, und gerade diese Ausartung erklärt es, dasz sie im Begriff 
stand in Oligarchie, selbst in Tyrannis umzuschlagen. Vier Jahre 
«päter (nach 415) fand die erste oligarchische Reaction wirklich statt, 
und eine nicht zu ferne Zeit sah die entsetzlichen Greuel der Tyrannis. 
Ein ringen der Demokratie nach der Herschaft, ein streben sich erst 
des ganzen Staates zu bemächtigen lag in viel früherer Zeit. Der 
Kampf von Seiten der Volkspartei hatte mit dem Siege selbst aufge- 
hört, und die Gegenpartei hielt sich auch noch völlig ruhig; sie röstete 
sich höchstens im geheimen zur Wiederaufnahme des Streites. Unler 
diesen Verhältnissen konnte dem Dichter nichts ferner liegen als gerade 
diesen Kampf zum Gegenstand einer Komoedie zu machen. War er 
ein Feind der Volkspartei, so konnte er seinen Spott höchstens gegen 
die Art richten, wie sie ihre Herschaft benutzte; aber nimmermehr 
konnte er in der Person des Peisthetaeros darsteilen wollen, wie der 
demokratische Held mit Hilfe sophistischer Deduetion sich die Allge- 
walt und Alleinherschaft erobert Mit Unrecht hat daher der neueste 
Bearbeiter (Wieck: die Vögel des Ar., im Oslerprogramm des Gymn, 
zu Merseburg 1852) hierin den Zweck der Komoedie gesucht. 

Wir begnügen uns vor der Hand mit dem allgemeinen Resultate, 
dasz die Vögel eine Beziehung auf den sieilischen Feldzug haben. Es 
wird sich später zeigen , dasz sie auch mit dem Hermenfrevel in.Zu^ 
sammenhang stehen. Ehe wir diese Beziehungen näher bestimmen, 
ist die schwierigste Frage zu erledigen: welches ist der Charakter 
des Stücks ? verhält es sich zu den groszen Zeitereignissen polemisch 
tider nicht? Die Mehrzahl der Erklärer nennt das Stück geradezu 
ironisch, obgleich (auszer Rötscher, von dessen Ansicht unten die 
Eede sein wird) nur ein einziger von ihnen, Wieck, diese Ansicht 
näher begründet. Bekanntlich haben nemlich die Vögel einen positiven 
Ausgang, indem das Unternehmen des Peisthetaeros zu seinem Ziele 
kommt. Wieck (S. 7) erklärt dies so: ^das unvernünftige ist an sich 
das unpersönliche und darum todte, und deshalb bringt der Dichter 
seine Nichtigkeit auch meist nur auf umgekehrte Weise zur Ersehet* 
nung, indem er ihm sein Scheinleben bewahrt und es das erträumte Gut 
wirklich gewinnen läszt. Die Unvernunft, gleichsam durch die List 
der Vernunft so zu ihren auszersten Grenzen geführt und den Contrast 
beider anzuschauen genölhigt, fühlt sich zuletzt in ihrer ehrenfesten 
Behaglichkeit und Selbstgenügsamkeit dennoch gestört und gezwungen, 
den Wahn der Vernünftigkeit, mit dem sie sich geschmeichelt, aufzu- 
geben , und wenn daher die letzte Wirkung der Tragoedie die Er- 



880 C. Kock: die Vö^el des AriBtoplianes. 

hebung durch Demütigung; ist, so ist die der Komoedie Bemüüguo^ 
durch Erhebung/ Weiter heiszt es dann: *dashier bemerkte darf als 
die eigentliche Form der aristophanischen Komoedie ausgesprochen 
werden.' Ohne die Mögliclikeit solcher Deduction überhaupt zu leug*- 
nen , darf man doch dreist behaupten dasz sie auf die aristophanische 
Komoedie keine Anwendung findet. Es ist eine Idee, die zur Erklä« 
rung der Vdgel aus diesem Stücke selbst gezogen ist, und weil sie 
deshalb natürlich auf die Vögel auch ganz zu passen scheint , so wird 
diese Komoedie auch von Wieck für die Komoedie an sich erklärt. 
Um diese Behauptungen zu widerlegen, bedarf es keines gehäuften 
Maszes von Scharfsinn; es genügt die Thatsache, dasz sie, mit Aus* 
nähme der Ekklesiazusen , auf die sie auch nur zu passen scheinen» 
mit allen übrigen Stücken des Ar. in directem Widerspruch stehen. In 
keiner einzigen Komoedie des Dichters wird die Nichtigkeit durch 
Vollendung und Abschlusz der Nichtigkeit zur Erscheinung gebracht. 
Das lächerliche der absoluten Kriegslust wird in den Acharnern an 
Lamachos nicht dadurch bewiesen, dasz er siegt und gefeiert wird; 
er fällt in einen Graben , bricht ein Bein und musz obenein den Hohn 
des siegenden Friedenshelden erdulden. Ebenso unterliegt Kieon in 
den Rittern, Sokrates in den Wolken, Philokieon in den Wespen, Eu«- 
* rapides in den Thesmophoriazusen , denn er musz Abbitte thun , utad in 
den Fröschen. Auch auf den Frieden und die Lysistrate kann die Theorie 
nicht angewendet werden, man müste denn annehmen dasz Ar. in Ihnen 
nicht den Frieden empfehlen, sondern die Kriegslust habe entflammen 
wollen. Es ergibt sich also als Gesetz der aristophanischen Komoedie, 
dasz die Tendenz des Stücks in positiver Weise verwirklicht werden 
musz. 

Aber wenn auch die Analogie aller übrigen Stücke dagegen spricht^ 
wäce es immerhin möglich, wenn auch nicht eben wahrscheinlich, dasz 
die Vögel nach andern Grundsätzen angelegt wären. Es fragt sich 
daher zunächst, wie weit die Ironie auf den vorliegenden Fall über- 
haupt anwendbar ist Das Wesen der Ironie besteht darin , dasz man 
bewust, um in der Seele des Hörers die entgegengesetzte Wirkung 
hervorzubringen, das Gegentheil durch das Gegentheil bezeichnet. 
Nolhwendige Voraussetzung ist dabei immer, dasz der Leser oder 
Hörer den Gegenstand um den es sich handelt in seiner Wahrheit kennt 
und gerade durch dies Bewustsein gezwungen wird , den absichtlich 
falsch gewählten Ausdruck in den richtigen zu übertragen. Das Gebiet 
der Ironie ist daher namentlich der einzelne Ausdruck, seilen eine 
längere Partie, weil die dem hörenden abgenölhigte immerwährende 
Transposition der Begriffe leicht Ueberdrusz erzeugt. Es ist sehr zu 
bezweifeln, dasz ein ganzes Drama ironisch gehalten sein darf. Doch 
selbst dies zugegeben, sind es die Vögel gleichwol nicht. Ein Volk, 
das in voller Ueberzeugung von der Wahrscheinlichkeit des gelingens 
sich in ein kühnes Unternehmen gestürzt hat , dessen guter Glaube noch 
durch keine IJnglücksbotscHafl erschüttert ist, konnte in der Darstel- 
lung eines ähnlichen phantastischen Unternehmens , das zum Ziele führte 



C. Kock: die V5^1 des Arisloplianes. 381 

von vom herein nimmermehr Ironie vermuten. Sollte ferner das 
Stttck ironisch sein und als solches verstanden werden, so muste 
wenigstens di« Ironie am Schlusz deutlich hervortreten. Man körmte 
freilich sagen, sie liege in der absoluten Unmöglichkeit des erreichten 
Erfolges* Doch diese Unmöglichkeit ist schon in den ersten Praemis- 
sen der Handlung begründet, aus denen der Schlusz die consequente 
Folge ist Denn ist es denkbar, dasz Vögel in der Mitte zwischen 
Himmel und Erde eine uneinnehmbare Stadt gründen , dasz die Götter 
so schwach und verächtlich sind, wie Ar. sie darstellt, so ist die sehr 
natarliche Folge , dasz die Vögel die Götter aushungern und zur Ab- 
tretung der Herschaft zwingen können. Wollte man aber die Praemis- 
ten selbst wegen ihrer Unmöglichkeit ironisch nehmen, so wäre es eine 
Leichtigkeit nachzuweisen, dasz dann fast alle Stücke des Ar. ironi« 
sehen Sinn haben. Die Himmelfahrt des Trygaeos mit allen Conse* 
<iuenzen (Frieden) , der Friedensschlusz des Dikaeopolis (Acharner), 
der Zug des Bakchos nach der Unterwelt (Frösche), die Besetzung 
der athenischen Burg durch die Weiber (Lysistrate) — dies und vieles 
andere müste dann Ironie sein, und somit die auf diese Hypothesen 
basierten Stücke. 

Aber wenn der Sinn der Komoedie nicht ironisch ist , was ist er 
denn? Ernst gemeint. Wie ist das möglich? Wie kann Aristophanes, der 
Gegner der Demokratie, der Feind des Krieges, der begeisterte Lob- 
redner des alten Athen, der Vertheidiger der Volksgötter, das aus- 
schweifendste Project der Demokratie, das den Frieden für lange Zeit 
unmöglich machte, das die letzten Reste des alten Athen, die in die 
Gegenwart hinübergerettet waren, zu vernichten drohte, billigen? Wie 
kann sein frommes Gemüt Raum gehabt haben für eine so scheuszKche. 
Aasgeburt der Gottlosigkeit? oTjm)», 9t(fos ctvt^ y il\k\ t^ dnv^ liyuv. 
Weil Ar. hier nicht in den Anschauungen seiner früheren Komoedien 
steht. 

Um diese Behauptung verständlich zu machen , musz ich weiter 
ausholen. Man bezeichnet Ar. im Verhältnis zu seiner Zeit im allge- 
meinen als reaclionär. Mit vollem Recht. Der Dichter strebt dem 
Strome des Volksgeistes entgegen, er strebt bis hinter Perikles zurück. 
Er ist gegen Richtersold , Ekklesiastensold , Einrichtungen des Perikles 
oder seiner Zeit ; man kann ihm dreist nachsagen dasz er gegen die 
frühere Macht des Areopagos nichts hätte. Oder vielmehr, Ar. ist 
nicht für oder gegen bestimmte einzelne Einrichtungen, er ist ein Feind 
der Gesinnung seiner Zeit, mag sie sich auf dem Gebiete des Staates, 
der Religion, der Sitte oder der Kunst äuszern. In seinem Geiste ist 
eingeboren die unsterbliche Schönheit der alten Zeit, das reale Dasein, 
wie er meint, des hellenischen Ideals. Sein Herz glüht für den festen, 
gebundenen Geist des alten Staates, für den mäszigen Sinn und unbe- 
zwinglichen Mut der Marathonkämpfer, für den alten, naiven und 
heitern Volksglauben und für die strenge , unverweichlichte und unge- 
schminkte Kunst. Doch gibt diese Charakteristik nur die Grundlagen 
seines Wesens an, dessen äuszere Erscheinung unter den wechr>cl* 



382 C. Kock: die Vöj^el des Aristophanes. 

vollen Geschicken des Staates eine zeitweilige Umwandlung erlilL 
Während der Strom neuer Ideen in dem gleisznerischen Gewände der 
Sophistik von allen Seiten mit Macht auf das gesamte athenische 
Leben einwirkte, während der ganze Staat die gewaltigsten Krisen 
einer stürmischen Uebergangsepoche durchmachte und selbst fast daran 
zu Grunde gieng, ist es da ein Wunder, wenn der klare Spiegel des 
Dichlergemüts von dem wehen des neuen Geistes vorübergehend ge* 
trübt erscheint? Ist es nicht vielmehr zu bewundern dasz Ar., der kein 
resignierender Philosoph , sondern mit allen Banden seiner sinnlichen 
Neigungen an die reale Wirklichkeit geknüpft war, der als Halt nichts 
in sich hatte als den Talisman einer edlen Gesinnung, dasz dies leicht 
erregte Dichtergemüt über dem Lärm des Tages seine innere Stimme 
^ nur für einen Augenblick überhörte , ohne ihr ganz untreu zu werden» 
dasz er bald genug wieder zur Besinnung kam und den Irthum mii 
Entschiedenheit von sich wies? Man nenne dies augenblickliche 
schwanken immerhin Inconsequenz, Ar. ist von ihr nicht freizusprechen. 
Gegen den Standpunkt, den er in den Acharnern, Rittern, Wolken, 
zum Theil noch in den Wespen einnahm, ist er im Frieden und in den 
Vögeln inconsequent. Einen Grund für diese theilweise Sinnesände- 
rung werden wir später finden ; hier kommt es zunächst darauf an die 
Thatsache zu beweisen. 

Um nicht ins maszlose auszuschreiten, soll hier der Beweis nur 
nach einer Seite geführt werden ; wir behalten uns vor denselben bei 
einer andern Gelegenheit vollständig zu geben. Bekanntlich finden 
sich in den Rittern und Wolken Götterhymnen, deren Erhabenheit fast 
im Gegensatz zum Charakter der Stücke selbst zu stehn scheint, und 
die nur der Ausflusz eines tief religiösen Gefühls sein können. Was 
aber mehr sagen will, die Wolken selbst verfolgen zum grösten Theil 
den Zweck, die alle Religion gegen die Angriffe der Sophistik nach* 
drücklich zu schützen. Müssen wir hiernach Ar. für einen treuen Be- 
kenner der Volksreligion hallen, so wird diese Ansicht dadurch bestä- 
tigt, dasz er auch in den späteren Stücken, namentlich den Thesmo- 
phoriazusen und Fröschen , theils das ewige walten der Götter zu be- 
weisen sucht, theils diese selbst mit frommem Sinne feiert. Doch hier- 
mit im schroffsten Gegensatze steht die Behandlung der Gölter und alles 
heiligen im Frieden und in den Vögeln. Freilich die letztere Komoedie 
ist für ironisch gehalten , und vielleicht ist die der Iris angedrohte 
Nolhzucht auch nur als ironische Andeutung der Ehrfurcht zu verstehn^ 
welche Peisthetaeros für die jungfräuliche Göllin hegt. Der Frieden 
aber ist jedenfalls nicht ironisch, und wir wollen daher unsere Beweis- 
führung zunächst auf ihn stützen. 

Da lesen wir denn mit Erstaunen die Anklage, dasz die Gölter 
allein am Unglück der Griechen schuld sind, dasz Zeus Hellas an die 
Meder verräth (107). Zwar hält der Dichter sie noch nicht für unver- 
besserlich , er beschlieszl mit ihnen noch einmal wegen des Friedens 
zu unterhandeln , aber sein Gesandter steigt auf einem übelriechenden 
Mistkäfer zu dem Sitze der Himmlischen empor. Dort angelangt findet 



C. Kock : die Vogel des Aristophahcs. 383 

er als allein anwesenden Vertreter der Götter den Hermes, der sich in 
jeder Hinsicht als ein vollständiger Lump zeigt und so die Verspottung 
die er erleiden musz vollkommen verdient (362 und 425). !Nichl 
glimpflicher verfährt der Dichter mit den andern Göttern. Er trägt 
kein Bedenken ihnen wegen ihrer geringen Fürsorge für die Wolfahrt 
Griechenlands alle Feste zu nehmen und dieselben dem Hermes anzu- 
bieten (418) , wofern er zur Wiedererlangung des Friedens behilflich 
sein will. Ist doch das Ideal der alten Götter so sehr im Gemüte des 
Dichters verdunkelt, dasz er behauptet, einige von ihnen trieben Huren« 
Wirtschaft (866) , dasz er den Mistkäfer wegen seiner schmutzigen 
Nahrung sich vom Zeig »avatßatfjg (41) entstanden denkt und ihn 
später in komischer Apotheose zum Blitzträger des Zeus macht (721)* 
Diese und ähnliche Aeuszerungen im Frieden sind ohne den min* 
desten Beisatz von Ironie. Die blosze Nebeneinanderstellung wird dar- 
thun, dasz folgende Blasphemien, die sich in den Vögein finden, in 
demselben directen Sinne zu nehmen sind. Sie sollen absichtlich in 
derselben Reihenrolge aufgezählt werden , in der sie im Stucke selbst 
vorkommen. Zunächst wird den Göttern verboten, auf ihren Pilger- 
fahrten zu sterblichen Weibern in Zukunft iarvTiorsg durch die Luft zu 
ziehn ; im Uebertretungsfalle soll ihnen das instrumentum maleficii ver* 
siegelt werden (557 ff.). Sodann werden Zweifel erhoben, dasz Demeter 
geneigt sein werde den Menschen in ihrer Noth Getraide zu geben, 
ulla jt^og>aösig nagi^u (580), und in ähnlicher Weise wird die Arznei* 
künde des ApoUon bezweifelt (585). Der Kampf der Gölter mit den 
Titanen wird als ein Wettstreit in der Renommisterei behandelt, den 
Göttern aber als den gröszeren Renommisten die Palme zuerkannt 
(824). Die üblichen Gebelformeln werden parodiert, indem an die 
Stelle der Götternamen die Namen einzelner Vögel gesetzt werden (865 
— ^889) , und ebenso wird das Edict gegen den a&sog Diagoras pai o- 
distisch verspottet (1070 ff.). Danach ist es kaum noch eine Steige* 
rung der Frivolität zu nennen, wenn Iris von einem tQ£oQ%og festge- 
nommen werden soll , wenn sie gefragt wird , ob ihr kein Vogelarehon 
ein <sv(ißolov aufgedrückt habe, wenn sie selbst mit Todesstrafe be* 
droht wird (1205. 1214. 1221). Als sie solchem Frevel gegenüber mit 
dem Blitze des Zeus droht, wird sie gefragt, ob sie mit einem Lyder 
oder Phryger zu sprechen glaube, der durch solche Prahlereien er- 
sehree]Ll werden könne (1244) , und ihren Drohungen wird ein Paroli 
geboten, indem Peisthetaeros sagt, Zeus Wohnungsollen feuertragende 
Adler in Asche legen und 6000 noQtpvqtaveg sollen gegen ihn aufge* 
boten werden, der sich einst kaum gegen den einen. Porphyrion hallen 
konnte (1246). Selbst auf die Gefahr hin zu ermüden musz auch die 
letzte Scene besprochen werden, in der die Götter selbst erscheinen, 
um mit den Vögeln Frieden zu machen. Nachdem Prometheus sein 
mögliches gethan hat um die Götter an die Vögel zu verralhen (1531 if.) 
und ihnen alle Privilegien und Emolumente des Zeus , unter denen die 
lo^do^a, das xgmßolov^ der xcoXa/^^i/g genannt wird, in die Hände 
zu spielen, erscheinen die Gesandten der Götter, Poseidon, Herakles 



j)84 C« Kock: die Vögel des Aristophancs. 

ond ein Tnbatler, ein würdiges Collegiam. Der letzie, die Verkörpe" 
rung des Siumpfsinnes und der Rohheit, darf nicht fehlen: denn wie 
alles göttliche ins menschliche herabgezogen wird, so müssen auch, 
wie über den Griechen die thrakischen Barbaren, über den Göttern die 
Barbarengötter wohnen. Indes er schändet seine 'Mitgötter nicht, denn 
diese sind auch nach Kräften bestrebt sich als die einfältigsten Thoren 
und nichtsnutzigsten Lumpe zu zeigen. Die anfängliche Renommisterei 
des Herakles bricht bald vor einer dampfenden Bratenschüssel zusam- 
men, er ergibt sich in alles, wenn er nur seinen hungrigen Magen fül- 
len kann. Auch Poseidon ist schwachköpfig genug , von dem ersten 
Argument des Peisthetaeros berQckt zu werden (1614); die Abtretung 
des Scepters scheint ihm billig, und auch die Uebertragung der ßaai- 
X$la läszt er nach schwachen Widerstandsversuchen stillschweigend 
beschlieszen. Bei solcher Entartung des göttlichen Wesens geschieht 
den Göttern selbst nur recht , wenn von ihres Königs Zeus möglichem 
Tode die Rede ist (1642), wenn auf sie die solonischen Gesetze ange« 
wendet werden und die Hochzeit des Peisthetaeros mit der Basileia 
durch eben das Lied gefeiert wird, das einst die Moeren am Braut- 
lager des Zeus und der Hera gesungen haben. Solche Gottheiten sind 
endlich auch der Herschafl über die Welt nicht mehr würdig, sie wer- 
den mit Recht unter die Vormundschaft der Vögel gestellt. 

Ich schliesze den überlangen Beweis und meine das eine festge- 
stellt zu haben , dasz der religiöse Sinn des Ar. , der sich namentlich 
in den Wolken in voller Energie zeigte, in den Vögeln gewaltig er- 
sdiüttert isL Man mag viele der angeführten Aeuszerungen weniger 
auf Rechnung des Dichters als der Komoedie sehreiben , deren Privi- 
legium ic(pal^g ^tmCal xb %al %oqBv6ai (Frösche 387) als Deckmantel 
über vieles geworfen wird : so bleibt es doch, immer bedeutsam , dasz 
gerade in den beiden genannten Stücken eine so geringschätzige Mei- 
nung von den Göttern zu Tage tritt. Was ich froher mit Bedenken 
geäuszert habe , musz ich also jetzt mit Bestimmtheil wiederholen, dasz 
die Gesinnung aus der die Vögel geschrieben sind sehr weit von dem 
siltliehen Ernste absteht, der Ar. den Plan der Wolken eingab. Ist 
diese Sinnesänderung auch nur auf der religiösen Seite nachgewiesen, 
sie belhätigt sich auch auf andern Gebieten, wiewol mit gerinj^erer 
Deutlichkeit. In den Vögeln aber zeigt sie sich auch in voller Klar- 
heit in der Auffassung der Slaatsverhällnisse. Wie Ar. in den Jlittern 
und Wolken die Götter verherlicht, die er im Frieden und in den Vögeln 
bekriegt , so ist er in den Vögeln selbst von der Kriegslust entflammt, 
die er in den Acharnern , dem Frieden und später in der Lyslstrate 
zum Gegenstande zügellosen Spottes gemacht hat. 

Eine Erklärung dieser Thatsache soll versucht werden , sei sie 
auch eine blosze Hypothese. Es liegt in der Natur heftiger Charaktere 
(und als ein sanftes Gemüt hat Ar, meines Wissens nach niemand aur 
gesehn) ein lange verfolgtes , erfolgloses Streben mit Energie aufzu- 
geben und den Unmut über die Erfolglosigkeit an der Sache selbst zu 
rächen. Hatte Ar. lange die Götter inbrünstig verehrt und ihre hehren 



G. Kock: die V%el des Arlstc^hanes. 389 

CtfstaUen ge^n die Sophisten vertheidigt, muste er aber hintärhep 
sehen dasz die Gottheit selbst ihre eigne und der Menschen Sache 
aufgegeben zu haben schien, dasz die Irreligiosität ungestraft ihre 
Triumphe feierte, so konnte er in seinem Slrdien, das ohnehin weniger 
auf klar erkannten Principien als auf gemütlichen Motiven beruhte« 
leicht irre gemacht werden und für einen Augenblick in das entgegen- 
gesetzte Extrem umschlagen. Es war dann die Folge seines entschie- 
denen Charakters, dasz er dieselbe Heftigkeit, mit der er früher die 
Feinde des Volksglaubens verfolgte, jetzt gegen diesen selbst wandle. 
Halte er fpmer früher die Kriegspartei verspottet, weil in dem Strudel 
des Krieges das ganze Staatsgebäude aus den Fugen zu gehn drohte 
(dieser Grund tritt namentlich in den Acharnern hervor), so konnte er, 
der die Qroszthaten der Marathonkämpfer mit höchster Begeisterung 
feierte, gleichwol einen Krieg billigen, der nicht direct ein Bruderkrieg 
war und möglicherweise die Heldenthalen der Perserkriege zu er- 
neuem versprach. Gerade die lebhafte Phantasie des Dichters konnte 
die nüchterne Berechnung von Kraft «und Wirkung überspringen und 
die Möglichkeit, die selbst besonnenen Köpfen eine Gewisheit schien, 
mindestens für eine Wahrscheinlichkeit halten. 

Ich bezeichne beide Ansichten nur als Vermutung, deren letzlere 
allerdings dadurch einige Begründung erhält, dasz in keinem Slücke 
untres Dichters , wenn man nicht die Vögel gewaltsam so deutet , ein 
Spott auf die zweite, grosze sicilische Expedition zu finden ist , während 
er doch die Urheber des peloponnesischen Krieges selbst mit Zuhilfe*- 
nähme offenbarer Unwahrheiten verfolgt. In der Lysistrate, dem Stücke 
das zunächst nach dem mislingen des Unternehmens aufgeführt ist, 
läszt sich eine drückende Schwüle herausfOhlen. Es ist offenbar des 
Dichters Streben , die Vergangenheit zu ignorieren und über die trost- 
lose Wirklichkeit mit gewaltigem Sprunge hinwegzusetzen. Und doeh 
bricht der verhaltene Schmerz fn einigen Andeutungen hervor. Es 
ist gewis nicht Spott, sondern tiefe Wehmut, wenn Ar. in unwillkür- 
licher Erinnerung an den Untergang der kriegstftehtigen Jugend sagt 
(ö24): ovK IcxivavfiQ iv t^xeiga' ftcSc /l( ov 6ijt ilq> hsQog rig. Fast 
klingt es wie Reue, wenn er durch den Mund des Chors erklärt: wir 
wollen keinem Mitbürger etwas böses nachsagen , nein vielmehr alles 
gute nachsagen undthun, denn hinlänglich ist das vorhandene Unglück 
(1043).» Ebenso ist es nicht der Ton des hofmeisterns , sondern der 
Klage, wenn er erwähnt dasz die Fahrt nach Sicilien unter ungünstigen 
Vorbedeutungen unternommen sei (591 ffO- An einer andern Stelle 
unterbricht er sich selbst, als er im Begriff ist von dem unglücklichen 
Unternehmen zu reden: ötycc, fiii (ivti^txaxi^ayg (590). 

Es scheinen also die Hindernisse beseitigt, weiche es bedenklich 
machen könnten den Sinn der Vögel als positiv zu nehmen. Fassen 
wir die bisherige Auseinandersetzung zusammen , so ergibt sich , dasz 
die Vögel eine Beziehung auf den sicitischen Feldzug haben und dasz 
dem Plane derselben keine Ironie zu Grunde liegt. 

Aber sollten die Vögel sieh nur auf das eine bedeutsame Ereignis 



S86 C. Kock: die Vög^el des Aristophakies. 

des Jahres beziehn , das andere ganz ausiier Augen lassen ? Gewis 
nicht. Denn so wahr es ist, was Drusen eingehend nachweist, dasz 
sich in dem Stücke nur unerhebliche specielle Hindeutungen auf dea 
Hermenfrevel nachweisen lassen, so unzweifelhaft ist es, dasz sich in 
der Grundidee der K^moedie ein unendlich vergröszertes Spiegelbild 
desselben darstdlt. Finden wir die sicilische Expedition mehr in der 
äuszern Anlage wieder , so ist jener Frevel in die innerste Tendenz über- 
gegangen. Wie jene Jünglingie im Uebermule des Weinrausches die 
Hermenbilder verslümmellen und umstürzten , so schreitet Ar. im Un- 
mute getäuschter Erwartung, in momentaner Verzweiflung an seinen 
idealen mit daemonischer Kühnheit dazu, alle Götterbilder in den Staub 
zu werfen. Und zwar thut er dies nicht in der Absicht, den Zorn des 
Volkes gegen jene Frevler , die ohnehin angeklagt und meist verurlheilt 
waren, zur hellen Flamme anzublasen und ihre Ruchlosigkeit durish 
Ausmalung in vergröszertem Maszstabe anschaulich zu machen. Ar. 
«teht vielmehr innerlich selbst auf Seite der Hermokopiden. Dies er^ 
gibt sich unzweifelhaft daraus , dasz sich in den Vögeln keine einzige 
Stelle findet, welche die Urheber des Frevels verspottet, wol aber ihre 
Gegner und Ankläger , wie Peisandros , einer der Inquisitoren (1556)9 
Diopeithes, Lampon, entschiedene Anhänger des Volksglaubens, und 
der Herold des Mysten Kleökritos verhöhnt werden (Droysen a. 0. IV S^ 
57). Mag es immerhin eine Tollkühnheit des Dichters scheinen, sich 
dem allgemeinen Unwillen auszusetzen, indem er auf der Bühne einen 
viel gröszeren Frevel wagt, als jener war der vielen andern den Tod 
gebracht hatte: dies Wagnis ist nicht gröszer, als wenn er früher dem 
allmächtigen Kleon Stirn gegen Stirn entgegentrat und ihn vor dem ver- 
sammelten Volke in den Koth niederwarf. Ar. pflegte von dem Privi- 
legium der Komoedie maszlosen Gebrauch zu machen, und wie ihn 
seine Verwegenheit gegen Kleon in persönliche Gefahr brachte, so 
mochte es die Zügellosigkeit seines Spottes gegen die Volksgötter be- 
wirkt haben , dasz er mit einem sonst so groszartigen SlQcke wie die 
Vögel nur den zweiten Preis davontrug. 

Hiermit mag das Fundament bloszgelegt sein , auf dem der kunst- 
reiche Bau der Komoedie ruht. Der Ausgangspunkt für die weitere 
Deutung ist also , dasz die sicilische Expedition und der Hermenfrevei, 
im Geiste des Dichters zu einem phantastischen Bilde zusammenge- 
wachsen , die Idee des Stücks geschaffen habe. Doch in welchem Ver- 
hältnis steht das Stück zur Wirklichkeit? Es ist keine allegorische 
Copie derselben , die Zug um Zug eine reale Deutung zuläszt. Dies 
ist der Punkt, der namentlich gegen Süvern geltend zu machen ist 
Man kann dem Scharfsinn und der Energie dieses Gelehrten volle Ge- 
rechtigkeit widerfahren lassen und zugebeo , dasz es ihm fast gelungen 
ist das unmögliche wahrscheinlich zu machen. Bei ruhiger Erwägung 
bleibt seine Deutung eine UnmöglichkeiL Das Resultat seiner Forschung 
ist in der Kürze folgendes. Der Kernpunkt der Untersuchung ist. der Nach- 
weis , da«z die Handlung der Vögel ein Abbild der sicilischen Expedi- 
tion sei (S. 12 ff.)* Hieraus und aus andern Indicien ergibt sich die 



C. Kock t die Vdgel des Artstopiianes. 387 

Identität der Vögel mit den Athenern, der Götter mit den Spartanern 
und deren Bundesgenossen , der Menschen mit den kleinern griechi- 
schen Sla,aten (S. 6 u. 18). Die Betrachtung der Hauptpersonen des 
StQcks fiüirt dann darauf, dasz in Peisthetaeros Alkibiades und Gorgias 
verschmolzen seien (S. 24 ff. 28 ff), Euelpides Polos vorstelle (S.34 ff.), 
Epops den Lamachos repraesenliere (S. 36). Von den auftretenden 
einzelnen Göttern soll Herakles die Lakedaemonier und Dorier zu Lande, 
Poseidon die seefahrenden Bundesgenossen der Spartaner, namentlich 
die Korinther, der Triballer die Verbündeten im Norden Griechenlands 
bedeuten (S. 90). Als Tendenz des ganzen Stuckes endlich wird auf- 
gefunden, Ar. wolle darlhun dasz Alkibiades durch die sieilische 
Expedition erst Sparta den Athenern unterwerfen, sich dann aber mit 
Hilfe der Spartaner die Tyrannis in Athen verschaffen wolle (S. 77). 
Dies die Deutung. Auf fesler Grundlage umfassender Gelehrsamkeit 
mit Gonsequenz und Scharfsinn aufgebaut starrt sie uns entgegen wie 
eine unerschütterliche Granilmauer. Fast scheint es eine Verwegen-« 
heit, sie mit dem schwachen Rüstzeug das wir mitbringen anzugreifen, 
Dasz zwischen dem Wesen der Vögel und dem Charakter der 
Athener eine Aehnlichkeit besteht, ist nicht zu leugnen. Vielleicht 
sind sich die Athener selbst dieser Aehnlichkeit bis zu einem gewissen 
Grade bewust gewesen , wie aus den zahlreichen Vogehiamen hervor« 
zugehn scheint , die sie sich im Scherz beilegten. Gewis hat Ar. bei 
Schilderung des treibens der Vögel diese Aehnlichkeit zu Anspielungen 
auf athenische Zustände benutzt. Aus dem allem folgt nicht, dasz der 
Chor der Vögel die Athener vorstellen solle. Die Erledigung dieser 
Frage hängt wesentlich davon ab, ob die Scene der Handlung in Athen 
zu denken ist; denn ist dies nicht der Fall, so kann auf einem auswär- 
tigen Schauplatz nicht das Volk Athens auftreten. Dies hat Süvern 
sehr wol gefühlt und er erklärt daher (S. 21), dasz der Felsen, auf 
dem Peisthetaeros und Euelpides zu Anfang des Stücks umherklettern, 
die Pnyx sei. Bewiesen ist die Behauptung nicht : denn wenn JtitQc^ 
oder nhqai bisweilen wirklich die Pnyx bezeiotinet, so folgt nicht 
dasz das Wort nicht auch blosz einen Felsen bedeute. Im vorliegen- 
den Falle läszt sich der Gegenbeweis führen. Peisthetaeros und Euel* 
pides haben mehr als tausend Stadien Weges zurückgelegt, ehe sie den 
Ort erreicht haben, an dem wir sie zuerst erblicken (Vs. 6); sie sind 
so weitin der Irre gegangen , dasz sie keine Hoffnung haben ihr Vater* 
land wiederzufinden (Vs. 10) , sie müssen selbst weit über die Heimat 
des Exekesüdes (in Thrakien) hinausgekommen sein (Vs. 11). Aus 
dem auftreten des Epops (Tereus) ergibt sich, dasz sie wirklich in 
Thrakien sind. Und trotzdem sind sie in Athen, sagt Süvern, denn 
dies alles ist ironische Fiction. Tkij^i, q>tkri nQoeilril Gut, woraus er* 
kannte dann der Zuschauer die Ironie? Denn in den Worten findet 
sich nicht der mindeste Fingerzeig für solche Auffassung. Dann muste 
ihn das Auge belehren , dasz diese Andeutungen nur Scherz und die 
beiden Auswanderer am Ende ihrer Irrfahrt wieder auf der Pnyx seien« 
Wie wird uns nun das Local beschrieben? Ein öder. Felsen» im Hinter* 



S88 C. Koek: die V4^;el des Aristopluuie^. 

gründe mH Wtld bekrinzt, fern von den Wohnungen der Mensehen, 
ohne Weg und 8teg (Vs. 22). in einem solchen Local kann selbst bei. 
cetUieher and riamlieher Trennung eben nur die verwegenste Gombi- 
naliondie Pnyz vermuten, der Sinn des ortskundigen Atheners konnte 
auf solchen Schlusz nicht verrallen. Zornal, wie wenig der Felsen 
selbst der Pnyx ähnlich sah, zeigt sich darin dasz er nöthigen Falls 
einen Kampfplatz muste abgeben können (Vs. 344 ffl). Die Handlung 
beginnt also nicht auf der Pnyx, und eben so unstatthaft ist es, mit 
den harmlosen Worten rl^j^; rig yhxwi ^A^^vaf liyayn (Vs. 301) 
Athen selbst auf die Bfihne einzuschmuggeln. Der Dichter fallt hier 
eines Scherzes wegen absichtlich aus der fingierten Situation, wie er 
es liebt geeigneten Orts aus der poetischen Täuschung in die Wirk- 
lichkeit Qbertutreten. In ähnlicher Weise läszt er im Frieden Trygaeos 
bei seiner Himmelfahrt ängstlich den Maschinenmeister anrufen (174X 
In den Fröschen die Mysten der Unterweit lebende Athener verspotten 
(416 ff.) usw. Angenommen aber, man dürfte aus dem Umstände, dasz 
In den Vögeln vielfach auf athenische Verhältnisse angespielt wird, den 
Schlnszziehn, der Sehauplatz sei Athen, so dürlte es schwer sein in 
allen Stücken des Ar. eine einzige Scene zu finden, die nicht in Athen 
spielte. Bei Trygaeos erscheinen Im Himmel plötzlich Repraesentanten 
vieler griechischen Völkerschaften , in den Fröschen werden in der 
Unterwelt selbst die Athener angeredet (353 ff.), die Scene wäre also 
hier und dort und flberall Athen. In Wahrheit versetzt uns die Hand- 
lung der Vögel, wie der Dichter deutlich genug bezeichnet, in eine ab- 
gelegene, menschenleere, felsige Gegend, die in Thrakien gelegen ist. 
Die Bewohner derselben, die Vögel, können selbstverständlich nicht 
Athener sein. 

Aber wie Süvern in dem ganzen Stücke nur eine Uebersetzung 
aus der Prosa der Wirklichkeit in die Poesie der Komoedie sieht, so 
sind Ihm auch alle Träger der Handlung vermummte historische Perso- 
nen. Peisthetaeros ist ihm Alkibiades und Gorgias. tav^ n^ dg ivii^ 
yivoix UV av^QciTtm Svo; Widerspricht es nicht einfach dem Gesetze 
der Anschauung, aus den übereinstimmenden Zügen ^iner Maske zwei 
historische Personen zu construieren ? Heiszt es nicht dem Publicum 
mehr als Oedipus Scharfsinn zutrauen, wenn man ihm zumutet in einem 
armen Greise den jugendlichen , schönen , verschwenderischen Alki- 
biades zu finden? Kann der Dichter verlangen, dasz jemand den 
Peisthetaeros, einen athenischen Voilbürger (Vs. 33), für den Gorgias 
ansehe, der in demselben Stück als Barbar verspottet wird (1694)? 
Unmöglich, wenn auch sonst alle Züge der verglichenen Personen 
sich auf das genauste entsprächen, was nicht der Fall ist Auge und 
Ohr der Zuschauers musten gegen dergleichen Zumutungen augenblick- 
lich Protest erheben. Ebenso wenig konnte Ar. in dem Athener 
Euelpides den Agrigentiner Polos, den Schuler des Gorgias, vorstellen 
Wollen, zumal hier noch schwerer zu begreifen ist, in weldiem Ver- - 
hältnis Polos zu dem Theile des Peisthetaeros stehn sollte, der den 
Alkibiades vertritt. Fast scheint es überflüssig, mit ernsten Worten zu 



G. Koek: die Vdg^el des Arislophanes« |3§& 

leugnen, das2 unter der Maske des Wiedehopfs nicht die Person den 
Lamachos zu suchen sei. Stützt sich doch diese Gombination auch nur 
auf zwei sehr unerhebliche Aeuszerlichkeiten, das nvBffOQ^stv und die 
tftXtHpüi. Wir widerstehen der Versuchung weitere Gründe gegen 
die Deutung , die Süvern dem ganzen und einzelnen gibt, ins Feld zu 
fuhren, und bescheiden uns auch viele historische Beziehungen, die 
sonst von ihm nachgewiesen werden, als unzulässig darzulhun. Die 
meisten jener kühnen Hypothesen fallen ^ sobald die Grundlagen auf 
denen sie ruhen, die Identität der Vögel mit den Athenern usw., er- 
schüttert sind. Nur noch ein Wort über die Gesamtauffassung dieses 
Gelehrten sei gestattet. 

Wir müssen ernstlich bestreiten , dasz man dem groszen Komoe- 
diendichter gerecht werde, wenn man annimmt, er sei mit einer komi- 
schen Travestie der Wirklichkeit, aus hundert und tausend allgemeinen 
und besonderen Anspielungen zusammengesetzt, mit einem wahren 
Raritätencabinet von Andeutungen und Hinweisungen vor das Publicum 
getreten und habe ihm überlassen, alle jene tausend Rälhsel zu lösen, 
alle jene eingcheimnisten Wunderlichkeiten zu enthüllen. In diesem 
Falle hätte er vielleicht ein höchst merkwürdiges Kunststück zu Stande 
gebracht, aber kein Kunstwerk geschaffen. Wir müssen anderseits 
im Interesse des attischen Geschmacks dagegen Verwahrung einlegen, 
dasz irgend ein Athener die Geduld gehabt, geschweige daran ein Ver- 
gnügen gefunden habe, einen solchea Berg von Rälhseln Sandkorn für 
Sandkorn aufzunehmen und in dem Läulerungsfeuer der Divination in 
durchsichtiges Glas zu verwandeln.. Welcher %akfisyxifp€iXog hätte eine 
solche Flut von Anspielungen ertragen, wenn ertragen, verslanden, wenn 
verstanden, des Preises würdig gehalten ? £ine solche Annahme erniedrigt 
die Dichtung zur Banau&ie , das Publicum zu neugierigen Kleinigkeits- 
krämern. Der komische Dichter nimmt seine Stoffe aus der Wirklich? 
keit, aber er durchwandelt nicht die Straszen, um diese und jene 
Caricalur aufzunehmen und durch ihre Zusammensetzung ein buntes 
MosaikbUd zu schaffen. Auf dem Fittig des Genius erhebt er sich 
über den niedrigen Dunslkreis und baut ein Luftgebilde auf, das wie 
eine Fata Morgana die allgemeinen Umrisse der Wirklichkeit wieder- 
gibt, in seinem innersten Kern aber ein freies Geschöpf der Phantasie 
ist* Er klebt nicht sklavisch am irdischen Stoffe, er vergeistigt ihn zu 
komischer Idealität, und wenn er sich für einen Augenblick wirklich 
zur Erde hinabzulassen scheint, so schwebt er schon im nächsten hoch 
im ungetrübten Aether der Poesie. Namentlich nimmt Ar. in seinen 
Komoedien einen so kühnen Flug, in seinen Gebilden weht ein so 
wanner Alhem ursprünglichster Poesie, dasz sie, allein mit dem 
Messer des Verstandes zerlegt, Leben und Wahrheit verlieren. So 
unbedingt wir daher zugeben, dasz Süvern in Deutung der Vögel 
das höchste geleistet hat, was Scharfsinn und Gelehrsamkeit er- 
reichen kann., so unbedenklich behaupten wir, dasz unter seiner Be- 
handlung der dichterische Genius erstirbt , die Komoedie ihre Idealität 
verliert 



990 C, Rock: die Vögel des Aristophanes. 

/ Verwandelt sich also bei SOvern die komische Poesie in histo- 
rische Prosa, so stempeln dagegen zwei andere Gelehrte (Wieck und 
Rölscher) die Vögel zar Incamation abstraeter Allgemeinheiten. Es 
ist schon bemerkt, dasz Wieck, wie in den sophokleischen Oedipustra- 
goedlen die absolute Tragoedie, so in den Vögeln die Komoedie an 
sich findet, in der das komische Heldenthum selbst zur Anschauung 
komme. Er erreicht dies Resultat auf die natürlichste Weise, indem 
er den Begriff der Komoedie aus den Vögeln selbst entnimiht, ihn dann 
auf eben dies 8tQck anwendet und erkennt , dasz er auf dasselbe voll* 
kommen passe. Auf dieser unerwiesenen Behauptung wird dann mit 
Unerschrockenheit der kühne Bau abstraeter Speculation aufgeführt. 
Der vorgebliche Zweck der Helden (Peisthetaeros und Euelpides) ist, 
*um den drückenden Verhältnissen in Athen zu entgehen, den König 
(sie) Epops aufzusuchen, um durch ihn die Aufnahme in das von 
ihnen ersehnte Princip, das Vogellhum, zu bewirken' (S. 9). Leider 
ist ihnen dieser Zweck nur untergeschoben, Ar. weisz nichts von einer 
beabsichtigten Aufnahme in das Vogellhum. Die Auswanderer wollen 
von Epops allein eine Stadt erfragen, in der es sich ruhig und bequem 
lebe wie in einer iftav(fa^ und erst als sie die günstige Lage des Vo- 
gelreichs sehen, geht dem P. der groszartige Gedanke auf, der im 
Verlaufe des Stückes verwirklicht wird (Vs. 44. 120 ff.). Als der 
ersehnte Wiedehopf vor den beiden Athenern erscheint, lachen sie 
über sein wunderliches Costüm. In einer so abslracl principiellen 
Komoedie, wie für Wieck die Vögel sind, musz hinter dieser harmlosen 
Aeuszerlichkeit tiefer Sinn Hegen. *Scheu und Bewunderung sind 
ebenso die natürlichen Gefühle, welche den Menschen bei dem An- 
blick idealer Grösze übermannen , als das Streben nach verkehrtem 
Ideale uns der Lächerlichkeit Preis gibt Diese Empfindungen nun 
sind es, welche der Dichter solchem Ideale gegenüber zu erwecken 
hat' (S. 10). Nicht genug also, dasz der Zuschauer ein Ideal dea 
Vogelthums, das sich höchstens im Verlauf des Stücks ergeben könnte, 
von vorn herein durch Hellseherei zum Verständnis des Anfangs von 
Hause mitbringen musz : er darf nicht einmal über die r^iAo^/a, die 
mangelhafte Befiederung und den Schnabel des in Menschengestalt 
auftretenden Wiedehopfs lachen, ohne zur Busze dafür innerlich zur 
trübsinnigsten Speculation gezwungen zu sein ! So schreitet der Er^ 
klärer immer weiter aus in das schrankenlose der AbstraclioB« 
Und hinter ihm in wesenlosem Scheine 
Liegt, was uns andre bändigt, das gemeine^ 
oder vielmehr das natürliche. Ich bekenne offen, dasz ich ihm in 
seinem speculativen Sturmschrill nicht überall habe folgen können. 
So habe ich es aller angewandten Bemühung unerachtet nicht völlig 
verstanden, was es heiszt (S. 11) : *in der Nachtigall kommt gleichsam 
die in ihr personificierle Komoedie selbst zur Sprache»' Ferner habe 
ich nichts anderes als einen hohen Grad von Wundei^^ichkeit darin 
sehen können, wenn die Art, wie die Nachtigall geküszl wird (Vs. 673), 
folgende Erklärung findet: *sie (die Komoedie) verhell sich keines^ 



G. Kock: die Vöj^el des Aristophanes. S91 

wegs ihr trauriges Schicksal, dasz sie von der Menge genossen wird^ 
ohne dieselbe wahrhaft bessern zu können , denn indem man, um mit 
Hoffegut zu reden, das Ei aus der Hülse schälend ihr den Stachel 
nimmt, genieszt man sie, ohne sich von ihr tiefer berühren zu lassen' 
(S. 13). Auch musz ich es dahin gestellt sein lassen , ob für die Er- 
klärung der Romoedie irgend etwas gewonnen wird , wenn es (S. 14) 
heiszt *dasz der zweite Abschnitt des Stücks (der Theil von der 
groszen PaYabase an) seinem Inhalte nach als das komische Object, im 
Gegensatz zu dem komischen Subject (dem ersten Theile), und sei- 
nem Wesen nach als das Unglück zu bezeichnen ist.' Es müste denn 
hiemit die bescheidene Wahrheit gemeint sein, dasz, nachdem früher der 
Plan des Petsthetaeros entwickelt ist, nunmehr die Ausführung desselben 
beginnt« .- Dagegen müssen wir uns bestimmt gegen das Endresultat 
erklären, auf das Wieck mit Hilfe dieser Hypothesen hinarbeitet, das 
er aber freilich nirgends klar und zusammenhängend hinstellt "^X als 
heabsichtige Ar. den Kampf des Plebejerlhums mit der Aristokratie 
ironisch darzustellen und die Verkehrtheit des demokratischen Prin- 
cipe gerade durch seinen Sieg offenbar zu machen« Die Ironie ist 
nicht erwiesen» der Zweck wäre unzeitgemäsz gewesen, Beziehung 
auf Aristokratie und Plebejerthum tritt im ganzen Stücke nirgends her- 
vor, .der Darlegung des Peisthetaeros (Vs..462 ff«) ist sie ohne allen 
Gtuxkd untergelegt 

Eine gleich abstracte Auffassung des dem Stücke zu Grunde lie- 
genden Gedankens^ wiewol mit Consequenz und Klarheit entwickelt, 
finden wir bei Rötscher (Aristophanes und sein Zeitalter S. 378 ff.)- 
Nachdem dieser Gelehrte dem shakespearesch^n Sommernachtstraum 
cum Trotze den Grundsatz aufgestellt hat, Üasz man den Begriff des 
Kunstwerks aufhebe, wenn man der Komoedie einen bestimmten und 
concreten Inhalt abspreche , findet er n dem Vögelchor den Gedanken 
der Unabhängigkeit vom Gesetze, der Wandelbarkeit der Einrichtungen 
und Verordnungen, der Losgebundenheit von aller Sitte ausgedrückt 
und in ihm eine Welt offenbart, in der alle sittlichen Bande gelöst sind. 
Eine scheinbare Berechtigung zu solcher Annahme liegt darin, dasz 
die Sittlichkeit der Vögel eine andere ist als die der Menschen, dasz 
bei ihnen vieles für erlaubt gilt, was diesen das Gesetz verbietet. Aus 
Verschiedenheit der Sitte auf Unsitttichkeit zu sehlieszen ist natürlich 
ein Fehischlusz, und Ar. hat durch seine Darstellung zu demselben 
keine Veranlassung gegeben. Allerdings lehnen sich die Vögel gegen 
die Götter und somit gegen die bestehende sittliche Weltordnung auf, 
aber, wolgemerkt, erst nachdem sie ein Mensch überredet, nachdem er 
ihnen bewiesen hat dasz sie bei solcher Auflehnung in ihrem Rechte 
seien. Freilich eröffnen die Vögel bei sich ein Asyl für die unzufrie- 
denen der Erde, abtr sie verjagen sie mit Schlägen, sobald sie sich 



*) Ich muss es jedem überlassen sich za übeneugen , ob es nur mir oicht 
gelungen ist, in dem ganzen der Herleitung überhaupt einen strengen Zusam- 
menhang zn finden. # 
Jahrb. f. dasf. PhUol. Suppl. N. F. Bd. t. Hft. 4. 27 



492 C. Koek: die Vögel 4es Arislophaiies. 

mit 4er Sittlichkeit der VogeleCadt io Widerspruch zeigen. Die nv^ 
pHs mltc^ymv (Vs. 1854), selbst das Gesetz der Hihne (1360 ff.) be- 
weisen, das! die Verhältnisse der Vogelstadt auf einer bestimmten, 
wenn auch abweichenden SittliehkeH begründet sind, wenn nicht der 
schlagendsle Beweis die Macht und die Thaten der Vögel wären: Ein 
Volk, das ein so gewalliges Reich gründet und selbst die Götter unter* 
wird, kann sich der Dichter unmöglich als Verkörperung der ab6<^tt« 
ten UnsitlUchkeit denken. Nachdem in solcher Weise die' Bedeutung 
des Vögelchors misverslanden ist, wird aus dieser heraus die Ironie 
seines Wesens und somit des StQckes selbst nadigewiesen (8. 380) t 
*aber dieser flOchÜge Vogelschwarm bildet den Chor, der seinem We« 
sen nach der Gegensalz und Widersprach dieses unredlichen Leicht- 
sinns ist und vlelmdir die sittliche Subelans darMlellt Die Vögel lei* 
gen daher durch ihre Erscheinung als Chor sogleich stillschweigend 
den Gegensatz ihres Symbols, oder sie vernichten in Ihrer Erscheinung 
den Ernst ihfer Maske. Dies kann auch so aufgefaszt werden, dasz 
dieser Vögelchor dem ansdiauenden die Ironie seines Symbols ist.* 
Also soll das unwahre und nichtige der Maske YeTspottet werden. Die 
unwahre und nichtige Seite im Vögelchor war eine irthdmUche An* 
nähme. Die Behauptuuf^ dasz der Chor (der Komoedie) die sittliche 
Substanz darstelle mag in ein System philosophiseher Aeölhetik sehr 
wol passen, auf die alle Komoedie und namentlich die Dramen des Ar. 
hat sie keine Anwendung. In den Achamern und Weq[»en vertritt 
der Chor nach des Dichters Absicht entschieden die unsitlliche SuIk 
stanz; dasz er in den Thesmophorlazosen und Eicklesiazusen nicht 
mindestens eine Trübung Ton Unsiltlichkeil hat, wird sdiwer zu be- 
weisen sein, und auch in den übrigen Komoedien mag Ar. in seinen 
bunten Chormasken manches eher gesehen haben als die Yeriiörpe- 
Tung der Sittlichkeit So gewis nun die Addition zweier negativen 
Gröszen keine positive Summe gibt, bat Rötscher hiemit die Ironie nicht 
nachgewiesen. Auch kann diese nicht auf dem RQcken des Peisthe^ 
taeros in das StQck hineingeschmuggelt werden. Er bekennt sich 
nicht, wie Kölscher annimmt (S. 385), zu dem Princip der Vögel (der 
UnsilUidikeit), erkennt aber spater an der Verwirklichung der reinen 
Willkür durch das aultreten des Vatermörders usw. seine UnsitUich« 
keit, um sich von seinem Leichtsinn zu bekehren (S. 384), sondern wie 
er firüher nie auch nur mit einem Worte angedeutet hat, dasz er Syko- 
phantie, Mishandlung der Ellern, Windbeutelei von Dichtem und Wahr- 
sagern billige , so spricht er später ohne alle Inconsequenz geradezu 
^eine Misbilligung davon aus. Es ist also von einem abstauten Prin^ 
oip des guten und bösen weder beim Chor noch bei Peisthetaeros die 
Rede, und der Dichter hat in der Vogelrepnblik (^. 386) nicht die Ge» 
genwart des athenischen Staates vorstellen wollen , *in welcher alles 
objective und allgemeine von der Willkür und Einzelheit des Willens 
und Meinens bereits verschlungen war.' Die sehr triviale W^^heit 
ist die, dasz er bei Entwurf der Komoedie an philosophische Abslrac- 
tionen überhaupt nicht gedacht hat. 



C. Kock: did Vö^^l des Aristophabes. 309 

So haben wHr uns denn erkühnt , der prosaisch-hisdorisehen Auf- 
fassung des Stücks den Scheid^brief zu geben und selbst den Philo- 
sophen ein i%ag Sava ßißtiXoi zuzurufen, tß ^v^a' Spbv 1fKav^^^ios Ifümn 
^fßvtkv» Wo bleibt noch ein Atom von Gewürz^ um unserer Ansicht 
nur den minderten Geschmack 7u verleihen? sEO'dscv ovp iv fw yivono 
^Xtfi Mlg (Mvog; Wjr preisen uns glüc^klich» <lasz wir uns nicht zuerst 
mit der naiver^ Behauptung herauswagen müssen., dasz der Dichter, 
poelisth zu* verstehen sei. ImBewustsein eigner Unzulänglichkeit grei- 
fen wir hocherfreut nach dem Schlepptau, das uns Droysens Hand zu- 
wirft Kdntien wir doch auch das ganze unserer Ansicht nicht klarer 
und beredter ausdrücken, als er es that (Rheine Mus. IV [18S6] S. 46) : 
^e Vögel sind ein vollkommen phantastisches Spiel, in dem sich alles 
wirkliehe und laclische durch eine in sich ganz verständige I^ogik zu 
lauter Idealitat und Ueberspanntheit sublimiert, die doch wieder an al- 
len merklioheQ Momenten der Gegenwart dicht dahinstreiflf^ (S. 54) 
* Alles factische und persönliche, gleichsam aufgelöst zu einem allgC'- 
meinen Eindruck, zu einer Stimmung, einem durchaus innerlichen, in 
dem die Farben der Wirklichkeit zu einem Lichtton verschwimmen, das 
ist der Stoff, aus dem diese Komoedie. geworden Ist, und darum ist sie 
so vollkommen Poesie»' 

Um den Charakter der Vögel ganz zu begreifen, wird man sich 
ihre Entstehung aus den Zeitverhaltnissen und aus dem Gemüt des 
Dichters lebhaft vergegenwärtigen müssen. Was die ersteren betrifft, 
80 fallt, wie gesagt, das Stück mit dem Beginn der sicilischen Expedi- 
tion und dem Hermokopidenprocess zusammen. Auf beide Ereignisse 
bezieht sich der Dichter ohne polemische Absicht. Sodann ver rälh sich 
in der Kornoedie ein so. hoher Grad phantastischer Erregtheit, ein so 
hocbsprudelnder Uebermut, dasz es klar ist, vornehmlich diese KräAe 
sind im Geiste des Dichters zur Hervorbringung des Drama thätig ge- 
wesen. Die Groszar tigkeit des Kriegszuges hat ihn begeistert, sein 
Uebermut ruft ihm zu: wolan, du kannst mehr als das; dein Hoplit 
ist der unbeugsame Mut, der Stirn gegen Stirn mit Kleon gekämpft, 
dein Peltast ist der unermüdliche Flankier, der Witz, deine. Batisten 
und Katapulten sind das schwere Geschütz deiner gottseligen Grobheit« 
Als Panzer und Schild. dient dif die Freiheit der Kornoedie, als Schiff 
die Phantasie, Ganz Athen träumt von der schönen Flotte auf fernem 
Meere.. Gut, bricht, seine geniale Ver wegenfaeit aus , ich thue mehr, 
ich gehe in die Luft! Zudem wie soll des Dichters Begeisterung es 
aushalten unter dem ewigen einerlei von Prooessen und Geldstrafen, 
während die Atmosphaere selbst von den kühnsten Projecten schiyan- 
ger ist? Ist es nicht lächerlich, dasz ein luftiger Jünglingsstreich so 
das Mark der athenischen Bürgerschaft ai^rütteln und erschüttern kann ? 
Wie kann diese traririge Spukgestalt vor der hellstrahlenden Sonne der 
ruhmwürdigsten Begebenheit bestehn? Seid ihr sp thöricht,.so ruft er, 
im Sonneasehein Gespenster zu suchen, wol, ich will euch zeigen dasz 
ich euch verlachen darf. Haben jene Jünglinge einen harmlosen Gott 
beleidigt, ich will vor euren Augen den Olymp selbst ^stürmen. Ich 

27* 



9M C. Kock: die V5^ei des Avistophanes. 

will alle die treulosen 65tter von Ihren Thronen sUireen, und ihr sollt 
es mir nicht wehren ; im Gegentheli, ihr sollt mir Beifall klatschen und 
selbst den Preis zuerkennen. — Und damit geht er ans Werk. Er 
blickt In die Luft. Die V0gell Willkommene Bundesgenossen! Ihr 
braucht nur ein pau* Athener , die euren engen Verstand erleuchten 
und befruchten, die eure unstaten Gedanken auf ein gemeinsames Ziel 
hinleiten» die eurer Leichtgläubigkeit das herliche Project einimpfen. 
Auf, Peisthetaeros und Euelpides, grOszt Schwager Wiedehopf und 
Schwester Nachtigall! Meldet ihnen, ich erkläre kraft meines Amtes 
als Komoediendichter die Gatter far abgesetzt und vogelfrei! Sie sollen 
zugreifen und das herrenlose Gut, die Herschaft der Welt, in Besitz 
nehmen« Und so ziehen denn Peisthetaeros und Euelpides aus der 
Stadt, der sie nicht den Vorwurf machen kennen, sie sei nicht grosz und 
herlich und gewähre nicht allen die gleiche Freiheit Processkosten und 
Geldstrafen zu bezahlen« Zwar sind die Auswanderer nicht gleich in 
die^Tiefe der dichterischen Absicht eingeweiht, sie tragen sie gewisser- 
maszen in versiegelter Ordre mit sich, und erst als sie in das Vögel* 
reich gelangt sind, springt die Hülle, und die Groszarligkeit ihrer Be- 
stimmung wird ihnen selbst klar. 

Peisthetaeros und Euelpides sind also der Faden, der die Wirk« 
lichkeit mit dem Phantasiebilde verbindet. Sie sind zugleich selbst ein 
Fingerzeig zur Deutung des ganzen. Wie sie Athen verlassen, aber in 
gröster räumlicher Trennung als Athener denken und handeln, weil sie 
eben ihre Natur nicht ausziehn können wie ein Kleid, so erhebt sich 
auch der Dichter Ober alle Wirklichkeit, aber er trägt die lebendigen 
Bilder der Gegenwart In sich, und was er auch denkt und dichtet, 
nimmt eine dem wirklichen analoge Gestalt an. Oft streift er so nahe 
an historischen Zuständen hin, dasz er eine reale Deutung selbst her« 
auszufordem scheint. Doch diese direcle Beziehung auf die Wirklich^ 
keit beschränkt sich auf Einzelheiten, In der Hauptsache bleibt das 
StQck eine freie Schöpfung der Phantasie« Doch wer ist nun Peisthe- 
taeros und Euelpides? Nicht Alkrbiades, nicht Gorgias, nicht Polos. 
Wenn P. durch die Kühnheit seiner Entwürfe, durch die Macht seiner 
Ueberredungskunst bisweilen lebhaft an Alkibiades erinnert, so ge- 
schieht es nur , weil Alkibiades diese echt attischen Eigenschaften in 
besonders reichem Masze besasz. In Wahrheit sind beide nur Reprae- 
sentanten des attischen Volkscharakters, der eine nach seiner mehr 
activen, der andere nach seiner mehr passiven Seite. ^Dereine(Peisthe* 
taeros) ist' wie Droysen sagt *ganz Kopf, ganz Umsicht^ ganz Pro- 
ject, ganz Speculation (d. h. Im eweiten Theile des Stücks zugleich 
ganz Thatkrafl, ganz Organisationstalent, ganz Routine); der an- 
dere, Hans Hoffegut, ein rechter athenischer Particulier, immer 
lustig und voll Spasz, nie überrascht, nie von groszer Courage, 
ohne eignen Willen , stets räsonnierend, anstellig zu allem.' Peisthe* 
taeros ist der Athener als Redner, Demagog, Anführer; Euelpides 
das Urbild des xtpivaSog, die überredete und geleitete Volksmenge. 
^Kann es da tehlea, dasz jnan zu beiden Figuren unter deii Athenern 



C Kock: die V6^e\ des Aristephaneg. 395 

Vorbilder, Aehnlichkeiten in Menge findet? Aber beide sind für spe- 
cielle Personen za allgemein.' 

Und welche Bedeutung hat der Chor ? Er ist nicht das Volk der 
Athener, nicht die Verkörperung der absoluten Unsittlichkeit. Es ge- 
hört fast der Mut lächerlich zu werden dazu, am so geistrdchen und 
tiefen Auffassungen gegenüber für die reizlose Ansicht einzutreten, dasz 
er nichts weiter ist als der Name sagt, das Volk' der Vögel in komisch- 
phantastischer Erscheinung. Dasz der Dichter Vögel in menschlicher 
Weise reden und handeln läszl, entspricht durchaus der Gewohnheit der 
aristophanischen Komoedie« Dasz er ihnen attische Eigenschaften bei- 
legt, kann nicht befremden, da er, ein Athener, für Athener dichtet« 
Auch setzte das Verhältnis , in das der Chor zu Peisthetaeros treten 
sollte, Verwandtschaft des innem Wesens voraus, die sich noch 
steigern muste, seitdem er von den Ideen jenes erfQllt zum wil- 
lenlosen Werkzeug desselben wurde. Zudem fanden sich ähnliche 
Charakterzüge wie Flatterhaftigkeit, Leichtgläubigkeit, Geschwätzigkeit 
ganz ungesuchL Gleichwol geht die Charakterisierung der Vögel über 
diese allgemeine Aehnlichkeit nie hinaus, sie zwingt uns nirgends Iden- 
tität anzunehmen. Es ist aber nicht Aristophanes Art seine Absichten 
in allgemeinen Andeutungen auszusprechen. Man vergleiche mit dem 
Chor der Vögel den der Wespen , der unter thierischen Attributen die 
athenischen Richter darstellL Während das Costüm in beiden Fällen 
analog zu denken ist, tritt bei gröster äuszerer Aehnlichkeit die gröste 
Verschiedenheit der Rolle hervor. Dort kann von Anfang bis zu Ende 
nie ein Zweifel aufkommen , dasz der Chor wirklich Athener darstellt 
und die thierische Maske nur gewählt ist, um die charakteristische Be- 
sonderheit der Rolle auch äuszerlich zur Erscheinung zu bringen. Er 
tritt in Athen auf, er ist auf dem Wege zum Gericht , sein denken und 
reden bezieht sich auf Processsachen. In den Vögeln dagegen ist der 
Ort« die Rolle des Chors, die Handlung selbst ganz allgemein, ohne di- 
recte Verknüpfung mit AÜien und dem athenischen Volke. Wie also 
hinter der Maske der Wespen Athener reden und handeln, so erschei- 
nen in dem Chor der Vögel wirkliche Vögel, an denen einzelne Eigen- 
schaften, die sie mit den Athenern gemein haben, in besonders helles 
Licht gesetzt sind. 

Ebenso steckt in Epops und Philomela weder historischer noch 
speculativer Kern. Wie jener nur der Wiedehopf ist, so diese nur die 
Nachtigall, der die bescheidene Rolle zugewiesen ist, einmal in dem 
Gebüsch hinter der Scene (209), später vor dem Publicum selbst wäh* 
rend des Vortrages der parabatischen Anapaesten die Flöte zu blasen. 
Da sie nun als Flötenspielerin auszer dem ^vy%oq die g>OQßiuc trägt, 
so ist der Wunsch des Euelpides sie zu küssen freilich nur mit Hilfe 
einer komischen Operation nöthig; er musz ihr Schnabel und Binde ab- 
nehmen. In gleicher Weise darf man auch in Poseidon, Herakles und 
dem Triballer nichts weiter als die Gesandten der entweihten, geschän- 
deten, entgötterten Olympier suchen. 

Doch nun endlich die Handlung des Stücks« Sollten über sie 



800 C. K0di: dte Vögel des AHstoj^haLAes. 

nieht midddsteds überraschende Enthulliingen mdglicli seilt? Schwer- 
lich. Peisthetaeros und Euelpides, die beide lange genug gelebt haben 
um des treibens in Athen fiberdrüssig zu seift, die nieht mehr senti- 
mental genug sind, um sich aus bloszem Patriotismus deii Rest ihtes 
Lebens zu plagen, verlassen Hals über Kopf (u{Mpolv tcodotv) ihre Hei- 
mat, um eine Stadt aufzusuchen, in der es sich behaglich lebe wie in 
einem Fiausrock (133). Sie selbst kennen eine solche nicht, wissen 
aber dasz den Mangel an eigenem Verdienst (Konnexionen ersetzen, und 
wenden sich an ihren Schwager Tereus. Krähe und Dohle müssen 
ihnen den Weg zu ihm zeigen. Dieser fuhrt, nachdem er die Bürde 
des Menschendaseins abgeworfen hat , in ehrenvoller Zurüdigezogen* 
heit ein gemütliches Leben unter dem leichtbeschwingten Volk der Vd- 
geL Er hat, veromtltch um den Kummer über seine fruhereahäu&iichen 
Verhältnisse los zu werden, weite Land* und Seereisen gemacht (118), 
ohne Zweifel wird er also das gelobte Land nachweisen können. Er 
empfängt die Athener leutselig und bringt ihnen Orte in Vorschlag, die 
seiner Ansicht nach ihren ausschweifenden Wünschen (129 — 134« 
137 — 142) genügen sollen. Dies ist jedoch nicht der Fall, und da er 
auf Euelpides Anfrage die glücklichen Verhällnisse . des Vogelreichs 
schildert, so springt mit einem Schlage, wie Pallas, aus dem Haupte 
des Peisthetaeros das siü)lin!iste Project hervor. Wozu weiter ziehn? 
Das gesuchte ist gefunden ! Wenn nur die Vögel ihr unstätes Leben 
aufgeben und sich in einer Stadt zusammenschaaren ^ so ist ein Eldo* 
rado geschaffen, von dem aus die Menschen wie Heupferdchen zu be- 
herschen, die GöUer durch melischen Hunger zu bezwingen sind. Eine 
feste Luftstadt, in der Mitte zwischen Himmel und Erde gegründet, soll 
den Olympiern alle Zufuhr an Opferdanqpf abschneiden und sie so zur 
Capitulalion zwingen. 

Wir halten hier einen Augenblick. Wie, sagt man, die Auswan* 
derer suchen eine Stadt, die ihnen wie ein Schlafrock bequem ^tzt> 
und stürzen sich jetzt blindlings in das abenteuerlichste, mühevollste 
Unternehmen ? Kann ein Dichter sein Thema so verkehrt begründen T 
Der Widerspruch ist da, es fragt sich ob er zu losen ist. Offenbar 
erkannte Ar., dasz sich ein Phantomnicht unmittelbar auf den Grund- 
lagen der Wirklichkeit erbauen läszt. Er muste die Zuschauer erst ans 
dem klaren TagesUchte aihnähfieh in die Dämmerung der Phantasie 
einführen, ehe er Vor ihren Augen sein Zauberbild entfalten durfte. 
Ein Athener, der in Athen den Plan Cäszte durch eineJestung zwischen 
Himmel und Erde die Weltherschafl zu erlangen, wäre geradezu ver^ 
rückt erschienen; erst nachdem das Vorhandensein eines phantasti- 
schen Vogelreiehs ad ocülos demonstriert war, hatte ein solches Un- 
ternehmea eine vernünftige Begründung gefunden. Man denke an die 
Himmelfahrt des Trygaeoa* Dasz er erst auf einer Leiter in den Him- 
mel klimmen will, ist o€enbare VerrücktheiL Erst nach Zuhilfenahme 
des phantastischen Kav^agög wagt der Dichter ihn seine Luflreise 
wirklich unternehmen zu lassen. Bleibt hiemit ein Theil des Wider« 
Spruchs ungelöst, so erklärt sich dieser wie mancher viel gröszere, 



C. Kodk: di^ Y5gel de^ Aästo^liaiies. Sfff 

aus einer Nel^enalbsfchC des IKcbters. Er hatte es ohne Ziv^eifel mö^H 
gemacht Peisthetaeros und Eüelptdps mit einem Vorwand aof die Reise 
zu sishicken, der mit ihrer spätem Thätigkeit mehr in Einklang stand; 
Er wählte den weniger harmonierenden , um das ruhe^^ and raätlose 
treiben des Volks, namentlich die Prpcesssucht, die er' so- oft geiszefH^ 
beiläufig zu verspotten. *Doch imilier hurtig weiter gehts mit Luft- und 
Geisterschrilten.' Nachdem die sublime Idee von dem schöpferischen 
Gehirn des Pefethetaeros geboren ist, gilt es deren Verwirklichung, ein 
selbst für einen Komoediendiditer schwieriges Werk. Zwar Epops 
sckwörl das Vorhaben nach Kräften zu unterstützen, wenn es den Bei* 
fall der anderen Vögel finde« Boch auf diesen scheint wenig Aussicht 
zu sein. Kaum sind sie auf den Ruf des Epops zu einer Volksversamm* 
lung erschienen, zuerst eine kleine Schaar Arirtokratenvögel, dann der 
grosze Haufe des Volks, kautn haben sie die beiden Männer erbiickt« 
so wetzeri sie im Argwohn es^ seien Vogelsteller Schnabel und Kralle, 
steikn sich in Schlachtordnnng und stürmen zum Angrifil Vergebens 
sucht sie Epops zu beruhigen, ihr Zorn steigert sich nur: da gelingt es 
ihm (876) mit Hilfe einer paradoxen Sophistik (einer Paraphrase auf 
das Sprüchwort: auch Feindes Mund frommt) sie in ihrem SturmsdiriU 
aufzuhalten. Sie sind bereit zu hören und damit ist die Gefahr ftir 
die Athener natürlich beseitigt. Peisthctaeros, den der Humor selbst iil 
der Todesgefahr nicht Verlassen hat, begreift, sobald der Streit auf da« 
Gebiet der Worte verlegt ist, dasz die Vögel alle Vortheile aus den 
Händen gegeben haben, und er, der angegriffene, geht seinerseits ge- 
trost Zum Angriff über. Nachdem er sich zum Ueberflusz gegen einen 
Flankenangriff gesichert hat (440), wirft er den Feinden ohne einiei« 
tendes Geplänkel die ganze Wucht setner schweren Bewaffnung ent- 
gegen (4§5). Ihr seid einst Könige gewesen, so ruft er, älter als Kro- 
nos und die Erde, und lebt jetzt in schimpfticher Erniedrigung. Habt 
ihr vergessen, dasz die Haubenlerche ihren Vater, der starb ehe die 
Erde i^ar, in ihrem Haupte begraben muste? (471) Wiszt ihr nicht, 
dasz der Hahn vor allen persischen Königen herschte und deshalb noch 
heute der persische Vogel heiszt? (481) Zwar er hat auch heute noch 
einen Schatten seiner einstigen Würde bewahrt, denn noch heute ruft 
sein Commandö alle Menschen zu ihrem Tagewerke. Ihr andern aber, 
selbst der Weihe, der einst durch niederfallen verehrt wurde (499), 
selbst der Kukkuk (504) , der über Phrygien und Aegypten herschte, 
ja auch der Adler (ölO), der als Mitregent einst auf dem Scepter der 
Könige sasz, seid gefallen und gesunken. Und doch kann selbst Zeus 
sein Regiment nicht ohne den Adler führen (514), doch braucht Athene 
die Eule, Apollon den Falken. Und da duldet ihr es , dasz man euch 
mit Netzen, Schlingen, Ruthen Tängt, euch verkauft, bratet und mit Sauce 
begieszt? Ein Beifallssturm bricht aus, Thränen der Rührung und der 
Scham stehen in allen Vogelaugen, einmütig rufen sie: Peislhelaeros 
König! König sei Peisthetaeros ! Dein sind wir mit Kind und Nest, nur 
sage, wie können wir die verlorene Herschaft wiedergewinnen? (540) 
Kleinigkeit, sagt Peislh. Vereinigt euch in einer Sladt, umgebt den 



C. Koo|l: die \6f^\ des Aristophanes« 

LuRkrek mit hoher Backsleioinaaer und dknn fordert von Zeus sofor* 
tige Abdankiui§^. Weigert er sich, so solien ihm und seinen Mitgöttera 
die erotischen VergnQgond^reisen nach der Erde gesegnet sein l Auch 
bei den Menschen laszt euren Regierungsantritt proclamieren und be»- 
fehlt ihnen, erst den Vögeln lu opfern und dann den Göttern ( — ö69). 
Mit den Göttern mag es gehn; die Menschen, das macht die Vögel be^ 
denklich. ^Sie werden uns nimmermehr fiir Gölter halten !' Warum 
nicht? Seid ihr nicht geflQgelt wie Hermes^ wie Nike, Eros, Iris, wie 
der Donnerkeil des Zeus? Und bleil>en sie wirklich verstockt, so laszt 
nur ein Regiment Sperlinge aufmarschieren, das ilmen die Saaten aus* 
pickt, laszt nur eine Schwadron Raben anrQcken, die ihren Ochsen 
und Schafen die Augen aushackt! Oder wollt ihr sie im guten gewin- 
nen, so versprecht ihnen ilire Felder, Gärten und Weinpflanzungen von 
Ungeziefer rein zuhalten, ihnen Bergwerke und vergrabene Schatze an- 
zuzeigen , den Kaufleuten giackliche und gewinnbringende Fahrt vor> 
her zu verkündigen, ihrem Leben vom Alter der Krähe dreihundert Jahre 
zuzulegen. Zeigt ihnen, wie viel sie an Geld für Opfer und Tempel 
ersparen können, wenn sie eure Gottheit an die Stelle der alten Götter 
setzen. Euch genügt ein Baum als Tempel, eine Handvoll Walzen 
oder Gerste als Opfer (•— Ö95). Die Ueberredungskunst des Atheners 
hat gesiegt. Kein Zweifel mehr. Macht, Glück und Freude lacht dem 
Volk der Vögel, also Hand ans Werk gelegt! Petslh. soll das Unter- 
nehmen mit seiner Klugheit leiten , die Vögel sind seines Befehls ge- 
wärtig. Vor allen Dingen aber musz er und sein Gefährte durch den Ge^ 
nusz einer Zauberwurzel l)efiedert werden. Dann werden beide von 
Epops in dessen Zweigpalaste bewirtet, während der Chor mit der 
IfachÜgaJi zurückbleibt und die Parabase eintritt ( — 675). 

Die besprochene erste Hälfte der Komoedie ist es, in der die 
Aehnlichkeit mit der Einleitung des sicilischen Feldzuges hervortritt. 
In beiden Fällen einem phantastischen Unternehmen gegenüber erst 
Mislrauen und Widerspruch von Seiten der besonnenen Ueberlegung, 
in beiden Fällen Ueberwältlgung desselben durch Aufstachelung des 
Ehrgeizes, der Ruhmsucht, der Leichtgläubigkeit, schlieszUch in beiden 
Fällen ungemessene Begeisterung, Bereitwilligkeit zu jedem OpOsr, 
jeder Anstrengung. Doch hält sich die Aehnlichkeit in dieser Allge- 
meinheil, specielle Beziehung verralhen nur wenige Zuge des komi- 
schen Projects, und auch bei diesen bleibt die Absicht zweifelhaft. Mit 
Beendigung dieses Abschnittes hört die Aehnlichkeit auf. Und zwar 
natürlich. Von dem Erfolg des Kriegszuges wüste Ar. bei Abfassung 
des Stückes noch nichts, er war also gezwungen sein Unternehmen 
selbständig zu Ende zu führen. Er konnte sich nicht mehr an die Ana- 
logie der Wirklichkeit halten , sondern aus den aufgestellten Praemissen 
allein denSchlusz ziehen. Dieser fällt entschieden positiv aus, denn 
Leicht bei einander wohnen die Gedanken, 
Doch hart im Räume stoszen sich die Sachen. 

Die Parabase hält die angeregte Stimmung der allgemeinen Be- 
geisterung und Siegesgewisheit fest, sie anticipiert zum Theil selbst 



C. Kock : die Vögel des Aristophanes. SBO 

die Folgen des unzweifelhaften gelinjg^ens. Gegen alle Gewohnheit wird 
nichts polilisches, keine Angelegenheit des Dichters mit dem Pabltcum 
besprochen; der Dichter ist von seiner Idee so erfdllt, dasz er Gegen^ 
wart and Wirklichkeit ganz auszer Augen setzt. Auch hierin Ue^ ein 
Beweis mehr dafür, dasz die Vögel keine directe Einwirkung auf den 
augenblicklichen Zustand Athens beabsichtigen, denn wie konnte sonst 
Ar. gerade dön Theil der Komoedie nicht zu diesem Zwecke benutzen, 
der recht eigentlich dazu eingeftlhrt war? Zunächst wird in den Ana- 
paesten die alte Theogonte nmgestoszen und die Berechtigung der Vö- 
gel auch mythologisch begründet. Im zweiten Theile der Anapaesten 
und der übrigen Parabase sodann wird der Nutzen, den die Menschen 
vom Regiment der Vögel haben werden, in ergötzlicher Ausführlich- 
keit besprochen; Ganz nat&rlich knüpft sich hieran die Aufforderung; 
die Zuschauer sollen sich unter die glückseligen Vögel aufnehmen las- 
sen. Mit dem Fortgange der Handlung (801) erscheinen Peisthetaeroist 
und Eueipides wieder, in Vögel verwandelt. Sie berathen über den 
Namen der Vogelstadt. Wolkenkukkuksheim scheint ihnen* der vor- 
züglichste. Eueipides wird dann zum Aufseher über den Mauerbau 
gesetzt und erscheint seitdem nicht wieder auf der Bühne (847). Man 
hat dies abtreten des Eueipides tiefsinnig zu erklären versucht und 
auch hier das einfache übersehen. Die Rolle des Peisthetaeros setzte 
von Anfang an einen Eueipides voraus, wie die Ueberredung einen zu 
überredenden. Auch war schon des Dialoges wegen neben P. ein Be- 
gleiter unentbehrlich. Seitdem aber die Ueberredungskunst ihr Werk 
gethan hat und aus dem Redner P. ein thäüger, handelnder Charakter 
geworden ist, hat Eueipides keine nothwendige Stelle mehr neben ihm. 
Zudem hatte der gesamte Chor der Vögel in seinem blinden Glauben 
an die Unfehlbarkeit des P. jetzt selbst die Rolle des Eueipides über- 
nommen. Während der Parabase musz man sich die Gri^ndung der 
Vogelstadt vollfOhrt denken. Um derselben die heilige Weihe zu ge- 
ben, folgt nun in komischer Parodie auf die üblichen Gebetformeln die 
feierliche Anrufung der neuen Vogelgottheften, die spaszhaflerweise 
zugleich Mitbewohner und Schutzgötter der Stadt sind. Auch das 
Gründungsopfer soll dargebracht werden, da (904) erscheinen in hasti- 
gem Wettkampf allerlei Windbeutel und Taugenichtse von der Erde, 
um in der jungen Stadt eine Heimat zu suchen. Der erste , ein kykli- 
scher Dichter, kommt glimpflich davon ; er wird, offenbar aus Rücksicht 
auf die Collegialität, mit Mantel und Rock beschenkt wieder heimge- 
schickt Schlimmer ergeht es dem Wahrsager (958), dem Mathemati- 
ker (993), dem Regierungscommissariu8( 1021) und dem Gesetzschreiber 
(1035). Nach mancherlei Verhöhnung, die auf sie nicht den gewünsch- 
Jen Eindruck macht, greift Peisthetaeros zu der ultima ratio , der Peit- 
sche, und jagt sie mit Schlägen davon. Ohne nothwendigen Zusam- 
menhang mit der Handlung selbst haben diese Scenen nur den Zweck, 
diesen weitverbreiteten und von Ar. vielverspotteten achtbaren Mitglie- 
dern der athenischen Bürgerschaft auch in diesem Stück im vorbei- 
gehn des Dichters ergebenstes Compliment zu machen. 



4M G« Koek: di« Vdgel des Aristophaaes« 

Die zureite Parabase, welche jetzl euittiU (1058X um die Zeit aus- 
zufiiUeQ, in welcher der Bau der Mauer vor skh geht, enthält neben 
Lobpreisungen auf das giad^selige Vogeldasein em strenges- Ediet ge- 
gen die Vogelhändler und die übliche Ermahnung an die Richter, dem 
StQcke den Sieg zii verleihen» Kaum ist sie beendet, 90 stürzt in alhem- 
loser Hast ein Bote herein, um die glückliche Vollendung des Mauer- 
baus zu melden (1133). Der Bau selbst wird in der ergötzlichsten Weise 
geschildert» Dem Glücksboten auf dem Fusze folgt ein anderer (1170); 
er meldet Gefahr. *£in geflügelter Gott ist in die Stadt eingedrungen/ 
Allgemeine Aufregung, Bewaffnung, Kampfeslust. Da erscheint der 
gefürchlete Gott, es ist Iris, die friedliche Götterbotin; sie soll von Zeus 
den Menschen den Befehl bringen» schleunigst eine genügende Portion 
Opferdampf hinanfzusendett, denn schon ist auf dem Olymp Hungers- 
noth ausgebrochen. Es gilt gleich im ersten Falle der dünkelvolien 
Anmaszung der Olympier die Berechtigung der Vogelg6tter entgegen* 
zuhatten. Dies ist der Grund, weshalb Pelsthetaeros gegen die schüch- 
terne Jungfrau mit allen Mitteln lasciven Spottes und brutaler Drohung 
auftritt. Nicht genug, sagt er, dasz sie selbst, wenn sie auch unsterb- 
lich sei, durch ihre Frechheit den Tod verdient habe; auch des 
Zeus Burg solle gestürmt und eingeäschert werden. Will Iris nicht der 
äuszersten Schmach ausgesetzt sein, so musz sie unverrichteter Sache 
zurückfUehn (1262). So ist denn das erste S<;harmützel des groszen 
Krieges für die Vögel siegreich gewesen; der Schreck der Iris wird 
auf die anderen Götter seinen Eindruck nicht verfehlen. Da, ein grösze- 
rer Erfolg, kommt der an die Menschen abgesandte Bote zurück (1271) 
und meldet in emphatischer Rede den überraschenden Erfolg seiner 
Sendung. Alle sterblichen sind begeistert von dem neuen Vogelthum, 
im Staats- und PrivaUefoen , in der Poesie zeigen sich die gewaltigen 
Wirkungen der Begei»lerung. Ganz Athea grast nach Vogelart auf 
der grünen Aue — der Processe and Gesetze, die Bürger sehen in 
sich und andern nur noch Vögel und nennen sich mit ihren Namen, in 
der gesamten Poesie ein ewiger Flügelschlag. Alles schickt sich zur 
Aoswanderung in die Vogelstadt an. Dies ist die Scene, in welcher 
die Aehnlichkeit der Athener mit den Vögeln am meisten als eine dem 
Dichter bewuste hervortritt. Was der letzle Bote gemeldet, kommt bald 
zu sichtbarer Erscheinung. Die verschiedenen Kategorien der Aus^ 
Wanderer erscheinen In würdigen Rcpraesentanten. Zunächst tritt ein 
braver Sohn auf (1337), den nichts mehr an den Gebräuchen der Vo- 
gel entzückt hat, als dasz bei einigen von ihnen das Junge den Vater 
ungestraft hacken und schlagen darf. Als er aber hört, dasz nach dem 
corpus ittvis der Störche die Jungen, wenn sie üiXf;^e geworden sind^ 
ihren Vater ernähren müssen, wird er bestürzt und beschämt und läset 
es sich gern gefallen, dasz er in einen Streithahn verwandelt von 
Pelsthetaeros nach Thrakien geschickt wird, um dort im Kampfe mit 
den Feinden seine jugendliche Hüze zu kühlen. ' Es folgt der Dithy- 
rambendichter Kinesias (1372) : er w^ill aus der Wolkenstadt neue ne- 
belschwebelnde Motive der Dichtung holen. Selbst Hohn und Schläge 



C. Ko^k : di6 Y%el de'sT Arietoj^iafies. 40t 

köhheaäeuieit poetischen.Dranf^ nicht h/ömmeni,^ in Nebelduft und Aeiher-» 
gjot die Bichterbrust zu baden.' Ais dritter im Bunde erscheint der 
Sykophant (1410).. Um sein vom Groszvater ei^rbtes Geschäft ih ver^ 
voilkommneler Weise 8U belreibert^ braucht er Flügel. Dann katon er 
einen harmlosen fremden auf ferner Insöl schnell vorladen^* vor ihm 4n 
Athen eintreffen, ihn contumadiereh lassen und während jener «nf der 
Fahrt nach Athen begriffen ist, schon wieder auf der Insel sein und 
sein Besitzthum einziehen.. Für solche SchuAe gibt es nur ^inen FMI' 
gelschlag, mit der Peitsdie, und PeislhetaeEoa enthält ihm dieseii nicht 
vor. 

Schwerlich dQrfle jemandem die Admliefakeit entgebn, welche 
der letzte Auftritt mit dem cfrschcinen und deir Behandlung des Wahr* 
sagers, Gesetzhandlers usw. hat. Bei aller Aehnlichkeit ist er jedoch 
keine Wiederholung. Die dort auftretenden Personen kommen auf die 
erste* Kunde von der Gründung der Stadt herbei, sie wollen ^ön dieser 
Nutzen Üehn, sie bieten ihre Dienste für die Einrichtung derselben an« 
Hier dagegen erscheinen Fremdlinge, die sich in der Vogelstadt hie- 
deriassen oder an der Yogelnatur Theil haben wollen. Gleich ist in 
beiden Fällen nur die Nichtsnutzigkeit deir Ankömmlinge und ihre 
schmähliche Abweisung. Wenn iäa Interesse einer ganz strengen An-» 
läge des ganzen gegen die Wiederkehr so ähnlicher Situationen Be* 
denken möglich sind, so mnsz man doch der edlen Absicht des Dich< 
tei-s Rechnung tragen ^ der keine Gelegenheit versäumt, wo er die 
Erbfeinde des athenischen Staates mit Erfolg angreifen kculn. Für die 
Deutung des Stücks sind diese Scenen insofern- wichüg^, als sie klar 
darthun dasZ von einer principieilen Unsitllichkeit im Charakter de« 
Peisthetaeros oder der Vögel nicht die Rede sein kann« 

Nachdem so alles vorbereitet ist, was die Alisführung des Planes 
* erforderte, tritt unter den günstigsten Vorbedeutungen die Katastrophe 
selbst ein. Prometheus, sonst Menschenfreund, jetzt Vogeifreund, tritt 
unter einem Sonnenschirm auf (1494) , um. von Zeus nicht gesehn zu 
werden, und verrälh dem Peisthetaeros, wie verzweifelt die Sachen 
auf dem Olymp stehn. Sämtliche Götter halten unfreiwillige Fasten, 
die Triballer-Gottheiten drohen den hungrigen Olympiern obenein mit 
feindlichem Angriff, wofern diese nicht schleunigst die gesperrten Hau* 
delsstraszen öffnen, auf denen sie ihren Proviant von der Erde beziehn. 
Eine Gesandtschaft beider Götterclassen ist schon unterwegs, P. soll 
sich auf keinen Vertrag einlassen, wofern ihm nicht das Scepter der 
Welt und die Bastleia, die als Weib verkörpert* gedacht wird, abgetre- 
ten werden. Mit völliger Zuversicht emt^fängt daher P. die Gesandten 
selbst, Poseidon, Herakles und den stumpfsinnigen Triballer (1565). 
Ihm hegt am Friedensschlusz nichts , bewahre l Während die Götter 
hungern , bereitet er sich ja in aller Ruhe leckere Gerichte zu. Zwar 
Herakles kommt mit dem festen Entsohlusz den Kerl zu erwürgen; doch 
kaum zieht er mit seinen gierigen Nüstern den Bratenduft ein, so 
schmilzt sein Zorn ^wie Butter an der Sonne'. Da P. gegen Abtretung 
des Scepters Frieden und ein Frühstück in Aussicht stellt, scheint ihm 



402 C. Kock: die V5e^el iti Aristophanes. 

dies Opfer eine Kleinigkeit, er stiinmi fOx sofortiges FrQhst&ck« Poseidon 
freilich besitzt mehr Enthaltsamkeit, aber sein Götterverstand unterliegt 
bald der Ueberredungskunst des sehlauen Atheners, und Paragraph 1, 
in Betreff des Scepters, wird von Herakles, dem Triballer und dann 
atch von ihm angenommen« Der zweite Punkt, wegen Uebergabe der 
Basileia, ist bedenklicher, er scheint die Friedensconferenz sprengen 
tu wollen. Poseidon fordert seine Pässe, und von Herakles zurückge- 
halten macht er auch diesen bedenklich. Natürlich, mit Abtretung der 
Herschafl gibt ja Herakles sein eignes Erbe, das ihm nach Zehs Tode 
zufallen musz, auf. In dieser Noth musz das solonische Gesetz helfen, 
aus dem P. dem Herakles nachweist, dasz er als Bastard nicht erbbe- 
rechtigt sei. Sogleich kehrt Herakles der Appetit wieder, er stimmt für 
Uebergabe der Basileia, und da auch. das unverständliche Votum des 
Triballers als Zustimmung gedeutet wird, ist Poseidon in der Minorität; 
er enthält sich der Abstimmung. Herakles bleibt in der Vogelstadt, um 
die Zurichtung des Hochzeitschmauses zu beaufsichtigen; Poseidon 
und der Triballer führen P. nach dem Olymp, um sich Scepter und Ba* 
sileia zu holen. Tm Triumphzuge unter zujauchzen der Vögel kehrt er 
als allmächtiger Gebieter mit Donner und Blitz und allen Attributen der 
höchsten Gewalt zurück und feiert seine Thronbesteigung und sein Bei- 
lager mit Basileia. 

So endet die phantastische Komoedie. Reine Dichtung ist es, was 
wir vor uns haben, keine Philosophie, keine Geschichte, in seiner Ge- 
samtheit selbst keine Polemik. Des ewigen Kampfes gegen Demagogen 
und Staatseinrichtungen müde ruht der Dichter einmal im schwelgen- 
den Genüsse seines eignen Genius. Heute will er nicht Mängel auf- 
decken , nicht Thorheiten rügen , nicht Verbrechen geiszeln — thut er 
es dennoch, so geschieht es, weil selbst im höchsten poetischen Rau- 
sche seine praktische Energie nicht ganz in Schlummer sinkt — heute ' 
will er zeigen , dasz die Dichtung mehr vermag als die Wirklichkeit^ 
dasz der Dichter alles wagen, alles ausführen kann. Ist einmal ein 
philosophischer terminus nicht zu entbehren, wol, er läszt sich auch 
für die Vögel finden : das Stück bedeutet die absolute Souveränität des 
Dichtergeistes. Doch ist dies eine Abstraction , die wir aus der Poesie 
entnehmen, die aber von Ar. als solche nicht beabsichtigt ist. Das 
Stück verhält sich zur Gegenwart wie der Traum zur Wirklichkeit. 
Der Anstosz geht von der Gegenwart aus, das Gesetz der Folgerich- 
tigkeit beherscht die Dichtung wie die Wirklichkeit. Der Inhalt selbst 
ist rein phantastisch, and in dem Aether der Phantasie schwimmen 
wirkliche Thatsachen in gelöstem , nicht in freiem Zustande. Bildend 
eingewirkt haben auf die Entstehung des ganzen namentlich die zwei 
Hauplbegebenheiten des Jahres, der Zug nach Sicilien und der Her- 
menf)revel. Die Tendenz des Stückes enthält die Elemente des letzte- 
ren in phantastischer Vergröszerung, die Anlage und erste Ausführung 
des Planes entspricht dem ersteren. 

Anclam. Carl Kock. 



Zur Kritik 



Plutarchs Tischgesprächen. 



Von 

Richard Franke. 



406 R. Franke: zur Kritik von Plutarchs Tischg^esprächen. 

aber erklärt sich die Corruptel der Stelle, wenn wir als plutarchische 
Lesart annehmen : twv ovv lyyiaxu xijtfov 6 (ikv v% avtov %xL 
Nachdem ovv tyyiota in Cvvfyyiatu verdorben war , schob man zur 
Verbindung der beiden Sätze das unpassende yci(f und dies noch dazu 
an falscher Steile ein. 

In demselben Buch 4, 2 (p. 6S0 C) ist in den Worten o iihf ovv 
Heginl^ , • jtQmtog fQr letzteres Wort offenbar jtqatov herzu- 
stellen* Nicht als der erste pflegte er, so oft er zum Feldherrn gewählt 
war, sich jene Worte zuzurufen, sondern es war dies das erste was 
er that. 

Das 6e Gespräch desselben Buchs handelt über Alezanders Un- 
mäs^igkeit im trinken* Von Alexander kommt im 3n Cap« das Ge- 
spräch auf Mithridaf es Trinkgelage, was zugleich Gelegenheit gibt über 
dessen Beinamen Dionysos zu sprechen. Nach dieser Abschweifung 
kehrt das Gespräch wieder zu dem ersten Hiema zurück mit den Wor- 
ten ^.$24B): & twitovneQi xmv 9tolv moyewif ^v 6 XSyosy gerade als 
ob jetzt zum erstenmal die Unterhaltung auf die Unmäszigkeit im trin- 
ken komme. Es leuchtet ein daaz vor %sqI ein €tv^tg oder eki ähnliches 
Wort ausgefallen sein musz. In demselben 3n Cap. p. 634 C ist vor 
dem Worte ieixBqoi der Artikel ausgefallen. Die d&its^ sind eben 
die zum a(ftaxov eingeladenen; ebenso gut wie gleich darauf folgt 
ot xqIxoi 9tal xkaqftoi^ ist auch ot devxtgoi zu lesen. Auch II 1, 7 (p* 
$S2 F) ist in den Worten %al xov ieiitv^ovx« %xL der Artikel ausge- 
fallen. Denn dasz nicht der in den vorhergehenden Worten erwähnte 
Lakoner das Subject auch zu diesen Worten ist, ist klar; eine neue 
Person aber war mit aal o xov ieidvC^vta nxh einzuführen, wie rkh- 
1 ig gleich darauf %al o Xtywv folgt. 

Im 13n Gap. derselben quaestio werden die lückenhaften Worte 
tl {fLOvotKfi (1* qw^tniii) 4 9K^ff xa ipiXoiSxoQyla (p. 634 F) besser durch 
'Einschiebung von xinvet nach tii als durch Einschiebung von ixyov« 
ergänzt. In dieser Fassung nemlich hat dieselben Worte als Worte 
des Zenon der von Fähse (animadv. in Plut. opera p. 50) citierte Dioge- 
nes Laertios VII p. 511. 

ni 2, 1 (p. 648 B) sind die Worte nXiiv o xe fttrtog xvl. offenbar 
Verderbt, es kommt im folgenden kein zweites dem x$ entsprechendes 
^lied. Wie p. 667 F (uiltifxa xi von Xylander richtig in ^Xi4ti ys 
verändert worden ist, so ist auch hier für xe herzustellen fe* 

Ebd. aber p. 648 D ist eine gröszere Corruptel in dem plutarchi- 
schen Text. In dem vorigen Gespräch war über die Sitte verhandelt 
worden bei Tisch Blumenkränze aufzusetzen, undTryphon hatte da un- 
ter anderem die Nützlichkeit der Epheukränze bei Trinkgelagen da- 
durch zu erweisen gesucht, dasz er der kalten Natur des Epheu einen 
niederschlagenden Einflusz auf die Hitze des Weins zuschrieb. Diese 
Behauptung bekämpft jetzt Ammonios,^er den Epheu vielmehr als eins 
der von Natur heiszesten Gewächse hinstellen möchte. Zum Beweis 
dient ihm die Angabe des Theophrast, dasz, als Alexander griechische 
Gewächse in Babylon anzupflanzen befohlen habe, in diesen heiszen 



R. Franke : zur Kritik von Plularchs Tischgesprächen. 407 

Gebenden trotz aller Mühe allein der Epheu nicht fortgekommen sei. 
Offenbar sei der Grund der, dasz der Epheu, selbst heisz, die hei»2e 
Gegend nicht halie vertragen können. Denn eine allzu grosze Häufung 
von Wärme wie von Kälte sei verderblich , vielmehr strebe stets das 
kalte na<?b einer Hinzumischuug von Wärme und umgekehrt das warme, 
o^ev, fährt Plutarch fort, ot oi^Bivol xai Tcvwfjuxxcideig Kcil vupofuvoi 
%inoi> ra daömdti Kai 7Ci6<Sot^g>cs täv 9>vrcalv, (icchata Tcevuag xal 
6t(^ßllovs ing>iifOv<Siv, ävsv dhrovxmv . , tu öva^iya %ai ^x^« 
KpvXhiQqoti fUTiifottjfti tov ^f^ftov nal ap&svsla avifcelloiiivav %al nQO- 
isütavtog TO g>vr6v xrl/Was aviv 6i tommv hier sein soll, ist schwer 
einzusehn. Nach dem ganzen Zusammenhang erwartet man vielmehr 
ein iv di votg avxotg roicoig oder so etwas : kalte Gegenden erzeugen 
daher vorzuglich heisze Pflanzen, während ebenda von Natur schon 
kalte Pflanzen zu Grunde gehen , da ihnen so alle Wärme entzogen 
wird. Die Worte avsv de tovr^v erklären sich daher wol kaum an- 
ders als durch Annahme einer Lücke vor denselben, deren Inhalt etwa 
folgender gewesen sein mag: totg 6h ^XQotg t6v (pvx^v ^Siffimv öh 
xontov. So erst schlieszt sich avev 61 xovxiov (nemlich: ohne eine 
warme Gegend) passend an. 

In demselben Buch 8, 2 lesen wir die Worte (p. 656 D): inixQi 
yaq li^oov ov TtQOSiaiv* ixetvot 6i xo (Svve^ccuaQxdvov ixovxeg ov reo 
fiaXXov iXofifSxBXvy aXXa x^ [laXXoy laxvei,v iXiyxovxai. Zuerst von 
letzteren Worten. Das Gespräch handelt von der Trunkenheit, warum 
ganz trunkene Personen weniger auszer sich seien als halbtrunkcne. 
Plutarch zieht zur Erklärung dieser Erscheinung den Zustand des Kör- 
pers bei beiden hinzu. Bei halbtrunket^ sei die Besinnung allein 
getrübt; der Körper, noch nicht vom Wein Qberwälligt, sei noch im 
Stande dem Antrieb des Geistes zu gehorchen ; sei aber aueh er erst 
ganz überwältigt, so könne er nun dem Antrieb der Seele nicht mehr 
folgen. Es folgen die Wort^ inetvo^ %xL Jene, die halbtrunkenen, 
also sollen durch jene Erscheinung nicht einen höheren Grad voo 
Unvernunft, sondern blosz eine noch gröszere Kraft des Körpers zei- 
gen« Aber was heiszt xo avv$^a(ia(fxavov Sx^vxegl Wie darin ^illi 
corpus peccala animl adiuvans habentes' liegen soll , weisz ich nicht ; 
ein solcher demonstrativer Gebrauch des x6 für xovxo (x6 (SmfMc) dürfte 
kaum nachzuweisen sein* Vielmehr ist zu schreiben iiuivoi 6' avxo 
(sc. xo (fmiiä) 6vveiicc(iaQxavov l^ovre^. Doch auch (lixQ^ yoiQ iQyiov 
ov jtQOSusiv kann nicht richtig sein« ^Denn in diesem Zustand ist er 
zu jeder Handlung unfähig' (Kaltwasser) können die Worte nicht be- 
deuten, sie können blos heiszen /nam usque ad facta non progreditur', 
denn bis zu thatsächlichen Aeuszerungen bringt er, der Körper, es 
nicht mehr. So aber enthalten die Worte vielmehr ein neues Moment in 
der Hypothese Plutarchs als eine Begründung der vorhergehenden 
Worte, und es ist für yaQ zu lesen yovv: der Körper eines ganz trun- 
kenen folgt der Seele nicht mehr, wenigstens (wenn er etwa auch 
noch auf die Befehle der Seele achten sollte) bringt er es doch nich 
mehr zu thalsächlichen Aeuszerungen. 

Jahrb. f. class. Philol. Sappl. N. F. Bd. I Hft. 4. 28 



406 R. Franke: zur Kritik von Plotarchs Tischgesprächen. 

In dem folgenden Gespräch sind bis jeUl noch mehrere gramma- 
tische Fehler m ^en Ausgaben stehen geblieben. Dasselbe handelt über 
die Mischungsverhältnisse beim Weintrioken, Ober den bekannten Vers 
jj niyrt nlmi^ ij xqC i| fii} xlcöaqn^ dessen VorschriA ein gewisser 
Arislon scherzhaft mit der Lehre der Musiker vergleicht, wenn sie zwi- 
schen Quinte, Octave und Quarte unterscheiden und letztere als den 
öbelkUngendsten Accord hinstellen. Wie die Schwingungszahl der 
Töne in der Quinte im Verhältnis von 2 : 3 steht , so enthält das Mi- 
schungsverhältnis zu 6 Theilen 3 Theile Weins und 3 Theile Wassers ; 
wie die Octave das Verhältnis 1 : 3 hat, so enthält das zweite Mi- 
schungsverhältnis 1 Theil Weins und 2 Theile Wassers ; bei der Quarte 
freilich passt das Verhältnis der Töne (3 : 4) nicht mehr zu dem Ver- 
gleich, hier niusz also rein äuszerlich der Name des Accords (ij dta 
teaaaffav Cviuptavlay herhallen, indem die letzte Mischung des Weins 
zusammen 4 Theile (3 Wasser 1 Wein) enthält. Wir lesen hier p. 657 
C xiöcaf^ 6* ilg tva xqimv v9axog hn%Bo\Uv(av und ebenso kurz dar- 
auf ^ ffth' ivtlv n^ ipa. Es fragt sich, was für ein Substaiitlvum zu 
tva zu ergänzen sei. Man könnte fiva^iyv ergänzen wollen, doch 
braucht man nur die Worte ^ itivxs lävsiv ^r^/a^ fkii xiccaqa und 
das p. 657 B siehende ^ di ivuv itqbg xgia iiovaixtoxaxrj zu verglei- 
chen, um zu sehen dasz vielmehr hier wie dort fiiQog das zu suppiie- 
rende Substantiv und üva in iv zu verändern ist. Dasselbe gilt dem- 
nach auch von Wyllenbachs sonst wol richtiger Emendation der Worte 
p. 657 C nQOöiuywiiivmv Sveiv: es ist dafiir zu lesen nQog f v fuyw- 
liivmv dviiv. 

Im folgenden 4n Bu^^l , 2 zu Ende glaubt Wyttenbach die da- 
selbst angenommene Lü&e mit dem einzigen Worte rniäg ausfüllen zu 
können. Die Worte sind folgende : at yag ixxQOTtal xccl fuxaßoXal x^g 
itg vytUtv ev^itag inßiäiovct (1. i%ßißalov6i), von Wyttenbach über- 
setzt: *ubi mutationes et diverticula de recta ad sanitatem via delru- 
dunt'. Dasz wir mit einem so einfachen Supplement nicht auskommen, 
wird eine nähere Betrachtung der Stelle zeigen. Das Gespräch behan- 
delt die Frage, ob eine manigfallige und zusammengesetzte Speise oder 
eine einfache leichler zu verdauen sei. Letzteres behauptet Philinos, 
indem er die Manigfalligkeit der Speisen als in jeder Beziehung der 
Gesundheil nachtheilig hinzusteilen sucht. Ueberall , bei den Genüssen 
für das Auge, för das Ohr, für den Geruch sei das einfache das natur- 
gemäsze, ein aus vielem gemischter Genusz aber zu verwerfen. Aber, 
schlieszt er, eher glaube ich könnte man noch einem Musiker es hin- 
gehen lassen uns solche Musik anzupreisen oder einem Salbmeister, 
eine solche Salbe uns zu empfehlen, als einem Arzt, dasz er solche 
Speisen anrathe : at yag ixTQonal %xi. Die Worte haben nur dann 
einen Sinn , wenn man inxQonal und (lExaßoXal ganz speciell als Aus- 
schweifungen in der Bereitung der Speisen im Gegensalz zu den Aus- 
schweifungen dieser Art in anderen Genüssen fassen könnte. Dasz 
das aber diese Worle so schlechthin nicht bedeuten können ist klar, 
und wenn die lateinische Ueberselzung erklärt: *ubi mutationes* etc.. 



R. Franke: 2ur Kritik von Plutarchd Tischgesprächen, 409 

so ist. dies *ubi' eben rein erschlichen» Vielmehr müssen wir woi zu 
iitv(f<mixt und (Utaßolai noch den Genetiv t^g slg vyilav sv^slag be» 
ziehen, in dem Sinn: die Abschweifungen von dem Weg der Gesund- 
heit, wie sie ro nuvtodcaiov %al noixllov vr}g tQogj^g (]^. 661 F) mit 
sich bringt. Dann fehlt aber nothwendig zu htßißi^oviSi noch eine nä- 
here Bestimmung, etwa : Ixßißa^ovai [nokv (isl^ovog ^(läg aya^av r} ^ 
ti JtolvXOQ^ici xttl iiVQaXoupla wxl navca ra totavva]. . 

Dasselbe Gespräch enlhält noch andere offenbar corrupte Stellen, 
von denen ich noch zwei hier herausnehmen will. Zunächst können 
die Worte, die wir im nächsten Gap. p. 663 A lesen: italxo diaiQatv t^v 
xqofprpf unmöglich richtig sein. Markion übernimmt gegen Philinos die 
Verlheidigung der angegriffenen Speisen. Hatte . sich dieser unter an- 
derem auch auf die Diät der kranken, denen blosz eine einfache Speise 
zuträglich sei, berufen, so entgegnet Markion nun, dasz doch auch Ar- 
beit und herumtummeln in den Gymnasien gewis jeder als der Ver- 
dauung zuträglich anerkenne, und doch sei beides für kranke ganz 
unpassend. Neben novog und yviivdaia aber ist hier als drittes ange- 
führt TO ötatgav. t^v r(fogyrjv. Dies kann nichts weiter sein als das 
zertheilen der genossenen Speisen bei der Verdauung.. Dies passt aber 
nicht recht hierher, wo von einzelnen im allgemeinen den Verdauungs- 
process befördernden Mitteln, die aber doch dem kranken nicht zu- 
träglich seien, die Rede ist. Dasz das Siaigetv t^ XQoqyfjfv^ worin ja 
der ganze Verdauungsprocess besteht, der Verdauung zuträglich ist, 
versteht sich von selbst, und ebenso wenig läszt sich sagen dasz dies 
dem kranken nichts nütze. Vielmehr sind jene Mittel wegen der 
durch sie erfolgenden Zertheilung der Speisen ewteittcc, ohne doch auch 
zugleich dem kranken zuträglich zu sein; es* ist also zu lesen: dia ro 
dtetiQSiv rrfv Tf o^^v. 

Die zweite Stelle findet sich p. 663 F. Ich setze sie her, wie sie 
lückenhaft in den Hss. überliefert ist : i%etvo di 7C(og viiag AiAi^c tovg 
neQl SXaiucl nviiivovj oti ro iiiv ytoixllov itSviy xo dh i^diov 
£vo *^: teQOv äv f^v vn;€^ *« «v ag>il'gg. Daraus hat man seit 
Stephanus nach Amiotus und Turnebus gemacht: ort to filv Ttoixikov 
i]6i6v iiSUy vo dh i^diov evoQ£xt6tS(^Vy Sv tnv vTtBfßol^ (richtiger 
wol mit Turnebus nach den Spuren der Hss. xtiv wtsQßoXfiv xori Ttokv- 
qmylav) iq>ilyg. Im ganzen ist diese Emendation vortrefflich, ganz 
verfehlt aber ist das evo^exrore^v. Markion wiederholt hier noch ein- 
mal seinen Hauptgrund gegen Philinos Argumente, den schon p. 663 D 
ausgesprochenen, dasz zur Gesundheit nicht gehöre dasz man die Lust 
fliehe, dasz im Gegentheil dem Körper viel zuträglicher sei, was er mit 
Lust aufnehme , nur dürfe uns die Lust nicht zum Uebermasz im Ge- 
nusz fortrelszen. Aber was sagt er nach der jetzigen Lesart? ^es ent- 
geht euch, dasz die manigfache und zusammengesetzte Speise ange- 
nehmer für den Körper ist , dasz das angenehmere aber auch mehr 
Appetit erweckt', als ob Philinos daran gezweifelt und nicht viel- 
mehr gerade deshalb und wegen des dadurch leicht herbeigeführten 
Uebermaszes diese Art der Speisen verworfen habe. Ja es folgen die 

28* 



410 R. Franke: zur Kritik von Plotarchs Tischgesprächen. e 

Worte Sp tfi¥ imifßölil¥ wpHjfg, die in dieser VerlMndang^ geradezu 
shfinlos sind. Denn was hat mit dem durch eine Speise erweckten Ap- 
petit das Uebermasz im Oenusz derselben zu thun? Dasz eine schon 
im Uebermasz genossene ^eise keinen Appetit mehr erweckt, versteht / 

sich doch von selbst. Offenbar ist für iifOQi%tove(fOv vielmehr «vise- 
MTOVSQOV zu lesen; dasz das angenehmere, indem es der Körper 
mit mehr Lust in sich aufglimmt, auch der Verdauung zuträgli- 
cher ist, zuträglicher wenigstens, wenn man sich nur vor dem lieber- ! 
masz häte, das ist es was Markion sagen will. Auch Turnebus schon ' 
scheint dies gemerkt zu haben, wenn er liest cvo^xrors^v xal «9»- 
TPforeffOVj worin wol ein iWKnToriffov stecken mag. Und will man 
genau den Spuren der Hss. folgen, so iie^ze sich wol auch diese Les- ' 
arl verthoidigcn: es entgeht euch, wftrde dann Markien sagen, dasz : 
das manigfaltige angenehmer, das angenehmere aber mehr Appetit er- ' 
weckend und folglich auch leichter zu verdauen ist als das unan- *i 
genehme, wenn man nur vor Uebermaz sich hütet ! 
In demselben Buch stehen bei der Beschreibung des euboeischen . 
Bades Aedepsos im In €ap. des 4n Gesprächs (p. €67 C) Tolgende 
Worte: iiaXiOta il av^ito %»gtov anfiaiovvoQ laifog* noiXol yaf 
iq>t%vovvrai t^v «S^urv «vro&i koI övwnfalag ftotovvtai TnL^ • 
in der lat. Uebersetzung wiedergegeben durch *multi enim tunc eo 
conveniunt*. Und doch sollte ich meinen, dasz weder der Accusativ <^| 
Tifv ä^av noch das Adverbium aito^t so bei atpMvua^cti stehen 
könnte, beides blosz erklärlich bei einem Verbum wie etwa iun^ßHv. 
Es scheint hinter avro^i ein Participiam, etwa dior^ipows^, ausge- 
fallen zu sein. 

Mit mehr Sicherheit läszt sich der Anfang des 3n Cap. des ön 
Gesprächs herstellen , wo wir p. 670 E in den Hss. lesen : ikli tov 
filv kayü90v ^ * vai iw riiv nQog tov iiivov int airmv fAV ^ * &ga ^- 
ifiov ifiL^SQi^atov. Es ist die Rede von der jüdischen Sitte kein 
Sehweinefleisch zu essen; ob dies aas Verehrung des Thiers oder aus « 

Abscheu und Ekel vor ihm geschehe. Kallistratos hat im vorigen Cap. 
versucht die Sitte auf eine Verehrung des Schweins bei den Juden zu- 
rückzuführen. Wie die Judeiv den Esel, schlosz er, der ihnen eine. 
Quelle gezeigt hätte, verehrten (vgl. Tac. Bist. V 4), so möchten sie ^ 

wol auch das Schwein verehren als Lehrer des säens und pflügena, 
nicht aus Ekel desselben sich enthalten , man müste denn behaupten 
wollen, dasz sie auch des Hasen sich deshalb enthielten, weil er ihnen 
als unreines Thier gelte. Ihm entgegnet jetzt Lamprias mit deii oben 
angefahrten Worten« die seit Wyttenbach nach Scaligers Conjectur so 
gelesen werden: aXXa rov (ihf Xaynov im^ovcui dicr Ti^y nqog xw * 

ovev, in uitmv ^v^wi^hna fuiXiarcc ^güovy ifitpi^utv (rov ovov 
hatte schon Stephanus angeblich *e veteribus codicibus' für tov (livov 
geschrieben). Wie das zu den Worten des Kaliislralos kurz vorher : ] 

xtfi 1009$ txH Xoyov^ mg tov ovov 6h ( I. öij) ivcup^vavxu TCtjfyi^v avtoS^ t 

viavog ri(iciciv^ ovxag xal t^v vv aißed^cti passt, wie im Wider- 
spruch damit hier auf einmal der Esel als ein von ihnen verabscheu- 



R. Franke: zur Kriük von Plutarchs Tischgesprächen. 411 

tes Thier bezeichnet werden kann — denn nichts weiter heiszl doch 
ft,vtsa%^ivtf)c, ebenso wieReiskes iitdoviievov (idkKSta ^riqiov — , ist 
inic unverständlich. Auch hier musz vielmehr nothwendig der Eset 
als ein %iii(6(Uvov vn avx&v ^qIov bezeichnet sein und nach den 
Spuren der Hss., deren Lesart rov ^Uv^w man nickt so ohne weiteres 
liätle übersehen sollen, lese ich: itii xiffi/ n(fbg rov [ovovy Ti(Aii^vov 
iic ofirmv iJtd[Xi]0ra ^ti^lmv, ifixpigBiav, 

Ganz rälhselhaft sind in dem prooemiam des 5n Buchs die Worte 
{p. 673 B)^i(S$ig ovofidxmv iv i^i^iKng vycoavfißoka. Es ist von 
den geistigen Unterhaltungen die Rede, denen selbst ungebildete Leute 
nach der Mahlzeit sich hinzugeben pflegten, indem sie sich eclvfyfutva 
Kai yQtq)Ovg und jene ^iaug ovofAvtiav vorlegten. Man hat dieselben 
erklärt durch die sog. Ia6^g>a : ein Wort wird gegeben und aufgege- 
ben ein anderes zu finden , dessen Buchslaben ihrem Zahlwerlh nach 
zusammengerechnet eine gleiche Summe geben wie die Buchstaben 
des ersten Worts. Für xmo^viißoktc dann liest Reiske xal akka vtco- 
iSviißoktt, Wyllenbach vermutet nal av(ißoka, Ersteres (wtoav(ißoka) 
ist gar kein Wort, letzteres (öviißokä) hier doch bei der Aufzählung 
einer Reihe ganz bestimmter Spiele ein viel zu allgemeines Wort: 
Kennzeichen, Merkmale. Mit Sicherheit wird sich die Stelle wol kaum 
herstellen lassen , doch vermute ich dasz zu lesen ist : &i<Seig ovofid^ 
xmv iv aQid'iiotg i^ V7tb av(iß6kov. Die ^i^eig ovofidnov ip cr^^- 
fi4>tg wurden dann zu erklären sein nicht von der Auffindung eines 
leoi^ff^ov zu einem bestimmten gegebenen Worte, sondern, was ja die 
Worte ebenso gut bedeuten können, von dem geben eines Namens 
durch Zahlen, d. h. blosz eine bestimmte Zahl wird aufgestellt und auf- 
gegeben dazu einen Namen zu finden, dessen Buchstaben den Zahl- 
werth der gegebenen Zahl haben. Daneben stände als zweite Art die- 
ses Spiels dann das finden eines Namens durch irgend ein anderes 
für denselben angegebenes Merkmal. 

Mit völliger Sicherheit läszt sich der plutarchische Text an einer 
anderen Stelle jetzt herstellen, die bisher wegen ungenügender Be- 
kanntschaft mit der Ueberlieferung zu den manigfachslen Conjecturen 
Veranlassung gegeben haU Ich meine die Worte zu Ende des 2n Cap. 
des 3(1 Gesprächs dieses Buchs <p. 676 E). Man las hier nach der bis- 
her bekannten handschriftlichen Ueberlieferung iq tcnkaj eljtsvj ovk 
aviyvanf (die Hss. ivtyvwi) r^v ^xvvy ag ov% iiül^Tnov ovdh viov^ 
akka naxi^iov %al nakaiov 81 driinia tmv ^Id^fUaiv öafivuvihnBg, ixl- 
vffiBv ouv viovg^ mg av nokviia^^g avtiQ fud nokvyqafAfuctog, Das 
Gespräch handelt davon, weshalb man wol die Fichte als Siegeskranz 
bei den Isthmien gewählt habe. Da die isthmischen Spiele von Posei- 
don zu Ehren des dem Dionysos verwandten Melikerles eingesetzt 
sein sollten, so sucht man alle möglichen Beziehungen der Fichte zu 
Poseidon wie zu Dionysos nachzuweisen. Dagegen nun tritt Cap. 2 
ein sehr gelehrter und belesener Rhetor auf und zeigt, wie gar nicht 
die Fichte, sondern der Eppich ursprünglich den Siegeskranz bei die- 
sen fielen hergegeben habe, wie die Fichte erst spät an die Stelle 



412 R« Franke : zur Kritik von Pkilarchs Tischg^esprächen. 

des Eppichs getreten sei, wie also alle jene nachgewiesenen Beziehun- 
gen hier gar nicht in Betracht kommen könnten. Es folgen zum 
Schlusz jene Worte, die so wie sie dastehen keinen Sinn geben. 
Reiske conjicierte daher, indem er nach bIjuv den Namen eines neuen 
Sprechers ausgefallen sein liesz: eltay ilntv^^^ ovx aviyvng rovg 
Tip' nltwt — xal 'nalatO¥ CtifAfia xmv ^iS^filmv <S6(Avvvovtccg; itUvti- 
0iv ovv toig viovg mg »rl. Der Artikel bei viovg ist allerdings nö- 
thig, aber die Emendation der vorhergehenden Worte gibt nicht einmal 
den hier passenden Sinn. Der ytoXvfAu^iig %al jtolvy^ifAiitt^ 
tog ivi^Qj der auf die Jugend zwar Eindruck macht, den Lukanios 
jedoch (Cap. 3) mit all seiner Gelehrsamkeit nicht zu tauschen, ver- 
mag, ist offenbar eben jener gelehrte und belesene Rhetor, nicht der 
neue Sprecher, den Reiske einschiebt. Auf jenen Rhetor also müssen 
nolhwendig auch die Worte sich beziehen, die dem iütvffliv unmittel- 
bar vorangehen. Und insofern ist Wyttenbachs Emendation. nicht un- 
passend, wenn er mit Weglassung des ij liest : tavxa ebcdv, ov% avu^ 
yvovg X9vg t^v nlxvv tag ovx ' — xal Ttalaiov 6h aximut zw ^lö&^Uav 
CifAvvvavtug , ix/vi^as rov^ viovg %xL Doch dieselbe weicht zu sehr 
von den Spuren der Hss. ab. Eine andere handschriftliche Lesart gibt 
uns jetzt Dübner in seiner Ausgabe , bei dem die Stelle ganz corrupt 
sich in folgender Weise findet: ^ xcma^ sIjccv^ ov» iviyvm %a- 
xivfAal COi Xf^v nlxw — CBiivvvovxeg. Mit Veränderung eines ein- 
zigen Buchstabens ist danach zu lesen: { ravra, slitiv^ ovx iveyvm- 
xaxt ifUig ot xifv nlxvv mg — d2 axi(iiitx xäv la^fiimv atuvvvovxeg ) 
inlvrfiiv ovv xovg viovg xtI. 

Im 5n Gespräch dieses Buchs Cap. 2 (p. 679 D) stehen die Worte : 
btitfiditot ih x^ [ikv ^ysfiovi dsmvl^ovxi CvvdunvBlv oft' oQxovxsg^ 
luv iöi 9/iLo», nuA ot itffmxot xtjg noXstog. Das Gespräch bespricht 
die Unsitte allzu viele zum Mahle einzuladen. Plutarchs Groszvater 
Lamprias schlägt als Mittel gegen solche allzu zahlreich besuchte Sym- 
posien vor, dasz man nicht, wie es wol geschehe, nur ganz selten 
Symposien geben solle , wo man dann freilich niemand von dem gan- 
zen Kreis der Bekannten ausschlieszen könne, sondern man solle recht 
häufig einladen und dann jedesmal nur wenige. Offenbar will er also 
nicht dasz der Gastgeber überhaupt in seinen Einladungen auf einen 
Theil der Bekannten sich beschränken solle, sondern er soll alle ein- 
laden, aber nur nach und nach, nicht alle auf einmal. Wenn er daher 
weiter fortfährt: nom ii xiva xov nolXov xmv fplXtav nlrfiovg diax^«> 
tfiv x«l xf^ alxlag 8tf(vs»f^ indoytafiog (p. 679 C), so kann sich 
dies nur beziehen auf die Auswahl der Freunde für jedes einzelne 
Symposion, wie man da bestimmen solle, wer heule einzuladen sei, 
wer morgen, nicht überhaupt auf die Beschränkung auf eine bestimmte 
Anzahl von Freunden bei allen Einladungen. Und nun kommt als Bei- 
spiel : r^ iilv fiyeiiovi öemvl^ovxt xrl. Könnte man das übersetzen, wie 
es Kaltwasser thut: *wer zum Beispiel einen Groszen tractiert, Ihul 
am besten , wenn er die obrigkeitlichen Personen und andere angese- 
hene Männer der Stadt , die seine Freunde sind y mit dazu nimml% so 



. R. Franke: zur Kritik von Plutatchs Tischgesprächen. 413 

-passten die Worte vollkommeii, aber iunvl^eiv mit dem Dativ im Sirni 
. von ^jemanden bewirten' ist ungriechisch. Vielmehr heiszen die Worte 
nichts als wie die lat. Uebersetzung sie wiedergibt: ^idoneos voce 
.principi convivium praebenli eos', passend nenne ich für einen Gro- 
szen, der ein Gastmahl gibt, die usw. Gleich das erste Beispiel ist aber 
ein solches, was gar nicht in diesen Zusammenhang passt; denn es 
sagt uns nicht etwa, wen ein Groszer bei dieser, wen bei jener Gele- 
genheit einladen solle, sondern wer überhaupt — offenbar also bei 
allen Symposien die er gibt — geeignet sei bei ihm zu speisen.\ Dazu 
kommt die in dieser Verbindung geradezu lächerliche Vorschrift , die 
die Worte iav £isi g>£koi enthalten. Der Rath brauchte doch einem 
Groszen nicht erst gegeben zu werden, dasz er, wenn er einlade, die 
einlade die ihm Heb wären. Beachten wir dies alles, .so erhellt dasz 

* (ur fiysfAOVi herzustellen ist tiyefAOvay in dem Sinn wie Kaltwassers 

. Uebersetzung ihn gibt. So passt das Beispiel in die Reihe der übrigen, 
es gibt jetzt die Vorschrift für die Auswahl der Gäste bei einem durch 
eine bestimmte Veranlassung — die Bewirtung eines Groszen — 

^ hervorgerufenen Mahle ; so passt auch das iav (oai q>lloi^ eine für man- 

' chen vielleicht, nicht so ganz unnöthige Mahnung darauf zu sehen, 
ob die geladenen Gäste für den bewirteten Groszen auch personae 
gratae seien. 

In demselben Buch 7, 1 stehen p. 680 C die Worte: oktaq 6iy 
elnevj o ^ritav iv inidxfji xo evlayov^ i% navroiv ivaiget ti &av(ita^ 
Ciov. Der Zusammenhang zeigt, dasz diese Worte so nicht richtig sein 

' kennen. Ueber das sogenannte beschreien wird gesprochen. Die 
meisten lachen darüber und erklären die Sache für einen Aberglauben ; 
der Wirt Metrius Florus aber meint, dasz man doch bei der Menge 
von eonslalierten Fällen dieser Art unrecht thue so schlechthin die 
Sache abzuleugnen , zumal da ja bei unzähligen anderen Erscheinun- 
gen der Grund derselben ebenso unbegreiflich sei und doch ihre Exis- 

' tenz unzweifelhaft feststehe. Es folgen die oben angeführten Worte, 
eine hier, wo es darauf ankommt zu zeigen, dasz man unrecht thue 
jedes wunderbare und scheinbar unbegreifliche auch gleich abzuleug- 
nen , ziemlich müszige Bemerkung. Denn das kann auch der Gegner 
dem Florus immerhin zugeben, dasz man durch ein solches Verfahren 

' alles wunderbare aus der NaUir geradezu entfernt; dadurch ist noch 
nicht bewiesen, dasz ein so^hes Verfahren nun auch ein unberechtig- 
tes sei. Es kommt hinzu der folgende mit yiq eingeleitete Satz, in dem 
wir also eine Begründung der hier ausgesprochenen Worte erwarten 
sollten. Er lautet oko* yuQ 6 t% ahlag iTtilslmi koyog, iiist&iv &Qxe^ 
vai tä aitOQBtv^ to^vian xo g>iXo<Soq)eiv. Was ist das aber für ein Ge- 
dänkenzuj8amme«üang: *wer blosz glaubt, was er mit seinem Versland 
fassen kann, h^^bt alle Wunder auf : denn wo die Erklärung einer Er- 
scheinung i«is fehlt, da musz vielmehr das zweifeln d. i. das philo- 
sophieren stnfangen, da musz man vielmehr, anstatt. die Sache schlecht- 
hin abzi*««gnen, anfangen nach dem Grund derselben sich umzusehn' ? 
Oifenwur erklären diese Worte nicht, weshalb einer so alles wunder* 



414 R. Franke: zur Kritik von PluUrohs Tischgesprächen. 

bare aus der Natnr entfernt, sondern weshalb man nicht berech- 
tigt ist alles wunderbare zu bezweifeln, weshalb man unrecht thut 
so zu handeln. Unrecht daran thut man eben deshalb, weil eine Sache 
die unbegreiflich scheint deshalb noch nicht unbegreiflich zu sein 
braucht, weil es vielmehr nun die Sache der Philosophie ist, den ver- 
borgenen Grund derselben aufousuchen. Die Worte scheinen also so 
wie sie ftberliefert sind nicht von Plularch herzurühren, und es darfle, 
will man nicht ein gröszeres Verderbnis annehmen, wol das olag aus 
aXoymg entstanden sein. Erst so wird alles klar : ^mitUnrecht' 
sagt er jetzt ^entfernt der, der alles unbegreiflich scheinende bezweifelt, 
das wunderbare aus der Natur: denn das scheinbar unbegreifliche der 
Sache sollte ihn vieünehr zu näherer Untersuchung darüber veranlassen. 
Ebd. Cap. 5 g. E. (p. 682 F) passen die Worte Tothro dh ylvB- 
rsri fnälXov ano tmv n(fog vdaai¥ tj xusw alXotq ic6nt(fotg vfptCxu- 
fUvwv fwfutT€9v nicht in den Zusammenhang. Plularch selbst hat als 
seinen Beitrag zur Unterhaltung eine Erklärung der berübften Erschei- 
nung gegeben, darin bestehend, dasz das beschreien durch gewisse 
körperliche Ausflösse aus den Augen des beschreienden auf den dem 
er schade erfolgen möge. Dagegen wandte im vorigen Cap. Sokiaros 
ein, dasz man ja auch von Personen erzähle, die sich selbst beschrieen 
hätten, wie ein gewisser in voller Jugendblüte stehender Eutelidas, in- 
dem er sein eignes Bild im Spiegel eines Flusses betrachtet habe , der 
^age nach augenblicklich von Krankheit ergriffen worden sei. Das 
passe doch in keiner Welse zu jener Erklärung. Darüber läszt sich 
nun hier Plularch vernehmen und zwar so dasz er zugibt, wie wol dies 
favTov xataßacncilvHv auf einem bloszen Aberglauben beruhen möge. 
Man sehe sich eben dann, meint er,, am liebsten, wenn man in der 
frischesten BtAte der Jugend stehe, gerade diese höchste Blüte des Le- 
bens aber sei nach Hippokrafes auch am leichtesten zu einem schnellen 
Umschlag geneigt, weshalb es woi geschehen könne dasz bei einem 
solchen Menschen in demselben Augenblick, wo er sich eben noch voll 
Stolz im Spiegel beschaue , dieser Umschlag eintrete , den man dann 
fälschlich mit diesem beschauen im Spiegel in einen Causalzusammen- 
hang bringe. Das der Sinn der vorhergehenden Worte, es folgen die 
oben angeführten : ^dies geschieht aber leichter, wenn die Ausflüsse der 
Augen auf eine Wasserfläche, als we^n sie auf eine andere Art von 
Spiegeln fallen' (Kaltwasser). Was in after Welt geschieht denn da 
leichter? Dasz sie zu dem falschen Schlusi kommen, der schon vor 
dem beschauen in ihrem Körper vorhanden giwesene Umschlag ihrer 
Gesundheit sei durch das beschauen herbeigefuh^? Denn davon allein 
ist doch vorher die Rede. Das gibt keinen Sinn , sondern die Worte 
müssen sich auf eine zweite Ansicht Plutarchs übet die Erscheinung 
des iannov %avaßa0KalvBiv beziehen, in welcher er au<a^ die Möglich- 
keit eines wirUich vorhandenen Causalzusammenbangs zvi^chen dem 
beschauen und dem darauf erfolgenden Umschlag der Gesundheit be- 
hauptet halle, wie diese Ansicht die folgenden Worte genb^er aus- 
sprechen : avuenvet yiiQ in avtovg tovg o((€9wag (sc. xa ix xoSv h^uk- 



R. Franke : zur Kritik von Plutarchs Tischgesprächen. 415 

fftfjov ^BV(A(na)j S^s olg kiqwg Ißkojtwv avxovg fucm^a^ai. Wir 
mOssen also vor vovro de ylvetm eine LQcke annehmen, in der er 
kurz schon diese zweite Ansicht angedeutet hatte , auf welche Andeu- 
tung sich dann rovro i\ ylvevat bezieht, d. h. wir haben blosz, da auch 
das vorhergehende kfyovtai in den Hss. fehlt und erst nach Vulcobius 
Gonjeetur aufgenommen ist, anzuerkennen , dasz die in den Hss. vor- 
handene Lücke eine gröszere ist als man geglaubt hat. Dies führt uns 
zugleich auch auf eine richtigere Erklärung der berührten Worte ; das 
^ derselben kann nicht ein auf fiaiULov bezügliches quam sein, wie es 
auch die lat. Ueberselzung nimmt, sondern es musz durch ^oder* über- 
setzt werden. Dies erhellt deuüich genug daraus , dasz der folgende 
Satz (ivanvst ya^f «tI.), in dem wir eine Begründung dieser Worte 
erwarten, auch nidht im geringsten etwas über einen Unterschied zwi- 
schen dem beschauen in einem Spiegel und dem im Wasser enthält. 
Beachten wir dies alles, so stellt sich der Sinn der ausgefallenen Worte 
etwa folgendermaszen dar: ^vielleieht irre ich mich aber auch in die- 
ser Erklärung und die Sache (Tovro d. i. %o lavrov fuxtccßaöTccUvuv) 
erklärt sich vielmehr ganz natürlich durch die im Wasser oder in 
anderen Spiegeln sich fangenden Ausflüsse aus den Augen des sich 
selbst betrachtenden', woran sich dann das ivanvsi yccQ xtI. ganz un^- 
gezwungen anschlieszU Die ausgefallenen griechischen Worte finden 
zu wollen wäre natürlich ein ganz vergebliches Unternehmen, dem 
Sinn nach aber dürfte ein t(Sag d' ovd' ovtfog l%£t nach Uyowai voll- 
kommen genügen. 

Im 6n Buc£t^ das le Gap, des 3n Gesprächs in äuszerst corrup- 
ter Gestalt uns überliefert. Gleich den Anfang (p. 689 A) hat Wytten- 
bach in folgender Weise herzustellen gesucht: xaxa (codd. xorl) 
rcrvta, lg>ru (isxQltog kiyetS^ai kccI ycQog vrjv (fehlt in den Hss.) aklriv 
inoqUiv tag tmv no^mv Tuvmösig nal avankvj^wfeig iv t^ »a^avT/xa, 
Toig 6i d»^(otftv ivawlov Cv^ßaivuv^ olg (fehlt in den Hss.), iiiv 
ilifpayans^Vy ircträvBiv (codd. htixtlvHv öviißalvsi) to d/ifn>$, eine 
Emendation mit der kaum der Wortlaut und Sinn der plutarchischen 
Steile richtig getroffen sein dürfte. Plularch halle im vorigen Gespräch 
entschieden die Ansicht derer bekämpft, die Hunger und Durst auf 
einen gewissen fUva6%fiiiavtä(Aog rcoV ^6(fmy zurückführen wollten, 
anstatt dieselben nach der gewöhnlichen Ansicht als eine Ivöeia des 
Körpers zu erklären; er hatte diese ganze Porentheorie dort verwor- 
fen, um 80 mehr da ja diese Veränderung und Umformung der Poren 
selbst zuletzt doch nur auf eine Vollheit oder Leerheil derselben hin- 
auskommen könne , also mit der gewöhnlichen Annahme einer Ivd^ui 
ganz zusammenfalle. Daran knüpft hier der Gastgeber des Mahles an, 
den also Wyttenbach etwa folgendes sagen läszt: Plutarch habe mit 
dieser Leerheit oder Anfüllung der Poren ganz das richtige getroffen, 
soweit das bei einer so extemporierten Untersuchung möglich sei (iv 
t^ naQavxlKaX habe das richtige getroffen sowol in dem was er selbst 
schon angeführt (%ata ravta) als auch in Bezug auf die übrigen Er- 
scheinungen, die man sonst noch etwa zu dieser Frage hinzuziehen 



416 R. Franke : zur Kritik von Plutarchs Tischgesprächen. 

könne. (^ aklri ano^); auch. diese also würden sich dadurch wol er- 
klären lassen, nur ^ins widerspreche, die Erfahrung dasz, wenn dur- 
stende essen , ihr Durst nur noch zunehme. Es ist hier nicht ganz 
klar , inwiefern darin ein Widerspruch gegen Plutarchs Ansicht liege, 
ein WiderspjTuch also dagegen dasz , wenn man überhaupt die Poren 
hier ins Spiel kommen lassen wolle, die ganze. Veränderung in Bezug 
auf sie doch blosz in einer Leere oder Vollheit derselben bestehen 
könne. Allerdings geht der redende im folgenden über Plutarchs Mei- 
nung hinaus , indem er einige seiner Poren, als enger und feiner (die 
zur Aufnahme der iielränke bestimmten), andere als weiter und grö^ 
her annimmt (die für die Speisen), und überhaupt irrt er, wenn er die 
Ansicht über eine nivanStg und ivoTtXi^^Cig t&v noQtav zur Erklärung 
von Hudger und Durst (2, 2 z. E.) als die wahr« Ansicht Plutarchs 
auffaszt. Denn dasz dieser vielmehr von der ganzen Porentheorie hier 
nichts wissen will, zeigt deutlich das folgende Cap. dieses Gesprächs. 
Wenn derselbe also doch vorher von einer Leere und Vollheit der Po- 
ren sprach, so geschah das blosz hypothetisch: ^wenn man aber 
durichaus die Poren hier herbeiziehen will (was man in Wahrheil kei- 
neswegs darf), so kommt doch selbst hier diese Erscheinung nur auf 
eine Leere oder Vollheit derselben hinaus'. Abgesehn aber von die- 
sem Irthum des Sprechers findet er sich mit seiner Erklärung der 
neuen in diesem Gespräch behandelten Frage vielmehr ganz im Ein- 
klang mit Plularch. Der Hunger wird ihm durchs trinken gestillt, weil 
die Getränke nicht nur in die feinern Poren, deren Leere den Durst 
veranlaszt, sondern aiich in die grobem Poren einbringen werden, de- 
ren Leerheit den Hunger bedingt; ein dürstender dagegen kann 
essen so viel, er will, was er so in sich aufnimmt ist zu grob um in 
die Poren des Durstes gelangen zu . können , stillt also blosz den Hun- 
ger. Dazu kommt dasz nach Wyltenbachs Herstellung der Worte hier 
blosz ein Theil der Erscheinung berührt sein würde, über die wir 
gleich nachher den redenden sprechen hören. Nicht blosz darum ja 
handelt es sich, weshalb dürstende, wenn sie essen, nur noch mehr 
Durst empfinden; ein anderer Theil der Frage ist diic xl Teeivmwsg, 
'iav TtlmOi^ navovtuL. Beachten wir dies alles, so sehen wir dasz mit 
Veränderung einzelner Worte hier nichts getj^an ist, dasz wir viel- 
mehr, wie so oft im Plularch, durch Annahme einer Lücke uns helfen 
müssen. Es scheinen nemlich nach iv xa 7ta(favxUa eine Anzahl 
Worte ausgefallen zu sein; dem Sinn würde etwa. folgende Einschie- 
bung genügen: [xiiv m^avmxaxriv öoksiv avxa kvöiv 7taQi%$iv^ dtoxi 
9cuvavx€g (livj oxav nUofSi^ naiovxai^ xoiq 8\ 8ii^>m<Stv xri. Die übri- 
gen Worte könnten dann unverändert stehen bleiben in dem Sinn : er 
sagte, so wol das vorige sei verständig von Plutarch gesagt, als auch 
für eine neue Frage schienen ihm für den Augenblick die Anfüllungen 
und Ausleerungen der Poren die ansprechendste Erklärung zu geben 
für die Frage weshalb usw. 

Im 2a Cap. desselben Gesprächs ist p. 689 D avt?} yiti^ ^ n^q 
xo vyf^ov ivdfii^ts^ wie bis jetzt in den Ausgaben gelesen wird, un- 



R. Franke: zur Kritik von Plularchs Tischgesprächen. 417 

verständlich. Plotarch, der hier entge^^net, läszt die vorhin berührte 
Erscheinung^ selbst gelten, nur jener Erklärung durch engere und wei- 
tere Poren will er nicht zustimmen. ^Wenn auch jemand mit sol- 
chen Poren das ganze Flefisoh durchlöcherte und es dadurch ganz 
schlaff und schwammicht machte (sehr mit Unrecht schreibt hier 
Hütten aus der einzigen baseler Ausg. noii^aei für noii^iScig; die Sätz^ 
60 als zwei selbständige Sätze gefaszt, könnte dann lyimöglich ro y s 
(ifl xrl. folgen , es müste wenigstens to 6 h fAti heiszen) : das wurde 
er doch nie erweisen, dasz nicht die nemlichen Körpertheile Trank wie 
Speise aufnähmen, sondern beide wie durch ein ^eb gesondert einen 
verschiedenen Aufenthalt im Körper sich suchten.' Es folgt avtri 
yaq %xL Der Vermischung der festen Nahrung mit den zugleich ge- 
nossenen Flüssigkeiten also wird hier die Kraft zugeschrieben, erstere 
80 aufisulösen, dasz auch sie überall in den Körper, auch in dessen 
feinste Poren eindringen können. Von dieser Vermischung aber wird 
ganzvso gesprochen, als ob eben schon von ihr die Rede gewesen 
wäre (ttVTi} ^ avcrful^ heiszt es), während doch die vorhergehenden 
Worte auch nicht das geringste enthalten, worauf sich dies hinwei- 
sende vvxfi beziehen könnte. Das ganze wird erst versländlich, wenn 
wir für avvfi schreiben avriq: 'die Vermischung mit der Feuchtigkeit 
selbst, an und für sich schon genügt die festen Theile der Nah- 
rung aufzulösen'. 

Im 8n Gespräch Cap. 1 (p. 694 A) lesen wir in den Ausgaben die 
Worte: ro iihv oiv ßovki(iov iSoxei (liyav ij drifioaiov aitoarifialvBiv. 
Die Hss. enthalten blosz Atjxov. Das ganze Gespräch handelt von dem 
sog. ßövhfiog. Die eben angeführten Worte nun , so wie sie dastehen, 
können nicht richtig sein. Abgesehn von dem Xi(i6vj was man nach 
driiioiSiov erwartete und was auch Stephanus dort einschiebt, was man 
aber vielleicht auch aus ßovXifiOv ergänzen könnte, ist der Acc. ßov- 
Xifiov — denn o ßovhfiog heiszt es — grammalisch falsch. Richtig 
hat dasReiske erkannt, der schreibt: to (ih ovv ßov hfiov idousi xrl., 
indem er ßov von dem Redenden als eine Partikel in dem Sinn von 
*grosz, sehr' fassen läszt. Eine einfachere Emendation geben uns mit 
Berücksichtigung der handschriftlichen Lesart Plutarchs eigene Worte 
an die Hand, i^ritsho TT^corov, sagt er oben, vitig avxov rov ovo- 
liaroQj und ovofia ist es was wir vielmehr statt des ßov nach ovv, 
wonach es leicht ausfallen konnte, einschieben müssen: to fihv ovv 
ovoiia JUnov idoHßi (liyav xrl. 

Im In Gespräch des 7n Buchs ist ein Widerspruch zwischen zwei 
Stellen des Plutarch den Herausgebern entgangen. Es handelt von der 
Behauptung des Piaton , dasz das Getränk durch die Lunge gehe. Ein 
Arzt Nikias hat diese Behauptung im In Gap« angegriffen. Einen 
Grund dagegen (p. 698 B) nimmt er von dem bekannten griechischen 
Mischtrank her: Snuta xov nJüviiovog IbIov xorl nvxvov nccvtd^ 
naöi ytyovoTog it&g xo 6vv TtVTUmvi mvo^Bvov aktpixov di^siai nal 
ov% ivlöxsxM; Wenn man also, meint er, einen Durchgang des Ge- 
tränks durch die Longe annähme, so sei es nicht zu erklären, wie 



418 R. Franke; zur Kritik von Plttarchs Ttschgespräcken. 

dureh diesen ganz und gar glatten und festen Körper der Misch* 
trank z« B. durchgehen sollte, ohne dasz die festen Bestandtheile des* 
selben y das SX^aav^ hängen blieben. Ist es hier an und Ukx sich 
schon auffällig, die Lunge einen festen und glatten Körper genannt zu 
hören, so wird dies noch viel aufßlliger, wenn gerade aus dieser 
Glätte und Festigkeit derselben es hergeleitet wird, dasz feste durch 
sie hindurchgehende Nahrung in ihr hangen bleiben soll. Dasz hier 
eine Corruptel vorhanden sein musz, ist schon hieraus klar; zum 
Ueberflttsz zeigt es auch noch die Art, wie Plutarch im 3n Cap. auf 
diesen Einwand entgegnet. Er verlheidigt hier ganz entschieden die 
Meinung des Piaton, die Canale der Lunge seien aus keinem andern 
Grunde da als flvaut tw vyifdiv luA tcoit totg vygoig itVfAJtuifO" 
ItC^aivivxfov* Mit ganz entschiedener Beziehung auf unsere Stelle 
fährt er dann p. 699 B fort: %ai ovdhf ^ttov^ i (unuiQU, z^ vtleviiovi 
nfO0^ti6v hxiv ^ t^ ötoi^axtf^j 9w$ndii6vtti ro aXg>irov %al ra 
ic^/fAvov* ovih yitQ o avoiuixog i|f*iov Xttogy Sg xtvBg^ oid* olits^fi' 
^og, iclla S%u t^xfitijTticgj tttg eltwg iöu tit k&na xal iu%^ ne^fi- 
nhnovra ntd nQ06i4rxoiiiV€i dtag>^ei¥ riiv vuninoctv. Er sehreibt 
also der Lunge dasselbe Recht zu wie dem Magen, sogar feste Nah- 
rung durchlassen zu können, aus dem Grunde weil auch der Magen ja 
nicht glatt und schlüpfrig sei, sondern Unebenheiten habe, an denen 
ebenso gut kleine Theiie der festen Nahrung hängen bleiben müsten. 
Der Gegner Nikias musz also offenbar oben als Einwand gegen diese 
Function der Lunge sich nicht auf die wirklich nicht einmal vorhandene 
Glätte der Lunge , sondern vielmehr umgekehrt auf ihre xi^%vtfig be- 
rufen haben. Dasz demnach vor dem kitov xol %v%v^ der ersten 
Stelle eine Negation ausgefallen sein musz, ist klar: ich lese ov IbIov 
jmkI Jtvxviiv navtanaCi yeyovavog. 

In demselben Buch 2, 3 z. A. (p. 701 A) lesen wir: ixsivmv d' 
ov% av xiva zfjg ahlag tig iltpttav nqoic^m xipß irjxrfiiv (sc. ^ero). 
Das Gespräch bespricht den Grund, weshalb beim säen auf die Hörner 
von Ochsen fallende Körner hart und unerweichlich wurden. Plutarch 
soll seine Meinung darüber abgeben, lehnt dies aber unter Berufung 
auf eine Menge anderer gleich unerklärlicher Erscheinungen ab, und 
ebenso meinen zwei andere Gäste Patrokles und Euthydemos , dasz es 
vergeblich sein würde hier nach einer Erklärung zu suchen. Nur 
Florus hält diese Ablehnung für unberechtigt und meint, Masz nicht 
leicht jemand das forschen nach dem Grund jener Dinge als ein 
vergebliches aufgeben würde': denn weiter kann doch ovk av 
xiva nqolc^ai nichts bedeuten. Und doch haben eben erst Plutarch, 
Euthydemos und Patrokles jedes forschen hier für vergeblich erklärt 
und auch von Theophrast wurde im In Cap. dieselbe Ansicht ange- 
führt. Wie also Florus nach alle dem noch eine solche Erwartung he- 
gen kann, lieht man nicht ein. Eine Emendation der corrupten Stelle 
ergibt sich leicht, wenn man für ovjc av xiva schreibt oi iiiv xivai 
so erhalten wir den hier nothwendigen Sinn: er meinte, es dürfe 
niemand jenes forschen aufgeben, der handle unrecht der das Ihue. 



R. Franke : zur Kritik vdn Plutarchs Tischgesprächen. 419 

Die unmittelbar hierauf folgenden Worte sind ganz unverständ- 
lich und mit Sicherheit auch wol kaum zu emendieren. Klar wird die 
Rede erst wieder von doxet öiq fto« ^ ^XQOtrig mi. an. Aber auch 
hier ist noch ein leicht zu verbessernder Fehler stehen geblieben. Die 
Worte heiszen: Soxst öiq f&o» ^ flfvxQovrig ro arigctiiov iuacoiHv xotg 
te nvQotg nal rotg liÖQO'^i, mi^ovaa %al nriyvvavaa xriv t^iv a%Qi 
CKkfiQOTfjftog* ^ de ^€Q(i6xfig svöiäXvvov %al iialanov. Die 
Construction der letzten Worte kann keine andere sein als dasz wir 
ein Sonst (lot ifiitoutv hinzuergänzen und evöucXircov und (laluKOv als 
substantivierte Accusative des Neutrum wie vorher to atiQafiov fassen 
müssen. Ist das richtig, so kann aber auch hier unmöglich der Artikel 
fehlen und es ist zu lesen to svßuiXvrov xai (lakanov. 

Das 6e Gespräch desselben Buchs wurde früher erst mit den 
Worten to dh tcov i7tt%XrjfS(ov Sd-a^ %ri. (p. 707 A) begonnen, das vor- 
hergehende Stück aber von tov Msvilaav an noch zur vorhergehen- ■ 
den Frage gezogen. Dasz es nicht dorthin gehört, sondern zu unserer 
Frage, haben die Herausgeber richtig erkannt; auch kann wol darüber 
kein Zweifel sein, ob wir mit Xylander und Kaltwasser es erst an das 
Ende dieser Frage zu setzen haben, oder ob es, wie R,eiske und Wyt- 
tenbach dies Ihun, als Anfang des Gesprächs zu betrachten sei. Offen- 
bar nemlich haben wir uns hier an die Hss. zu hallen, die ihm die 
letztere Stelle zutheilen. Etwas aber hat man hierbei noch übersehen, 
dasz auf die Erzählung von dem ungeladen zum Mahle seines Bruders 
kommenden Menelaos, sowie sie hier steht, unmöglich so ohne alle 
Verbindung die obigen Worte folgen können, eine Bemerkung die sich 
jedem beim aufmerksamen durchlesen der Worte aufdrängen wird. 
Noch ist gar nichts davon gesagt, dasz über dies Thema bei einem 
Symposion einmal gesprochen worden sei ; es steht blosz die nackte 
Erzählung da dasz Homer uns von dem ungeladen zum Mahle kom- 
menden Menelaos erzähle, und unmittelbar soll folgen : to dl rmv htt- 
Tcliftciv S&og — i^rjftetTO ! Ich glaube , die Stelle wird erträglich erst, 
wenn wir vor diesen Worten eine Lücke annehmen , zu deren Ausfül- 
lung dem Sinn nach etwa folgendes vollkommen genügen würde : [negl 
rovrav navh koyaw ysvofAivfov iv CvfiTCoalm avxo {isv xovxo Ttäg xtg 
iTvgvei], xo de xxL Möglich dasz der Ausfall dieser Worte zugleich die 
Veranlassung ward, dasz man das vorhergehende , dadurch von dem 
Gespräch zu dem es gehörte losgerissene Stück falschlich zur vorigen 
Frage mii hinzunahm. 

Dresden. Richard Franke. 



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